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Das Kriminalgesetzbuch fur das Herzogtum Braunschweig bzw Criminalgesetzbuch fur das Herzogtum Braunschweig war ein Partikularstrafgesetzbuch im Herzogtum Braunschweig Es galt vom 1 Oktober 1840 bis zum 31 Dezember 1870 und wurde durch das Strafgesetzbuch fur den Norddeutschen Bund abgelost Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Strafrecht im Gebiet des spateren Herzogtums vor dem Kriminalgesetzbuch 1 2 Entwicklung des Gesetzbuches 1 3 Hauptpunkte des Gesetzbuches 1 4 Anderungsbestrebungen nach Erlass 2 Rezeption in anderen Staaten 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenStrafrecht im Gebiet des spateren Herzogtums vor dem Kriminalgesetzbuch Bearbeiten nbsp Das Herzogtum Braunschweig im Jahre 1914Im Gebiet des spateren Herzogtum Braunschweig hatte sich wie in vielen der in Norddeutschland liegenden Gebiete der Sachsenspiegel als Strafrecht durchgesetzt Er wurde dann langsam im 16 Jahrhundert durch die Constitutio Criminalis Carolina ersetzt die Grundlage der Gerichtsentscheidungen im Herzogtum wurde 1 In einer Verordnung vom 24 April 1568 von Heinrich dem Jungeren erlangte die Carolina knapp 36 Jahre nach ihrer Veroffentlichung im Herzogtum Gesetzeskraft Sie wurde auch erneut am 3 Februar 1570 publiziert durch den Heinrich nachfolgenden Herzog Julius Neben der Carolina die in ihrem Regelungsumfang nicht alle Delikte umfasste erliessen die Herzoge noch Landesverordnungen die aufgrund der in der Strafrechtswissenschaft vorherrschenden Abschreckungstheorie als Strafe immer die Todesstrafe vorsahen auch wenn es neben ihr noch andere Strafen gab 2 In der Strafrechtspraxis des Herzogtums begannen jedoch Richter im Laufe der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte Richterrecht zu entwickeln sofern sie die Bestimmungen der Carolina nicht mehr fur zeitgemass hielten Dies taten die Richter obwohl die Nichtbefolgung von Gesetzen unter Strafe stand Diese Praxis stiess insbesondere ab dem 17 Jahrhundert immer mehr auf Kritik 1 Diese Entwicklung zum Richterrecht wird nach Einschatzung ihren Grund in der starren und zunehmend veralteten Gesetzeslage genommen haben sodass der Richter sich als das Korrektiv der vorherrschenden jahrhundertealten Strafrechtssituation sah 2 Neben der Kritik am Richter wurde das Strafrecht als zu inhuman kritisiert insbesondere die fur fast jedes Delikt vorgesehene Todesstrafe 1 Im Jahr 1770 hatte der Landtag in Artikel 8 angemahnt die Landesrechte des Herzogtums in ein Gesetzbuch zusammentragen Dies wurde allerdings nie durchgefuhrt wohl auch wegen der zeitweisen Eingliederung des Herzogtums in das Konigreich Westphalen 2 Braunschweig hatte nach Ende der Napoleonischen Herrschaft in Europa obwohl es wie die Rheinprovinzen zum Konigreich Westphalen gehort hatte nicht auch das franzosische Strafrecht ubernommen allerdings auch nicht bereits wie Bayern und andere Staaten fruh Kodifikationen zu erlassen 3 Die Entwicklung des Richterrechts nahm im Herzogtum eine weitere Entwicklung als das Oberappellationsgericht Wolfenbuttel in einem Urteil aussprach dass die Carolina durch Gerichtsgebrauch abgeandert sei Das Strafmass war nun nur noch auf der Gerichtspraxis begrundet bzw sie beruhte auf den durch die Gerichtspraxis abgeanderten Carolina Dies gilt als eine entscheidende Entwicklung zu einer Kodifikation 2 Entwicklung des Gesetzbuches Bearbeiten Die Regierung in Braunschweig begann im 19 Jahrhundert mit Reformen und legte 1823 den Landstanden des Herzogtums einen Entwurf zur Reform des Diebstahls vor Dieser Entwurf wurde jedoch abgelehnt und stattdessen forderten die Landstande ein neues Kriminalgesetzbuch Am 30 September 1828 ernannte der Herzog Karl II eine Kommission die einen Entwurf erarbeiten sollte Diese nahm jedoch zunachst ihre Arbeit nicht auf 1 bzw blieb ergebnislos Im Jahr 1829 publizierte der Oberappellationsrat Friedrich Karl von Strombeck einen Gesetzbuch fur ein Norddeutsches Staatsgebiet zu dem auch das Herzogtum Braunschweig gehoren sollte Dieser Entwurf mit 600 Artikeln als zu unpraktikabel und aufgrund der Abkehr von der Todesstrafe als unattraktiv angesehen wurde allerdings kaum beachtet 3 Erst nach Drangen der Landstande gegenuber Herzog Wilhelm begannen die Beratungen ab dem Jahr 1831 Diese Beratungen dauerten fast zehn Jahre an Begrundet wird dies unter anderem mit dem Streit uber die Aufnahme der Todesstrafe als Strafart in das Gesetzbuch Das Ergebnis war die Aufnahme der Todesstrafe 1 1839 wurde dann ein Regierungsentwurf mit 266 Paragraphen vorgelegt Der Jurist Carl Mittermaier benennt den Minister Wilhelm von Schleinitz als Urheber des Entwurfes Dieser Entwurf wurde im Parlament diskutiert und es wurden noch einige Paragraphen geandert und erganzt insbesondere mit dem Zweck eine bessere Systematik herzustellen Das am 10 Juli 1840 dann erlassene Gesetzbuch hatte 287 Paragraphen Das Gesetzbuch trat nach seinem 1 am 1 Oktober 1840 in Kraft und loste nach 2 alle vorher geltenden Strafgesetze ab ausser die auf Staatsvertragen beruhenden Tatbestande und das Nebenstrafrecht das ausserhalb des Gegenstandes des Kriminalgesetzbuches lag 4 Damit loste das Gesetzbuch unter anderem die bis dahin geltende Carolina als Hauptstrafrecht des Herzogtums ab 1 Hauptpunkte des Gesetzbuches Bearbeiten Ein zentraler Punkt des Gesetzbuches war eine Starkung des richterlichen Ermessens Wahrend andere Kodifikationen auf dem von Feuerbach gepragten Grundsatz der Rechtssicherheit begannen das richterliche Ermessen einzuschranken und in der Wissenschaft eine Sorge vor richterlicher Willkur vorherrschte teilten die Verfasser des Gesetzbuches eine solche Sorge explizit nicht Auch enthalt die Kodifikation Ermachtigungen zur Analogie und zur ausserordentlichen Strafmilderung Damit pragte das Gesetzbuch einen eigenen dogmatischen Weg der jedoch sich nicht in der deutschen Strafrechtsgeschichte durchsetzen wurde Trotz aller richterlicher Autoritat blieb das Kriminalgesetzbuch bei einem Primat des Gesetzgebers und schrankte die Anderungsmoglichkeit des Richters fur einige Straftaten auch explizit ein 3 Der geringe Einfluss der kurzen Geltung des Code penal in Braunschweig wird an der Tatsache deutlich dass die Braunschweiger Gesetzgebung keine Dreiteilung der Tatbestande kannte sondern ausschliesslich Verbrechen Die Verfasser in Braunschweig massen der Unterscheidung keine praktische Bedeutung zu Auch zu einer Bestimmung der Gerichtszustandigkeit wie im Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 79 sah man in Braunschweig keinen Anlass Ein franzosischer Einfluss blieb jedoch erhalten So war die Nebenstrafe der polizeilichen Aufsicht zwar restriktiver aber doch am franzosischen Vorbild orientiert 3 Im Hinblick auf die Frage des Strafzweckes fanden sich die Verfasser des Gesetzbuches im 19 Jahrhundert in einer noch andauernden Diskussion der Strafrechtsgelehrten wieder So ist es kein Wunder dass die Braunschweiger einen eigenen Weg gingen Der Zweck der Strafe war die Erhaltung und Forderung der sittlichen Ordnung wobei sie sich auf die Theorie von Jeremy Bentham stutzten Jedoch blieb der Praventionsgedanke Paul Johann Anselm von Feuerbachs nach Einschatzung das dominierende Prinzip die Abschreckung sei nach den Verfassern ein Hauptelement zur Erhaltung des Rechtsfriedens 3 Das System unterschiedlicher Strafen wird als milde angesehen die Freiheitsstrafe ist die dominierende Strafart aufgeteilt in vier Abstufungen bspw Zuchthaus und Kettenstrafe Frauen konnten hochstens zu Zuchthaus verurteilt werden Der Strafvollzug im Herzogtum blieb jedoch streng insbesondere unter dem Prinzip der Vergeltung in der Tradition von Feuerbach Jedoch wurde auf die Zurschaustellung als Strafscharfung und die korperliche Zuchtigung als Strafe verzichtet Die Todesstrafe blieb zwar jedoch nur zum Schutz hochster Rechtsguter fur die Delikte Hochverrat und Mord Qualifizierte Todesstrafen waren dem Gesetzbuch fremd Der Gesetzgeber legte keine Vollstreckungsart fur die Todesstrafe fest Innerhalb der Freiheitsstrafen wurde die Gefangnishaft mit Arbeitspflicht die dominierende Bestrafung 3 Nach Ansicht des preussischen Strafrechtslehrers Albert Friedrich Berner handelte es sich bei dem Gesetzbuch um ein gut ausgearbeitetes Gesetz das in einem grossen Staat einen bedeutenden Einfluss gehabt hatte 1 Auch in anderen Schriften wurde das Werk gelobt insbesondere fur seine Kurze die eine Abkehr von ubermassiger Kasuistik war 3 Anderungsbestrebungen nach Erlass Bearbeiten Nach Erlass des Kriminalgesetzbuch kam es im Herzogtum nur zu geringen Anderungsbestrebungen Dies wird als ein Ausdruck der besonderen Qualitat der Gesetzgebung gesehen als Beispiel dafur wird unter anderem die Anpassungsfahigkeit durch eine Betonung eines richterlichen Entscheidungsfreiraumes gesehen Es kam jedoch trotzdem zu Anderungen des Gesetzbuches 5 Die erste Anderung erfolgte mit Gesetz vom 15 Januar 1852 Das Anderungsgesetz erganzte die 89 und 108 89 behandelte die Verbreitung falscher Nachrichten und Aufreizung und wurde um einen Tatbestand der die offentliche Schmahung von staatlichen und kirchlichen Institutionen bestrafte erganzt 108 behandelte die Verabredung und Aufforderung zur Widergesetzlichkeit und wurde erganzt um einen Tatbestand erganzt der die Verleitung zum Ungehorsam von Personen im Militarstand und Militardienst bestrafte Bei beiden Tatbestanden wurde als Tatmittel durch Wort Druck und Schrift erganzt 5 Die zweite Anderung erfolgte mit Gesetz vom 7 Februar 1856 und anderte die Strafbarkeit bei 159 und 160 Diese Delikte waren Korperverletzungsdelikte Die Anderung senkte das Strafmass fur die Herbeifuhrung einer Arbeitsunfahigkeit oder Krankheit von weniger als einem Monat und anderte die fur eine Korperverletzung in leidenschaftlicher Aufwallung 5 Am 7 Oktober 1863 wurden die Bankrotttatbestande reformiert Dies geschah unter dem Hintergrund der Einfuhrung des Handelsgesetzbuches wobei die Definition des Kaufmanns und der Pflichtenkatalog in den Tatbestand implementiert wurde Ebenfalls wurden die Strafen fur den mutwilligen und den fahrlassigen Bankrott reduziert 5 Eine vierte Anderung erfolgte durch das Gesetz vom 3 August 1867 Das Gesetz anderte die 81 Hochverrat und 84 Landesverrat ab um sie in Einklang mit Art 74 der Verfassung des Norddeutschen Bundes dessen Mitglied Braunschweig geworden war zu bringen Der Schutz des Norddeutschen Bundes wurde nun als Schutzgut aufgenommen Die Beleidigung und Verleumdung der Landesversammlung wurde aber hingegen seit dem nur noch auf Antrag verfolgt 5 Am 13 November 1849 sandte die Standeversammlung ein offizielles Schreiben an das Braunschweigische Staatsministerium mit der Bitte um Uberarbeitung des Gesetzbuches Im Vorfeld hatte am 20 Juli 1849 ein Landtagsabgeordneter ein Gutachten der Justizkommission des Landtags in Auftrag gegeben Dieses Gutachten forderte ganz im Sinne der Marzrevolution und ihrer Ideen die Abschaffung der Todesstrafe und eine Senkung des Strafmasses der politischen Straftaten Das Staatsministerium reagierte darauf jedoch nicht 5 Rezeption in anderen Staaten BearbeitenAm 15 Februar 1843 ubernahm das Furstentum Lippe Detmold das Braunschweigische Kriminalgesetzbuch in fast identischer Form als eigenes Kriminalgesetzbuch Als Grunde fur die Ubernahme werden die enge politischen und wirtschaftlichen Beziehungen beider Staaten aber auch dass sich beide Staaten das Oberappellationsgericht Wolfenbuttel teilten angefuhrt Das Strafgesetzbuch von Lippe war das einzige Gesetzbuch was das Braunschweiger Gesetzbuch wortgleich ubernahm Jedoch wird auch ein Einfluss auf das Hamburgische Criminalgesetzbuch von 1869 beschrieben So hat das Gesetzbuch bspw eine Milderungsbefugnis fur Richter ubernommen 4 Betrachtet man die Auswirkungen des Braunschweiger Entwurfes auf das Strafgesetzbuch fur die Preussischen Staaten von 1851 PrStGB so ist zunachst anzumerken dass es mit 1840 relativ spat im preussischen Kodifikationsprozess erlassen worden war Der Prozess hatte bereits 1825 begonnen Im Laufe der Jahrzehnte wurden mehrere Entwurfe veroffentlicht Der Einfluss des Braunschweiger Entwurfes auf die Entwurfe und das spatere Gesetzbuch wird als gering eingeschatzt was jedoch auf den Einfluss der meisten Kodifikationen der deutschen Staaten ebenso zutraf Im PrStGB lassen sich im Ergebnis nur untergeordnete Elemente auf die Braunschweiger Gesetzgebung zuruckfuhren Bspw beruhte die Fassung des Beschlagnahme 19 PrStGB teilweise auf der Regelung der Konfiskation in Braunschweig 21 6 In den Beratungen zum Strafgesetzbuch fur den Norddeutschen Bund NdStGB hielt sich Braunschweig zuruck Der Geheimrat Friedrich von Liebe war der Bevollmachtigte Braunschweigs im Bundesrat bei den Beratungen des Entwurfes von Friedberg Bei der Einrichtung einer Kommission zur Revision stellte Braunschweig kein Mitglied und versuchte auch nicht wie andere Staaten beratende Mitglieder einzubringen Dies war ein Ausdruck der Braunschweiger Politik die preussische Dominanz zu akzeptieren insbesondere ausgelost durch die ungeloste Nachfolgesituation des kinderlosen Herzogs Wilhelm was als Bedrohung der Eigenstandigkeit des Herzogtums gesehen wurde Auch verzichtete das Herzogtum bei den abschliessenden Beratungen des Kommissionsentwurfes auf Anderungsantrage Auch war in die Beratungen zum Norddeutschen Strafgesetzbuch nur das Justizministerium eingebunden und nicht wie bspw in Sachsen noch weitere Ressorts Zudem gab es keine Anderungsantrage in der Kommission des Reichstages und im Reichstag selbst Aufgrund der neutralen Politik und der Zuruckhaltung ist daher ein Einfluss Braunschweigs auf das NdStGB kaum feststellbar 7 Literatur BearbeitenBenedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 Weblinks BearbeitenDigitalisat eines ExemplarsAnmerkungen Bearbeiten a b c d e f g Tamara Cipolla Friedrich Karl von Strombeck Leben und Werk Unter besonderer Berucksichtigung des Entwurfes eines Strafgesetzbuches fur ein Norddeutsches Staatsgebiet Walter de Gruyter 2010 ISBN 978 3 89949 836 3 S 111 112 a b c d Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 11 13 a b c d e f g Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 231 232 234 236 241 a b Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 189 191 193 194 a b c d e f Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 201 203 Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 208 211 Benedikt Bessmann Das Strafrecht des Herzogtums Braunschweig im 19 Jahrhundert bis zum Reichsstrafgesetzbuch De Gruyter 2019 S 222 225 230 Abgerufen von https 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