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Das Herzogtum Friedland tschechisch Frydlantske vevodstvi war ein Herrschaftsgebiet das wahrend des Dreissigjahrigen Krieges in den Jahren 1621 25 bis 1634 bestand Das im nordostlichen Bohmen gelegene Territorium war eine Schopfung des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein der seit 1625 auch den Titel eines Herzogs von Friedland trug Namensgebend war die Stadt Friedland in Nordbohmen Residenzstadt war das im Bohmischen Paradies gelegene Jicin Gitschin Wappen Wallensteins als Herzog von Friedland vereinigtes Wappen der fur ihn zum Herzogtum erhobenen Herrschaft Friedland mit aufgelegtem Herzschild mit dem Wappen des Hauses WaldsteinAlbrecht von Wallenstein kaiserlicher Generalissimus im Dreissigjahrigen Krieg schuf sich mit der Herrschaft Friedland sein eigenes Herzogtum Kupferstich von Hendrik Hondius 1625 28Die konfiszierte Herrschaft Friedland erhielt Wallenstein 1621 vom bohmischen Landesherrn Kaiser Ferdinand II In den folgenden Jahren erwarb er umfangreiche Landereien vornehmlich von emigrierten protestantischen Exulanten damit umfasste sein Gebiet ein knappes Funftel des Konigreichs Bohmen Innerhalb weniger Jahre baute er sein Herzogtum als Musterstaat mit straffer Verwaltung auf Zugleich steigerte er die Produktion in Landwirtschaft Bergbau und Gewerbe und nutzte die Ertrage zur Versorgung seiner Armee Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Geschichte 3 Verwaltung 4 Kriegswirtschaft 5 Musterstaat 6 Auflosung 7 Literatur 8 EinzelnachweiseLage BearbeitenDas Herzogtum Friedland lag nordostlich von Prag Es umfasste den grossten Teil des Gebiets das vom bogenformigen Verlauf der Elbe in Bohmen umrahmt wird 1 Im Norden grenzte es an die Oberlausitz und im Osten an Schlesien Zum Herrschaftsgebiet gehorten das Iser und Teile des Riesengebirges mit dem Quellgebiet der Elbe Insgesamt umfasste das Herzogtum eine Flache von rund 9000 Quadratkilometern 2 Geschichte BearbeitenDie Entstehung des Herzogtums steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Niederschlagung des Bohmischen Standeaufstandes von 1618 durch die Kaiserliche Armee Nach der entscheidenden Schlacht am Weissen Berg 1620 und der Flucht des von den bohmischen Standen gewahlten Winterkonigs Friedrich V von der Pfalz aus Prag setzte Ferdinand II ein Strafgericht gegen die Rebellen ein das im Juni 1621 mit der offentlichen Hinrichtung von 27 Aufstandischen auf dem Altstadter Ring in Prag gipfelte 3 Die Guter der Rebellen wurden in grossem Umfang von der Krone konfisziert und neu an kaisertreue Herren vergeben 4 Zu diesen gehorte auch Wallenstein der im Januar 1622 zum Befehlshaber der Kaiserlichen in Bohmen ernannt wurde Diese Machtstellung und die damit verbundenen Erkenntnisse nutzte er um seinen Landerwerb zielstrebig voranzutreiben Begunstigt wurde Wallensteins Aufstieg zum Magnaten auch dadurch dass er wegen der fruher geleisteten Kriegsdienste als Regimentskommandant zum Glaubiger des Kaisers geworden war Wegen mangelnder Liquiditat in seiner Kriegskasse ging Ferdinand dazu uber diese Schulden vorlaufig durch die Verpfandung von Landereien zu begleichen 5 Schliesslich war Wallenstein auch Teilhaber des Prager Munzkonsortiums von 1622 um Hans de Witte das das Munzregal vom Kaiser pachtete und eine bewusste Inflation des Guldens durch Verminderung des Silbergehalts betrieb Wallenstein nutzte diese Gelegenheit um Landbesitz mitunter weit unter Wert aufzukaufen 6 Keimzelle des spateren Herzogtums waren die Herrschaften Friedland und Reichenberg die Ferdinand II im Juni 1621 zunachst an Wallenstein verpfandete und ihm ein Jahr darauf als ewiges Erblehen uberliess In einem Taumel des Tauschens Kaufens und Wiederverkaufens 7 kamen bis Anfang des Jahres 1624 49 weitere Guter und Besitzungen uberwiegend im Bohmischen Paradies hinzu u a die Stadte Horschitz und Bohmisch Leipa die Herrschaften Arnau Neuschloss mit Huhnerwasser Weisswasser Munchengratz 8 Hohenelbe Hirschberg Bosig Altperstein mit Schloss Neuperstein Burg Houska mit zehn Dorfern Burg Vidim mit sechzehn Dorfern Kopidlno Chomutice und Pecka das Wallenstein dem von ihm gegrundeten Kartauserkloster Karthaus schenkte Danach verfolgte Wallenstein erfolgreich das Ziel seine Erwerbungen zu einem geschlossenen Territorium zusammenzufugen und dauerhaft rechtlich abzusichern Nachdem Ferdinand II Wallenstein und dessen Nachkommen den Besitz Friedlands bereits 1622 als Fideikommiss bestatigt hatte erhob er das Territorium im Marz 1624 zunachst zum Furstentum und im Juni 1625 schliesslich zu einem Herzogtum 9 Dadurch war Wallenstein als Herzog von Friedland in den Reichsfurstenstand aufgestiegen gehorte allerdings nicht zu den Reichsstanden da das Herzogtum Friedland bohmisches Lehen blieb und nicht Reichslehen wurde Zudem ubertrug ihm Ferdinand II 1628 das schlesische Herzogtum Sagan nbsp Schloss Friedland nbsp Schloss Reichenberg nbsp Stadtpalais in Gitschin nbsp Schloss WeisswasserVerwaltung Bearbeiten nbsp Blick uber den Wallenstein Platz in Jicin der Residenz des Herzogtums FriedlandWallenstein etablierte sein Herzogtum Friedland durch den Aufbau einer straffen Verwaltungsstruktur die von einem ihm durch Amtseid verpflichteten Beamtenapparat getragen wurde Die Amtssprache war Deutsch welches im Norden des Herzogtums uberwog wahrend im Suden das Tschechische vorherrschte An der Spitze der Hierarchie stand der Landeshauptmann gleichsam als Stellvertreter des oft abwesenden Herzogs Von 1624 bis 1631 hatte dieses Amt Gerhard von Taxis inne 10 Dem Landeshauptmann unterstanden zwei Zentralbehorden Die fur die Wirtschafts und Finanzverwaltung zustandige Kammer und die Kanzlei fur den juristisch administrativen Bereich Auf der regionalen und lokalen Ebene waren die beiden Zweige der Verwaltung vereinigt Das Herzogtum gliederte sich in Bezirke die jeweils einem Hauptmann unterstanden daruber gab es Kreise mit Oberhauptleuten an der Spitze 11 Der Kammer unterstanden auch die Wallenstein personlich gehorenden Kammerguter die von den 24 Hauptleuten zentral verwaltet wurden Einige Stadte erlangten nach und nach den Status einer Freien Herzogsstadt mit autonomer Verwaltung neben Friedland und Gitschin auch Reichenberg Bohmisch Leipa Aicha Weisswasser Turnau und Arnau 12 Die besondere Forderung Wallensteins genoss das im Bohmischen Paradies gelegene Gitschin das er zur Residenzstadt des Herzogtums erhob Hier entfesselte er einen Bauboom wodurch sich der vormals unbedeutende Flecken innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum des Handwerks und des Handels entwickelte sowie zu einer reprasentativen Barockstadt Als deren Herzstuck war der neue herzogliche Palast vorgesehen der allerdings unvollendet blieb 13 Der Herzog bevorzugte als Wohnsitz das Prager Palais Waldstein Wallenstein rief im Rahmen der Gegenreformation die Jesuiten nach Gitschin die ein Jesuitenkolleg grundeten das zum Bildungszentrum der Stadt und des Herzogtums wurde Ebenso berief er Dominikaner und Kartauser in die Stadt und den Franziskanern ubergab er das Schloss Welisch In Bohmisch Leipa grundete er das Augustinerkloster Bohmisch Leipa und zum Gedenken an seine erste Ehefrau Lukrezia das Kartauserkloster in Walditz dem er auch die Schlosser Radim und Pecka mit zahlreichen Dorfern schenkte Er wandte sich jedoch gegen Gewaltmassnahmen bei der Rekatholisierung der Bevolkerung da er Unordnung und wirtschaftliche Verluste durch Emigration vermeiden wollte 14 Kriegswirtschaft Bearbeiten nbsp Albrecht Waldstein Herzog zu Friedland Sagan und Mecklenburg Stich von Joseph Bergler nach einem Original im Schloss zu Friedland mit Widmung Ramdohrs an Thorvaldsen Ab 1625 stand das Herzogtum ganz im Zeichen der Kriegswirtschaft Ziel war es die Versorgung der von Wallenstein gefuhrten Kaiserlichen Armee mit Lebensmitteln Kleidung Waffen und Munition so weit wie moglich aus friedlandischer Produktion sicherzustellen Viele landwirtschaftliche Guter und gewerbliche Produktionsstatten sowie Bergwerke befanden sich in der Hand des Fiskus Wo dies nicht der Fall war sicherte sich Wallenstein durch Handelsmonopole den Zugriff auf die Ertrage Das Braurecht zuvor von Stadten und Adel ausgeubt zog er an sich und verfugte fur seine Biere ein Schankmonopol Branntweinbrennereien die nicht ihm gehorten belegte er mit Steuern Das friedlandische System kann daher als Staatswirtschaft oder Planwirtschaft charakterisiert werden 15 Mit ausserst detaillierten Anweisungen die auch wahrend seiner Feldzuge stetig und in grosser Zahl an seine Beamten ergingen sorgte Wallenstein dafur dass die Ertrage in nahezu allen Wirtschaftszweigen deutlich gesteigert werden konnten und zuvor brachliegende Potenziale ausgeschopft wurden 1628 erliess er eine Wirtschaftsordnung mit 24 ausfuhrlichen Artikeln Die bedeutendsten Gewerbe waren die Tuchmacher Weber Schneider auch fur Uniformen Gerber und Schuster u a fur Soldatenstiefel sowie die Brauereien Im Umfeld der Eisenhutte von Raspenau wurden Rustungsguter Waffen Pulver und Blei in Massenfertigung hergestellt 16 Auch Innovationen wie zum Beispiel Zwieback als haltbares Grundnahrungsmittel der Soldaten 17 oder die Einfuhrung einer reitenden Schnellpost 18 kennzeichnen den friedlandischen Aufschwung Wallenstein liess Zollstationen an den Grenzen seines Herzogtums einrichten Strassen bauen sowie Masse und Gewichte vereinheitlichen Zahlreiche Fachleute wurden aus dem Ausland geholt judische Handler gefordert Hauptabnehmer von Waren aus dem Herzogtum war Wallenstein selbst nicht nur fur die Ausrustung seiner Armee sondern auch fur seine Hofhaltung die aus 899 Personen bestand an der Spitze der Obersthofmeister ein Graf von Liechtenstein der Oberstkammerer Graf Harrach der Oberststallmeister Graf Hardegg und der Vizestallmeister von Breunner ferner 24 adlige Kammerherren allein der zivile Aufwand betrug kaum weniger als eine halbe Million Taler im Jahr 19 Einen grossen Teil dieses Hofstaats fuhrte der Feldherr auf seinen Feldzugen mit sich im Hauptquartier und finanzierte ihn durch die Kontributionen der besetzten Lander 20 Musterstaat BearbeitenSo zeigte sich in Friedland dass der Krieg ein Land reicher machen kann wenn es nicht selber sein Schauplatz ist 21 Zumal der kaiserliche General darauf bedacht war dass sein Herzogtum von Einquartierungen seiner Armee verschont blieb 22 Mit dieser prosperierenden integrierten Wirtschaft mit seinen loyalen fest besoldeten und daher fur Korruption vergleichsweise wenig anfalligen Beamten 23 mit seinen einheitlichen Massen und Gewichten wegen der Neugrundung zahlreicher Einrichtungen der Bildung und Armenfursorge sowie aufgrund der rational gemassigt und nicht fanatisch durchgefuhrten Gegenreformation kann das Herzogtum Friedland als ein Musterstaat der Fruhen Neuzeit bezeichnen werden 24 Bekannt ist die Titulierung Friedlands als terra felix gluckliches Land im Unterschied zur terra deserta verlassenes Land womit das ubrige Bohmen gemeint war das durch die Konfiskationen und den Verkauf vor allem der stadtischen Betriebe Meierhofe Muhlen Teiche usw aber auch infolge konfessioneller Emigration verarmte 25 Auch formal war es Wallenstein weitgehend gelungen trotz des rechtlich weiter bestehendem Lehensverhaltnisses das Herzogtum Friedland aus dem Bohmischen Staatsverband herauszulosen und damit einen ahnlichen Status zu erlangen wie die Herzogtumer in Schlesien einem Nebenland der Krone Bohmen von denen er das Herzogtum Sagan von 1628 bis 1634 ebenfalls regierte Er pragte seit 1625 seine eigenen Munzen und wurde 1627 von Ferdinand II als oberster Gerichtsherr und letzte Berufungsinstanz in seinem Territorium bestatigt 26 1632 gab er den Auftrag eine Landesordnung mit standischer Volksvertretung zu verfassen 27 Auflosung BearbeitenIm Zusammenhang mit der Ermordung Wallensteins im Februar 1634 wurde das Herzogtum Friedland von kaiserlichen Truppen besetzt und zerschlagen Die Wirtschaftsblute in dem Gebiet ging damit zu Ende Da Wallenstein als Hochverrater galt wurden die Anspruche seiner Familie auf das Erblehen von Ferdinand II nicht anerkannt Von der Neuverteilung der Guter profitierten insbesondere die an der Verschworung gegen Wallenstein beteiligten Offiziere Der grosste Teil des Herzogtums Friedland ging an Wallensteins bisherigen Stellvertreter Matthias Gallas jedoch ohne den Herzogstitel oder die Hauptstadt Jicin das Rudolf von Tiefenbach erhielt 28 Wallenstein wurde in der von ihm gestifteten Klosterkirche Karthaus Walditz beigesetzt und nach deren Sakularisation 1782 in die Konventskapelle von Schloss Munchengratz uberfuhrt das den Grafen Waldstein bis 1945 gehorte Nicht mehr realisieren konnte Wallenstein sein Vorhaben das Herzogtum Friedland aus dem Erzbistum Prag herauszulosen und zu einem eigenen Bistum erheben zu lassen Bereits 1624 hatte Ferdinand II die Erlaubnis hierzu erteilt Wallensteins Entwurfe waren prazise und grosszugig Die Bischofsresidenz mit Bischof Propst Dechant Archidiakon zehn Domherren u a sollte in Gitschin gebaut werden Als Kathedrale war die dem hl Ignatius von Loyola gewidmete Pfarrkirche vorgesehen die bereits 1622 nach dem Vorbild der Kathedrale von Santiago de Compostela errichtet worden war 29 Literatur BearbeitenRobert Rebitsch Wallenstein Biographie eines Machtmenschen Wien Koln Weimar 2010 Joachim Bahlcke Winfried Eberhard Miloslav Polivka Hrsg Handbuch der historischen Statten Band Bohmen und Mahren Kroners Taschenausgabe Band 329 Kroner Stuttgart 1998 ISBN 3 520 32901 8 S 233 235 Golo Mann Wallenstein Sein Leben Frankfurt am Main 1997 zuerst 1971 Hellmut Diwald Wallenstein Eine Biographie Munchen Esslingen 1969 Anton Ernstberger Historiker Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland Reichenberg 1929 Einzelnachweise Bearbeiten Mann S 257 Landkarte Diwald S 193 siehe Direktorium Bohmen Zusammensetzung des Direktoriums Diwald S 170 Rebitsch S 99 Mann S 203 Zit n Mann S 204 1627 weiterverkauft an den Neffen Maximilian von Waldstein bis 1945 im Besitz der Familie Rebitsch S 99 ff Rebitsch S 102 Diwald S 231 f Mann S 259 Diwald S 235 Rebitsch S 114 f Mann S 313 323 Ernstberger S 13 Mann S 264 Ernstberger S 101 Mann S 264 Mann S 287 Mann S 413 zit n Mann S 255 Ernstberger S 10 Mann S 255 So Diwald S 227 Mann S 254 Mann S 256 Mann S 298 Mann S 968 ff Ernstberger S 14 Rebitsch S 164 f Mann S 278f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herzogtum Friedland amp oldid 237399748