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Der Verband der deutschen Minderheiten in Europa ab 1929 Verband der deutschen Volksgruppen in Europa VDV war von 1922 bis 1944 der Dachverband deutscher Minderheiten im europaischen Ausland Der Hauptsitz befand sich bis 1932 in Wien anschliessend in Berlin 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Grundungsfaktoren und Strukturen 2 Politische Tendenzen 3 Bedeutungsverlust und Niedergang 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGrundungsfaktoren und Strukturen BearbeitenNach 1918 mussten das Deutsche Reich und Osterreich Ungarn grosse Teile ihrer Territorien an die Siegermachte des Ersten Weltkriegs sowie an neu erschaffene Staaten abtreten Dies fuhrte dazu dass sich rund 8 5 Millionen Deutsche als nationale Minderheiten ausserhalb ihres ursprunglichen Herkunftslandes wiederfanden 3 Uberwiegend Lander in Ostmittel und Sudosteuropas strebten die Schaffung homogener Nationalstaaten an und unterwarfen Minderheiten nicht nur deutsche einer scharfen Assimilationspolitik 4 Vor diesem Hintergrund organisierten sich viele Auslandsdeutsche damals auch Grenzlanddeutsche genannt in Vereinen Verbanden und Parteien um Minoritatenschutzrechte in den Wirtslandern zu erlangen Als uberstaatliche Interessenorganisation und Dachverband fur diese Vereinigungen wurde im Oktober 1922 der Verband der deutschen Minderheiten in Europa gegrundet dem ausschliesslich auf dem europaischen Kontinent ansassige deutsche Volksgruppen aus folgenden Landern angehorten Belgien Deutschsprachige Gemeinschaft Eupen Malmedy Danemark Deutsche Minderheit in Danemark Estland Deutsch Balten Frankreich Deutsch Lothringener Elsasser Jugoslawien Jugoslawiendeutsche Lettland Deutsch Balten Litauen Memellander Polen Deutsche Minderheit in Polen Rumanien Rumaniendeutsche Russland Russlanddeutsche Italien Sudtiroler Tschechoslowakei Sudetendeutsche Ungarn Ungarndeutsche 5 Zu den Grundungsvatern und Hauptinitiatoren gehorten der Siebenburger Sachse Rudolf Brandsch sowie die Deutsch Balten Ewald Ammende und Paul Schiemann Die mitgliederstarksten Verbande innerhalb des Dachverbandes waren die Sudetendeutschen gefolgt von Verbanden der deutschen Minderheiten in Polen Oberschlesien Ostpommern Westpreussen etc 6 Der Dachverband hatte bis 1939 ein demokratisch gewahltes Prasidium welches sich aus Vertretern der einzelnen Landesverbande zusammensetzte Aus dem Kreise des Prasidiums wurde ein Vorsitzender Prasident gewahlt namentlich von 1922 bis 1931 der Siebenburger Sachse Rudolf Brandsch 1931 bis 1934 der Siebenburger Sachse Hans Otto Roth 1934 bis 1935 der Posen Deutsche Kurt Graebe 1935 bis 1936 der Sudetendeutsche Max Richter 1936 bis 1939 der Sudetendeutsche Konrad Henlein Februar 1939 bis Dezember 1939 der Siebenburger Sachse Fritz Fabritius 7 Der jeweilige Verbandsprasident hatte keine operativen Funktionen Er war eher eine Galionsfigur mit reprasentativen Aufgaben der die deutschen Minderheiten in ihrer Gesamtheit beispielsweise im Prasidium des Europaischen Nationalitatenkongresses in Genf vertrat Fur die operative Geschaftsfuhrung waren von 1922 bis 1931 Carl Georg Bruns und nach dessen fruhen Tod von 1931 bis 1944 der Deutschbalte Werner Hasselblatt als Generalsekretare sowie hauptamtliche Rechtsberater eingesetzt Nach 1939 ubte Hasselblatt faktisch die Geschaftsfuhrung und den Vorsitz aus 7 Politische Tendenzen Bearbeiten nbsp Deutsche Siedlungs und Sprachgebiete um 1918In der Hauptsache vertrat der Verband beim Europaischen Nationalitatenkongress die Interessen der deutschen Minderheiten gegenuber dem Volkerbund Dabei liefen die Vertreter von Anfang an Gefahr unfreiwillig in die Nahe von Bestrebungen geruckt zu werden die territoriale Revisionen verfolgten Tatsachlich wurden der Dachverband sowie die einzelnen deutschen Minderheitenorganisationen spatestens ab 1924 massgeblich vom Auswartigen Amt finanziert Offiziell erklarte sich das Deutsche Reich unter Gustav Stresemann zur Schutzmacht der deutschen Minderheiten im Ausland 8 Die deutsche Politik zielte bereits in der Weimarer Republik darauf ab Minderheiten zum Bleiben zu uberreden um sie als Hebel fur kunftige Grenzrevisionen benutzen zu konnen 9 Fast alle Verbandsprasidenten vertraten wahrend ihrer Amtszeit keine revisionistischen Ziele und bekannten sich ausdrucklich zu den internationalen Minderheitenorganisationen Sie gingen davon aus dass eine Losung der nationalen Fragen auf dem Wege des Irredentismus nie moglich sein werde und daher ein Ausgleich zwischen Nationen und Staaten auf der Basis gegenseitiger Anerkennung gefunden werden musse 10 11 Dementsprechend fuhrten die finanziellen Unterstutzungen des Auswartigen Amtes sowie der unter Stresemann begonnene Minderheitenkreuzzug beim Volkerbund lange Zeit zu keinen merklichen Einschrankungen in der Handlungsfreiheit der Verbandsvorsitzenden zumal die deutschen Aussenminister in der Weimarer Republik grundsatzlich eine auf Ausgleich nicht auf Eskalation bedachte Politik betrieben und liberal eingestellte Funktionare beim VDV bis 1932 die Oberhand behielten 12 Dennoch musste sich der Verband der deutschen Minderheiten in Europa auf Betreiben des Auswartigen Amtes bereits in der Weimarer Republik in Verband der deutschen Volksgruppen in Europa umbenennen Der Beschluss wurde am 24 November 1927 gefasst tatsachlich anderten die Minderheitenvertreter den Verbandsnamen offiziell erst zwei Jahre spater im Dezember 1929 Die deutsche Regierung bezeichnete den Verband eine Zeitlang auch als Ausschuss der deutschen Minderheiten beziehungsweise Ausschuss der deutschen Volksgruppen 13 Gegen Ende der 1920er Jahre verscharfte sich in mehreren Landern die Situation fur verschiedene Ethnien Besonders in ost und sudosteuropaischen Staaten waren Minderheiten zunehmenden Repressionen ausgesetzt So erteilten beispielsweise polnische Behorden im Zuge der Polonisierung deutschen Apothekern Arzten Rechtsanwalten ein Berufsverbot oder erhielten in der Tschechoslowakei im Zuge der Tschechoslowakisierung uber 30 000 Beamte deutscher Nationalitat ihre Entlassung 14 15 Im Staat der Slowenen Kroaten und Serben wurde die Verwendung von Volksbezeichnungen auch der Serben Kroaten und Slowenen verboten alle Einwohner sollten sich in Zukunft nur noch als Jugoslawen betrachten Trotz bestehender Minderheitenschutzvertrage wurden Enteignungen durchgefuhrt womit Auswanderungen von Bevolkerungsteilen erzielt werden sollten die sich nicht assimilieren lassen wollten Neben deutschen Volksgruppen betraf das ungarische bulgarische ukrainische rumanische und andere Minderheiten 16 Allein von der deutschen Minderheit in Polen wanderten bis 1933 mehrere Hunderttausend Menschen nach Deutschland aus 17 Tatsachlich stand die Weimarer Republik mit Beginn der Weltwirtschaftskrise wirtschaftlich und sozial vor einem Kollaps damit stellten die unkontrollierbaren Einwanderungen eine zusatzliche finanzielle Herausforderungen hinsichtlich der Integration von Zugewanderten dar Vor diesem Hintergrund wurde eine Zentralisierung der Verbandsarbeit vom Deutschen Reich aus anstrebt was insbesondere bei dem 1931 neu ernannten Generalsekretar des Verbandes Werner Hasselblatt auf Akzeptanz stiess Seine Berufung kritisierten mehrere Prasidiumsmitglieder da er offen mit der Volkstumspolitik der Nationalsozialisten sympathisierte Dennoch setzten sich die Befurworter einer restriktiveren Unterstutzung der deutschen Minderheiten durch Folglich verlegte Hasselblatt den Hauptsitz des Verbandes 1932 von Wien nach Berlin Das Auswartige Amt starkte sofort seine Position indem Fordermittel nicht mehr an einzelne deutsche Minderheitenorganisationen im Ausland flossen sondern nur noch direkt an den VDV Auf diese Weise avancierte der Verband zum einzigen Kanal zur Verteilung deutscher Fordermittel was die vorhergehende Autonomie der einzelnen deutschen Minderheitenorganisationen erheblich untergrub 18 Bedeutungsverlust und Niedergang Bearbeiten nbsp Umsiedlungen deutscher Volksgruppen nach dem Hitler Stalin Pakt zeitgenossische Propagandakarte Obwohl Werner Hasselblatt den Nationalsozialisten nahestand werden seine Einstellung sowie die daraus resultierende Bedeutung des VDV in der neueren Geschichtswissenschaft differenziert betrachtet Demnach sind gravierende Unterschiede zwischen der traditionalistischen Volkstumspolitik des Verbandes und der nationalsozialistischen Volkstumspolitik feststellbar wonach die Verbandsfunktionare kein Interesse an der Eroberung von Lebensraum im Osten hatten keine rassischen Theorien verfolgten und auch keine Bereitschaft zeigten auslandsdeutsche Interessen machtpolitischen Kalkulen unterzuordnen 19 Die Mehrheit der Verbandsfunktionare nebst der ehemaligen oder wahrend der NS Zeit amtierenden Prasidenten geriet nach 1933 mit den neuen Machthabern im Mutterland in Konflikt Selbst Konrad Henlein unterwarf sich erst 1937 Hitlers expansiver Politik nachdem er massiv unter Druck gesetzt wurde 20 Faktisch ubernahm ab Herbst 1933 der Volksdeutsche Rat und ab 1937 die Volksdeutsche Mittelstelle die alleinige Kompetenz in allen Angelegenheiten der ausserhalb des Deutschen Reiches lebenden Volksdeutschen inklusive der Verwaltung und Verteilung samtlicher Hilfsgelder Sukzessive wurde der VDV nach der Volksabstimmung uber den Austritt Deutschlands aus dem Volkerbund der Auflosung des Europaischen Nationalitatenkongresses dem Munchner Abkommen der Eingliederung des Memellandes und der Aufteilung Polens nach dem Hitler Stalin Pakt obsolet Letzteres machte den Weg fur Zwangsumsiedlungen frei unter anderem der Deutsch Balten Wolhyniendeutschen Bessarabiendeutschen Bukowinadeutschen Dobrudschadeutschen Galiziendeutschen aber auch der Gottscheer und Sudtiroler Einige der Volksgruppen hatten zum Teil jahrhundertelang diese Gebiete bewohnt die nun an die Sowjetunion fielen 21 Gleichfalls konnte der VDV in den mit Deutschland verbundeten Staaten keinen Einfluss mehr ausuben Dort waren schrittweise seit 1938 Volksgruppenfuhrer als politische Leiter eingesetzt worden die offiziell die Interessen der deutschen Minderheiten bei den Regierungen der jeweiligen Staaten vertraten Fast alle fruheren Auslandsverbande losten sich von selbst auf Ab 1940 begrenzte sich die Arbeit der noch aktiven Dachverbandsmitarbeiter auf die Erstellung von Gutachten Denkschriften und Publikationen Fur die vom VDV im April 1933 ubernommene Zeitschrift Nation und Staat zeichnete ab Oktober 1942 nicht mehr der Verband sondern nur noch Werner Hasselblatt als Herausgeber 22 Darin erwahnte er wiederholt dass eine unifizierte Form der Herrschaft vermieden werden musse Deutschland nicht den Weg Russlands in der Beherrschung der Volker gehen durfe vielmehr das Ziel die Schaffung volkseigener Heimatgebiete sein musse Die Vorschlage leitete er auch an das Auswartige Amt als Memoranda weiter Mit diesen Denkschriften erhoffte Hasselblatt eine zwischenstaatliche Arbeitsgemeinschaft fur europaische Volkerpolitik begrunden zu konnen die das Reichsministerium fur die besetzten Ostgebiete und den Reichskommissar fur die Festigung deutschen Volkstums beraten sollte Tatsachlich wollte er damit eine Nachfolgeorganisation fur den Verband der deutschen Volksgruppen in Europa schaffen dessen Finanzierung durch das Auswartige Amt 1942 auslief Eingerichtet wurde diese Arbeitsgemeinschaft freilich nicht Hasselblatt soll noch 1944 fur sie geworben haben 23 Wann der Verband seine Arbeit de jure einstellte ist nicht verifizierbar Das Institut fur Zeitgeschichte gibt als Bestehen des Verbandes den Zeitraum von 1922 bis 1944 an 24 Literatur BearbeitenBaron Ferdinand von Uexkull Guldenband Werner Hasselblatt u a Nation und Staat Deutsche Zeitschrift fur das europaische Nationalitatenproblem Wilhelm Braumuller Universitats Verlagsbuchhandlung Erscheinungsdatum 1927 1944 Baron Ferdinand von Uexkull Guldenband Werner Hasselblatt u a Mitteilungen uber die deutschen Volksgruppen in Europa und uber allgemeine Nationalitatenprobleme Verband der deutschen Volksgruppen in Europa Berlin Erscheinungsdatum 1936 1940 Michael Garleff Hrsg Deutschbalten Weimarer Republik und Drittes Reich Band 2 Bohlau Koln Weimar Wien 2008 ISBN 978 3 412 12299 7 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 Franz Steiner Verlag Stuttgart 2004 ISBN 3 515 08535 1 John Hiden Martyn Housden Neighbours or enemies Germans the Baltic and beyond Rodopi Amsterdam 2008 ISBN 978 90 420 2349 9 Einzelnachweise Bearbeiten Michael Garleff Deutschbalten Weimarer Republik und Drittes Reich Band 2 Bohlau Verlag 2001 S 57 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten Franz Steiner Verlag 2004 S 50 Bundeszentrale fur politische Bildung abgerufen am 10 Mai 2017 Rolf Worsdorfer Krisenherd Adria 1915 1955 Konstruktion und Artikulation des Nationalen im italienisch jugoslawischen Grenzraum F Schoningh 2004 S 233 234 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten Franz Steiner Verlag 2004 S 51 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten Franz Steiner Verlag 2004 S 51 a b Sabine Bamberger Stemmann Der Europaische Nationalitatenkongress 1925 bis 1938 Herder Institut 2000 S 266 f Natali Stegmann Kriegsdeutungen Staatsgrundungen Sozialpolitik Der Helden und Opferdiskurs in der Tschechoslowakei 1918 1948 Walter de Gruyter 2010 S 203 Mark Mazower Hitlers Imperium Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus C H Beck 2009 S 52 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten Franz Steiner Verlag 2004 S 51 Heinrich Lackmann Ammende Ewald in Neue Deutsche Biographie 1 1953 S 253 Dan Diner Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur Band 2 Co Ha Springer Verlag 2016 S 285 290 Michael Garleff Deutschbalten Weimarer Republik und Drittes Reich Band 2 Bohlau Verlag 2001 S 57 Rudolf von Thadden Steffen Kaudelka Thomas Serrier Europa der Zugehorigkeiten Integrationswege zwischen Ein und Auswanderung Wallstein Verlag 2007 S 62 Ingo Schewiola Wie der Zweite Weltkrieg gemacht wurde Band 1 LULU 2010 ISBN 3 00 029884 3 S 46 Sebastian Bartsch Studien zur Sozialwissenschaft Minderheitenschutz in der internationalen Politik Volkerbund und KSZE OSZE in neuer Perspektive Springer Verlag 2013 S 107 Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste Deutsche Minderheiten in der Zwischenkriegszeit Deutscher Bundestag 2009 https www bundestag de blob 411708 72a5544c10ee7ae5f13d3aee9badbb80 wd 1 093 09 pdf data pdf abgerufen am 23 Mai 2017 Dan Diner Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur Band 2 Co Ha Springer Verlag 2016 S 285 290 Tammo Luther Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933 1938 Franz Steiner Verlag 2004 S 69 f Kohen ist nicht zu fassen Zwei Studien uber Konrad Henlein Spion der Briten und Gauleiter des Sudetenlandes In Die Welt Online abgerufen am 27 Mai 2017 Wolfgang Benz u a Hrsg Enzyklopadie des Nationalsozialismus DTV 1997 S 505 f Arnold Weingartner Nation und Staat eine Monographie Bande 17 20 Braumuller 1979 S 8 Michael Garleff Deutschbalten Weimarer Republik und Drittes Reich Band 2 Bohlau Verlag 2001 S 89 Organisationen Auslandsdeutsche In Institut fur Zeitgeschichte abgerufen am 27 Mai 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verband der deutschen Minderheiten in Europa amp oldid 238751331