www.wikidata.de-de.nina.az
Theophil Heinrich Wurm 7 Dezember 1868 in Basel 28 Januar 1953 in Stuttgart war ein evangelischer Theologe Pfarrer lange Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Wurttemberg und erster Ratsvorsitzender der EKD Theophil Wurms kirchliches und politisches Handeln war gepragt von einer burgerlichen konservativen wie auch unabhangig bekenntnisorientierten Haltung Daraus erwuchsen sein ambivalentes Handeln und seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus Nach dem Zweiten Weltkrieg war er wesentlich am Aufbau einer geeinigten Evangelischen Kirche in der Bundesrepublik beteiligt setzte sich fur die Verstandigung mit anderen Kirchen ein und forderte einen bis dahin unbekannten fortwahrenden gesellschaftlich kirchlichen Diskurs Gleichzeitig widerrief Wurm eigene volkische Ansichten nur bedingt und wandte sich gegen eine klare Entnazifizierung von Kirche und Gesellschaft Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Pfarrer Dekan Abgeordneter 1 2 Pralat Kirchenprasident Landesbischof 1 3 Ambivalente Position zur Entnazifizierung und erster Ratsvorsitz der EKD 2 Auszeichnungen 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksLeben Bearbeiten1868 wurde Theophil Wurm in Basel als Sohn des wurttembergischen Pfarrers Paul Ernst Wurm 1829 1911 zu dieser Zeit theologischer Leiter am Missionshaus der Basler Mission und Regula Luise Kind 1834 1907 Tochter des Schweizer Pfarrers Paul Kind geboren 1 Wurm studierte evangelische Theologie in Tubingen und durchlief eine achtjahrige Vikariatszeit 2 1900 heiratete Wurm die aus Blaubeuren stammende Marie Bruckmann Das Paar bekam zusammen vier Kinder Pfarrer Dekan Abgeordneter Bearbeiten Theophil Wurm wurde 1899 Pfarrer bei der Evangelischen Gesellschaft und der Stadtmission in Stuttgart Ab 1901 war er deren geschaftsfuhrender Sekretar Ab 1913 war er als Pfarrer in Ravensburg ab 1920 als Dekan in Reutlingen tatig Politisch war Wurm zu Beginn der Weimarer Republik fur die nationalkonservative Wurttembergische Burgerpartei der regionale Ableger der DNVP aktiv hier wurde er in den Stuttgarter Landtag gewahlt Nach dem Zweiten Weltkrieg gehorte er der Vorlaufigen Volksvertretung fur Wurttemberg Baden als Vertreter der evangelischen Kirche an Pralat Kirchenprasident Landesbischof Bearbeiten 1927 wurde Wurm Pralat Regionalbischof in Heilbronn 1929 Kirchenprasident der wurttembergischen Landeskirche 1933 wurde dieses leitende Amt in der wurttembergischen Kirche in Landesbischof umbenannt Bei der Vereinigung der deutschen Landeskirchen in eine Reichskirche unterstutzte Wurm den deutschchristlichen Pfarrer Ludwig Muller fur das Amt des Reichsbischofs gegenuber dem von dem Pfarrernotbund bevorzugten Friedrich von Bodelschwingh 3 Diese anfangliche Unterstutzung des von der NSDAP gewunschten Kurses wandte sich jedoch in Protest um als die Gleichschaltung sich nicht nur auf die preussische Landeskirche beschrankte sondern sich auch auf die wurttembergische Landeskirche erstreckte Theophil Wurm hielt am 22 April 1934 einen Gottesdienst im Ulmer Munster der den Anschluss seiner Landeskirche an die Bekennende Kirche markiert Einer weitergehenden Eingliederung der von ihm geleiteten wurttembergischen Landeskirche in die Reichskirche widersetzte er sich 1934 zunachst erfolgreich Im Oktober 1934 wurde gegen Wurm eine Schutzhaft in mildester Form eine Art Hausarrest verhangt ein Kommissar wurde als sein Vertreter eingesetzt und zahlreiche Oberkirchenrate Pralaten Dekane und Pfarrer wurden suspendiert Der Grossteil der Kirchenmitglieder hielt jedoch zum Landesbischof und zeigte das auch in Form zahlreicher Versammlungen und Demonstrationen Schliesslich wurde vom Landgericht entschieden dass die Kirchenleitung und damit der Landesbischof wieder in alle seine Rechte einzusetzen sei Wurm blieb Bischof In seinen Lebenserinnerungen sprach er von zwei Aussprachen mit Adolf Hitler im Jahr 1934 4 Wahrend fast alle evangelischen Landeskirchen 1933 34 Bischofe der Nazi freundlichen Deutschen Christen erhielten blieben Wurttemberg Bayern und Hannover von dieser Herrschaft verschont Diese Landeskirchen galten deshalb als intakt In den zerstorten Landeskirchen bildeten sich seit Oktober 1934 Bruderrate der Bekennenden Kirche An dieser unterschiedlichen Entwicklung zerbrach schliesslich 1936 die innere Einheit der Bekennenden Kirche 1934 ruckte auch Wurm endgultig von den nationalsozialistischen Deutschen Christen ab und nahm an Synoden der Bekennenden Kirche teil Er distanzierte sich aber von Positionen ihres entschlossenen Flugels 5 1937 gehorte Wurm zu denen die Die Erklarung der 96 evangelischen Kirchenfuhrer gegen Alfred Rosenberg 6 wegen dessen Schrift Protestantische Rompilger unterzeichneten Im Marz 1938 wies er die Gemeinden an mit einem einstundigen Glockenlauten den Anschluss Osterreichs als gottliche Fugung zu begrussen Gottes Vorsehung schrieb Wurm auch das Scheitern des Anschlags auf Adolf Hitler zu das der schwabische Schreiner Georg Elser am 8 November 1939 im Munchner Burgerbraukeller verubte Mit dem ganzen deutschen Volk sind wir tief erschuttert uber den verbrecherischen Anschlag auf das Leben unseres Fuhrers in Munchen Die Geistlichen werden Gelegenheit nehmen im Gottesdienst am kommenden Sonntag dem Dank gegen Gott fur sein gnadiges Bewahren Ausdruck zu geben und fortfahren in der ernstlichen Furbitte dass Gott seine schutzende Hand auch fernerhin uber dem Fuhrer und unsrem Volke halten moge 7 Im Juli 1940 protestierte Landesbischof Wurm als erster deutscher evangelischer Bischof gegen das sogenannte Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten In seinem Protestschreiben an Reichsinnenminister Frick vom 19 Juli 1940 halt Wurm es fur seine Pflicht die Reichsregierung darauf aufmerksam zu machen dass in unserm kleinen Lande diese Sache das Euthanasieprogramm ganz grosses Aufsehen erregt 8 und schliesst seinen Mahn Brief mit den biblischen Worten Dixi et salvavi animam meam Ich sage dies zur Rettung meiner Seele Ez 3 19 LUT Er protestierte auch gegen die Judenverfolgung Einige Jahre zuvor hatte er sich noch antisemitisch geaussert was grosse Auseinandersetzungen innerhalb der Landeskirche zur Folge hatte Ich bestreite mit keinem Wort dem Staat das Recht das Judentum als ein gefahrliches Element zu bekampfen Ich habe von Jugend auf das Urteil von Mannern wie Heinrich von Treitschke und Adolf Stocker uber die zersetzende Wirkung des Judentums auf religiosem sittlichem literarischem wirtschaftlichem und politischem Gebiet fur zutreffend gehalten 9 Schreiben Wurms an Reichsjustizminister Gurtner vom 6 Dezember 1938 aus Anlass der Pogrom Nacht im November Ab 1940 kam er immer deutlicher von seiner bisherigen Kompromisshaltung ab und naherte sich den radikaleren Flugeln der Bekennenden Kirche er hielt auch zur Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises Kontakt Am 16 Juli 1943 verurteilte er in einem mutigen Schreiben an Hitler die Verfolgung und Ermordung von Juden und wendete sich gegen die geplante Zwangsscheidung von Mischehen 10 11 1944 wurde er aufgrund seiner Proteste mit einem Schreib und Redeverbot belegt Sein Ende 1941 gegrundetes Kirchliches Einigungswerk bildete nach 1945 einen wichtigen Grundstock fur den Aufbau der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD Ambivalente Position zur Entnazifizierung und erster Ratsvorsitz der EKD Bearbeiten Nach dem Kriegsende kampfte Wurm fur den Zusammenschluss der unterschiedlichen evangelischen Landeskirchen in Deutschland Im August 1945 gelang die Grundung der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD auf der Kirchenfuhrerkonferenz in Treysa heute ein Ortsteil von Schwalmstadt auf der Wurm zum ersten Ratsvorsitzenden gewahlt wurde Zudem sorgte Wurm dafur dass evangelische Akademiker und Verantwortungstrager aus dem Bereich der Wirtschaft in den Aufbau demokratischer Strukturen der Nachkriegszeit eingebunden wurden So lud er zum 29 September 1945 auf Initiative von Pfarrer Eberhard Muller zu Tagen der Besinnung nach Bad Boll ein und grundete damit die erste kirchliche Akademie in Mitteleuropa die Evangelische Akademie Bad Boll Im Oktober 1945 war er einer der Mitunterzeichner des Stuttgarter Schuldbekenntnisses in dem die evangelische Kirche ihr Versagen im Dritten Reich eingestand und damit eine Brucke zu den Kirchen der Kriegsgegner baute Auf der Basis dieses Bekenntnisses wurde die Wiederaufnahme der deutschen evangelischen Kirchen in die weltweite okumenische Zusammenarbeit moglich Wurm begann ebenso sich auf Basis der wurttembergischen Diasporabeziehungen aktiv fur eine Aussohnung mit Frankreich und Italien einzusetzen So wurden die 1948 im Piemont stattfindende Hundertjahrfeier des Statuto Albertino und die 250 Jahr Feier der Waldensischen Emigration nach Deutschland 1949 in Maulbronn zum Anlass genommen uber und mit Vertretern der EKD wie der Waldensergemeinden in Deutschland Italien und Frankreich in weiteren Austausch zu kommen 12 Die erste Stadtepartnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich wurde 1950 zwischen Ludwigsburg und der protestantischen Enklave Montbeliard unterzeichnet ebenso auf Basis der Verbindungen der Wurttembergischen Landeskirche Ebenso setzte das Gustav Adolf Werk der EKD die Unterstutzung der italienischen und franzosischen Diasporagemeinden fort Wurm protestierte gegenuber den Siegermachten gegen die Harte der Entnazifizierung In Briefen an die Hauptanklager der Nurnberger Prozesse wandte er sich gegen die angebliche Anwendung von verbrecherischen Methoden und abscheulichen Qualereien zur Erpressung von Aussagen und Gestandnissen 13 Wurm war im Grundungsvorstand der Stillen Hilfe eines 1951 gegrundeten Vereins unter der Leitung von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg der publizistisch juristisch und materiell fluchtige inhaftierte und verurteilte Nazi Tater unterstutzte 1948 trat Theophil Wurm von seinem Amt als Landesbischof zuruck blieb jedoch bis zu seinem Tod in der Kirche aktiv Bis 1949 war Theophil Wurm Ratsvorsitzender der EKD und massgeblich an deren Verfassungsgebung beteiligt Wurm war Mitglied der Tubinger Studentenverbindung Luginsland Auszeichnungen Bearbeiten1910 Silberne Karl Olga Medaille 1929 Ehrendoktorwurde der Universitat Tubingen 1951 Grosses Verdienstkreuz mit Stern 14 1969 Einrichtung eines Gedenktags am 29 Januar im Evangelischen Namenkalender der EKDSchriften Auswahl BearbeitenEvangelischer Glaube Predigten Quell Verlag Stuttgart 1931 Lebensratsel und Gottesglaube Ein Wort zu den Noten der Gegenwart Quell Verlag Stuttgart 1932 Die Botschaft der Kirche Predigten Quell Verlag Stuttgart 1935 Das religiose Problem in der neueren deutschen Geschichte Schriftendienst der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland Nr 1 Schwabisch Gmund 1949 Funfzig Jahre im Dienste der Kirche Evangelische Verlagsanstalt Stuttgart 1950 Predigten amp Reden Erinnerungen aus meinem Leben Quell Verlag Stuttgart 1953 Literatur BearbeitenFrank Raberg Biographisches Handbuch der wurttembergischen Landtagsabgeordneten 1815 1933 Im Auftrag der Kommission fur geschichtliche Landeskunde in Baden Wurttemberg Kohlhammer Stuttgart 2001 ISBN 3 17 016604 2 S 1056 Werner Raupp Hrsg Gelebter Glaube Erfahrungen und Lebenszeugnisse aus unserem Land Ein Lesebuch Metzingen Wurtt Ernst Franz Verlag 1993 S 352 357 395 f Einl Quellentexte Lit Jorg Thierfelder Das kirchliche Einigungswerk des wurttembergischen Landesbischofs Theophil Wurm Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1975 Digitalisat Jorg Thierfelder Theophil Wurm In Profile des Luthertums Biographien zum 20 Jahrhundert Hrsg v Wolf Dieter Hauschild 1998 S 743 758 Einzelnachweise Bearbeiten Wurttembergische Kirchengeschichte online wkgo de Theophil Wurm Abgerufen am 24 November 2020 deutsch Klaus Scholder Die Kirchen und das Dritte Reich Bd 1 S 419 Wurm Theophil doi 10 1163 1877 5888 rpp sim 026447 Gedenkstatte Deutscher Widerstand Biografie Abgerufen am 24 November 2020 Friedrich Siegmund Schultze Hrsg Okumenisches Jahrbuch 1936 1937 Max Niehans Zurich 1939 S 240 247 Hellmut G Haasis Den Hitler jag ich in die Luft Der Attentater Georg Elser eine Biografie Rowohlt Berlin 1999 S 61 Evangelische Dokumente zur Ermordung der unheilbar Kranken unter nationalsozialistischer Herrschaft in den Jahren 1939 1945 Hrsg von Hans Christoph von Hase Evangelisches Verlagswerk Stuttgart Stuttgart 1964 S 9 13 Archivierte Kopie Memento vom 4 Mai 2007 im Internet Archive Dokument VEJ 11 56 in Lisa Hauff Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 11 Deutsches Reich und Protektorat Bohmen und Mahren April 1943 1945 Berlin Boston 2020 ISBN 978 3 11 036499 6 S 218 219 online hier Barbro Lovisa Italienische Waldenser und das protestantische Deutschland 1655 bis 1989 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1994 ISBN 978 3 525 56539 1 Teophil Wurm In Die Zeit 13 Januar 1949 abgerufen am 24 November 2020 Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland In Bundesanzeiger Jg 3 Nr 250 29 Dezember 1951 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Theophil Wurm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Theophil Wurm in der Online Ausstellung Widerstand Evangelische Christen und Christinnen im Nationalsozialismus mit Portrat Schrift und Bildquellen Kurzbiografie der Gedenkstatte Deutscher Widerstand Zeitungsartikel uber Theophil Wurm in den Historischen Pressearchiven der ZBW Jorg Thierfelder Wurm Theophil Heinrich Kurzbiographie auf LEO BW Jorg Thierfelder Theophil Wurm 1868 1953 publiziert am 19 April 2018 in Stadtarchiv Stuttgart Stadtlexikon Stuttgart Archivinventar Nachlass Theophil Wurm im Landeskirchlichen Archiv StuttgartKonsistorialprasidenten Kirchenprasidenten und Landesbischofe der Evangelischen Landeskirche in Wurttemberg Wilhelm Freiherr von Gemmingen Viktor von Sandberger Hermann von Habermaas Hermann von Zeller Johannes von Merz Theophil Wurm Martin Haug Erich Eichele Helmut Class Hans von Keler Theo Sorg Eberhardt Renz Gerhard Maier Frank Otfried July Ernst Wilhelm GohlRatsvorsitzende der EKD und Vorsitzende des BEK Ratsvorsitzende der EKD Theophil Wurm 1945 1949 Otto Dibelius 1949 1961 Kurt Scharf 1961 1967 Hermann Dietzfelbinger 1967 1973 Helmut Class 1973 1979 Eduard Lohse 1979 1985 Martin Kruse 1985 1991 Klaus Engelhardt 1991 1997 Manfred Kock 1997 2003 Wolfgang Huber 2003 2009 Margot Kassmann 2009 2010 Nikolaus Schneider 2010 2014 Heinrich Bedford Strohm 2014 2021 Annette Kurschus seit 2021 Vorsitzende des Kirchenbundes der DDR Albrecht Schonherr 1969 1981 Werner Krusche 1981 1982 Johannes Hempel 1982 1986 Werner Leich 1986 1990 Christoph Demke 1990 1991 Siehe auch Evangelische Kirche in Deutschland und Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Normdaten Person GND 118635646 lobid OGND AKS LCCN n84175271 VIAF 72187296 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Wurm TheophilALTERNATIVNAMEN Wurm Theophil HeinrichKURZBESCHREIBUNG deutscher Theologe und evangelischer BischofGEBURTSDATUM 7 Dezember 1868GEBURTSORT BaselSTERBEDATUM 28 Januar 1953STERBEORT Stuttgart Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Theophil Wurm amp oldid 237001859