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Das Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte des Deutschen Bundes befand sich in der Freien und Hansestadt Lubeck und existierte von 1820 bis 1879 Es hatte seinen Sitz zunachst ganz kurzfristig in den Schusselbuden Nr 15 dann in der Konigstrasse Nr 21 dem ehemaligen Haus der Lubecker Zirkelgesellschaft Konigstrasse 21 in Lubeck ehemals Sitz des GerichtsDetail Inhaltsverzeichnis 1 Einrichtung 1806 bis 1820 2 Rechtsprechung von 1820 bis 1879 3 Liste der Richter des OAG 4 Nachfolgegerichte und institutionen 5 Aktenuberlieferung 6 Gerichtsgebaude 7 Literatur 8 Weblinks 9 FussnotenEinrichtung 1806 bis 1820 BearbeitenEingerichtet wurde das Gericht nach dem Ende des Heiligen Romischen Reichs als dritte und zugleich oberste Berufungsinstanz in Zivil und Strafsachen fur die Gerichte der aus den freien bzw Reichsstadten hervorgegangenen Freien Stadte Frankfurt am Main Bremen Hamburg und Lubeck sowie deren beiderstadtisches Amt Bergedorf Grundlage war Artikel 12 Absatz 3 der Deutschen Bundesakte von 1815 Den vier freyen Stadten steht das Recht zu sich untereinander uber die Errichtung eines gemeinsamen obersten Gerichts zu vereinigen 1 Die Aufnahme dieses Absatzes in die Bundesakte stellte eine Ausnahme zugunsten der Freien Stadte dar die auch zusammen nicht die Zahl von 300 000 Seelen hatten die nach Artikel 12 Abs 1 grundsatzlich Voraussetzung fur die Bildung eines Obergerichts waren Weil es insbesondere zunachst in Hamburg und Lubeck Widerstand gegen die Einrichtung eines Obergerichts gab die sich insbesondere aus dem befurchteten Machtverlust der Senate gegenuber einer unabhangigen Rechtsprechung ergaben dauerte es von der ursprunglich Bremischen Initiative 1806 bis zur Umsetzung 14 Jahre In Lubeck loste das neue Gericht den Oberhof Lubeck ab Rechtsprechung von 1820 bis 1879 Bearbeiten1820 nahm das Gericht den Betrieb auf Das juristische Personal bestand aus dem Prasidenten normalerweise 6 Gerichtsraten 2 einem Sekretar und zwei Kanzlisten Dem Gericht unterstanden zuerst 8 dann ab 1831 6 Prokuratoren Einer dieser Prokuratoren war ab 1856 Friedrich Crome Die hier monatlich gesprochenen Urteile wurden in den Lubeckischen Anzeigen veroffentlicht Unter seinem ersten Prasidenten Georg Arnold Heise einem Mitbegrunder der Historischen Schule des Zivilrechts der dem Gericht von 1820 bis zu seinem Tod in Lubeck 1851 vorstand gewann das Gericht hohes Ansehen Im Hinblick auf ihn ausserte Bernhard Windscheid dass es in Deutschland fur einen Juristen nur zwei hochste Ehren gebe die Nachfolge Savignys auf seinem Lehrstuhl in Berlin oder an Heises Stelle in Lubeck zu treten Vermittelt insbesondere uber Johann Heinrich Thol hatte das Gericht erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Handelsrechts Ausserhalb seiner Zustandigkeit wurde es zuerst von Bayern und Preussen und spater ofter auch von anderen Staaten als Schiedsgericht bei Streitigkeiten zwischen den Staaten gewahlt Daneben war das Gericht fur die Prufung der juristischen Kandidaten aus den vier Stadten zustandig Der zweite Prasident Karl Georg von Wachter war nur ein knappes Jahr von 1851 bis 1852 im Amt bis er in die Universitat zuruckkehrte Unter dem dritten und letzten Prasidenten Johann Friedrich Martin Kierulff von 1852 bis zur Aufhebung des Gerichts 1879 gewann das Gericht zwar noch die Zustandigkeit als erste und letzte Instanz fur Falle des Hoch und Landesverrates im Norddeutschen Bund musste im Ubrigen aber immer mehr Kompetenzen abgeben Zunachst schied Frankfurt am Main nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit durch die preussische Annexion zum 1 Januar 1867 aus dem Verbund aus woraufhin der Name des Gerichts in Oberappellationsgericht der Freien Hansestadte oder kurz Hanseatisches Oberappellationsgericht geandert wurde Dann folgte die Abgabe der Zustandigkeit fur das Handelsrecht an das Reichsoberhandelsgericht in Leipzig und schliesslich wurde mit der Neuorganisation der Gerichtsverfassung durch die Reichsjustizgesetze zum 1 Oktober 1879 das Gericht aufgelost Die Verfahren wurden je nach sachlicher Zustandigkeit vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg bzw vom Reichsgericht in Leipzig ubernommen Rudolf von Jhering bilanzierte in einem Nachruf auf Agathon Wunderlich einen 1878 verstorbenen Oberappellationsrat So konnte man das Lubecker Oberappellationsgericht als den gelehrten Gerichtshof Deutschlands bezeichnen und die deutsche Wissenschaft hat die Probe zu der sie hier in Verbindung mit der Praxis berufen ward mit Ruhm bestanden die Lubecker Urteile gehorten zu denjenigen denen der Praktiker wie der Theoretiker in gleicher Weise Anerkennung zollte es fanden sich darunter wahre Meisterstucke gleichmassig nach Form und Inhalt Leistungen die auf wenigen Seiten ganze dickleibige juristische Monographien aufwogen 3 nbsp G A Heise Zeichnung von C J Milde nbsp J F Hach nbsp Friedrich Bluhme nbsp K G v Waechter nbsp Christian Gerh Overbeck Zeichnung von Theodor Rehbenitz nbsp Ernst ZimmermannListe der Richter des OAG BearbeitenName Einfuhrung Ernannt von Ausscheiden AnmerkungGeorg Arnold Heise 12 November 1820 1851 PrasidentJohann Friedrich Hach 12 November 1820 Lubeck 1850 Nachfolger WunderlichBurkard Wilhelm Pfeiffer 12 November 1820 1821Gottfried Samuel Muller 1820 Hamburg 1842Friedrich Cropp 1820 Hamburg 1832 Nachfolger BluhmeAlbrecht Schweppe 1821 Frankfurt 1829 Nachfolger GollArnold Ludwig Georg Christian Philipp Luder 1821 1823Carl Gustav Adolph Gruner 1822 Bremen 1826 Nachfolger Du RoiChristian Gerhard Overbeck 28 Mai 1824 Bremen Georg August Wilhelm du Roi 11 Oktober 1826 Bremen 1853 Nachfolger ZimmermannIgnatz Maria Goll 26 Februar 1830 Frankfurt 1848 seit 1845 durch apoplektische Anfalle dienstunfahig Ersatz und Nachfolger LaspeyresFriedrich Bluhme 1833 Hamburg 1843 Nachfolger PauliGeorg Friedrich Ludwig Oppenheimer 31 August 1842 Hamburg 1853Ludwig Heinrich Wiederhold 1846 Frankfurt 1850 Nachfolger BrandisJohann Friedrich Kierulf 30 Dezember 1853 1879 PrasidentCarl Wilhelm Pauli 4 Juli 1843 Lubeck 1876 Nachfolger HoppenstedtErnst Adolph Theodor Laspeyres 12 August 1846 Frankfurt 1862 Nachfolger DrechslerGottlob Walther Friedrich Agathon Wunderlich 14 November 1850 Lubeck Hermann Friedrich Brandis 13 Juni 1851 Bremen 1879 Eigentlich hatte Bremen Wilhelm Wibel nominiert Dieser erhielt jedoch wegen seines Lebenswandels keine Zustimmung der anderen StadteJohann Friedrich Voigt 15 Dezember 1853 Hamburg 1870Ernst Wilhelm Ludwig Karl Zimmermann 16 Juni 1854 Bremen 1877 Nachfolger RitterAugust Drechsler 2 Mai 1864 Frankfurt 1867 beurlaubt Marz 1870 endgultig Richard Eduard John 1870 Hamburg 1876 Eigentlich war Friedrich Rudolph Heinze gewahlt worden zog seine Zusage aber zuruck Nachfolger LehmannRudolf Schlesinger 1870 Hamburg 1879Carl August Ludwig Friedrich Lehmann 1876 Hamburg 1879Carl Ernst August Ludwig Hoppenstedt 1876 Hamburg 1879Georg Heinrich Ritter 1877 Bremen 1879 4 Nachfolgegerichte und institutionen BearbeitenFur Lubeck blieb das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg im Rahmen seiner sachlichen Zustandigkeit vor allem im Zivilrecht bis zur Aufhebung der Eigenstaatlichkeit 1937 zustandig Danach kam Lubeck bis zur Einrichtung des Schleswig Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig nach dem Zweiten Weltkrieg in den Oberlandesgerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Kiel Fur Bremen blieb das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg bis zur Bildung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen 1947 zustandig Fur Entscheidungen uber Rechtsmittel gegen Urteile des preussischen Appellationsgerichts Frankfurt war nach Frankfurts Ausscheiden aus dem Verbund das Preussische Obertribunal in Berlin letztinstanzlich zustandig Seit 1879 ist auch Frankfurt Sitz eines Oberlandesgerichts Als einen Ausgleich fur den Verlust des Oberappellationsgerichts erhielt Lubeck 1890 aufgrund des Einsatzes von Senator Karl Peter Klugmann nach Erlass des letzten grossen Sozialversicherungsgesetzes unter Bismarck den Sitz der Hanseatischen Versicherungsanstalt spater Landesversicherungsanstalt der Hansestadte die fur die Invaliditats und Altersversicherung der Beschaftigten in den drei Hansestadten Hamburg Bremen und Lubeck zustandig war Auch diese ging 1937 mit Verlust der Eigenstaatlichkeit durch das Gross Hamburg Gesetz nach Hamburg Aktenuberlieferung BearbeitenNach Einrichtung des Reichsoberhandelsgerichts wurden im Bereich des Handelsrechts anhangige Streitsachen dorthin abgegeben diese Akten wurden im Zweiten Weltkrieg vernichtet Die anderen Akten des Oberappellationsgerichts ubernahm 1879 das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg das sie 1903 an das Staatsarchiv Hamburg abgab 1936 kamen die Generalakten und weitere Verwaltungsakten von dort in das Archiv der Hansestadt Lubeck Schliesslich wurden 1952 die Prozessakten und die Akten uber die Prufung der juristischen Kandidaten auf die Archive der vier Stadte verteilt Gerichtsgebaude BearbeitenDas Gerichtsgebaude wurde nach Aufgabe der Gerichtsnutzung vom Lubecker Staatsarchiv unter dem ersten Staatsarchivar Carl Friedrich Wehrmann genutzt Das Staatsarchiv gab es 1936 weiter an die Offentliche Bucherei die es nach Fertigstellung ihrer Erweiterungsbauten in der Hundestrasse unter anderem dem Katharineum uberliess Von dem Lubecker Bildhauer Dietrich Jurgen Boy stammt die Gruppe allegorischer Figuren am Rokokogiebel des Hauses mit dem Wappen der Junker oder Zirkelbrudergesellschaft Die beiden Figuren stellen die Allegorien Friede und Eintracht dar Das denkmalgeschutzte Gebaude wurde verbunden mit einer umfassenden Sanierung zu einer Bildungs Begegnungs und Gedenkstatte an den in Lubeck geborenen Bundeskanzler und Friedensnobelpreistrager Willy Brandt umgebaut Am 18 Dezember 2007 eroffnete die Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung darin als Aussenstelle das Willy Brandt Haus Lubeck Das Gebaude wurde von der Stadt unentgeltlich zur Verfugung gestellt und sowohl von der Stiftung als auch dem stadtischen Amt fur Denkmalpflege genutzt Die knapp 2 8 Millionen Euro teure Sanierung wurde von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unterstutzt Im Willy Brandt Haus Lubeck das nicht sein Geburtshaus ist richtete die Stiftung eine standige Ausstellung ein und veranstaltet Vortrage Seminare und Buchlesungen Literatur BearbeitenWilhelm von Bippen Die Grundung des lubeckischen Oberappellationsgerichts In Hansische Geschichtsblatter 1890 91 S 25 47 Antjekathrin Grassmann Die Anfange des Oberappellationsgerichts der vier freien Stadte Deutschlands in Lubeck in Schleswig Holsteinische Anzeigen Teil A Sonderheft ausgegeben Juli 1988 S 24 27 Horst Greb Das Oberappellationsgericht der vier freien Stadte Deutschlands In Der Wagen 1963 47 55 Gotz Landwehr Rechtspraxis und Rechtswissenschaft im Lubischen Recht vom 16 bis zum 19 Jahrhundert In ZLG 60 1980 S 21 65 S 55ff zur Rechtsprechung des Oberappellationsgerichtes Katalin Polgar Das Oberappellationsgericht der vier freien Stadte Deutschlands 1820 1879 und seine Richterpersonlichkeiten Frankfurt 2007 ISBN 3 631 55602 0 Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes der vier Freien Stadte Deutschlands Hrsg von Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen 6 Bande Koln Bohlau 1994 1996 ISBN 3 412 02094 X Ferdinand Frensdorff Heise Georg Arnold In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 11 Duncker amp Humblot Leipzig 1880 S 666 669 auch zu Heises Tatigkeit am OAG Albert Teichmann Kierulff Johann Friedrich Martin In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 55 Duncker amp Humblot Leipzig 1910 S 513 515 Nora Tirtasana Der gelehrte Gerichtshof Das Oberappellationsgericht Lubeck und die Praxis des Zivilprozesses im 19 Jahrhundert Koln Weimar Wien 2012 ISBN 978 3 412 20842 4Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte Quellen und VolltexteFussnoten Bearbeiten Deutsche Bundesakte vom 8 Juni 1815 Durch die Dienstunfahigkeit von Ignatz Maria Goll wurde es 1845 notwendig vorubergehend eine siebte Stelle zu schaffen Rudolf von Jhering Agathon Wunderlich Ein Nachruf in Jahrbucher fur die Dogmatik des heutigen romischen und deutschen Privatrechts Bd 17 1879 S 145 157 156 Katalin Polgar Das Oberappellationsgericht der vier freien Stadte Deutschlands 1820 1879 und seine Richterpersonlichkeiten Diss 2006Normdaten Korperschaft GND 17168 2 lobid OGND AKS LCCN n92041421 VIAF 154186633 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oberappellationsgericht der vier Freien Stadte amp oldid 225855142