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Nagarjuna Sanskrit m न ग र ज न Nagarjuna naːˈgaːrdʒunɐ ca 2 Jahrhundert gilt als die erste historisch bedeutende Personlichkeit im Kontext des Mahayana Buddhismus Vergoldete Statue des NagarjunaDas zentrale Motiv hinter Nagarjunas Lehrtatigkeit die den Grundstein fur die Schule des Mittleren Weges Madhyamaka legte und der buddhistischen Philosophie zahlreiche Werke hinterliess war die Wiederherstellung der Lehre Buddhas deren Kerngedanke Nagarjuna zufolge durch die ausufernde Schullehre in einigen Schulen des Hinayana Gefahr lief aus dem Blickpunkt zu geraten Nagarjuna machte zur Unterstutzung seiner Vorgehensweise systematisch Gebrauch von einem besonderen Argumentationswerkzeug dem Urteilsvierkant Sanskrit catuṣkoṭi mithilfe dessen er logische Widerspruche in den Postulaten seines philosophischen Umfeldes aufzuzeigen und zu dekonstruieren versuchte Das Ziel dieser Methodik die durch eine rigorose Zuruckweisung von extremen Standpunkten charakterisiert war lag darin die buddhistische Lehre wieder als einen konsequenten Weg der Mitte begreifbar zu machen der alle dem Erkenntnisprozess entgegenwirkende unheilsamen Ansichten insbesondere den Ewigkeitsglauben Sanskrit sasvatavada und die Vernichtungslehre Sanskrit ucchedavada grundsatzlich ausschliesst und diese Auffassung gegen die zu seiner Zeit verbreiteten Schulmeinungen zu verteidigen Die detaillierte Ausarbeitung des Leerheitsbegriffes Sanskrit sunyata im direkten Zusammenhang mit dem Entstehen in Abhangigkeit Sanskrit pratityasamutpada sowie die Weiterentwicklung der Lehre von den Zwei Wahrheiten Sanskrit satyadvaya zahlen zu den von Nagarjuna geleisteten Beitragen die ihn vor allem in den Traditionen des Vajrayana und des Zen nach Buddha zu einem der einflussreichen buddhistischen Denker indischer Herkunft machen Inhaltsverzeichnis 1 Nagarjunas Leben und Werk Mythen und Legenden 2 Ansatzpunkte fur Nagarjunas Methodik das philosophische Umfeld und seine Theorien 3 Nagarjunas Philosophie Die Lehre von der Leerheit sunyatavada 3 1 Der Urteilsvierkant catuṣkoṭi 3 2 Die Lehre von den Zwei Wahrheiten satyadvaya 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseNagarjunas Leben und Werk Mythen und Legenden Bearbeiten nbsp Eine Karte des Satavahana Konigreiches die die Lage von Amaravathi wo Nagarjuna laut Walser gelebt und gearbeitet haben konnte und Vidarbha der Geburtsort von Nagarjuna laut Kumarajiva zeigt nbsp Ein Modell der Stupa von Amaravati nbsp Eine tibetische Darstellung von Nagarjuna Die Schlangen sind als Beschutzer um Nagarjunas Kopf dargestellt und die aus dem Wasser aufsteigenden Nagas bieten buddhistische Sutras anUber die Person Nagarjunas ist so gut wie kein gesichertes Wissen verfugbar Die innerhalb der buddhistischen Tradition lange nach seinem Tode verfassten Hagiographien darunter Zeugnisse in chinesischer und in tibetischer Sprache u a von Paramartha 499 569 und Xuanzang 603 664 sind sehr stark mit Mythen und Legenden ausgeschmuckt und daher in Bezug auf eine Herausarbeitung historisch belegbarer Fakten hochst unzuverlassig Zu diesen meist padagogisch gedachten und von grosser Verehrung gekennzeichneten Legenden gehoren Geschichten deren Inhalte von Tradition zu Tradition mit leichten Abwandlungen uberliefert sind Eine davon aus der Feder des Ubersetzers Kumarajiva 344 413 stellt Nagarjuna als Magier dar der seine Fahigkeit sich unsichtbar zu machen dazu nutzt zusammen mit seinen Gefahrten die Matressen eines einflussreichen Herrschers zu verfuhren Nagarjuna und seine zwei Begleiter schleichen sich unbemerkt in den Palast und setzen ihren gemeinsamen Plan in die Tat um Auf dem Ruckweg entgeht Nagarjuna dass die Wirksamkeit des Zauberspruchs bei seinen beiden Freunden nachlasst Die zwei ahnungslosen Gefahrten werden von der Palastwache entdeckt und hingerichtet Dieses schmerzliche Ereignis das Nagarjuna unmittelbar mit dem Leiden konfrontiert veranlasst ihn schliesslich dazu sich fortan nur noch der Lehre Buddhas zu widmen nbsp Nagarjuna Statue am Samye Ling Kloster im County Dumfriesshire von SchottlandIn einer anderen Erzahlung unbekannten Ursprungs erregt Nagarjuna durch seine Lehrreden die Aufmerksamkeit eines mythischen Volkes von drachenahnlichen Schlangenwesen den Nagas Sie laden Nagarjuna aus Anerkennung in ihre auf dem Grund des Meeres liegende Heimatwelt ein und handigen ihm dort die Prajnaparamita Schriften aus die ihnen Buddha selbst zur Verwahrung gegeben haben soll mit der Bitte sie erst dann der Weltoffentlichkeit zuganglich zu machen wenn die Menschen reif fur ihre Botschaft geworden waren Diese Legende spielt auf Bedeutung des Namens Nagarjuna an der ubersetzt etwa soviel bedeutet wie weisse Schlange Die indische Mythologie verbindet die Farbe Weiss arjuna mit Reinheit und das Symbol der Schlange naga mit Weisheit Ein Erkennungsmerkmal Nagarjunas sind daher die Schlangen die in traditionellen Darstellungen hinter seinem Kopf emporragen siehe Abb oben Noch viele weitere Legenden umranken die Gestalt des Nagarjuna unter anderem Berichte von einer unheilbaren Krankheit im Kindesalter die er durch den Beitritt in einen Klosterorden und beharrliches Studieren der fruhbuddhistischen Schriften besiegte von Alchemie und Unsterblichkeitselixieren die ihn ein biblisches Alter erreichen liessen sowie von seinem Tod durch Enthauptung mit Kusagras Poa cynosuroides einem hohen Riedgras mit scharfen Halmen das in Indien zu heiligen Zeremonien Puja Verwendung findet Der Hinrichtungswunsch den laut jener Erzahlung die philosophischen Gegner Nagarjunas aussern die er in allen Debatten besiegte und dem Nagarjuna aus Mitgefuhl fur seine Widersacher selbst zustimmt kann nur mit diesem besonderen Gras verwirklicht werden da Nagarjuna damit in einem seiner fruheren Leben unabsichtlich ein Insekt getotet haben soll als welches einer dieser Gegner zu jenem Zeitpunkt verkorpert war Verifizierbare Daten zu Nagarjunas tatsachlichem Leben ausserhalb dieser Legenden liegen weitgehend im Dunkeln Als annahernd gesichert gilt dass Nagarjuna im 2 Jahrhundert n Chr als Sohn einer Brahmanenfamilie in der mittelindischen Region Vidarbha im heutigen Bundesstaat Maharashtra zur Welt kam Vermutlich verbrachte er sein spateres Leben bis zu seinem Tod um das in Sudindien gelegene zum heutigen Andhra Pradesh gehorige Amaravati Auf dem in diesem Gebiet befindlichen Berg Sri Parvata bei Nagarjunakoṇḍa soll Nagarjuna an den unteren Flusslaufen des Krishna ein Kloster gegrundet und dort unterrichtet haben Die Verbindung Nagarjunas mit der Klosteruniversitat Nalanda gehort hochstwahrscheinlich zu den zahlreichen Legenden da dieses Bauwerk erst um das 5 Jahrhundert n Chr errichtet wurde und somit nicht mehr in die weithin anerkannte Lebensspanne Nagarjunas fallt Aus verschiedenen Quellen u a den Nagarjuna zugeschriebenen literarischen Werken Kostbare Girlande ratnavali und Brief an einen Freund suhṛllekha in denen besonders der ethische Aspekt der buddhistischen Lehre betont wird geht hervor dass Nagarjuna vermutlich eine langjahrige Freundschaft zu einem Herrscher der Satavahana Dynastie pflegte an den diese Schreiben gerichtet waren Es lasst sich jedoch nicht vollstandig rekonstruieren welcher der zwischen 230 v Chr und 199 n Chr regierenden Herrscher diesen regen Kontakt mit Nagarjuna unterhielt Die Werke Nagarjunas sind ausnahmslos in Sanskrit verfasst und nicht in hybridem Sanskrit der in der Mahayana Literatur ublicheren Sprachkombination aus Sanskrit und Elementen lokaler Prakrit Dialekte die im Indien der damaligen Zeit das Pali als allgemein verstandliche Verkehrssprache abgelost hatte Dies konnte darauf zuruckzufuhren sein dass Nagarjuna als geburtigem Brahmanen das Sanskrit als Schriftsprache am gelaufigsten war In ihrem Stil weisen seine Werke einen deutlichen Einfluss der Prajnaparamita Literatur auf sind jedoch zugleich tief in den Lehrreden Buddhas verwurzelt auf die in ihnen haufig Bezug genommen wird Nagarjunas wichtigstes Traktat sind die in 27 Kapitel unterteilten Mulamadhyamakakarika Lehrstrophen uber die grundlegenden Lehren des Mittleren Weges Daneben kommen noch weitere Abhandlungen teils philosophischer teils ethischer Natur als authentische Werke Nagarjunas in Frage Dazu zahlen Sunyatasaptati Siebzig Strophen uber die Leerheit Vigrahavyavartani Zuruckweisung der Vorwurfe Pratityasamutpadahṛdayakarika Lehrstrophen uber das Entstehen in Abhangigkeit Yuktiṣaṣtika Sechzig Strophen der Beweisfuhrung Vaidalyaprakaraṇa Widerlegung der Ausfuhrungen der Nyaya Vyavaharasiddhi Erleuchtung in der Welt des alltaglichen Lebens Bodhicittavivaraṇa Erlauterung des Erleuchtungsgeistes Catuḥstava Vier Hymnen Ratnavali Kostbare Girlande Sutrasamuccaya Sutra Sammlung Bodhisaṃbharaka Voraussetzungen fur die Erleuchtung Suhṛllekha Brief an einen Freund Ansatzpunkte fur Nagarjunas Methodik das philosophische Umfeld und seine Theorien BearbeitenNagarjuna sah sich im philosophischen Umfeld seiner Epoche die eine Blutezeit der indischen Philosophie darstellte mit einer Vielzahl unterschiedlicher buddhistischer wie nichtbuddhistischer Schulen sowie deren Standpunkten konfrontiert Jene um das 1 Jahrhundert v Chr einsetzende Ara die eine systematische Periode in der indischen Philosophie einlautete war gepragt von einer regen Debattierkultur in der die Wortgefechte nach den Kategorien padartha eines festgelegten Reglements abgehalten wurden Es war auch die Zeit der schriftlichen Fixierung von Lehrinhalten in Sutraform und weiteren erganzenden Kommentaren In diesem philosophischen Wettstreit wurde der Buddhismus erstmals in seiner Geschichte auf umfassende Weise einer strengen Prufung vonseiten konkurrierender nichtbuddhistischer Systeme unterzogen und musste zu diversen Themen Rede und Antwort stehen Dazu gehorten neben epistemologischen Fragen wie zum Beispiel welche Erkenntnismittel pramaṇa eine zuverlassige Wahrheitsfindung ermoglichten auch der immer wieder auftretende Erklarungsbedarf nach dem Ablauf der Wiedergeburt und dem Wesen der Realitat Es hatten sich in Bezug auf die wichtige weil mit dem Gesetz des Karma direkt in Verbindung stehende Frage auf welche Weise sich Kausalitat vollzieht in den orthodoxen den Veda als Autoritat anerkennenden Systemen zwei grundlegende Modelle entwickelt Die vom philosophischen System des Saṃkhya favorisierte Theorie des satkaryavada wortlich etwa Lehre vom Sein der Wirkung die besagt dass die Wirkung bereits potentiell in der Ursache enthalten ist Identitat von Ursache und Wirkung Die vom System des Vaiseṣika verfochtene Theorie des asatkaryavada Lehre vom Nichtsein der Wirkung vor und nach ihrer Manifestation die den diametral entgegengesetzten Standpunkt zum Saṃkhya einnimmt Die Wirkung ist dieser Lehrmeinung zufolge nicht potentiell in der Ursache enthalten sondern beide sind vollig verschieden und getrennt voneinander Differenz von Ursache und Wirkung Alle anderen Kausalitatsmodelle der nichtbuddhistischen Schulen stellten lediglich Abwandlungen dieser beiden Positionen dar Die Auffassung der Jains druckte sich erkenntnistheoretisch im syadvada Lehre von der Gultigkeit einer Aussage je nach einzelnem Standpunkt und ontologisch im anekantavada Lehre der Mannigfaltigkeit der Ausdrucksformen aus und nahm die Position einer Synthese ein Gemass dieser Haltung ist jede Aussage wahr aus der jeweiligen Perspektive der Person die sie trifft Und die Wirklichkeit besitzt nicht nur einen einzigen ausdruckbaren Aspekt sondern kann nur durch Nennung mehrerer Aspekte verbalisiert werden Die jainistische Philosophie setzte bezuglich der Frage nach der Wirkweise der Kausalitat auf die Moglichkeit sowohl als auch eine Auffassung die auch die spater theistische Auspragung des Saṃkhya vertrat Die Fatalisten Ajivikas lehrten dagegen einen strengen Determinismus der eine moralisch ethisch begrundete Kausalitat ausschloss Sie verwarfen das Gesetz des Karma zugunsten einer These nach der das Weltgeschehen vollig willkurlich durch den Lauf des Schicksals niyati gesteuert wurde Es gab demnach fur den Menschen keine Moglichkeit sich durch eigene Anstrengung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten Saṃsara zu befreien da die Erlosung fur sie nicht von der Qualitat der Taten abhing akriyavada Die Materialisten Lokayatikas lehnten alle generell akzeptierten Grundsatze philosophisch religiosen indischen Denkens ab Fur sie gab es weder Wiedergeburt noch Karma und das Leben endete fur sie mit dem korperlichen Tod Die Welt entstand ihrer Ansicht nach rein zufallig ohne bestimmte Gesetzmassigkeit oder Ordnung aus den vier Elementen Erde Feuer Wasser und Luft Aufgrund dieser Haltung propagierten sie den Hedonismus und die Auflosung der starren Kastenstruktur In dieses polyphone Konzert der Sichtweisen stimmten zwei der insgesamt 18 Schulen des Hinayana mit ein die Schulen des Sarvastivada und des Sautrantika die sich intensiv mit der im Abhidharma systematisierten Lehre von den grundlegenden Wirklichkeitsbestandteilen den Daseinsfaktoren dharmas auseinandersetzten Die vehemente Diskussion uber den Status dieser konstitutiven Elemente die neben anderen Grunden uberhaupt erst dazu gefuhrt hatte dass sich die Sautrantikas als eigenstandige Schule vom Sarvastivada abspalteten schloss auch einen Streit uber den kausalen Zusammenhang zwischen den Daseinsfaktoren mit ein und im Zuge dessen wandten die beiden Schulen die Modelle des satkaryavada und des asatkaryavada auf ihre Darstellungen an Die Sarvastivadin vertraten das Modell einer Koexistenz aller zukunftiger gegenwartiger und vergangener Daseinsfaktoren in einem ewigen Latenzzustand den sie jeweils aufgrund ihrer karmisch bedingten Aktivierung verlassen um in wechselnden Kombinationen Welt und Dinge zu konstituieren Nachdem die jeweilige Bindung die die Daseinsfaktoren eingegangen sind wieder auseinanderfallt verloschen sie nicht vollstandig sondern bleiben stets solange in ihrer Potentialitat erhalten bis sie erneut aktiviert werden daher auch der Name Sarvastivada von Sanskrit sarvam asti alles existiert Die Sarvastivadin sprachen den Elementen der Wirklichkeit eine Eigenexistenz svabhava zu und werteten ihren Status dadurch zu einer hochsten Wirklichkeit paramartha auf Diese Auffassung kam fur die Sautrantikas einem Verstoss gegen die zentrale buddhistische Lehre vom Nicht Selbst gleich da die Erhohung der Daseinsfaktoren auf eine den Dingen und Subjekten ubergeordnete Realitatsstufe die Daseinsfaktoren ihrerseits wieder in die Position eines unwandelbaren Selbst brachte vergleichbar mit dem Atman der Upaniṣaden Sie verfochten im Gegensatz dazu eine Lehre der Augenblicklichkeit kṣaṇikavada der zufolge die Daseinsfaktoren nur momenthaft aufblitzen um im selben Moment wieder vollstandig zu vergehen Die Faktoren besitzen daher keinerlei zeitraumliche Ausdehnung und keinen linearen Ursache Wirkungs Zusammenhang zueinander Vor ihrem Entstehen waren die Daseinsfaktoren ganzlich nichtexistent und in diese Nichtexistenz werden sie auch wieder nach ihrem Vergehen uberfuhrt All diese vorherrschenden Kausalitatsmodelle weist Nagarjuna schon zu Anfang des ersten Kapitels seiner Lehrstrophen uber die Wurzel der Mittleren Lehre gleichermassen als widerspruchlich zuruck Nirgends und niemals findet man Dinge entstanden aus sich aus anderem aus sich und anderem zusammen ohne Grund d i weder aus noch aus anderem 1 na svato napi parato na dvabhyaṃ napy ahetutaḥ utpanna jatu vidyante bhavaḥ kva cana ke cana MMK 1 1 Die Haltung der Sarvastivadins mit ihrer Version des satkaryavada ging Nagarjuna zufolge einher mit der extremen Ansicht des Ewigkeitsglaubens sasvatavada da sie die Daseinsfaktoren zu etwas ewig und dauerhaft Existierendem emporhoben Die Sautrantikas verfielen mit ihrer Ausarbeitung des asatkaryavada in den Augen Nagarjunas hingegen dem anderen Extrem der Vernichtungslehre ucchedavada indem sie die Daseinsfaktoren vor ihrem Entstehen und nach ihrem Vergehen fur ganzlich nicht existent erklarten Beide Ansichten waren fur Nagarjuna mit dem Mittleren Weg madhyama pratipad nicht vereinbar den er unter Berufung auf Buddha mit der volligen Gleichwertigkeit von Bedingtem Entstehen und Leerheit definierte Die Daseinsfaktoren sind nicht ewig da sie ihrerseits in Abhangigkeit von bedingenden Faktoren bestehen sie werden jedoch auch nicht vernichtet da sie aufgrund ihrer Abhangigkeit ganzlich leer von Eigenexistenz sind Dieses Verstandnis fasst Nagarjuna in folgendem Satz zusammen Das Entstehen in gegenseitiger Abhangigkeit pratityasamutpada dies ist es was wir Leerheit nennen Das ist aber nur ein abhangiger Begriff prajnapti gerade sie die Leerheit bildet den Mittleren Weg 2 yaḥ pratityasamutpadaḥ sunyataṃ taṃ pracakṣmahe sa prajnaptir upadaya pratipat saiva madhyama MMK 24 18 Die Heranfuhrung an diesen nur in der hochsten Einsicht prajna luckenlos nachvollziehbaren Sachverhalt ist das zentrale Motiv das hinter Nagarjunas gesamter Philosophie steht Nagarjuna analysierte die wichtigsten buddhistischen Themenbereiche vor diesem Hintergrund Nagarjunas Philosophie Die Lehre von der Leerheit sunyatavada BearbeitenNagarjunas Anliegen war eine Ruckbesinnung auf das Mittlere der Lehre Buddhas das angesichts der Auseinandersetzung zwischen Sarvastivadin und Sautrantikas drohte der blossen akademischen Spekulation uber metaphysische Gegebenheiten zum Opfer zu fallen Er war somit weder Begrunder einer neuen Schule noch war er Grunder des Mahayana selbst Nagarjuna analysierte die wichtigsten buddhistischen Kernthemen unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit von Bedingtem Entstehen und Leerheit siehe Shunyata die er zu Beginn seiner Lehrstrophen uber die grundlegenden Lehren des Mittleren Weges mit den acht Verneinungen unterstreicht Nichtvergehen Nichtentstehen Nichtabbrechen Nichtandauern Nichteinheit Nichtvielheit Nicht zur Erscheinung Kommen Nicht aus ihr Verschwinden 3 anirodham anutpadam anucchedam asasvataṃ anekartham ananartham anagamam anirgamaṃ Seines Erachtens hatten die Sarvastivadin und die Sautrantikas dieses Mittlere nicht genugend verinnerlicht was dazu fuhrte dass sie in Extreme verfielen die Sarvastivadin in die Es ist immer Position der ewigen Dauer und die Sautrantikas in die Es ist und wird nicht mehr sein Position der Vernichtung Beide Schulen waren in dieser Hinsicht vom buddhistischen Pfad abgewichen dessen Quintessenz Buddha in einer seiner Lehrreden mit folgendem kurzen Satz erlautert Nur eines lehre ich Das Leiden und die Aufhebung des Leidens Majjhima Nikaya MN 22 Fur Nagarjuna ist wie es sich auch schon als Trend in der Prajnaparamita Literatur abzeichnete insbesondere die Unwissenheit avidya eine der Hauptquellen des Leidens und sie gilt es vor allem anderen abzubauen um sie im Gegenzug durch Erkenntnis prajna und Wissen jnana zu ersetzen Dies ist ihm zufolge auch auf dem logisch argumentativen Wege uber die Theorie moglich der er durchaus einen praktischen Nutzen zuspricht Er verfahrt in seiner Argumentation dekonstruktiv um beim Praktizierenden Schritt fur Schritt alle Tendenzen des Ergreifens aufzulosen und dadurch das Mittlere zu enthullen das sich in der so gewonnenen Erkenntnis zeigt Um die Leerheit anhand schlussiger Argumente zu begrunden unterzieht Nagarjuna die Verganglichkeit der Phanomene einer strengen Analyse Nur weil die Phanomene in ihrer Abhangigkeit von bedingenden Faktoren ganzlich leer sind so argumentiert Nagarjuna konnen sie entstehen und vergehen Und nur weil sie leer sind ist die Uberwindung des Leidens durch die Vier Edlen Wahrheiten sowie das Beschreiten des Edlen Achtfachen Pfades zur Erlosung uberhaupt erst moglich Waren die Phanomene nicht leer d h existierten sie aus sich selbst heraus gabe es keinerlei Entwicklung in der Welt alles ware vollkommen statisch unveranderlich gewissermassen eingefroren in der Unendlichkeit Die Dinge waren unverursacht und da sie fur ihr Dasein keinerlei Stutze benotigten in Ewigkeit erstarrt Doch dies lasst sich mit der Beobachtung des standigen Wandels in der Welt nicht vereinbaren Nirgendwo finden sich unvergangliche Dinge Und daher schlussfolgert Nagarjuna finden sich nirgendwo Dinge die nicht leer sind Alle Dinge sind ohne Eigensein weil man an ihnen Wesensveranderung sieht Aufgrund der Leerheit aller Dinge gibt es allerdings kein Ding ohne Eigensein 4 bhavanaṃ niḥsvabhavatvamanyathabhavadarsanat asvabhavo bhavo nasti bhavanaṃ sunyata yataḥ MMK 13 3 Beispielsweise ist ein Baum abhangig von den verschiedensten bedingenden Faktoren Wurzeln Stamm Asten Zweigen Blattern Nahrstoffen im Boden Wind Regen Sonneneinstrahlung usw Der Baum ist aus diesem Betrachtungswinkel fur sich genommen gar nicht da sondern erst durch das Ineinandergreifen der diversen Faktoren die ihn ins Dasein erheben dazu gehoren z B auch die Wahrnehmung und die sprachliche Zuordnung Das gesamte Universum wirkt mit an diesem einen Baum da alle Bedingungen ihrerseits wieder von anderen Faktoren bedingt werden Fiele ein Faktor weg fielen alle anderen ebenso weg sie sind untrennbar miteinander verwoben Ware der Baum ein durchweg isoliertes und eigenstandiges Phanomen das unabhangig von Bedingungen existierte konnte er nicht wachsen und gedeihen da er fur sein Vorhandensein nichts anderes brauchte als sich selbst Er ware Entstehen und Vergehen nicht unterworfen immer gleich ungebunden todlos Doch dies widerspricht der Tatsache dass er sich unablassig verandert vom Samenkorn bis hin zu dem knorrigen Gewachs mit dichtem Blattwuchs das auch irgendwann wieder dem Verfall anheimfallt und stirbt Die Dinge sind also nach dieser Auffassung ohne Selbst nairatmya wesenlos asvabhava und leer sunya da sie infolge ihrer Abhangigkeit von bedingenden Faktoren uber keinerlei Eigenexistenz verfugen Eigenexistenz Sanskrit svabhava auch Eigennatur oder Eigensein genannt beschreibt als Fachausdruck der indischen Philosophie die Eigenschaft von etwas das aus eigener Kraft existiert etwas Stutzenlosem das fur sein Vorhandensein keine Bedingungen braucht Der in den Upaniṣaden behandelte Atman wird dort zum Beispiel unter anderem mit dem Pradikat eigenexistent versehen Er hat in dieser Funktion den Status einer dem Relativen ubergeordneten letzten Wirklichkeit inne ist im Gegensatz zur sich standig wandelnden bedingten Welt in sich selbst begrundet ewig unveranderlich rein und unentstanden Dies sind die Attribute die der Eigenexistenz in diesem Zusammenhang zugesprochen werden Und diese Eigenexistenz ist es die Nagarjuna in Bezug auf die Phanomene prinzipiell ausschliesst Die Welt ist fur Nagarjuna eben wegen dieses Fehlens von Eigenexistenz keine Welt des Seins sondern des standigen Werdens Die Dinge sind nicht sondern geschehen gleich einer Melodie die auch nicht ist sondern in der Aufeinanderfolge der Tone stattfindet Auch die Daseinsfaktoren fallen in diese Kategorie denn als solche existieren sie nicht unabhangig sie sind unmittelbar in das Beziehungsgeflecht des pratityasamutpada eingebunden Da aber nun Abhangigkeit und Leerheit das Gleiche bedeuten entstehen und vergehen die Dinge laut Nagarjuna nicht wirklich Fur dich mag gelten dass Entstehen und Vergehen doch gesehen werden Man sieht Entstehen und Vergehen jedoch nur aus Verblendung 5 dṛsyate saṃbhavas caiva vibhavas caiva te bhavet dṛsyate saṃbhavas caiva mohad vibhava eva ca MMK 21 11 Die beiden unheilsamen Sichtweisen des Ewigkeitsglaubens und der Vernichtungslehre versehen die Dinge mit einer Substanz oder einer Essenz die im ersteren Falle als etwas Unzerstorbares angesehen wird und in letzterem Falle zusammen mit dem Phanomen ins Dasein tritt und dann wieder verloren geht wenn das Phanomen zerfallt Doch da alles im Werden Begriffene im Buddhismus keinen bleibenden Kern aufweist dauert es weder an Ewigkeit noch hort es auf zu sein Vernichtung ist weder Eines Monismus noch Vieles Pluralismus Nagarjuna vergleicht das substanziell und damit als absolut aufgefasste Entstehen und Vergehen daher mit Luftspiegelungen und Schimaren mit Zaubertrug und Traumgebilden Was von Bedingungen abhangt ist leer Was leer ist verfugt uber keine eigenstandige unabhangige Realitat So wie Wellen an der Oberflache des Meeres auftauchen ohne dass dabei Wasser hinzugewonnen wird und so wie die Wellen wieder in den Ozean zuruckkehren ohne dass dabei Wasser verloren geht entstehen und vergehen die Phanomene Wie Zauber wie Traum wie eine Fata Morgana werden Entstehen Bestehen und Vergehen aufgefasst 6 yatha maya yatha svapno gandharvanagaraṃ yatha tathotpadas tatha sthanaṃ tatha bhaṅga udahṛtam MMK 7 34 Die Dinge treten nicht absolut wirklich ins Dasein da auch ihr Entstehen von Bedingungen abhangt und diese Abhangigkeit macht das Auffinden einer ersten Ursache einer greifbaren Wurzel unmoglich sie verliert sich im Konditionalnexus dem gewaltigen Netz der Bedingtheit Die Phanomene existieren nicht ewig ananta und sie kommen auch nicht aus dem Nichts vibhava um nach ihrer Existenz wieder in dasselbe Nichts zu verschwinden Sie sind aufgrund ihrer Leerheit die diese beiden Extreme ausschliesst weder existent noch nichtexistent Ausgehend von dieser Feststellung treibt Nagarjuna seine Argumentation noch einen Schritt weiter nach vorn und beschreibt in einem Vers der zu den meistzitierten Satzen der Mulamadkyamakakarika zahlt die Ununterscheidbarkeit von Samsara und Nirwana auf dem Gipfel der Erkenntnis prajna Es gibt nichts was das Samsara vom Nirwana und das Nirwana vom Samsara unterscheidet Die Grenze des Nirwana ist zugleich die Grenze des Samsara Zwischen diesen beiden wird auch nicht der feinste Unterschied gefunden 7 na saṃsarasya nirvaṇat kiṃcid asti viseṣaṇam na nirvaṇasya saṃsarat kiṃcid asti viseṣaṇam nirvaṇasya ca ya koṭiḥ koṭiḥ saṃsaraṇasya ca na tayor antaraṃ kiṃcit susukṣmam api vidyate MMK 25 19 20 Vom Standpunkt der Erlosung aus gibt es keine Differenzierung mehr zwischen den bedingten Erscheinungen der Daseinswelt und dem unbedingten Nirwana Bedingtes und Unbedingtes sind dualistische und aufeinander bezogene Begriffe Nur derjenige der nicht zur Weisheitserfahrung der universellen Leerheit gelangt ist haftet an ihnen und dies versperrt ihm den Weg zur Einsicht er errichtet eine Grenze zwischen Samsara und Nirwana die es nicht gibt Da die Leerheit gleich Erlosung ist befinden sich alle Wesen bereits im Zustand essenzieller Erlostheit Es gilt also lediglich sich dieser Erlostheit die frei ist von allen Begrenzungen Unterscheidungen und Extremen bewusst zu werden und sie zu erkennen Doch dieses Erkennen so mahnt Nagarjuna ist infolge der Anatta Lehre nicht als ein personlicher Vorgang zu verstehen Er macht auf den Widerspruch aufmerksam der in der Vorstellung zutage tritt das Nirwana haben erringen erlangen oder verwirklichen zu wollen Erloschen werde ich ohne Ergreifen mir wird Nirwana sein Diejenigen die in solchem Wahn gefangen sind die sind vom Ergreifen besonders gefangen 8 nirvasyamy anupadano nirvaṇaṃ me bhaviṣyati iti yeṣaṃ grahas teṣam upadanamahagrahaḥ MMK 16 9 Der Begriff der Leerheit als zentrales Element in Nagarjunas Lehre hat somit vornehmlich soteriologische Funktion Er dient dazu die alltagliche Wirklichkeitsauffassung die von Konventionen wie Sprache und Denken gepragt ist aus der Perspektive der Erlostheit zu relativieren um mit bestimmten Grundannahmen aufzuraumen die einer tieferen Einsicht und damit der Leerheitserfahrung im Wege stehen Festgefahrene Denkmuster und Vorstellungen die in einander ausschliessende Extreme munden u a die des Eigenseins svabhava und des Fremdseins parabhava der Identitat und der Differenz sollen aufgebrochen werden um die ergreifende und anhaftende Tendenz des Denkens die Nagarjuna mit dem Ausdruck der begrifflichen Entfaltung prapanca wiedergibt zu beruhigen und die damit einhergehenden Fixierungen aufzulosen Erlosung kommt durch die Vernichtung von Karma und Anhaftungen Karma und Anhaftung kommen aus unterscheidenden Vorstellungen vikalpa sie kommen aus der begrifflichen Entfaltung prapanca Die Entfaltung aber wird in der Leerheit vernichtet 9 karmaklesakṣayan mokṣaḥ karmaklesa vikalpataḥ te prapancat prapancas tu sunyatayaṃ nirudhyate MMK 18 5 Nagarjuna warnt jedoch mehrfach davor die Leerheit mit einer hinter der Welt liegenden Realitat oder einer Ansicht zu verwechseln die diese Realitat reprasentiert Man sollte sich davor huten sie ihrerseits zum Trager einer Substanz oder gar zum wahren Wesen der Phanomene einem Absoluten zu machen Die Leerheit ist fur Nagarjuna vorrangig im Sinne eines Hilfsmittels zu verstehen das als solches nicht vergegenstandlicht werden darf Die Leerheit wurde von den Siegreichen den Buddhas als Zuruckweisung jeglicher Ansicht gelehrt Diejenigen aber fur welche die Leerheit eine Ansicht ist die wurden fur unheilbar erklart 10 sunyata sarvadṛṣṭinaṃ prokta niḥsaraṇaṃ jinaiḥ yeṣaṃ tu sunyatadṛṣṭis tan asadhyan babhaṣire MMK 13 8 Es ist daher laut Nagarjuna ausserst wichtig mit dem Begriff der Leerheit vorsichtig umzugehen Er ist als heilsames Konzept gedacht um von extremen Ansichten zu befreien kann sich jedoch wenn er als Ansicht missverstanden wird auch gegenteilig auswirken und Schaden anrichten Die falsch aufgefasste Leerheit richtet den der von schwacher Einsicht ist zugrunde wie eine schlecht ergriffene Schlange oder falsch angewandte Magie 11 vinasayati durdṛṣta sunyata mandamedhasam sarpo yatha durgṛhito vidya va duṣprasadhita MMK 24 11 Es gilt aus diesem Grunde auch zu erkennen dass die Leerheit als abhangige Bezeichnung selbst leer ist eine Aussage die Nagarjuna aus den eigenen Reihen Vorwurfe des Nihilismus nastitva und der Selbstwiderlegung einbrachte da sie als Theorie missverstanden wurde Die Leerheit war von Nagarjuna nie als Theorie beabsichtigt die eine andere Theorie ersetzen sollte Es ging ihm vielmehr darum letztlich alle Theorien hinter sich zu lassen auch die der Leerheit Wenn die Leerheit ihren Zweck als Hilfsmittel erfullt hat und den Blick fur eine tiefere Einsicht offnen konnte sollte sie aufgegeben werden so wie man ein Floss hinter sich lasst das einen ans rettende Ufer brachte und von da an nicht mehr benotigt wird Sogar nur von ihr zu sprechen kann sich unheilsam auswirken wenn das Gesprochene reifiziert wird weswegen Nagarjuna betont Man soll weder sagen leer noch nicht leer auch nicht beides zugleich und auch nicht keines von beiden Zum Zwecke der Verstandigung aber mag man so sprechen 12 sunyam iti na vaktavyam asunyam iti va bhavet ubhayaṃ nobhayaṃ ceti prajnaptyarthaṃ tu kathyate MMK 22 11 An diesem Beispiel zeigt sich Nagarjunas Argumentationstechnik mittels des Urteilsvierkants catuṣkoṭi der im Folgenden naher erlautert wird Der Urteilsvierkant catuṣkoṭi Bearbeiten Das logische Stilmittel des Urteilsvierkants catuṣkoṭi auch buddhistisches Tetralemma genannt das Nagarjuna in seiner Argumentation als didaktisches Instrument einsetzt ist eine vermutlich auf den im Dighanikaya erwahnten Skeptiker Sanjaya Belaṭṭhiputta zuruckgehende Denkfigur die sich aus vier Gliedern zusammensetzt welche vier moglichen logischen Alternativen entsprechen Sie wird der Uberlieferung nach bereits von Buddha auf Fragen angewandt die seinem Verstandnis nach von den falschen Pramissen ausgehen und daher von vornherein dem Kontext nach nicht richtig gestellt sind Diese Vorgehensweise Buddhas ist an mehreren Stellen des Pali Kanon tradiert Ein Textbeispiel hierzu findet sich in einem Kapitel aus dem Saṃyuttanikaya Gruppierte Sammlung wo Kassapa ein Wanderasket und spaterer Schuler Buddhas von Buddha uber die Entstehung des Leidens aufgeklart wird Kassapa Ist etwa das Leiden Herr Gotama selbst verursacht Buddha Nicht so sollst du sprechen Kassapa Kassapa Oder aber ist das Leiden von einem anderen verursacht Buddha Nicht so sollst du sprechen Kassapa Kassapa Ist etwa das Leiden sowohl selbst verursacht als auch von einem anderen verursacht Buddha Nicht so sollst du sprechen Kassapa Kassapa Oder aber ist das Leiden nicht selbst bewirkt und auch nicht von einem anderen bewirkt sondern durch Zufall entstanden Buddha Nicht so sollst du sprechen Kassapa Kassapa Gibt es also Herr Gotama uberhaupt kein Leiden Buddha Es gibt wohl ein Leiden Kassapa Kassapa Kennt also Herr Gotama das Leiden nicht und sieht es nicht Buddha Ich kenne das Leiden wohl ich sehe das Leiden wohl Kassapa Kassapa So moge mir der Erhabene das Leiden darlegen moge es mir verkunden Daraufhin antwortete der Buddha zusammenfassend Behauptet man namlich der Namliche ist es der die Handlung ausfuhrt und der die Folgen empfindet so gibt es einen der von Anbeginn da ist sagt man von dem aus das Leiden ist selbst verursacht so kommt man damit auf ein ewig Dauerndes hinaus Behauptet man ein anderer ist es der die Handlung ausfuhrt und der die Folgen empfindet so gibt es einen der von Empfindung betroffen ist Sagt man von dem aus das Leiden ist von einem anderen verursacht so kommt man auf eine vollige Vernichtung hinaus Diese beiden Enden vermeidend Kassapa verkundet in der Mitte der Tathagata die wahre Lehre Durch Unwissenheit bedingt sind die Gestaltungen durch die Gestaltungen bedingt ist das Bewusstsein Saṃyutta Nikaya SN 12 17 In diesem Beispiel argumentiert Buddha mit der Negation aller vier Glieder des catuṣkoṭi Er versucht damit auf die bereits tendenziell in den Fragestellungen verborgenen extremen Ansichten des Ewigkeitsglaubens und der Vernichtungslehre hinzuweisen die nach buddhistischem Denken zu vermeiden sind Der Urteilsvierkant als theoretisches Modell bezieht in seiner Grundstruktur sowohl den Satz vom Widerspruch als auch den Satz vom ausgeschlossenen Dritten mit ein Etwas ist so Etwas ist nicht so Etwas ist sowohl so als auch nicht so Etwas ist weder so noch nicht so Die buddhistische Logik geht gemass der zentralen Lehre vom Nicht Selbst davon aus dass A nicht mit sich selbst identisch ist das heisst A ist nicht A das isoliert geglaubte Selbst ist in Wirklichkeit ein fehlerhafter Eindruck der dadurch zustande kommt dass der Prozess standig neu zusammentretender und wieder auseinanderfallener Gruppierungen von Daseinsfaktoren mit einem bestandigen Ich verwechselt und diese Verwechslung durch Anhaften verstarkt und aufrechterhalten wird Dies bedeutet die Grundpramisse der formalen Logik Selbstidentitat A A wird von vorneherein verneint Doch im nachsten Schritt wird ebenso die Differenz negiert A ist also genauso wenig Nicht A es ist auch kein Selbst inner und ausserhalb der Daseinsfaktoren zu finden Die beiden darauf folgenden Schritte sind schliesslich da sie lediglich Kombinationen aus den ersten beiden Schritten darstellen als genauso falsch zu verwerfen Es gilt gemass dieser Vorgehensweise mithilfe des catuṣkoṭi nicht etwas als unumstossliche Wahrheit zu beweisen das heisst eine Behauptung zu falsifizieren oder eine falsche durch die richtige Wahrheit zu ersetzen sondern vielmehr darum auf die Schwachstellen in bestimmten Argumentationsformen und Gedankengangen hinzuweisen die einer Erkenntnis entgegenwirken Das einzig gultige Kriterium nach der eine Aussage demzufolge letztlich bewertet werden kann liegt darin ob das Gesagte heilsam und fur eine tiefergehende Einsicht forderlich ist oder nicht Aussageweisen auch wenn sie der relativen Ebene angehoren sind notwendig um damit Lehrinhalte zu vermitteln und zu transportieren mussen sich jedoch als heilsam erprobt bewahren und beziehen ihren Wahrheitsgehalt demnach aus der praktischen Anwendbarkeit Das tatsachliche vollstandige Verstehen vollzieht sich dann in der nonverbalen Einsicht dem was im Zen auch als nicht denkendes Denken jap hishiryo bekannt ist Somit besitzt die Anwendung des Urteilsvierkants zwei Aspekte einen dekonstruktiven d h die Funktion die Sackgassen des begrenzenden einengenden und unheilsamen Denkens aufzuzeigen und zugleich einen konstruktiven namlich die Funktion Unwissenheit avidya in Weisheit prajna zu uberfuhren also uber das begrenzende Denken hinauszudeuten und von ihm wegzuleiten Elemente aus dem catuṣkoṭi finden sich bis heute in einigen Mondos und Kōan der Zen Tradition wieder Die Lehre von den Zwei Wahrheiten satyadvaya Bearbeiten Bei der Verkundigung des Dharma haben sich die Buddhas auf die zwei Wahrheiten gestutzt Die eine ist die weltliche verhullte Wahrheit saṃvṛtisatya die andere ist die Wahrheit im hochsten Sinne paramarthasatya Diejenigen die den Unterschied der beiden Wahrheiten nicht erkennen die erkennen auch nicht die tiefe Wahrheit tattva in der Lehre Buddhas 11 dve satye samupasritya buddhanaṃ dharmadesana lokasaṃvṛtisatyaṃ ca satyaṃ ca paramarthataḥ ye nayor na vijananti vibhagaṃ satyayor dvayoḥ te tattvaṃ na vijananti gambhiraṃ buddhasasane MMK 24 8 24 9 Ohne sich nicht auf die Anwendung der Worte vyavahara zu stutzen kann die Wahrheit im hochsten Sinne nicht gezeigt werden und ohne zur Wahrheit im hochsten Sinne vorgestossen zu sein wird Nirvana nicht erlangt 13 vyavaharam anasritya paramartho na desyate paramartham anagamya nirvaṇaṃ nadhigamyate MMK 24 10 Die in obigem Zitat von Nagarjuna angesprochene Methodik des Unterscheidens zwischen einer Wahrheit im hochsten Sinn und einer verhullten auf Konvention beruhender Wahrheit die im spateren Madhyamaka konsequent fortgefuhrt wurde ist in dieser Form bis heute durch alle buddhistischen Schulen hinweg erhalten geblieben Die Auffassung dass keine Aussage absolute Gultigkeit besitzt sondern als relative und bedingte Aussage auf ihre Heilsamkeit hin zu uberprufen ist hat seit Nagarjunas Formulierung der Zwei Wahrheiten ihren festen Platz in allen buddhistischen Richtungen Bereits im Korb der Abhandlungen findet sich ein erster fruhbuddhistischer Ansatz zum Modell der Zwei Wahrheiten indem zwischen den Wirklichkeitsebenen samutti sacca und paramattha sacca differenziert wird In dieser fruhen Form beziehen sich die Zwei Wahrheiten auf den Realitatsstatus der Daseinsfaktoren dharmas im Kontrast zu den weltlichen Gegebenheiten die von ihrem bedingten Zusammenspiel abhangen Den Daseinsfaktoren als nicht weiter reduzierbaren Konstituenten der empirischen Realitat kommt hier hochste Wirklichkeit zu sie werden daher auch paramattha dhammas genannt Was die Daseinsfaktoren konstituieren die alltagliche Vorstellung von ich mein von konkreten substanzhaften voneinander unabhangigen Dingen und Personen wird hingegen der Ebene der verhullten Wirklichkeit zugeordnet Nagarjuna griff dieses Modell auf veranderte dabei jedoch nun unter Verwendung der Sanskrit Begriffe samvritti satya und paramartha satya die Einteilung der Wirklichkeitsgrade grundlegend Die zuvor noch im abhidharmischen Sinne als hochste Wirklichkeit beschriebenen Daseinsfaktoren verlegte er wie alles verbal Ausdruckbare auf die Ebene der samvritti satya der verhullten Wahrheit Die hochste Wahrheit kann nicht gesagt werden man kann nur auf sie hindeuten mittels konventioneller Wahrheit um sie daraufhin in einer tiefer gehenden intuitiven Einsicht unmittelbar zu erfahren Diese Grundhaltung wird z B in dem Zen Spruch Der Finger der auf den Mond zeigt ist nicht der Mond illustriert Literatur BearbeitenNagarjuna Bodhicittavivarana Erlauterung des Erleuchtungsgeistes Tibetisch Englisch von Dr Christian Lindtner und Deutsch Angkor Verlag 2015 ISBN 978 3 943839 26 5 Kindle E Book mit Essay von Dr Lindtner zur Gematrie Stephen Batchelor Nagarjuna Verse aus der Mitte Eine buddhistische Vision des Lebens Theseus Berlin 2002 ISBN 3 89620 181 6 Khenpo Tsultrim Gyamtso The Sun of Wisdom Teachings on the Noble Nagarjuna s Fundamental Wisdom of the Middle Way Shambala Publ Boston 2003 ISBN 1 57062 999 4 Jeffrey Hopkins Nagarjunas Juwelenkette Buddhistische Lebensfuhrung und der Weg der Befreiung Hugendubel Kreuzlingen 2006 ISBN 3 7205 2754 9 Christian Th Kohl Buddhismus und Quantenphysik Die Wirklichkeitsbegriffe Nagarjunas und der Quantenphysik Windpferd Aitrang 2005 ISBN 3 89385 463 0 K Venkata Ramanan Nagarjuna s Philosophy 1966 Charles E Tuttle Vermont and Tokyo Reprint Motilal Banarsidass Delhi 1978 Li Rongxi Albert A Dalia The Lives of Great Monks and Nuns Memento vom 20 August 2014 im Internet Archive Numata Center for Translation and Research Berkeley CA 2002 Hans P Sturm Weder Sein noch Nichtsein Der Urteilsvierkant catuskoti und seine Korollarien im ostlichen und westlichen Denken ERGON Verlag Wurzburg 1996 ISBN 3 928034 72 3 Bernhard Weber Brosamer Dieter M Back Die Philosophie der Leere Nagarjunas Mulamadhyamaka Karikas 2 durchgesehene Auflage Harrassowitz Wiesbaden 2005 ISBN 3 447 05250 3 Ubersetzung des buddhistischen Basistexts mit kommentierenden Einfuhrungen Max Walleser Die buddhistische Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung Teil II Die mittlere Lehre Madhyamika sastra des Nagarjuna nach der tibetischen Version ubertragen Heidelberg 1911 Internet Archive PDF 14 5 MB David Kalupahana Mulamadhyamakakarika of Nagarjuna Motilal Banarsidass 1991 ISBN 81 208 0774 X Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Nagarjuna Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Nagarjuna im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Douglas Berger Nagarjuna In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Jan Christoph Westerhoff Nagarjuna In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Mulamadkyamakakarika Sanskrit Original Devanagari amp Umschrift im PDF Datei Douglas Bachman 2001 234 kB Ratnavali Precious Garland Memento vom 19 Februar 2013 im Webarchiv archive today englisch ubersetzt von Vidyakaraprabha und Bel dzek Suhṛllekha Letter to a friend in English Ubersetzt von Alexander Berzin Andreas Goppold Die Logik der Lehre von der Leere Die Shunyata des Nagarjuna Projekt Leonardo Leibniz 1994 Mula madhyamaka karika online Tibetan and English version translated by Stephen Batchelor aufgerufen am 24 August 2013 Yuktisastika deutsch PDF Datei Ubersetzt von Guido KellerEinzelnachweise Bearbeiten Weber Brosamer Back Die Philosophie der Leere Wiesbaden 2005 S 2 Weber Brosamer Back Die Philosophie der Leere Wiesbaden 2005 S 92 Weber Brosamer Back Die Philosophie der Leere Wiesbaden 2005 S 1 Weber Brosamer Back Die Philosophie der Leere Wiesbaden 2005 S 47 Weber 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Nagarjuna amp oldid 230172778