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Leopold Graf Berchtold vollstandiger Name Graf Leopold Anton Johann Sigismund Josef Korsinus Ferdinand Berchtold von und zu Ungarschitz Fratting und Pullitz ungarisch Grof Berchtold Lipot 18 April 1863 in Wien 21 November 1942 in Peresznye Komitat Odenburg war ein osterreichisch ungarischer Diplomat und Politiker Er spielte eine wichtige Rolle in der Julikrise die zum Ersten Weltkrieg fuhrte Leopold Graf BerchtoldInhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Politische Krisen 2 1 Balkankriege 1912 1913 2 2 Julikrise 1914 2 3 Italienische Forderungen 3 Rezeption 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben Bearbeiten nbsp Schloss Buchlau nbsp Berchtold mit Frau und Sohnen auf Schloss Buchlau 1906 Die Familie der Grafen Berchtold stammte ursprunglich aus Tirol und besass ausgedehnte Landereien in Mahren Leopold war der Sohn von Graf Sigmund von Berchtold 1834 1900 und dessen Frau geborene Grafin Trauttmansdorff Er wuchs auf Schloss Buchlau in Mahren auf Dort lernte er auch die tschechische slowakische und ungarische Sprache 1 Nach der Ablegung des Staatsexamens trat er 1887 bei der Statthalterei in Brunn in den Staatsdienst ein 1894 legte Berchtold die Diplomatenprufung ab und wurde als Legationssekretar der Botschaft Paris zugeteilt Er heiratete Grafin Ferdinandine Karolyi Erbin grosser Besitztumer in der heutigen Slowakei und bekam mit ihr drei Sohne von denen zwei schon als Kinder starben 1897 ging er als erster Sekretar an die Botschaft nach London und 1903 als Botschaftsrat nach Sankt Petersburg Dort erlebte er die russische Niederlage im Krieg gegen Japan 2 Berchtold war von Dezember 1906 bis 1911 osterreichischer Botschafter in Sankt Petersburg 1908 initiierte er eine Zusammenkunft von Aussenminister Alois Lexa von Aehrenthal mit dessen russischen Amtskollegen Iswolski in seinem Schloss Buchlau 3 wo beide Reiche am 16 September im Vorfeld der Bosnischen Annexionskrise das Abkommen von Buchlau vereinbarten nach dem die Donaumonarchie Bosnien Herzegowina behalten und Russland die freie Durchfahrt durch die Dardanellen gewinnen sollte Am 17 Februar 1912 wurde Berchtold vom Kaiser und Konig zum Minister des kaiserlichen und koniglichen Hauses und des Aussern und damit zum Vorsitzenden des gemeinsamen Ministerrates ernannt Er trat sein Amt an nachdem die Politik seines Vorgangers Aehrenthal Osterreich in die internationale Isolation gefuhrt und vor allem das Verhaltnis zu Russland verschlechtert hatte Berchtold verfolgte diesen Kurs weiter Als Vertreter einer anti serbischen Politik initiierte er die Grundung von Albanien um Serbien vom Mittelmeer fernzuhalten Nach der Ermordung des osterreichisch ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand am 28 Juni 1914 im Attentat von Sarajevo formulierte und vertrat er am 23 Juli 1914 das Ultimatum an Serbien dessen Ablehnung letztlich den Ersten Weltkrieg einleitete Nach seinem Rucktritt als Aussenminister zum 13 Janner 1915 zu dem ihm Franz Joseph I die Brillanten zum Grosskreuz des St Stephans Ordens verlieh wurde Berchtold Berater des Thronfolgers und spateren Kaisers und Konigs Karl I dem er von Mai bis November 1918 als letzter Obersthofmeister diente Anfang November 1918 begleitete er einen Transport von habsburgischen Juwelen aus der Schatzkammer in der Wiener Hofburg in die Schweiz um ihre weitere Disposition durch Karl I zu ermoglichen 4 Berchtold blieb zunachst in der Schweiz lebte aber seit 1923 zuruckgezogen vorwiegend in Ungarn Er starb 1942 auf seinem Gut im ungarischen Peresznye bei Guns Politische Krisen BearbeitenBalkankriege 1912 1913 Bearbeiten Wahrend des Ersten Balkankrieges im Oktober 1912 strebte Berchtold neben minimalen Grenzberichtigungen einen engen wirtschaftlichen Anschluss Serbiens an die Monarchie an Einen serbischen Adriazugang lehnte der Aussenminister ab Daher erschuf er ein autonomes Albanien und wollte die wirtschaftlichen Interessen der Monarchie auf dem Balkan durch den Bau einer Bahn nach dem in einen Freihafen umgewandelten Saloniki sichern Seine Zollunionsplane mit Serbien und Montenegro verfolgten den Zweck diese Staaten durch eine wirtschaftliche Angliederung politisch auszuschalten 5 Bereits in der Bosnischen Annexionskrise noch starker aber wahrend der Balkankriege tauchten Plane auf die sudslawische Frage durch Annexion Serbiens zu losen Auch Berchtold war schon beim Gemeinsamen Ministerrat am 2 Mai 1913 wahrend der Skutari Krise fur die Angliederung Serbiens als gleichberechtigter Teil der Monarchie 6 Berchtold enthullte das politische Programm der Monarchie nach den Balkankriegen in einer noch vor dem Attentat von Sarajevo konzipierten Denkschrift vom 1 Juli 1914 Das durch die Expansion Serbiens und die hegemoniale Stellung Rumaniens gestorte Gleichgewicht der Balkanstaaten und der tief herabgesunkene Einfluss Osterreich Ungarns sollten durch eine neue politische Offensive wiederhergestellt und damit die gefahrlichen Umtriebe der grossserbischen und grossrumanischen Irredenta die einen so machtigen Antrieb empfangen hatte zuruckgedrangt werden 7 Julikrise 1914 Bearbeiten nbsp Philip Alexius de Laszlo Graf Leopold Berchtold Ol auf Leinwand 1906Nach dem Attentat von Sarajevo ubernahm der vorher ablehnende Berchtold selbst die Fuhrung der Kriegspartei Franz Conrad von Hotzendorf wollte auf die Nachricht vom Attentat sofort mit dem Angriff auf Serbien beginnen aber Berchtold und Kaiser Franz Joseph hielten eine Untersuchung und eine diplomatische Vorbereitung fur notwendig 8 Beim Ministerrat fur gemeinsame Angelegenheiten vom 7 Juli 1914 forderte Berchtold Serbien durch eine Kraftausserung fur immer unschadlich zu machen 9 Es war Berchtolds Taktik in der Julikrise so zu tun als habe man kein Interesse an der Annexion Serbiens Osterreichisch ungarische Diplomaten in Sankt Petersburg und London betonten wiederholt die Monarchie habe keine Eroberungsabsichten in Serbien Berchtold liess dem russischen Aussenminister Sasonow mitteilen dass wir bei unserer Aktion gegen Serbien keinerlei territorialen Erwerb beabsichtigen und auch die selbstandige Existenz des Konigreiches ganz und gar nicht vernichten wollen Die Monarchie ist territorial saturiert und tragt nach serbischem Besitz kein Verlangen Wenn der Kampf mit Serbien uns aufgezwungen wird so wird dies fur uns kein Kampf um territorialen Gewinn sondern lediglich ein Mittel der Selbstverteidigung und Selbsterhaltung sein Am 29 Juli hingegen wurde diese Botschaft vermieden eine Regierung konne nicht voraussehen liess man in London wissen was sie nach einem siegreichen Krieg tun wurde Es sei aber naturlich dass alle auf unser Desinteressement bezuglichen Erklarungen nur fur den Fall gelten dass der Krieg zwischen uns und Serbien lokalisiert bleibe 10 Der Gefahr die durch ein Eingreifen Russlands drohte war man sich bei den Entscheidungstragern sehr wohl bewusst aber man konnte und wollte den dringenden Wunsch gegen Serbien loszuschlagen offenbar nicht mehr unterdrucken Berchtold schrieb noch wahrend der Julikrise am 25 Juli In dem Augenblicke wo wir uns zu einem ernsten Vorgehen gegen Serbien entschlossen haben sind wir uns naturlich auch der Moglichkeit eines sich aus der serbischen Differenz entwickelnden Zusammenstosses mit Russland bewusst gewesen Wir konnten uns aber durch diese Eventualitat nicht in unserer Stellungnahme gegenuber Serbien beirren lassen weil grundlegende staatspolitische Considerationen uns vor die Notwendigkeit stellten der Situation ein Ende zu machen dass ein russischer Freibrief Serbien die dauernde ungestrafte Bedrohung der Monarchie ermogliche 11 Die Verantwortung fur diese fatalen Entscheidungen Osterreich Ungarns lag bei Kaiser und Konig Franz Joseph und seinen Ratgebern Berchtold den beiden Ministerprasidenten Karl Sturgkh und Stephan Tisza sowie Generalstabschef Conrad Das osterreichische Parlament war im Marz 1914 vom Kaiser und Sturgkh vertagt worden und wurde nicht gefragt Siehe auch Chronologie der Julikrise 1914 Italienische Forderungen Bearbeiten Berchtold unterliess es absichtlich die offiziell Verbundeten Italien und Rumanien von der beabsichtigten Aktion gegen Serbien zu unterrichten da er voraussah dass diese ihre Zustimmung nur gegen Kompensationen geben wurden 12 Der italienische Botschafter in Wien erklarte Berchtold am 19 Dezember 1914 Italien verlange Kompensationen auch bei partialer permanenter oder temporarer territorialer Besetzung aber auch wenn die Monarchie Vorteile nicht territorialer Natur ja selbst bloss politische Einflussnahme oder wirtschaftliche Privilegien erlange 13 Durch die Botschafter in Rom Bernhard von Bulow und Karl Macchio gedrangt gab Berchtold nach und schlug am 9 Januar 1915 Franz Joseph vor das Trentino abzutreten Der Kaiser und der ungarische Ministerprasident Stephan Tisza wollten aber davon nichts wissen Auf Betreiben des machtigen Tisza wurde Berchtold am 13 Januar 1915 vom Kaiser als Aussenminister durch den Ungarn Stephan Burian ersetzt 14 Rezeption Bearbeiten nbsp Auf seinem Gut Peresznye verbrachte Berchtold seine letzten LebensjahreVon Zeitgenossen wurde Berchtold als liebenswurdiger feinsinniger taktvoller und gebildeter Grandseigneur geschildert bescheiden selbstironisch aber auch unsicher und weltfremd Jagd Pferdesport Frauen und Freunde standen oft im Vordergrund der politischen Wirklichkeit blieb er fern Eine echte Auseinandersetzung mit den Bedurfnissen und Ideen der Volker des Reiches war ihm nicht moglich 15 Zu seiner Zeit als Karls Obersthofmeister hatte der Kaiser den neuen Minister Josef Redlich in Privataudienz empfangen und ihm gesagt er hatte den Krieg nie erklart aber er sei damals nur ein kleiner Offizier gewesen Der wohl Hauptverantwortliche Berchtold stand unterdessen als Oberstkammerer im Vorzimmer bemerkt dazu Anton Mayr Harting 16 Literatur BearbeitenHugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Johann Albrecht Freiherr von Reiswitz Berchtold Leopold Graf In Neue Deutsche Biographie NDB Band 2 Duncker amp Humblot Berlin 1955 ISBN 3 428 00183 4 S 65 Digitalisat Georg Erich Schmid Berchtold Leopold Anton In Biographisches Lexikon zur Geschichte Sudosteuropas Band 1 Munchen 1974 S 184 f Berchtold Leopold Graf In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 1 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1957 S 71 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Leopold Berchtold Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag zu Leopold Berchtold im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Biografie bei Austrian Commanders englisch Zeitungsartikel uber Leopold Berchtold in den Historischen Pressearchiven der ZBWEinzelnachweise Bearbeiten Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 1 S 1 und 8ff Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 1 S 11 15 23 und 30ff Berchtold Leopold Graf In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 1 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1957 S 71 Rosa Tropfen In Der Spiegel Nr 37 1966 S 108 f online Dorte Loding Deutschlands und Osterreich Ungarns Balkanpolitik von 1912 1914 unter besonderer Berucksichtigung ihrer Wirtschaftsinteressen Hamburg 1969 S 38 41 Ludwig Bittner Hans Uebersberger Hrsg Osterreich Ungarns Aussenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914 Diplomatische Aktenstucke des osterreichisch ungarischen Ministeriums des Ausseren Wien Leipzig 1930 Band 6 S 324ff Nr 6870 und Band 7 S 397ff Nr 8779 Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 1 S 549 William Jannen Jr The Austro Hungarian Decision For War in July 1914 In Samuel R Williamson Jr Peter Pastor Hrsg Essays On World War I Origins and Prisoners of War New York 1983 S 55 81 hier S 72 Jozsef Galantai Istvan Tisza und der Erste Weltkrieg In Osterreich in Geschichte und Literatur 8 1964 S 465 477 hier 477 Miklos Komjathy Hrsg Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Osterreichisch Ungarischen Monarchie 1914 1918 Budapest 1966 S 104f Imanuel Geiss Hrsg Julikrise und Kriegsausbruch Eine Dokumentensammlung Hannover 1963 64 Band 2 S 345ff und 408 und 448f Ludwig Bittner Hans Uebersberger Hrsg Osterreich Ungarns Aussenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914 Diplomatische Aktenstucke des osterreichisch ungarischen Ministeriums des Ausseren Wien Leipzig 1930 Band 8 S 721 Nr 10685 Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 1 S 567 Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 2 S 696 Hugo Hantsch Leopold Graf Berchtold Grandseigneur und Staatsmann Styria Graz Wien Koln 1963 Band 2 S 705 717 Leo Valiani Verhandlungen zwischen Italien und Osterreich Ungarn 1914 1915 In Wolfgang Schieder Hrsg Erster Weltkrieg Ursachen Entstehung und Kriegsziele Koln Berlin 1969 S 317 346 hier S 326f Johann Albrecht Freiherr von Reiswitz Berchtold Leopold Graf In Neue Deutsche Biographie NDB Band 2 Duncker amp Humblot Berlin 1955 ISBN 3 428 00183 4 S 65 Digitalisat Fritz Fellner Hrsg Schicksalsjahre Osterreichs 1908 1919 Das politische Tagebuch Josef Redlichs Bohlau Graz Koln 1954 Band 2 S 309 Anton Mayr Harting Der Untergang Osterreich Ungarn 1848 1922 Amalthea Wien 1988 ISBN 3 85002 257 9 S 888 VorgangerAmtNachfolgerAlois Lexa von Ahrenthalk u k Aussenminister 17 Feb 1912 13 Jan 1915Stephan BurianNormdaten Person GND 123557372 lobid OGND AKS LCCN no2008182758 VIAF 50138449 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Berchtold LeopoldALTERNATIVNAMEN Berchtold Leopold Graf von Berchtold von und zu Ungarschitz Frattling und Pullutz Graf Leopold Anton Johann Sigismund Josef Korsinus Ferdinand Berchtold Grof Lipot ungarisch KURZBESCHREIBUNG osterreichisch ungarischer Aussenminister beim Beginn des Ersten WeltkriegsGEBURTSDATUM 18 April 1863GEBURTSORT WienSTERBEDATUM 21 November 1942STERBEORT Peresznye Abgerufen von 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