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Alois Lexa von Aehrenthal Freiherr ab 1909 Graf 27 September 1854 im Schloss Gross Skal in Bohmen 17 Februar 1912 in Wien war osterreichisch ungarischer Politiker und 1906 bis 1912 k u k Aussenminister Er trieb in der Bosnischen Krise die Annexion Bosnien Herzegowinas voran wobei er sich auf ein Geheimabkommen mit dem russischen Aussenminister Alexander Petrowitsch Iswolski stutzte Die Annexion zerstorte die Bereitschaft Russlands und Osterreichs zur Zusammenarbeit auf dem Balkan und fachte den Chauvinismus von Teilen der russischen Bevolkerung an die sich in einer ihnen lebenswichtig erscheinenden Frage gedemutigt fuhlten 1 2 Alois Lexa von Aehrenthal 1910 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Herkunft und Familie 1 2 Ausbildung und Politik 1 3 Annexionskrise 1 3 1 Ende des Vertrags mit dem Osmanischen Reich 1 3 2 Geheimabkommen von Buchlau vom 16 September 1908 1 3 3 Internationale Krise durch Annexion 1 3 4 Erhebung in den Grafenstand 1 3 5 Isolierung Osterreichs und wachsende Abhangigkeit vom Deutschen Reich 1 3 6 Ablehnung eines Praventivkriegs gegen Italien 1 3 7 Folgen der Annexion 1 4 Rucktritt 2 Beurteilung 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHerkunft und Familie Bearbeiten nbsp Aehrenthal in Beamtenuniform 1907 Seine Familie hiess ursprunglich Lexa und stammte aus Prag Der Prager Burger und Besitzer von in der Landtafel eingetragenen Gutern Johann Anton Lexa Inhaber einer Versicherungsgesellschaft wurde am 9 Juni 1790 in den osterreichischen Adelsstand mit dem Pradikat von Aehrenthal und 1792 in den Reichs und bayerischen Ritterstand erhoben Alois Lexa von Aehrenthals Vater Johann Friedrich Freiherr Lexa von Aehrenthal 1817 1898 dessen Grossgrundbesitz u a in Doksany und Gross Skal 5500 Hektar umfasste war langjahriger Sprecher des bohmischen Feudaladels Seine Mutter eine Grafin Maria Felicitas von Thun Hohenstein 1830 1911 war Angehorige einer Familie des osterreichisch bohmischen Hochadels Er heiratete 1902 Grafin Pauline Szechenyi 1871 1945 aus einer ungarischen Familie des Hochadels 3 Sein Bruder Felix Freiherr Lexa von Aehrenthal 1853 1918 war Vizeprasident des Landeskulturrats fur Bohmen Landtags und Reichsratsabgeordneter 4 Ausbildung und Politik Bearbeiten Als zweiter Sohn nicht Erbe des vaterlichen Grundbesitzes in Bohmen studierte Lexa von Aehrenthal an der Universitat Bonn und der Universitat Prag Rechtswissenschaft und Politik und trat 1877 in den diplomatischen Dienst der Doppelmonarchie Osterreich Ungarn ein Der damalige Aussenminister Graf Gustav Kalnoky forderte ihn und wurde sein Vorbild Lexa von Aehrenthals Beziehung zu dessen Nachfolger Graf Agenor Goluchowski dem Jungeren gestaltete sich schwieriger und war insbesondere von unterschiedlichen Meinungen uber eine richtige Politik gegenuber dem Russischen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich gepragt Aussenminister Goluchowski strebte den Ausgleich mit Russland und die Erhaltung eines geschwachten Osmanenreiches an Lexa von Aehrenthal befurwortete eine aggressivere Politik vor allem am Balkan Der italienische Diplomat Graf Carlo Sforza schilderte spater Aehrenthal habe sich nach eigenem Bekunden auf seinem ersten Auslandsposten als Attache in Paris 1877 78 gelangweilt wahrend seine folgenden Tatigkeiten in Sankt Petersburg zunachst 1878 bis 1883 als Attache 1888 bis 1894 als Legationsrat und schliesslich 1899 1906 als Botschafter sowie 1895 1898 als Gesandter in Bukarest ihm eher geschadet als genutzt hatten Besonders in Sankt Petersburg habe er gelernt nur zu furchten und zu verachten 5 Ungeachtet dessen verfugte Aehrenthal durch seine langen Russlandaufenthalte uber gute Kenntnisse des Zarenreiches und hatte bis zur Bosnischen Annexionskrise von 1908 auch gute Kontakte zur dortigen Fuhrungsschicht Im Jahr 1906 wurde Alois Lexa von Aehrenthal von Kaiser Franz Joseph als Nachfolger von Goluchowski zum osterreichisch ungarischen Aussenminister ernannt und blieb dies bis zu seinem Rucktritt an seinem Todestag 1912 Wegen seiner ungarischen Ehefrau galt er als Ansprechpartner der magyarischen Fuhrungsschicht Seine Aussenpolitik entwickelte sich nach deren Erwartungen und war von einer Abkehr der ausgleichenden Politik gegenuber Russland gepragt die Goluchowski in der Balkanpolitik angestrebt hatte Aehrenthals politische Bestrebungen losten in Sudosteuropa Spannungen aus als 1908 in einer krisenhaften Situation Bosnien und die Herzegowina annektiert wurden Der Bau der sogenannten Sandschakbahnlinie von Bosnien ins damals zum Turkisch Osmanischen Reich gehorenden Saloniki wurde von den Sudslawen und deren Schutzmacht Russland als gegen ihre Interessen gerichtet betrachtet Annexionskrise Bearbeiten Ende des Vertrags mit dem Osmanischen Reich Bearbeiten Die Jungturkische Revolution im Osmanischen Reich liess in Osterreich Ungarn Befurchtungen aufkommen nun konnte es zu Aktionen der Osmanen zur Ruckgliederung der von der Donaumonarchie okkupierten Provinz Bosnien Herzegowina kommen Osterreich Ungarn hatte die Provinz nach den Grossmachte Beschlussen auf dem Berliner Kongress von 1878 seit drei Jahrzehnten besetzt und liess sie vom gemeinsamen k u k Finanzministerium verwalten Es investierte in der Folgezeit betrachtliche Mittel in die Infrastruktur des Landes Die Bedrohung durch die Entwicklungen der jungturkischen Revolution die in Bosnien Unterstutzer gefunden hatte wurde dadurch behoben dass das Osmanische Reich seine Oberherrschaft gegen eine Entschadigungszahlung aufgab Damit war aber die Frage der Haltung Serbiens und Russlands noch nicht bereinigt 6 Geheimabkommen von Buchlau vom 16 September 1908 Bearbeiten Bei dem vom k u k Botschafter in St Petersburg Graf Leopold Berchtold vermittelten geheimen Treffen des osterreichischen Aussenministers Alois Lexa von Aehrenthal mit dem russischen Aussenminister Alexander Petrowitsch Iswolski am 16 September 1908 im mahrischen Schloss Buchlovice stimmte der Vertreter Russlands der Annexion unter der Bedingung zu dass Wien seinerseits die Russen bei der international zustimmungspflichtigen Offnung der osmanischen Dardanellen fur die russische Flotte unterstutzen wurde 7 Iswolski rechnete jedoch nicht mit dem Aufschrei der Nationalisten in Russland und auch nicht mit der ablehnenden Reaktion Londons die er erst spater bei seinem Besuch in London erfuhr Im Nachhinein dementierte er das Geheimabkommen und unterstellte Aehrenthal ihn hinters Licht gefuhrt zu haben eine Luge durch die er seine Stellung zu retten versuchte Internationale Krise durch Annexion Bearbeiten Aehrenthal liess trotz der Proteste die Annexion von Bosnien und der Herzegowina am 5 Oktober 1908 durchfuhren und bruskierte damit Russland und die ubrigen Grossmachte die trotz ihres Garantenstatus von 1878 nicht um Zustimmung befragt worden waren 8 Das an Bosnien und der Herzegowina ebenfalls interessierte Konigreich Serbien befand sich nun im Lager der Gegner der Donaumonarchie Aehrenthal unternahm nichts um mit Serbien bessere Beziehungen herzustellen Die Annexion loste eine internationale Krise aus die zum Bruch des guten Einvernehmens mit Russland aber nicht zu einem seit langerem drohenden Krieg mit Russland und Serbien fuhrte da Russland nach der Niederlage gegen das Kaiserreich Japan und der Revolution von 1905 militarisch und innenpolitisch geschwacht war und daher Anfang 1909 einlenkte Doch wurde das Wiener Vorgehen in Sankt Petersburg ebenso wenig als erledigt betrachtet wie in Belgrad Erhebung in den Grafenstand Bearbeiten nbsp Grafenstandswappen Lexa von Aehrenthal verliehen 1909 Wegen seiner Verdienste um die Annexion von Bosnien Herzegowina die erste territoriale Erweiterung des Habsburgerreiches seit 1846 und die Umkehrung des Trends schwerer territorialer Verluste 1859 und 1866 erhob der Kaiser Aehrenthal 1909 in den Grafenstand Isolierung Osterreichs und wachsende Abhangigkeit vom Deutschen Reich Bearbeiten Als Folge der Annexion von Bosnien Herzegowina und der auswartigen Politik in Wien lehnte sich Serbien enger an Russland an was in den Jahren 1912 13 die Balkankriege ausloste und den Ausbruch des Ersten Weltkrieges begunstigte Durch die Annexionskrise und seine Haltung in den diplomatischen Fragen in der Zweiten Marokkokrise und zur Durchfahrt durch die Meerenge der Dardanellen trug Aehrenthal zur Isolierung Osterreich Ungarns unter den europaischen Machten bei wahrend die Abhangigkeit vom Deutschen Kaiserreich der Hohenzollern wuchs Ablehnung eines Praventivkriegs gegen Italien Bearbeiten Andererseits widersetzte sich Aehrenthal Generalstabschef Franz Conrad von Hotzendorf der dem Kaiser gegenuber wiederholt einen Praventivkrieg gegen Italien forderte Der Kaiser lehnte von Aehrenthal gedrangt im Herbst 1911 die Praventivkriegsidee grundsatzlich ab und entliess Generalstabschef Conrad von Hotzendorf der erst nach Aehrenthals Tod 1912 auf Betreiben von Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand von Osterreich Este erneut zum Generalstabschef berufen wurde Folgen der Annexion Bearbeiten Die Folgen der Annexion fur die europaischen Macht und Bundnisverhaltnisse und fur die fragile Doppelmonarchie wurden von Aehrenthal ebenso wie von der serbenfeindlichen ungarischen Fuhrungsschicht und den osterreichischen Kriegsbefurwortern um Generalstabschef Franz Conrad von Hotzendorf unterschatzt und trugen zur Verscharfung der internationalen Lage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs und damit zum Untergang der Doppelmonarchie Osterreich Ungarn im Jahr 1918 bei Rucktritt Bearbeiten Anfang 1912 reichte Aehrenthal aus gesundheitlichen Grunden seinen Abschied ein Nachdem der Kaiser Berchtold zum Nachfolger ernannt hatte nahm er den Rucktritt mit Handschreiben vom 17 Februar 1912 mit warmstem Dank an und verlieh Aehrenthal die Brillanten zum Grosskreuz des Sankt Stephans Ordens Aehrenthal verstarb noch am selben Abend an Leukamie Beurteilung BearbeitenDer liberale Reichsratsabgeordnete und k k Minister Josef Redlich beschrieb Aehrenthal in seinem Tagebuch Er war eine Personlichkeit und zwar eine kraftvolle Personlichkeit in diesem Lande der ererbten Moglichkeiten und Halbheiten Er ist der Mann gewesen der mir das alte Osterreichertum in seiner vollen Lebenskraft besser reprasentiert hat als irgendeiner der anderen Manner der franzisko josephinischen Zeit 9 Literatur BearbeitenAehrenthal Aloys Graf Lexa von In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 1 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1957 S 8 f Direktlinks auf S 8 S 9 Ludwig Bittner Lexa von Aehrenthal Aloys Graf In Neue Deutsche Biographie NDB Band 1 Duncker amp Humblot Berlin 1953 ISBN 3 428 00182 6 S 89 Digitalisat Friedrich Gottas Aehrenthal Aloys Lexa von In Mathias Bernath Felix von Schroeder Hrsg Gerda Bartl Red Biographisches Lexikon zur Geschichte Sudosteuropas Band 1 Oldenbourg Munchen 1974 ISBN 3 486 47871 0 S 14 16 Solomon Wank Johann Lexa von Aehrenthal Hrsg Aus dem Nachlass Aehrenthal Briefe und Dokumente zur osterreichisch ungarischen Innen und Aussenpolitik 1885 1912 Quellen zur Geschichte des 19 und 20 Jahrhunderts 6 2 Bande Neugebauer Graz 1994 ISBN 3 85376 055 4 Solomon Wank In the Twilight of Empire Count Alois Lexa von Aehrenthal 1854 1912 Imperial Habsburg Patriot and Statesman Band 1 The making of an imperial Habsburg patriot and statesman Bohlau Wien 2009 ISBN 978 3 205 78352 7 Online Rezension von Lothar Hobelt Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Alois Lexa von Aehrenthal Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag zu Alois Lexa von Aehrenthal im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon Biografie bei Austrian Commanders englisch Nachlass Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal im Haus Hof und Staatsarchiv Wien Zeitungsartikel uber Alois Lexa von Aehrenthal in den Historischen Pressearchiven der ZBWEinzelnachweise Bearbeiten Christopher Clark The Sleepwalkers S 86 Fay S 394 Solomon Wank In the Twilight of Empire Count Alois Lexa von Aehrenthal 1854 1912 Imperial Habsburg Patriot and Statesman Band 1 The making of an imperial Habsburg patriot and statesman Veroffentlichungen der Kommission fur Neuere Geschichte Osterreichs 102 Bohlau Wien 2009 ISBN 978 3 205 78352 7 S 27 und 35 Heribert Sturm Hrsg Biographisches Lexikon zur Geschichte der bohmischen Lander Collegium Carolinum Institut Band 1 Oldenbourg Verlag Munchen Wien 1979 ISBN 3 486 49491 0 S 7 Carlo Sforza Aehrenthal der letzte Diener In Derselbe Gestalten und Gestalter des heutigen Europa Fischer Berlin 1931 S 60 72 Christopher M Clark Die Schlafwandler Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog DVA Munchen 2013 ISBN 978 3 421 04359 7 S Holger Afflerbach Der Dreibund Europaische Grossmacht und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg Wien 2002 S 629 zitiert nach Christopher M Clark Die Schlafwandler Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog DVA Munchen 2013 ISBN 978 3 421 04359 7 S Christopher M Clark Die Schlafwandler Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog DVA Munchen 2013 ISBN 978 3 421 04359 7 S Fritz Fellner Hrsg Schicksalsjahre Osterreichs 1908 1919 Das politische Tagebuch Josef Redlichs Band 1 Graz Koln 1953 S 125 VorgangerAmtNachfolgerAgenor Goluchowski der Jungerek u k Aussenminister 24 Okt 1906 17 Feb 1912Leopold BerchtoldNormdaten Person GND 119182033 lobid OGND AKS LCCN nr95021260 VIAF 44445932 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Aehrenthal Alois Lexa vonALTERNATIVNAMEN Aehrenthal Alois Lexa Freiherr von Aehrenthal Alois Lexa Graf von ab 1909 KURZBESCHREIBUNG osterreich ungarischer Diplomat und AussenministerGEBURTSDATUM 27 September 1854GEBURTSORT Schloss Gross Skal BohmenSTERBEDATUM 17 Februar 1912STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alois Lexa von Aehrenthal amp oldid 226423027