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Der Funktionalismus in der Psychologie stellt eine seit der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts in den USA entstandene Forschungsrichtung dar die sich von dem bis dahin ublichen Konzept der Bewusstseinspsychologie abzuheben suchte Die alteren Vorstellungen der Psychologie wurden aus der neu entstandenen Perspektive heraus als Strukturalismus bezeichnet Unter Strukturalismus verstand man in tadelnder Hinsicht nicht nur die Aufteilung verschiedener Bewusstseinsinhalte im Sinne der alteren Elementenpsychologie sondern auch den deduktiven Charakter der fruheren Vermogenspsychologie Unter Funktionalismus als einer induktiv bestimmten Lehre wird vielmehr die durch die Sinnesorgane vermittelte Verstandestatigkeit verstanden Diese Denkgegenstande sind somit nach der empirisch ausgerichteten Lehre nicht Realitaten sondern nur Funktionen Relationen anderer Gegebenheiten 1 a Durch die insgesamt vom Bewusstsein als solchem William James 1892 2 ausgehenden Wirkungen in fortlaufender Interaktion mit der Umwelt und in Anpassung adjustment an aussere Bedingungen sollte das Verstandnis des Bewusstseins ermoglicht und verbessert werden Dem psychologisch verstandenen Begriff des Funktionalismus liegt somit keine grundlegende Definition von Funktion zugrunde Er bezeichnet nur die dem Bewusstsein insgesamt programmatisch zugeordneten Wirkungen und funktionellen Tendenzen Anm 1 Psychische Phanomene sollten als unmittelbare Begleit und Folgeerscheinungen korperlicher Ablaufe verstanden werden Dabei folgte man der Analogie zu mechanischen Apparaten und ihren Leistungen Leistungspsychologie die den grundlegenden menschlichen Bedurfnissen der Selbst und Arterhaltung entsprechen Anm 2 Bereits Rene Descartes 1596 1650 hatte diese korperlichen Ablaufe Maschinenparadigma als automatenhaft bezeichnet res extensa 3 a In der Tat gingen von der funktionalistischen Theorie eine Reihe anthropologischer soziologischer ethnologischer und padagogischer Impulse aus 4 5 6 7 a 8 a Inhaltsverzeichnis 1 Begrunder und Vertreter 1 1 Psychologische Standpunkte 2 Geistesgeschichtliche Position 3 Beispiele 4 Soziologisch verstandener Funktionalismus 5 Rezeption und Kritik 5 1 Jaspers 5 2 Arendt 6 Literatur 7 Anmerkungen 8 EinzelnachweiseBegrunder und Vertreter BearbeitenDas philosophische Fundament des Funktionalismus beruht auf den Lehren von Charles Sanders Peirce 1839 1914 und John Dewey 1859 1952 Diese als Pragmatismus bekannten Theorien fanden Beachtung in weiteren Kreisen da durch ihre handlungsbestimmte Orientierung bei der naheren Untersuchung bewusster Phanomene beobachtbare Resultate feststellbar waren und aus diesen objektiven Veranderungen heraus Beweise fur die Richtigkeit der Annahmen uber die Natur psychischer Leistungen gefolgert wurden 5 3 a Durch die psychologisch ausgerichteten Arbeiten von William James 1842 1910 und James Rowland Angell 1869 1949 wurden diese Auffassungen vertieft Als Hinweis fur die Auffassungen von W James wird auf seine Vorlesungsreihe uber den Pragmatismus verwiesen Die speziell auf das Bewusstsein bezogenen Auffassungen sahen in den Nervenzellen des Grosshirns Teile eines psychischen Reflexbogens Besonderer Wert im Sinne des Pragmatismus wurde dabei auf die motorische Reflexanwort Output und weniger auf die sensorische Seite Input gelegt 3 c Als weitere Vertreter des Funktionalismus in den USA werden James Mark Baldwin 1861 1934 James McKeen Cattell 1860 1944 Granville Stanley Hall 1846 1924 George Trumbull Ladd 1842 1921 und in der Schweiz Edouard Claparede 1873 1940 angesehen 4 1 b Psychologische Standpunkte Bearbeiten Da der Begriff der Funktion vielseitig in der Physiologie Verwaltung und Organisation sowie in der Mathematik verwendet wird ist auch der Funktionalismus psychologisch entsprechend vielseitig ausgelegt worden 1 c Der Funktionalismus steht in gewissem Gegensatz zur Lehre von Wilhelm Wundt 1832 1920 die ihrerseits in Amerika von Edward Bradford Titchener 1867 1927 vertreten wurde Insbesondere die Introspektion wurde in methodischer Hinsicht von den Funktionalisten abgelehnt da nach ihrer Auffassung subjektive Tatsachen keine Gewinnung objektiver Gegebenheiten ermoglichen siehe auch Bewusstseinspsychologie Geistesgeschichtliche Position BearbeitenIn philosophischer Hinsicht kann man den empirisch ausgerichteten Funktionalismus auch als funktionalen Materialismus bezeichnen da er versucht die psychologischen und mentalen Zustande als Auswirkungen ausschliesslich materieller Gegebenheiten zu beschreiben 4 Wenn diese Ausschliesslichkeit auch nicht dem Denken von William James entsprach so war sie doch als Grundzug der empirischen Wissenschaften erkennbar Sofern ein Strukturalismus abgelehnt wurde ging man nicht von einem geordneten Gefuge von Funktionen sondern nur von einer Summierung aus Andernfalls ware allerdings das geistige Leben in seiner Einheit nicht nur als strukturiertes Gefuge einzelner Funktionen zu bezeichnen sondern gleichzeitig damit auch als Gefuge von Aufwarts Effekten Die Begrunder des amerikanischen Funktionalismus lehnten jedoch einen strukturierten Zusammenhang der psychologischen Wirklichkeit weitgehend ab wie er von den Anhangern der Elementenpsychologie angenommen wurde Das Leib Seele Problem wurde eher von der korperlichen Seite ausgehend als hinreichend bestimmbar betrachtet Man kann den psychologischen Funktionalismus daher auch als Vorlaufer des Behaviourismus der Psychophysik und der Psychophysiologie ansehen 4 Anders als der seit ca 1850 in der westlichen Welt ubliche naturwissenschaftliche Ansatz zum Leib Seele Problem behauptet der philosophisch ausgerichtete heutige Funktionalismus nur noch die These dass mentale Zustande funktionale Zustande sind so wie es bereits Carl Stumpf im Jahr 1906 gefordert hat 9 10 8 b Die Bindung an eine zumindest hypothetisch geforderte Organveranderung wie es die klassische deutsche Psychiatrie etwa bei der endogenen Psychose annahm wird damit verlassen Der ab 1850 in Deutschland feststellbare Umbruch zum naturwissenschaftlichen Denken ist mit dem Namen von Wilhelm Griesinger 1817 1868 verbunden Sein psychiatrisches Paradigma lautete Die Geisteskranken sind Gehirnkranke 11 12 Die Physiologie betrachtet das psychische Leben als eine besondere Lebensform des Organismus sie sieht in den psychischen Acten Functionen bestimmter Organe und sucht jene eben aus dem Bau dieser zu begreifen Wilhelm Griesinger Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten 1 Auflage Verlag von Adolph Krabbe Stuttgart 1845 S 1 2 Damit wurden die psychischen Funktionen als abhangig von gesunden oder kranken Gehirnstrukturen nach Art der Physiologie betrachtet Beispiele BearbeitenAls Beispiel einer funktionalistischen Theorie sei hier die James Lange Theorie erwahnt Sie findet ihren pointierten Ausdruck in dem Satz von James Wir weinen nicht weil wir traurig sind sondern wir sind traurig weil wir weinen Hiermit wird der korperlich beobachtbare Ablauf einer seelischen Reaktion als bestimmender Anteil der seelischen Aktivitat gewertet 3 d Auch die Tatigkeit des autonomen Nervensystems kann als eher automatische und organbezogene Steuerungsaktivitat im Gegensatz zum animalischen Nervensystem angesehen werden Soziologisch verstandener Funktionalismus Bearbeiten Hauptartikel Funktionalismus Sozialwissenschaften Anregungen zur Entwicklung einer funktionalistischen Theorie des gesellschaftlichen Lebenszusammenhanges gingen von dem biologischen Organismusmodell aus Es beschreibt die funktionelle Gliederung eines Organismus bestehend aus einzelnen Zellen die ihrerseits wieder zu Organen aufgebaut sind Dies war als Funktionsprinzip in der Physiologie deutlich geworden Diesem Modell folgte man auch in der Annahme einer Analogie zwischen Organismus und Gesellschaft wie sie von Herbert Spencer 1820 1903 und Rudolf Virchow 1821 1902 vertreten wurde Auch gingen weitere Anregungen von Emile Durkheims 1858 1917 Konzeption der Solidaritat sowie von Vilfredo Paretos 1848 1923 Systembegriff aus 6 1 d Den von Bronislaw Malinowski 1884 1942 und Alfred Reginald Radcliffe Brown 1881 1955 begrundeten soziologischen Theorieansatzen ist gemeinsam dass sie im Gegensatz zu den psychologischen Vertretern der Theorie einen Strukturzusammenhang in der Gesellschaft als Voraussetzung einer funktionalistischen Betrachtungsweise annahmen Die schliesslich doch erfolgende Annahme dieser Strukturiertheit der Wirklichkeit ergibt sich einerseits aus der logisch zwingenden Anerkennung hoherer und andererseits eher grundlegender niedrigerer Funktionen Auch die Theorie der Aufwarts Effekte weist auf diesen Umstand hin Radcliffe Brown lehnte die enge Bindung an grundlegende Bedurfnisse der Selbst und Arterhaltung ab Diese Vorstellungen trugen insgesamt zur Entwicklung der soziologischen Systemtheorie bei 6 Rezeption und Kritik BearbeitenJaspers Bearbeiten Karl Jaspers 1883 1969 kennzeichnet den Funktionalismus als Antagonismus zwischen Mechanismus einerseits und flexibler vielseitiger Aufgabenstellung andererseits Wahrend dem Mechanismus ein automatisches Leistungsprinzip eigen sei das sich auf immer gleiche Aufgaben beziehe erfordere die Vielzahl und Komplexitat von immer neuen Aufgabenstellungen eine immer differenziertere Reaktionsbereitschaft seitens des Organismus Wahrend das neurologische Grundschema des Reflexbogens dem Mechanismus im Sinne des Maschinenparadigmas entspricht sei das psychologische Grundschema der Leistungsbereitschaft eher aufgrund ganzheitlicher Betrachtung des Organismus verstehbar Diesen ganzheitlichen Prinzipien entsprechen nach Jaspers die Assoziationspsychologie die Aktpsychologie und die Ganzheitspsychologie in einer sich gegenseitig erganzenden Sichtweise Sie konnten als logische Folgeerscheinungen des Empirismus und des Funktionalismus aufgefasst werden auch wenn sie ihrerseits wieder auf elementare Einheiten zuruckgreifen insbesondere bei der Annahme von quasi automatischen Assoziationsmechanismen indem eine bewusste Vorstellung unbewusst aus einer anderen hervorgehe Die genannten psychologischen Forschungsrichtungen verfolgen nach Jaspers das Ziel die zusammengesetzte Funktion des Bewusstseins zu erklaren und zu verstehen 7 b Die sinnvolle Verbindung der psychischen Einheiten und Elemente wie auch von Empfindungen und Gefuhlen Worten und Gegenstanden sei das speziell menschliche Moment im Gegensatz zu den assoziativen Automatismen wie sie etwa auch bei Tieren wie etwa beim Papagei erfolgen konnen der wohl in der Lage sei sprachliche Laute zu assoziieren ohne dass es dabei jedoch zu hoheren sinnvollen Leistungen komme Sowohl Assoziationsverbindungen als auch Aktverbindungen bewirken in gemeinsamer Verflechtung gesehen das Zustandekommen hoherer Einheiten die als Ganzheiten zu betrachten sind Als bleibende aus der Neurologie und Neurophysiologie entlehnte Begriffe die sich durch den Einfluss des Funktionalismus fur die Psychologie als fruchtbar erwiesen haben sieht Jaspers an a Psychischer Reflexbogen als Ubertragung des neurologischen Grundschemas des Reflexbogens auf die Psychologie b Neuropsychologie als Grenzgebiet zwischen Neurologie und Psychologie in dem sich neurologische Vorstellungen von lokalisierbaren Leistungen als vorherrschend fur das Verstandnis hoherer psychologischer Aufgaben und ihrer Storungen erweisen wie es z B in dem Verstandnis von funktionellen bzw organischen Storungen wie Aphasie Apraxie Agnosie Ataxie angenommen wird c auch weitere Grundbegriffe der Neurophysiologie wie sie fur die Psychologie von Bedeutung sind wie die Ermudung als quantitatives Nachlassen der Funktion in der Zeitabfolge Ubung als Verbesserung mnestischer Leistungen ahnlich der Konditionierung weiterhin die antagonistischen Begriffe der Erregung und Lahmung wobei die Erregung psychologisch als psychomotorische Erregtheit bezeichnet werden kann die Lahmung dagegen als psychogene nicht organische Lahmung etwa bei Hysterie aufzufassen ist Der Ausdruck Lahmung bzw wie gelahmt charakterisiert auch die Apathie z B bei erschutternden Erlebnissen Weiterhin werden die neurophysiologischen Begriffe der Bahnung und Summation als psychologisch relevante Bezeichnungen verwendet 7 c Sigmund Freud 1856 1939 gebrauchte die Begriffe der Erregungssumme und der Bahnung zur Beschreibung psychologischer Zustande 13 Das breite Feld der Leistungspsychologie ist Hauptgebiet der Experimentalpsychologie 7 d Arendt Bearbeiten Hannah Arendt 1906 1975 kritisiert den auf Erfahrung basierten Fortschrittsglauben als wissenschaftliches Dogma wie er sich seit dem 17 Jahrhundert in Europa in den Wissenschaften entwickelt habe Das fuhrt sie am Begriff des Funktionalismus aus 14 a Exkurs 1 Definiert man Funktionen als psychische Vorgange nach dem Vorschlag von Carl Stumpf 1848 1936 die Aktpsychologie betreffend und sieht man ausserdem die beiden durch die Ausgangs und Zielsituation gegebenen Bezugspole der Funktionen als Erscheinungen innerhalb des psychischen Prozesses an so stellt sich die Funktion als Abhangigkeit zweier verschiedener Erscheinungen voneinander dar 9 8 c Die begriffliche Bedeutung von Funktion nahert sich so derjenigen in der Mathematik Hier ist das Abhangigkeits Verhaltnis zweier veranderlicher Grossen Variablen bzw Grossengruppen dadurch gekennzeichnet dass eine gegebene Variable eine andere bestimmt oder die Veranderung der einen Grosse eine Veranderung der anderen zur Folge hat 1 e Damit ist verstandlich wenn Hannah Arendt am Beispiel des Irrtums und der Tauschung sagt dass hinter jeder zerbrochenen Erscheinung eine andere Erscheinung ihren Platz einnimmt Dies fuhrt sie auch am Beispiel der Ent tauschung aus Dieses Wort hat bekanntlich eine positive und eine negative Bedeutung Neben dem negativen auf den Verlust eines Datums und auf die Tauschung bezogenen Sinngehalt gibt es einen positiven Wert der Enttauschung d h der Wiedergewinnung eines anderen Datums Die negative Variante dieser Erfahrung hat zu der Redewendung vom blossen Schein oder auch von nur scheinbaren Tatsachen beigetragen Im Gegensatz zum blossen Schein oder sogar zum falschem Schein spreche man in positivem Sinn vom wahren Sein 14 b Exkurs 2 Die Abhangigkeit einer Erscheinung von einer anderen ist verstandlich wenn sich ein hoherer Zusammenhang ergibt Die Aussage Eisen ist schwer wird als sinnvoll erkannt wenn dem Element Eisen ein Oberbegriff hier Gewicht oder Schwere zugeordnet werden kann Analytisches Urteil Auch andere Metalle namlich sind schwer Sucht man nach einem Sachverhalt den man gar nicht kennt wie etwa das Forschen nach unbekannten Ursachen den man aber aufgrund der vorausgesetzten grundsatzlichen Uberzeugung als Objektivitat oder als Ding an sich zu finden glaubt Analytisches Urteil a priori so beruht dies ebenfalls auf hierarchischen Prioritaten Kant KrV B 13 B 128 ff B 565 ff 15 Hier werde wie Hannah Arendt meint meist ein hoherer Grad von Wirklichkeit oder auch ein tieferer Grund angenommen indem die Erscheinung als fluchtig gegenuber dem wahren Sein angesehen werde Diese Uberzeugung nennt sie metaphysische Hierarchie Die Vorstellungsweise halt Arendt als Grundlage des Fortschrittsglaubens der immer tiefer in die Vielfalt der Funktionen in der Natur einzudringen versuche Die Annahme die sie als Prioritat des unsichtbaren Seins gegenuber der Erscheinung Sinnenwelt bezeichnet konne sich auch als grosser Irrtum erweisen und damit den Fortschrittsglauben in Frage stellen 14 c Die metaphysische Hierarchie sei jedoch umkehrbar Der prinzipiellen Uberzeugung von der Existenz einer hoheren Wirklichkeit oder eines tieferen Grundes stellt Hannah Arendt die Auffassung vom Wert der Oberflache gegenuber Die Bedeutung der Erscheinung wird damit betont Der Funktionalismus habe die beobachtbaren Erscheinungen nicht mehr als sekundare Qualitaten abgeschoben sondern sie als wesentliche Bedingungen fur das Verstandnis des Lebensprozesses in Biologie Soziologie und Psychologie angesehen Arendt stutzt sich dabei auf Maurice Merleau Ponty und Adolf Portmann Dennoch glaubt Arendt dass der Funktionalismus die alte Dichotomie zwischen blossem Schein und wahrem Sein auf eine andere Weise beibehalten habe Anm 3 14 d 16 17 18 Literatur BearbeitenCarl Stumpf Erscheinungen und psychische Funktionen Abh kgl preuss Akad Wiss Berlin 1906 Max Wertheimer 1925 Drei Abhandlungen zur Gestalttheorie Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963 E G Boring 1933 The physical dimensions of consciousness New York Appleton H G Schutte Der empirische Gehalt des Funktionalismus 1971Anmerkungen Bearbeiten Dennoch wird auf die Definition des Begriffs Funktion von Carl Stumpf verwiesen wie sie im Exkurs 1 zu Kap Arendt gegeben ist Carl Stumpf war mit William James befreundet Die Bindung des Funktionalismus an den Begriff des auch subjektiv bestimmbaren Bewusstseins Qualia unterscheidet ihn von dem spateren Behaviourismus der die Begrifflichkeit des Bewusstseins als verzichtbar erklart Watson 1919 Hier wird die Nahe zum Darwinismus deutlich und dem hier gebrauchten Terminus des Kampfs ums Uberleben vgl auch die zentrale Bedeutung der Anpassung Evolutionstheorie Evolutionare Anpassung die padagogische Bedeutung der Sozialisation Die Positionen der Anpassung und der darwinistischen Orientierung werden auch vom amerikanischen Behaviourismus ubernommen Hier fehlt eine genauere Ausfuhrung von H Arendt auf welche Weise die Dichotomie zwischen blossem Schein und wahrem Sein im Funktionalismus beibehalten wurde Es kann vermutet werden dass damit auf die im Vorspann angedeuteten definitorischen Schwierigkeiten des Funktionsbegriffs angespielt wird und auf die implizit damit verbundene eher subjektive Fortschrittstendenz vgl Anm 1 Wahrscheinlich ist auch dass sie damit auf das von ihr angezweifelte Prioritatsprinzip grundlegender menschlicher Bedurfnisse der Selbst und Arterhaltung abzielt An anderer Stelle hat sich Arendt naher mit der Beurteiluing dieser Grundbedurfnisse auseinandergesetzt im Vergleich zu der Offenheit gegenuber Voraussetzungen zu vielfaltigen ubrigen Funktionen Hier ist u a auf ihre Beschaftigung mit dem Schriftsteller und namhaftem Mitarbeiter beim Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm Bertolt Brecht 1898 1956 zu verweisen Seine Werke wie Baal 1918 Die Dreigroschenoper 1928 und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny 1927 29 sind in diesem Zusammenhang aufschlussreich Arendt halt die herrliche Schwerelosigkeit welche die Erfullung dieser Grundbedurfnisse zu bieten vermag zwar als vorteilhaft fur das Gedichteschreiben Sie erweise sich jedoch als Sackgasse wie sie im Fall der Stadt Mahagonny zum Ausdruck komme und bezeichnend fur die Entwicklung im Bewusstsein des Dichters sei nbsp Blatter je zwei verschiedener Arten der Gattung Ahorne Die Vielfalt der Formen fuhrt zu der Frage ob sie in funktioneller Hinsicht lebens notwendig oder aber kontingent ist und somit die Moglichkeit funktioneller Vielgestaltigkeit in sich birgt Die Vielfalt der Formen des tierischen und pflanzlichen Lebens insbesondere im Zusammenhang mit der Artenvielfalt lasst an eine ebenso weitreichende Vielfalt funktioneller Zusammenhange denken Auch die naturliche Ausstattung der pflanzlichen und tierischen Arten ist funktionell vielgestaltig So dient das Gefieder der Vogel nicht nur der Warmeisolierung nicht nur der Flugtuchtigkeit nicht nur der Darstellung geschlechtlicher Differenzierung sondern auch dem individuellen und gattungsspezifischen Erscheinungsbild Die objektiv zu beobachtenden Wirkungen oder Funktionen stehen den eher subjektiv deutbaren vielfaltigen Formen des Erscheinens gegenuber Eine prinzipielle Prioritat objektiver Beobachtungen ist nach Arendt eher als zweifelhaft anzunehmen Damit ergibt sich insbesondere die Frage nach dem objektivistischen Schein Das Aussterben der Arten ist mit mangelnder Beachtung dieser Tatsachen verbunden Es erscheint evident dass durch einen Bewusstseinswandel solcher Entwicklung vorgebeugt werden kann Die enge darwinistische Ausrichtung des Funktionalismus auf die vordergrundigen Bedurfnisse der Selbst und Arterhaltung ware damit ggf erganzungsbedurftig Allerdings stellt sich die Frage ob etwa die Erhaltung der Artenvielfalt in einem umfassenderen Sinne nicht auch der Erhaltung der Menschengattung dient Arendt verweist in ihrem Vorlesungen uber das Urteilsvermogen auf Kant Er beschranke sich nicht auf die Frage nach der Ursache menschlicher Existenz Er habe die Frage nach dem Zweck gestellt indem er darauf hinwies der Zweck der Existenz der Natur selbst muss uber die Natur hinaus gesucht werden KU 67 B 299 Um die Natur nicht durch Fragen der Mittelhaftigkeit zu degradieren sei es erforderlich dass sich der Mensch bewusst werde selbst ein Teil der Natur zu sein Daraus ergebe sich eine Huterfunktion die aus der Erkenntnis einer wechselseitigen Abhangigkeit von Mensch und Natur entspringt Vgl auch das Problem der Heterogonie Das Modell des Apparats wie es seit Descartes von Vertretern des Okkasionalismus und das durch sie verwendete Uhrengleichnis immer wieder aufgegriffen wurde ist auch in neuerer Zeit wieder diskutiert worden Dies erfolgte im Zusammenhang mit dem von Eugen Bleuler 1857 1939 verwendeten Begriff des Gelegenheitsapparats Bleuler gebrauchte den Begriff um die bei Hysterie auftretenden korperlichen Symptome als Ergebnis einer durch bestimmte Gelegenheiten bestimmten Willenshandlung zu deuten Damit wurde ebenfalls auf die Vielfalt moglicher Funktionen hingewiesen Quellen zu Anm 1 Watson 1919 19 zu Anm 2 Stw Darwinismus 3 e zu Anm 3 Stw Bertolt Brecht 20 zu Anm 3 Stw Vielfalt des tierischen und pflanzlichen Lebens 14 e zu Anm 3 Stw gegenseitige Degradierung von Mensch und Natur vermeiden 21 zu Anm 3 Stw objektivistischer Schein 22 zu Anm 3 Stw Gelegenheitsapparat 23 dd Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Heinrich Schmidt Philosophisches Worterbuch Kroners Taschenausgabe 13 21 Auflage neu bearbeitet von Georgi Schischkoff Alfred Kroner Stuttgart 1982 ISBN 3 520 01321 5 a S 207 f zu Lemma Funktion b S 208 zu Lemma Funktionspsychologie c S 207 f zu Lemma Funktion d S 207 f wie c d S 207 f wie c William James Psychology Holt New York 1892 S 1 zu Stw Beschreibung und Erklarung des Bewusstseins als solches a b c d e Peter R Hofstatter Hrsg Psychologie Das Fischer Lexikon Fischer Taschenbuch Frankfurt a M 1972 ISBN 3 436 01159 2 a S 71 206 zu Stw automatenhaft nach physikalischen Gesetzen funktionierende Korperwelt res extensa b S 72 f zu Stw Funktionalismus J Dewey c S 72 f zu Stw Funktionalismus W James d S 72 zu Stw James Lange Theorie e S 72 zu Stw Darwinismus Lebenserhaltung a b c d Markus Antonius Wirtz Hrsg Dorsch Lexikon der Psychologie 18 Auflage Verlag Hogrefe Bern 2014 S 594 zu Lemma Funktionalismus online Text seit 2014 aktualisiert 1 2 Vorlage Toter Link m portal hogrefe com Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Mai 2023 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis a b Philip G Zimbardo Richard J Gerrig Psychologie Pearson Hallbergmoos bei Munchen 2008 ISBN 978 3 8273 7275 8 S 9 f zu Stw Funktionalismus a b c Karl Heinz Hillmann Worterbuch der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 410 4 uberarbeitete und erganzte Auflage Kroner Stuttgart 1994 ISBN 3 520 41004 4 S 252 zu Lemma Funktionalismus a b c d Karl Jaspers Allgemeine Psychopathologie 9 Auflage Springer Berlin 1973 ISBN 3 540 03340 8 a S 130 ff zu Stw Leistungspsychologie b S 135 ff zu Stw Assoziations Akt und Gestaltpsychologie c S 134 zu Stw treffende Bezeichnungen d S 138 ff zu Stw Experimentalpsychologie a b c Wilhelm Karl Arnold et al Hrsg Lexikon der Psychologie Bechtermunz Augsburg 1996 ISBN 3 86047 508 8 a Sp 651 zu Lemma Funktionalismus b Sp 49 f zu Lemma Aktpsychologie c Sp 49 f wie b a b Carl Stumpf Erscheinungen und psychische Funktionen Abh kgl preuss Akad Wiss Berlin 1906 Klaus Dorner Burger und Irre Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie 1969 Fischer Taschenbuch Bucher des Wissens Frankfurt M 1975 ISBN 3 436 02101 6 S 314 334 zu Stw Wilhelm Griesinger 1817 1868 erstes psychiatrisches Paradigma ab ca 1850 Wilhelm Griesinger Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten fur Aerzte und Studirende 1 Auflage Verlag von Adolph Krabbe Stuttgart 1845 S 3 f 3 zu Stw Gehirn als Sitz krankhafter geistiger Tatigkeiten Uberschrift auf S 4 Die Geisteskranken sind Gehirnkranke Erwin H Ackerknecht Kurze Geschichte der Psychiatrie 3 Auflage Enke Stuttgart 1985 ISBN 3 432 80043 6 S 64 zu Stw Griesinger Paradigma der Psychiatrie Sigmund Freud Gesammelte Werke Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt M 1999 ISBN 3 596 50300 0 Kassette 1 Bd I Studien uber Hysterie Fruhe Schriften zur Neurosenlehre S 74 337 zu Stw Erregungssumme 2 Bd II III Die Traummdeutung Uber den Traum S 544 zu Stw Bahnung a b c d e Hannah Arendt Vom Leben des Geistes Bd I Das Denken 1971 R Piper amp Co Munchen 1979 ISBN 3 492 02486 6 a S 36 Kap 3 Abs 2 zu Stw Fortschrittsglauben b S 36 Kap 3 Abs 1 zu Stw Enttauschung c S 33 36 zu Stw metaphysische Hierarchie d S 36 ff zu Stw Wert der Oberflache e S 37 zu Stw Vielfalt des tierischen und pflanzlichen Lebens Hermann Krings u a Hrsg Handbuch philosophischer Grundbegriffe Eine Selbstdarstellung der gegenwartigen Philosophie in 150 Stichworten Kosel Munchen 1973 ISBN 3 466 40055 4 S 403 zu Stw Universalien Lemma Erkennen Maurice Merleau Ponty Le visible et l invisible Hrsg Claude Lefort Paris Gallimard 1964 S 34 63 f Adolf Portmann Das Tier als soziales Wesen Dt Ubers Zurich Rhein Verlag 1953 engl Originaltext S 64 127 Adolf Portmann Animal Forms and Patterns New York 1967 S 19 John B Watson Psychology from the Standpoint of a Behaviorist Routledge London 1980 ISBN 0 904014 44 4 Reprint der Ausgabe Philadelphia 1919 Vorrede Hannah Arendt Walter Benjamin Bertolt Brecht Zwei Essays Serie Piper 12 Munchen 1971 S 91 zu Stw herrliche Schwerelosigkeit Hannah Arendt Das Urteilen Texte zu Kants Politischer Philosophie Neuauflage 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