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Bahnung ist ein Begriff aus der Neurophysiologie und umschreibt das Phanomen dass eine wiederholte Erregung bestimmter Nervenbahnen den Wirkungsgrad von Reizen gleicher Starke erhoht oder eine Erregung dieser Nervenbahn schon durch schwachere Reize ermoglicht wird siehe auch Summation und Langzeit Potenzierung Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 2 Raumliche und zeitliche Bahnung 3 Komplexere Anwendungen des Begriffs 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 Einzelnachweise und AnmerkungenBegriffsgeschichte BearbeitenDie Bildung des neurophysiologischen Begriffs der Bahnung wie ebenso der Hemmung und der Summation wird dem osterreichischen Physiologen Sigmund Exner zugeschrieben der 1894 seinen Entwurf zu einer physiologischen Erklarung der psychischen Erscheinungen veroffentlichte 1 Exner wurde 1875 Professor am Physiologischen Institut in Wien und ab 1891 dessen Leiter als Nachfolger von Ernst Brucke wo 1881 auch Sigmund Freud promoviert wurde In dessen unveroffentlichtem Entwurf einer Psychologie 1895 der Gedanken zu moglichen hirnphysiologischen Grundlagen des Gedachtnisses enthalt findet sich der Begriff ebenfalls 2 Raumliche und zeitliche Bahnung BearbeitenIn der Betrachtung einer einzelnen Nervenzelle wird zwischen raumlicher und zeitlicher Bahnung unterschieden Dabei wird raumliche Bahnung definiert als die simultane Wirkung von Reizen an raumlich voneinander unterschiedlichen Afferenzen also verschiedener Synapsen einer Nervenzelle Unter zeitlicher Bahnung versteht man eine relativ rasche Aufeinanderfolge etwa im Abstand von 4 ms von sogenannten repetitiven Einzelreizen an ein und derselben Afferenz einer Synapse Diese Reize erfolgen somit noch innerhalb des abklingenden Verlaufs der erregenden postsynaptischen Potentiale EPSP Ein unterschwelliger Einzelreiz bewirkt keine Depolarisation der Nervenzelle Im Falle einer resultierenden Bahnung jedoch wird eine entsprechende Nervenzelle depolarisiert Dies ist aufgrund der Modellvorstellung einer Summation von jeweils fur sich allein genommen unterschwelligen Einzelreizen verstandlich 3 Komplexere Anwendungen des Begriffs BearbeitenBahnung findet als neurophysiologisches Konzept auch Anwendung in der Betrachtung komplexer Phanomene aus der Hirnforschung Psychophysik Verhaltensphysiologie und der Sozialpsychologie Langzeit Potenzierung Neuroanatomie und Neurophysiologie Die Langzeit Potenzierung LTP Longterm Potentiation ist eine zeitliche Bahnung unter Annahme von Lerneffekten einer Nervenzelle Dieser Lerneffekt kommt jedoch nur durch eine vorher erfolgte raumliche Bahnung unter Beteiligung mehrerer Input Axone bzw mehrerer Afferenzen zustande Hierdurch kommt es u U zu einer Anderung der Synapsengewichte 4 Priming Psychologie Ein Reiz kann die Verarbeitung eines nachfolgenden Reizes positiv oder negativ beeinflussen wenn der erste Reiz gewisse Gedachtnisinhalte aktiviert Bahnung Lerntheorie Durch haufige Wiederholung findet eine Bahnung fur bestimmte Gedachtnisinhalte statt d h neuronale Korrelate mentaler Reprasentationen werden durch haufige gleichzeitige Aktivierung miteinander verbunden assoziiert Bahnungseffekte konnen als neurophysiologischer Vorlaufer etwa eines Gedankens oder einer Erinnerung betrachtet werden Siehe auch BearbeitenFraming Sozialwissenschaften Disfazilitation Bahnungsminderung Weblinks BearbeitenETH Skript NeurophysiologieEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Exner fuhrt im Kapitel II Physiologische Grundphanomene unter 3 Die centrale Hemmung und Bahnung den Begriff der Bahnung wie folgt ein So wie eine Erregung im Centralnervensysteme den Ablauf einer anderen Erregung schwachen oder ganzlich hemmen kann konnen auch Erregungen fordernd auf den Ablauf anderer wirken indem sie gleichsam die Bahn frei machen Ich habe deshalb diese Erscheinung Bahnung genannt Alsdann stellt er den Effekt der Bahnung bei Zusammenwirken zweier einzeln je unwirksamer schwacher Reize als Pfotenreiz und Rindenreiz an einem Kaninchen vor und erlautert Man kann die Bahnung naturlich auch nachweisen ohne die beiden wirkenden Reize unter ihre Schwelle zu bringen Sind sie beide schon einzeln wirksam so zeigt sich der Effect der Bahnung in der Verstarkung der Zuckung Das angefuhrte Beispiel wurde etwa dem Falle analog sein dass ein Reizzustand der Gehirnrinde also die bewusste Aufmerksamkeit auf die Vorgange an der Pfote den Ablauf der dieser zugehorigen Ruckenmarksprocesse begunstigt die Reflexzuckung bei einem Nadelstich ist starker wenn wir mit angstlicher Aufmerksamkeit dem Stechen zusehen die Bahnung lasst sich aber auch umgekehrt fur den Fall nachweisen dass erst der Pfotenreiz und dann die Rindenreizung erfolgt Sigmund Exner Entwurf zu einer physiologischen Erklarung der psychischen Erscheinungen 1 Theil F Deuticke Leipzig und Wien 1894 S 76f hier online Freud fuhrt hierbei zunachst die hypothetische Unterscheidung zweier Klassen von Neuronen ein Es gibt also durchlassige keinen Widerstand leistende und nichts retenierende Neurone die der Wahrnehmung dienen und undurchlassige mit Widerstand behaftete und Quantitat Qh zuruckhaltende Neurone die Trager des Gedachtnisses wahrscheinlich also der psychischen Vorgange uberhaupt sind Ich will also das erstere System von Neuronen fortan F das letztere PS nennen Anschliessend fuhrt er als Annahme aus PS Neuronen werden durch den Erregungsablauf dauernd verandert Mit Einfugung der Kontaktschrankentheorie ihre Kontaktschranken geraten in einen dauernd veranderten Zustand Und da die psychologische Erfahrung zeigt dass es ein Uber Erlernen gibt auf Grund des Gedachtnisses muss diese Veranderung darin bestehen dass die Kontaktschranken leitungsfahiger minder undurchlassig werden also denen des F Systems ahnlicher Diesen Zustand der Kontaktschranken wollen wir als Grad der Bahnung bezeichnen Dann kann man sagen Das Gedachtnis ist dargestellt durch die zwischen den PS Neuronen vorhandenen Bahnungen In Gesammelte Werke Nachtragsband Texte aus den Jahren 1885 bis 1938 Frankfurt M 1987 S 308 zitiert nach Sigmund Freud Entwurf einer Psychologie hier S 7 Schmidt Robert F Hrsg Grundriss der Neurophysiologie Springer Berlin 31979 ISBN 3 540 07827 4 Seite 110 113 Spitzer Manfred Geist im Netz Modelle fur Lernen Denken und Handeln Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1996 ISBN 3 8274 0109 7 Seite 44 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bahnung amp oldid 225455193