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Der Funktionalismus ist eine der klassischen Positionen der Philosophie des Geistes Ihre zentrale These ist dass mentale Zustande funktionale Zustande sind Inhaltsverzeichnis 1 Funktionalismus und Funktionale Zustande 2 Die Entwicklung des Funktionalismus 3 Einwande gegen den Funktionalismus 3 1 Seltsame Realisierungen 3 2 Qualia 3 3 Externalismus 4 Varianten des Funktionalismus 5 Siehe auch 6 Literatur 7 WeblinksFunktionalismus und Funktionale Zustande BearbeitenDas Kernthema der Philosophie des Geistes ist das Leib Seele Problem Es ergibt sich aus der Frage nach der Natur mentaler Zustande Lassen sie sich in ein materialistisches Weltbild integrieren oder nur durch einen immateriellen Geist erklaren Der Funktionalismus vertritt die These dass es sich bei mentalen Zustanden um funktionale Zustande handelt Da funktionale Zustande von materiellen Systemen realisiert werden konnen wird der Funktionalismus allgemein als eine materialistische Position aufgefasst Dabei gilt es jedoch zu bedenken dass der Funktionalismus zunachst eine ontologisch neutrale Position einnimmt Es spricht prinzipiell nichts dagegen dass auch immaterielle Systeme wenn es denn solche gibt funktional charakterisiert werden konnen Ein funktionaler Zustand ist dadurch definiert dass er auf einen bestimmten Input mit einem bestimmten Output reagiert und in einen anderen funktionalen Zustand ubergeht Man kann das Konzept eines funktionalen Zustandes anhand von einfachen Beispielen erortern Von dem Philosophen Ned Block kommt etwa das Beispiel eines Colaautomaten Gegeben sei ein Automat der nach einem Einwurf von einem Euro eine Coladose ausgibt Dabei akzeptiert er 1 Euro und 50 Cent Stucke Um funktionsfahig zu sein muss der Automat verschiedene interne Zustande besitzen Es muss einen Zustand geben in dem der Automat einen Euro fordert um eine Dose auszugeben es muss aber auch einen Zustand geben in dem der Automat nur noch 50 Cent fordert Man kann die funktionale Architektur eines solchen Automaten durch folgende einfache Tabelle verdeutlichen Aktueller Zustand Input Output Neuer ZustandZ1 1 Cola Z1Z1 0 50 Z2Z2 1 Cola 0 50 Z1Z2 0 50 Cola Z1Der Automat besitzt zwei verschiedene Zustande die jeweils auf zwei verschiedene Inputs reagieren und entweder im gleichen Zustand verbleiben konnen oder in den anderen Zustand wechseln Durch diese Tabelle sind die funktionalen Zustande definiert Das Entscheidende an einer solchen funktionalen Charakterisierung eines Systems ist nun dass sie unabhangig von der konkreten physischen Realisierung des Systems ist Es ist etwa vollkommen irrelevant ob der Automat aus Kunststoff oder Stahl gebaut ist Die These des Funktionalismus ist nun dass auch mentale Zustande in einer solchen Weise definierbar sind Wer in einem mentalen Zustand ist etwa Kopfschmerzen hat oder denkt dass heute Montag ist wird auf einen bestimmten Input in bestimmter Weise reagieren und in einen anderen mentalen funktionalen Zustand ubergehen Dabei ist allen Funktionalisten klar dass die Beschreibung des mentalen Innenlebens ungleich komplexer sein muss als die Beschreibung eines Colaautomaten Das Entscheidende an dieser These ist nun dass mit ihr auch das Verfugen uber mentale Zustande unabhangig von der physischen Realisierung ist So konnte ein Computer oder Roboter mentale Zustande haben wenn er nur die gleichen funktionalen Zustande realisiert wie ein Lebewesen mit Bewusstsein Die Entwicklung des Funktionalismus BearbeitenDie Entwicklung des Funktionalismus hangt eng mit den Problemen der Identitatstheorie und der Entstehung der Kognitionswissenschaft zusammen Die Identitatstheorie war in den 50er Jahren von John Smart und Ullin Place formuliert worden Sie besagt dass ein mentaler Zustand etwa Kopfschmerzen mit einem bestimmten neuronalen Zustand identisch sei Gegen diese Theorie wurde jedoch eingewandt es sei empirisch plausibel dass verschiedene Wesen in der gleichen mentalen Verfassung sein konnen auch wenn sie sich in verschiedenen neuronalen Zustanden befinden Es ist zum Beispiel anzunehmen dass Menschen und Katzen Kopfschmerzen haben konnen Die Gehirne sind jedoch so verschieden dass es unplausibel ist dass sie dabei im gleichen neuronalen Zustand sind Man spricht hier in der Philosophie von multipler Realisierung Also kann man Kopfschmerzen nicht allgemein mit einem bestimmten neuronalen Zustand identifizieren nbsp Ein Band TuringmaschineHinzu kam dass in den funfziger und sechziger Jahren die Kunstliche Intelligenz KI und die Kognitionswissenschaft entstanden Die Identitatstheorie schien es jedoch von vornherein auszuschliessen dass ein Roboter jemals Bewusstsein haben konnte da er keine neuronalen Zustande hat In dieser Situation erschien der erstmals 1960 von Hilary Putnam formulierte Funktionalismus eine eindeutige Verbesserung zu sein da er funktionale Zustande als unabhangig von ihrer konkreten Realisierung beschreibt Dieser Funktionalismus hat also kein Problem mit der multiplen Realisierung Auch schliesst er nicht aus dass Systeme ohne biologische Gehirne mentale Zustande haben konnen Selbst eine Turingmaschine kann theoretisch jeden beliebigen funktionalen Zustand realisieren Diese Vorteile fuhrten dazu dass der Funktionalismus zur gangigen Philosophie der Kunstlichen Intelligenz und der Kognitionswissenschaft wurde Aufgrund der Probleme des Funktionalismus wird dieser Status mittlerweile wieder infrage gestellt Einwande gegen den Funktionalismus BearbeitenTrotz seiner Popularitat ist der Funktionalismus mit gewichtigen Einwanden konfrontiert Seltsame Realisierungen Bearbeiten Einer der klassischen Einwande gegen den Funktionalismus kommt von dem Philosophen Ned Block Block macht sich die Tatsache zu Nutzen dass funktionale Zustande in verschiedenen Systemen realisiert werden konnen Mittels eines Gedankenexperiments versucht Block sich eine Situation vorzustellen in der ein System die gleiche funktionale Architektur hat wie ein bewusster Mensch aber dennoch kein Bewusstsein Wenn ein solches System existieren konnte dann konnen funktionale Zustande nicht mit mentalen Zustanden identisch sein In dem Artikel Troubles with Functionalism stellt sich Block vor dass die chinesische Regierung ein gross angelegtes Funktionalismusexperiment durchfuhrt Jeder der 1 3 Milliarden Chinesen bekommt ein Funkgerat mit dem er andere Chinesen kontaktieren kann Koordiniert wird das Ganze uber riesige Scheinwerfer die Kommandos an die Wolkendecke projizieren Ein solches System aus Menschen Funkgeraten und Scheinwerfern konnte so Block zumindest fur eine kurze Zeit jeden funktionalen Zustand realisieren den auch ein Mensch realisieren kann Dennoch ware es laut Block vollkommen absurd anzunehmen dass ein solches System mentale Zustande hatte Daher konnen funktionale Zustande und mentale Zustande nicht identisch sein Blocks Einwand ist als der Einwand der seltsamen Realisierungen bekannt geworden Qualia Bearbeiten nbsp John Searle einer der einflussreichsten Kritiker des Funktionalismus Berkeley 2002 Der Funktionalismus hat zudem mit einem Problem zu kampfen das selbst von vielen Befurwortern etwa von Jerry Fodor fur ungelost gehalten wird Wenn alle mentalen Zustande funktionale Zustande sind so mussen auch Erlebnisse wie etwa Schmerzen funktionale Zustande sein Nun ist es zweifellos plausibel dass auch etwa Schmerzen funktional zu beschreiben sind Wer Schmerzen hat wird in der Regel zu einem bestimmten Verhalten neigen z B im Bett liegen aber nicht tanzen und auch bestimmte andere mentale Zustande haben etwa Trauer aber nicht Euphorie Die entscheidende Frage ist aber ob mit der funktionalen Beschreibung das Phanomen Schmerz schon vollstandig erfasst ist Und hier ergeben sich ernsthafte Zweifel Sicherlich die funktionale Charakterisierung ist ein wichtiger Teil des Schmerzes doch ein anderes Element scheint viel wichtiger Das Schmerzerleben Die Tatsache jedoch dass wir Schmerzen erleben also Schmerzqualia haben scheint durch die funktionale Beschreibung in keiner Weise berucksichtigt zu werden Der Vorwurf an den Funktionalismus ist daher dass er nicht die Qualia bzw Erlebnisgehalte der mentalen Zustande erklaren konne Es sei daher unklar ob eine bestimmte funktionale Architektur hinreichend fur Erleben sei Daher erscheint es unplausibel mentale Zustande mit funktionalen Zustanden gleichzusetzen Zur Verdeutlichung denke man an einen Computer der die gleiche funktionale Struktur hat wie ein Mensch mit schweren Schmerzen Erlebt der Computer auch tatsachlich Schmerzen Daniel Dennett beansprucht mittlerweile das Qualia Problem gelost zu haben Externalismus Bearbeiten Hilary Putnam der selbst einer der Begrunder des Funktionalismus war gilt mittlerweile als einer der einflussreichsten Kritiker dieser Position Seine bekanntesten gegen den Funktionalismus gerichteten Argumente stehen im Zusammenhang mit dem externalistischen Slogan Gedanken sind nicht im Kopf Putnam versucht zu zeigen dass ein Gedanke kein interner Zustand ist sondern von der Gemeinschaft und Umwelt mitkonstituiert wird Da aber funktionale Zustande interne Zustande sind sei eine Identifikation von mentalen und funktionalen Zustanden nicht moglich Putnam bietet zwei Argumente an 1 Ulmen und Buchen Putnam erklart dass er uber Ulmen und Buchen jeweils nur wisse dass sie Baume seien Das bedeute dass die interne funktionale Struktur dieser Gedanken die gleiche sein konne Dennoch sind die Gedanken Die Ulme ist ein Baum und Die Buche ist ein Baum verschieden weil sie sich auf Verschiedenes beziehen Wenn aber Gedanken verschieden sein konnen obwohl die funktionale Struktur die gleiche ist dann konnen Gedanken und funktionale Zustande nicht identisch sein 2 Zwillingserde Putnams zweites Argument basiert auf einem Gedankenexperiment Er stellt sich einen Planeten vor der unserer Welt bis ins Detail gleicht Es gibt nur einen Unterschied Was bei uns H2O ist ist auf der Zwillingserde eine Substanz XYZ die jedoch die gleichen Makroeigenschaften hat wie Wasser Sie ist also flussig durchsichtig geruchlos etc Nun hat eine Person A auf der Erde die gleiche funktionale Struktur wie sein Zwilling B auf der Zwillingserde Dennoch haben sie einige verschiedene Gedanken A bezieht sich mit dem Gedanken Wasser ist flussig auf die Substanz H2O B mit dem gleichen Gedanken auf XYZ Das Ergebnis Da Personen mit gleicher funktionaler Organisation unterschiedliche Gedanken haben konnen sind Gedanken nicht mit funktionalen Zustanden identisch Varianten des Funktionalismus BearbeitenInnerhalb des Funktionalismus unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Stromungen je nachdem ob die mentalen Zustande durch die Alltagspsychologie oder die wissenschaftliche Psychologie bestimmt werden Der ersten Alternative zufolge sind unsere alltaglichen Begriffe wie Schmerz Freude oder Wut funktional bestimmt Diese Position nennt man auch Common Sense Funktionalismus Der zweiten Position zufolge geht es vielmehr um Zustande die in der psychologischen Forschung bestimmt worden sind Entsprechend spricht man vom Psychofunktionalismus nbsp Die Theorie von David Lewis ist mit der These vereinbar dass mentale Zustande mit Gehirnzustanden identisch sind Der Common Sense Funktionalismus ist von David Lewis mit Elementen der Identitatstheorie verbunden worden Wahrend die alltagspsychologischen Begriffe allein funktional charakterisiert seien seien die mentalen Zustande eines Individuums wiederum mit ihren neuronalen Zustanden identisch und konnten auf sie reduziert werden Siehe auch BearbeitenFur den Funktionalismus im Kontext anderer Positionen siehe Philosophie des Geistes Fur den Zusammenhang von empirischer Forschung und Funktionalismus siehe Kognitionswissenschaft Fur die formalen Hintergrunde zur Definition von funktionalen Zustanden siehe Automat ReduktionismusLiteratur BearbeitenEinfuhrungstexte Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 2 Aufl De Gruyter Berlin u a 2001 ISBN 3 11 017065 5 Ned Block What ist functionalism in Readings in the Philosophy of Psychology Volume 1 Cambridge Harvard University Press 1980 ISBN 0 674 74876 X online Grundlegende Texte des Funktionalismus Hilary Putnam Minds and Machines in Sidney Hook Dimensions of Mind New York Collier Books 1960 pp 138 164 Jerry Fodor Psychological Explanation New York Random House 1968 David Lewis Mad Pain and Martian Pain in David Lewis Philosophical Papers Vol 1 Oxford Oxford University Press 1983 Daniel Dennett Consciousness Explained 1991 Boston Little Brown dt Philosophie des menschlichen Bewusstseins ubers von Franz M Wuketits Daniel Dennett Sweet Dreams Philosophical Obstacles To A Science Of Consciousness MIT Press Bradford Book 2005 dt Susse Traume 2007 Kritik des Funktionalismus Ned Block Troubles with Functionalism in Perception and Cognition 1978 Hilary Putnam Representation and Reality Bradford Book 1991 ISBN 0 262 66074 1Weblinks BearbeitenJanet Levin Functionalism In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Thomas W Polger Functionalism In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Bibliographie zum Thema auf der Website von David Chalmers Bibliographie zu Onlinetexten zum Thema nbsp Dieser Artikel wurde am 17 November 2005 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Funktionalismus Philosophie amp oldid 235066018