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Ansgar Beckermann 20 Juni 1945 in Hamburg ist ein deutscher Philosoph und einer der Hauptvertreter der Philosophie des Geistes in Deutschland Weitere Arbeitsgebiete sind Logik Erkenntnistheorie Theorie der Willensfreiheit und Religionsphilosophie Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Positionen 2 1 Physikalismus und die Metaphysik des Geistes 2 2 Freiheit 2 3 Religion 2 4 Wissen 3 Veroffentlichungen 4 Weblinks 5 FussnotenLeben BearbeitenBeckermann erwarb sein Abitur auf der Sankt Ansgar Schule und studierte von 1964 bis 1974 Philosophie Soziologie und Mathematik an den Universitaten Hamburg und Frankfurt am Main 1974 promovierte er mit der Arbeit Grunde und Ursachen von 1975 bis 1981 war er wissenschaftlicher Assistent an der Universitat Osnabruck Nach Professuren an der Universitat Gottingen und der Universitat Mannheim war Beckermann von 1995 bis 2010 Professor an der Universitat Bielefeld Von 2000 bis 2006 war er Prasident der Gesellschaft fur Analytische Philosophie 1 und seit 2018 ist er deren Ehrenmitglied Positionen BearbeitenPhysikalismus und die Metaphysik des Geistes Bearbeiten Beckermann bezeichnet sich als Vertreter eines physikalistischen Monismus 2 Der ontologische Physikalismus behauptet dass alle Entitaten physische Entitaten sind Dies bedeutet zum einen dass alle Objekte aus den grundlegenden physischen Teilchen zusammengesetzt sind Beckermann hat allerdings darauf hingewiesen dass ein umfassender Physikalismus auf Eigenschaften ausgedehnt werden muss 3 Nur wenn ein Physikalist behauptet dass sich alle Eigenschaften aus den Eigenschaften der grundlegenden physischen Objekte ergeben kann man den Physikalismus adaquat vom Eigenschaftsdualismus abgrenzen Durch diese These scheint der Physikalismus jedoch auf eine reduktionistische Theorie festgelegt zu sein Beckermann akzeptiert dass ein solcher Reduktionismus mit schwerwiegenden Einwanden konfrontiert zu sein scheint Insbesondere die Erlebnisgehalte die Qualia scheinen sich nach Beckermann einer reduktiven Analyse widersetzen Viele mentale Zustande haben die Eigenschaft auf eine bestimmte Weise erlebt zu werden Beckermann versucht diesen Aspekt des Bewusstseins durch das folgende Beispiel zu erlautern Und wenn jemand sagt er wisse trotzdem nicht worin der qualitative Charakter etwa eines Geschmacksurteils bestehe konnen wir diesem Unverstandnis so begegnen Wir geben ihm einen Schluck Wein zu trinken lassen ihn danach ein Pfefferminzbonbon lutschen und geben ihm dann noch einen Schluck desselben Weins mit der Bemerkung Das was sich jetzt geandert hat das ist der qualitative Charakter deines Geschmacksurteils 4 Eine reduktive Theorie des Bewusstseins ware nur vollstandig wenn sich auch der Erlebnisaspekt durch eine naturwissenschaftliche Analyse verstandlich machen liesse Doch genau dies scheint nicht moglich zu sein Zwar konnen etwa die Neurowissenschaften neuronale Korrelate des Bewusstseins finden also erklaren welcher Vorgang im Gehirn mit welchem Bewusstseinszustand einhergeht Doch dies macht nicht verstandlich warum etwas erlebt wird 5 In seinem Buch Naturalismus argumentiert Beckermann allerdings dass vollig unverstandlich ware dass viele phanomenale Zustande kausale Wirkungen haben wenn diese Zustande nicht doch mit neuronalen Zustanden identisch seien Im Gegensatz zu den Qualia halt Beckermann das Phanomen der Intentionalitat fur kein Problem des Physikalismus Der intentionale Gehalt mentaler Zustande lasse sich im Zuge eines messtheoretischen Ansatzes verstehen 6 In Kapitel 4 seines Buches Naturalismus erlautert Beckermann ausserdem wie die Computerwissenschaften helfen konnen zu verstehen wie intentionale Zustande physisch realisiert sind Als Physikalist ist Beckermann dezidiert der Meinung dass es keine korperlosen Geister geben kann Freiheit Bearbeiten Herkommlichen Freiheitstheorien zufolge ist eine Entscheidung genau dann frei wenn sie auf die handelnde Person selbst zuruckgeht d h von ihr selbst akteurskausal bewirkt wird Und wenn die Tatsache dass die Person diese Entscheidung bewirkt selbst nicht determiniert ist Beckermann ist jedoch der Meinung dass dieses Freiheitsverstandnis inkoharent ist insbesondere weil die Idee der Akteurskausalitat selbst nicht verstandlich gemacht werden kann Beckermann pladiert deswegen fur eine fahigkeitsbasierte Auffassung von Willensfreiheit wie sie beispielsweise von John Locke vertreten wird Locke zufolge sind wir in unserem Willen frei wenn wir uber zwei Fahigkeiten verfugten erstens die Fahigkeit vor einer Entscheidung innezuhalten und zu uberlegen was zu tun das Beste ware und zweitens die Fahigkeit dem Ergebnis dieses Nachdenkens gemass zu entscheiden und zu handeln Ein solches Freiheitsverstandnis ist nicht nur koharent es entspricht auch besser unserer alltaglichen Praxis von Verantwortungszuschreibungen Mit dem Physikalismus ist ein fahigkeitsbasiertes Freiheitsverstandnis allerdings nur vereinbar wenn sich zeigen lasst dass man uber die fur Willensfreiheit notwendigen Fahigkeiten auch verfugen kann wenn der Determinismus wahr ist 7 Religion Bearbeiten Beckermann zufolge gibt es bei nuchterner Betrachtung keine Tatsachen die dafur sprechen dass es ausser der empirischen Welt um uns herum noch eine ganz andere transzendente Welt ubernaturlicher Wesen gibt Seiner Meinung nach existieren keine Phanomene die sich nur oder am besten durch das Eingreifen ubernaturlicher Wesen erklaren lassen Und wenn man unvoreingenommen untersucht ob Gebete Opfer und andere Rituale den gewunschten Erfolg zeitigen ist das Ergebnis ebenfalls negativ In seinem Buch Glaube kritisiert Beckermann ausserdem die herkommlichen Gottesbeweise Dabei gilt seine Kritik insbesondere der Annahme dass das Kausalprinzip uber jeden Zweifel erhaben ist Seiner Meinung nach ist es durchaus moglich dass etwas einfach so ohne jede hinreichende Ursache entsteht In der Welt der Quantenphysik scheint das sogar tatsachlich vorzukommen Ausserdem weist Beckermann darauf hin dass die Annahme neben der empirischen gebe es auch transzendente Welt ubernaturlicher Wesen die zumindest manchmal in den Lauf der empirischen Welt eingreifen impliziert dass es korperlose geistige Wesen gibt die akteurskausal in den Lauf der empirischen Welt eingreifen konnen Und diese Annahmen halt er beide fur inkoharent Schliesslich ist er der Meinung dass die Tatsache dass es in der empirischen Welt so unvorstellbar viel schreckliches Leid gibt zumindest deutlich gegen die Existenz eines Gottes im Sinne der abrahamitischen Religionen spricht der sein Geschopfe uber alles liebt Wissen Bearbeiten In einem einflussreichen Aufsatz hat Beckermann zudem den philosophischen Wissensbegriff angegriffen 8 Traditionell wird Wissen als wahre gerechtfertigte Meinung definiert schon Platon hatte diese Definition am Schluss des Theaitetos diskutiert 9 1963 zeigte Edmund Gettier jedoch dass diese Definition falsch ist da es Falle von wahren gerechtfertigten Meinungen gibt die kein Wissen darstellen Seitdem wurden zahllose Versuche unternommen eine neue Definition zu finden Beckermann macht jedoch auf logische Fehler bei dieser Bestimmung von Wissen aufmerksam Wenn wir Wissen als gerechtfertigte wahre Uberzeugung definieren dann definieren wir Wissen mit Hilfe zweier Bedingungen von denen eine Wahrheit fur das Ziel unserer Erkenntnisbemuhungen steht wahrend die andere Rechtfertigung fur ein Kriterium steht mit dessen Hilfe wir herausfinden wollen ob wir dieses Ziel erreicht haben Dies ist jedoch illegitim Denn prinzipiell ist es nicht statthaft ein Ziel und die Kriterien mit denen wir uberprufen ob das Ziel erreicht wurde in die Definition ein und desselben Begriffs aufzunehmen Mit anderen Worten Systematisch ist der alltagssprachliche Wissensbegriff ein inkoharenter Hybridbegriff ein Begriff in dem zwei Merkmale zusammengefasst werden die nicht auf derselben Stufe stehen und die daher nicht zusammengefasst werden durfen 10 Im Gegensatz dazu schlagt Beckermann vor auf eine Definition zu verzichten und Wissen als zentralen Begriff in der Erkenntnistheorie aufzugeben Wir sollten etwas mutiger sein und auf den Wissensbegriff ganz verzichten Es gibt in der Erkenntnistheorie keine interessante Frage und keine interessante These die wir nicht auch ohne diesen Begriff formulieren konnten Was ist das Ziel unserer Erkenntnisbemuhungen Wahrheit Wie konnen wir feststellen welche unserer Aussagen und Uberzeugungen wahr sind Z B indem wir uberprufen ob diese Aussagen und Uberzeugungen gerechtfertigt sind Aus unterschiedlichen Grunden interessieren wir uns fur die Wahrheit von Aussagen und Uberzeugungen und fur die Rechtfertigung von Aussagen und Uberzeugungen Aber die Frage ob Aussagen und Uberzeugungen wahr und gerechtfertigt sind spielt in unseren Erkenntnisbemuhungen aus guten Grunden keine Rolle Mit anderen Worten Wenn man Wissen im Sinne von wahrer und gerechtfertigter Uberzeugung versteht dann ist dieser Begriff nicht nur inkoharent sondern glucklicherweise auch uninteressant und verzichtbar 11 Veroffentlichungen BearbeitenAnsgar Beckermann Hrsg Analytische Handlungstheorie Band 2 Handlungserklarungen Suhrkamp Frankfurt 1977 ISBN 3 518 06399 5 1985 ISBN 3 518 28089 9 Grunde und Ursachen Zum vermeintlich grundsatzlichen Unterschied zwischen mentalen Handlungserklarungen und wissenschaftlich kausalen Erklarungen Scriptor Verlag Kronberg 1977 ISBN 3 589 20395 1 Dissertation Descartes metaphysischer Beweis fur den Dualismus Analyse und Kritik Alber Freiburg Munchen 1986 ISBN 3 495 47608 3 mit Hans Flohr und Jaegwon Kim Hrsg Emergence or Reduction Essays on the prospects of nonreductive physicalism de Gruyter Berlin New York 1992 ISBN 3 11 012880 2 Einfuhrung in die Logik de Gruyter Berlin New York 1997 ISBN 3 11 014774 2 4 Auflage 2014 ISBN 978 3 11 035408 9 Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes de Gruyter Berlin New York 1999 2 uberarbeitete Auflage 2001 ISBN 3 11 017065 5 3 uberarbeitete Auflage 2008 ISBN 978 3 11 020424 7 Gehirn Ich Freiheit Naturwissenschaften und Menschenbild mentis Paderborn 2008 2 uberarbeitete Auflage 2010 ISBN 978 3 89785 619 6 mit Dominik Perler Hrsg Klassiker der Philosophie heute Reclam Stuttgart 2004 ISBN 3 15 010557 9 Das Leib Seele Problem Wilhelm Fink Paderborn 2008 2 Aufl 2011 ISBN 978 3 8252 3592 5 Glaube de Gruyter Berlin Boston 2013 ISBN 978 3 11 027985 6 Naturalismus Entwurf eines wissenschaftlich fundierten Welt und Menschenbildes Brill mentis Paderborn 2021 ISBN 978 3 95743 244 5 Wege und Positionen https www uni bielefeld de fakultaeten philosophie personen beckermann Wege und Positionen pdf Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Ansgar Beckermann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Beckermanns Universitatshomepage Beckermanns Internetprojekt Philosophie verstandlich Gesellschaft fur Analytische PhilosophieFussnoten Bearbeiten Gesellschaft fur Analytische Philosophie e V Organisation Abgerufen am 10 Juli 2020 Eine kurze intellektuelle Autobiographie findet sich in Wege und Positionen https www uni bielefeld de fakultaeten philosophie personen beckermann Wege und Positionen pdf Eigenschafts Physikalismus In Zeitschrift fur philosophische Forschung Nr 50 1996 S 3 25 Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes Walter de Gruyter Berlin 1999 Was macht Bewusstsein fur Philosophen zum Problem In Logos Nr 4 1997 S 1 19 Gibt es ein Problem der Intentionalitat In Ulrike Haas Spohn Hrsg Intentionalitat zwischen Subjektivitat und Weltbezug Mentis Paderborn 2003 ISBN 3 89785 065 6 S 19 44 Gehirn Ich Freiheit 2 Aufl Paderborn 2010 Die Perspektive des Richters In W Freitag H Rott H Sturm amp A Zinke Hg Von Rang und Namen Munster mentis 2016 S 1 14 Aktives Tun und das Prinzip der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt Logos 4 2021 S 1 26 R Jaster amp A Beckermann Fahigkeitsbasierte Freiheitstheorien und das Problem des Determinismus Zeitschrift fur philosophische Forschung 72 2018 S 317 342 Zur Inkoharenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs Pladoyer fur eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In Zeitschrift fur Philosophische Forschung Nr 55 2001 571 593 Erkenntnistheorie ohne Wissensbegriff In D Koppelberg amp S Tolksdorf Hg Erkenntnistheorie Wie und Wozu Munster mentis 2015 S 81 97 Platon Theatet 201d 206b Zur Inkoharenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs Pladoyer fur eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In Zeitschrift fur Philosophische Forschung Nr 55 2001 S 576f Zur Inkoharenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs Pladoyer fur eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie In Zeitschrift fur Philosophische Forschung Nr 55 2001 S 578f Normdaten Person GND 12338852X lobid OGND AKS LCCN n86045935 VIAF 2551866 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Beckermann AnsgarKURZBESCHREIBUNG deutscher Philosoph und Hochschullehrer an der Universitat BielefeldGEBURTSDATUM 20 Juni 1945GEBURTSORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ansgar Beckermann amp oldid 232218708