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Der Verweis auf die multiple Realisierung verhilft zu einem klassischen Argument in der Philosophie des Geistes Dieses Argument beschaftigt sich mit der Multirealisierbarkeit mentaler Zustande Hier ist der entscheidende Ausloser fur den Ubergang von der Identitatstheorie zum Funktionalismus zu finden Die klassische Formulierung des Arguments uber die multiple Realisierung stammt von Hilary Putnam Abschnitt 1 Jerry Fodor hat das Argument generalisiert und mit ihm gegen einen uberzogenen Reduktionismus und fur eine Eigenstandigkeit der Einzelwissenschaften argumentiert Abschnitt 2 Inhaltsverzeichnis 1 Multiple Realisierung bzw die Multirealisierbarkeit mentaler Zustande als Argument gegen die Identitatstheorie 1 1 Die Identitatstheorie 1 2 Der Einwand 2 Multiple Realisierung als Argument gegen den Reduktionismus 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseMultiple Realisierung bzw die Multirealisierbarkeit mentaler Zustande als Argument gegen die Identitatstheorie BearbeitenDie Identitatstheorie Bearbeiten Die Identitatstheorie steht an einer gut lokalisierbaren Stelle in der Geschichte der Philosophie des Geistes Sie ist die unmittelbare Reaktion auf das Scheitern des Behaviorismus wie er etwa von Carl Gustav Hempel oder Gilbert Ryle vertreten wurde Die Lehre die aus diesem Scheitern gezogen wurde war Mentalen Zustanden ist nicht allein durch Verhaltensbeschreibungen beizukommen Doch was konnen mentale Zustande sein Die naheliegende Antwort der Identitatstheoretiker lautet Mentale Zustande sind mit Gehirnzustanden identisch Fur jeden mentalen Zustand M also etwa Kopfschmerz soll es einen Gehirnzustand G geben mit dem M identisch ist Dabei sind M und G als Typen zu verstehen Der Typ Kopfschmerz meint Kopfschmerz als generelles Konzept und nicht einen einzelnen Kopfschmerz das sind die Token Die These ist also dass M Typen mit G Typen identisch sind Der Einwand Bearbeiten Hilary Putnam 1967 entwickelte erstmals das Argument der multiplen Realisierbarkeit das zeigen sollte dass ein mentaler Zustand nicht mit einem Gehirnzustand identisch sein kann Die einzelnen konkreten mentalen Zustande die Token konnen namlich in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Gehirnzustande realisiert sein Man denke etwa an die Schmerzen eines Lurches und eines Menschen Es ist einfach unwahrscheinlich dass in ihnen die gleichen Gehirnprozesse ablaufen wenn sie Schmerzen spuren Es konnte sein dass Schmerzen bei Menschen durch das Feuern von C Fasern realisiert werden bei Lurchen jedoch durch etwas vollig anderes Dennoch konnen Lurche und Menschen Schmerzen haben Sie haben also die gleichen mentalen Zustande aber verschiedene Gehirnzustande Also konnen mentale Zustande M Typen nicht mit Gehirnzustanden G Typen identisch sein Mit diesem Argument galt die klassische Identitatstheorie bei vielen als widerlegt Vergleiche jedoch Jaegwon Kim 1993 Naturlich konnte man immer noch annehmen dass M Token mit G Token identisch sind Eine solche Theorie wurde etwa von Donald Davidson formuliert der anormale Monismus Es bleibt jedoch die Frage offen was die einzelnen M Token zusammenhalt was sie zu verschiedenen Instanzierungen des gleichen Typen macht Die orthodoxe Antwort auf diese Frage war der Funktionalismus Alle gleichartigen M Token werden durch den gleichen funktionalen Zustand Typ F realisiert Die Multirealisierbarkeit mentaler Zustande ist entscheidend fur den Niedergang der Identitatstheorie da sie dieser ihren empirischen Gehalt streitig macht Es ist inzwischen bewiesen dass nicht nur bei ungleichen Wesen sondern auch bei verschiedenen Personen ein bestimmter mentaler Zustand auch mit unterschiedlichen neuronalen Zustanden in Wechselbeziehung zueinander stehen kann Dies lasst sich heutzutage mit Hilfe der Positronen Emissions Tomographie PET beobachten Die PET wird u a verwendet um die Funktionen des Gehirns zu untersuchen und zu erforschen Eine Versuchsperson inhaliert hierzu einen radioaktiven Sauerstoff oder auch Glukose Danach wird die Konzentration des Stoffes in den unterschiedlichen Arealen des Gehirns gemessen Ein grosserer Verbrauch der Substanz lasst gleichzeitig auf eine hohere neuronale Aktivitat schliessen In den aktiveren Teilen des Gehirns findet eine hohere Durchblutung statt Aufgrund dieser Untersuchung konnte festgestellt werden dass bei unterschiedlichen Personen die dieselben Aufgaben losen sollen zwar haufig ahnliche aber kaum identische Gehirnzustande beobachtet werden konnen Auffallig ist hierbei auch der erhebliche Unterschied bei den Gehirnaktivitaten von Mannern und Frauen Daruber hinaus kann man beobachten dass sich die Korrelationen zwischen mentalen Zustanden und Gehirnzustanden sogar bei einzelnen Personen im Laufe ihres Lebens verandern Dies kann z B die Folge einer Gehirnverletzung sein Gesunde Teile des Gehirns ubernehmen teilweise Funktionen die der geschadigte Teil nicht mehr ausuben kann Es klingt daher ziemlich unwahrscheinlich dass jedem mentalen Zustand genau ein neurophysiologischer Zustand entsprechen soll Es resultiert eine eher schwache empirische Grundlage fur die Identitatstheorie da die vorauszusetzende naturgesetzliche Korrelation fehlt Multiple Realisierung als Argument gegen den Reduktionismus BearbeitenOft wird angenommen dass die multiple Realisierung nicht nur ein Argument gegen die Identitatstheorie bietet sondern reduktionistische Positionen allgemein unbefriedigend macht Es ist insbesondere Jerry Fodor 1974 gewesen der das Argument der multiplen Realisierbarkeit generalisiert hat Er ist der Meinung dass das Argument zeigt dass den Einzelwissenschaften etwa Psychologie oder Okonomie ein autonomer Status gegenuber der Physik einzuraumen ist Die Gesetze der Einzelwissenschaften seien namlich prinzipiell nicht auf Gesetze der Physik zuruckzufuhren Dies begrundet Fodor wie folgt 1 Es lassen sich ohne weiteres Generalisierungen uber Ereignisse formulieren ohne dass deren physikalische Beschreibungen irgendwelche Gemeinsamkeiten dazu aufweisen mussen Die Frage nach den physikalischen Beschreibungen ist haufig sogar irrelevant fur die Wahrheit und Interessantheit der Generalisierungen oder auch fur ihre epistemologisch wichtigen Eigenschaften Grosstenteils beschaftigen sich die Einzelwissenschaften dazu auch mit Generalisierungen der o g Art Denken wir an ein triviales psychologisches Gesetz Wenn X Y hasst dann wird X Y nicht kussen es sei denn X verspricht sich irgendwelche Vorteile davon Wenn das Argument der multiplen Realisierbarkeit stimmt so gibt es kein physikalisches Gesetz auf den sich das psychologische Gesetz reduzieren liesse Denn hassen kann in verschiedenen Personen ganz verschieden realisiert sein so dass die Falle in physikalischer Sprache nicht mehr als zusammengehorig erkannt werden konnen Ein vielleicht noch offensichtlicheres Beispiel bietet die Okonomie Dies lasst sich anhand Greshams Gesetz verdeutlichen Wird das Wertverhaltnis zwischen mehreren Wahrungen gesetzlich festgelegt so verdrangt die schlechtere Wahrung die bessere Dieses Gesetz gilt unabhangig davon woraus das Zahlungsmittel besteht bzw gemacht ist Gold Nickel Muscheln es ist also unabhangig von den einzelnen physischen Realisierungen Wurden wir also nur das physische Geschehen beschreiben so wurden wir gar nicht erkennen was all die verschiedenen Falle zusammenhalt Fodor meint daher dass jeder Austausch von Zahlungsmitteln zwar physikalisch beschrieben werden kann Alle diese Ereignisse konnen jedoch kaum unter ein und denselben physikalischen Artbegriff fallen Demnach konnen verschiedene Arten des Zahlungsverkehrs interessante Gemeinsamkeiten besitzen Diese lassen sich jedoch sicherlich nicht auf eine einzige physikalische Beschreibung zuruckfuhren Demnach folgt nach Fodor dass vernunftigerweise nicht angenommen werden kann dass jedem einzelwissenschaftlichen Artbegriff F genau ein physikalischer Artbegriff P derart zugeordnet werden kann dass sich zu jedem einzelwissenschaftlichen Gesetz 1 Fur alle x Wenn x F hat hat x auch F aus der Physik das Bildgesetz 2 Fur alle x Wenn x P hat hat x auch P ableiten lasst siehe hierzu Beckermann S 140 Es ist somit weitaus wahrscheinlicher dass verschiedene Ereignisse auf sehr unterschiedliche Weise physikalisch realisiert sind Literatur BearbeitenJerry Fodor Special sciences or The Disunity of Science as a Working Hypothesis in Synthese 28 1974 S 97 115 Jaegwon Kim Supervenience and Mind Selected Philosophical Essays Cambridge University Press Cambridge 1993 Hilary Putnam Psychological Predicates in W H Captain Hrsg Art Mind and Religion Pittsburgh 1967 S 37 48 Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 2 Auflage de Gruyter Berlin und New York 2001Weblinks BearbeitenJohn Bickle Multiple Realizability In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy William Jaworski Mind and Multiple Realizability In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Einzelnachweise Bearbeiten Fodor Jerry Special sciences or The Disunity of Science as a Working Hypothesis In Ned Block Hrsg Readings in Philosophy of Psychology Band 1 Harvard University Press 1980 S 124 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Multiple Realisierung amp oldid 224115812