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Die Identitatstheorie ist eine der klassischen Positionen der Philosophie des Geistes Sie ist eine naturalistische Theorie deren zentrale These ist dass mentale Zustande mit neuronalen Zustanden identisch sind Inhaltsverzeichnis 1 Vom Semantischen Physikalismus zur Identitatstheorie 2 Typenidentitat vs Tokenidentitat 3 Einwande gegen die Identitatstheorie 4 Von der Identitatstheorie zum Funktionalismus und zuruck 5 Literatur 6 Siehe auch 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVom Semantischen Physikalismus zur Identitatstheorie BearbeitenDie Identitatstheorie wurde in den 1950er Jahren von Ullin Place und John Smart formuliert Die beiden Philosophen gingen von zwei Annahmen aus Der Semantische Physikalismus der jedes mentale Pradikat vollstandig durch bedeutungsgleiche Ausdrucke einer physikalistischen Sprache zu reduzieren versucht scheitert Nicht alle mentalen Pradikate konnen in physikalistischer Sprache definiert werden so konnen etwa Empfindungen wie Farbwahrnehmungen oder Schmerzen offenbar nicht vollstandig mit Hilfe von Ausdrucken einer physikalistischen Sprache definiert werden und sind somit auch nicht auf physische Eigenschaften reduzierbar Der Dualismus von Geistigem und Korperlichem ist falsch aus dem Scheitern des Semantischen Physikalismus muss nicht auf das generelle Scheitern des Materialismus geschlossen werden Place und Smart stellen dagegen die These auf dass Bewusstsein bzw mentale Zustande wie Empfindungen mit Gehirnzustanden identisch sind Diese Identitat sei mithin keine Frage der Bedeutung mentaler Ausdrucke wie es im Semantischen Physikalismus angenommen wurde sondern einfach eine empirische Entdeckung Die systematische Entwicklung der Identitatstheorie ist eine Leistung des 20 Jahrhunderts Schon vor Smart und Place wurde sie im Umfeld des Wiener Kreises diskutiert sie wurde von Moritz Schlick erdacht und im Verlauf der 1950er Jahre vor allem von Feigl fortgefuhrt und prazisiert Nachdem sich der Semantische Physikalismus im Laufe der 1950er und 1960er Jahre als praktisch und theoretisch undurchfuhrbar erwiesen hatte wurde die Identitatstheorie im Anschluss an Place und Smart uber den engeren Bereich des Bewusstseins und der Empfindungen hinaus auch auf den Bereich propositionaler Einstellungen ausgedehnt Heute wird die Identitatstheorie meistens mit der These verbunden dass alle mentalen Zustande identisch mit Gehirnzustanden sind Die Identitatstheorie kann mit Hilfe einfacher Beispiele erlautert werden etwa der Identitat von Wasser und H2O Wenn wir feststellen dass Wasser mit H2O identisch ist so haben wir das Phanomen Wasser wissenschaftlich erklart Analog dazu Wenn wir festgestellt haben dass ein mentaler Zustand mit einem Gehirnzustand identisch ist so haben wir das Phanomen mentaler Zustand wissenschaftlich erklart Zu beachten ist dass Wasser eine andere Bedeutung hat als H2O Zur Bedeutung von H2O gehort etwa ein Molekul zu sein Zur Bedeutung von Wasser gehort das nicht Trotzdem konnte man sagen dass Wasser mit H2O identisch ist Zwei Entitaten konnen identisch sein ohne dass sie bedeutungsgleich sind Analog dazu Ausdrucke fur mentale Zustande und Ausdrucke fur Gehirnzustande haben unterschiedliche Bedeutungen konnen aber dennoch auf dasselbe Phanomen verweisen und somit Identisches bezeichnen Dies ermoglicht eine materialistische Position jenseits des Semantischen Physikalismus Die Identitatstheorie wurde fur kurze Zeit die wichtigste Position in der analytischen Philosophie des Geistes sie hat diesen Teilbereich der Philosophie in seiner heutigen Form wesentlich gepragt Schon Ende der 1960er Jahre wurde dieses Konzept von vielen Philosophen jedoch wieder abgelehnt Typenidentitat vs Tokenidentitat Bearbeiten nbsp Darstellung der Identitatstheorie Alle mentalen Zustande m1 m5 gehoren dem gleichen mentalen Type etwa Blauwahrnehmung an Sie sind mit neuronalen Zustanden n1 n5 identisch die wiederum dem gleichen neuronalen Type angehoren Die Types sind somit auch identisch Der Unterschied zwischen Type und Token lasst sich an folgendem Beispiel illustrieren Die Buchstabenreihe ABBAAC enthalt drei Typen A B C wenn man allerdings die Token zahlt befinden sich sechs Buchstaben in der Reihe Die generelle Identitatstheorie postuliert eine Typenidentitat Diese geht davon aus dass jedem Typ Type eines mentalen Zustands ein bestimmter Typ eines Gehirnzustandes zugeordnet ist 1 Die Typenidentitatstheorie fordert demnach eine Eins Zu Eins Zuordnung von neuronalen und mentalen Zustanden siehe Abbildung An dieser Stelle greift der in Kapitel Einwande gegen die Identitatstheorie aufgelistete Einwand der multiplen Realisierung Der Anomale Monismus hingegen fordert eine Tokenidentitat Token Einzelvorkommnis Dieser behauptet demnach dass jedes einzelne mentale Ereignis Token identisch mit einem einzelnen physischen Ereignis Token ist 2 Die Typenidentitatstheorie impliziert die Tokenidentiat da diese besagt dass Mengen mentaler Token mit Mengen neuronalen Token identisch sind Dies gilt allerdings nicht umgekehrt Einwande gegen die Identitatstheorie BearbeitenDie Identitatstheorie war von Anfang an mit vielen Einwanden konfrontiert Hier sind zwei genannt Die Identitatstheorie wurde allgemein als reduktionistische Theorie verstanden die das Mentale auf das Physische zuruckfuhren will Identitat ist jedoch eine symmetrische Relation Daher wurde argumentiert dass die Identitatstheorie nicht nur das Mentale materialisiere sondern auch das Materielle vergeistige Den Gehirnzustanden wurden mentale Eigenschaften zugesprochen Zur Verdeutlichung kann das o g Beispiel der Identitat von Wasser und H2O dienen Wasser hat etwa die Eigenschaften flussig und durchsichtig zu sein Wenn Wasser und H2O aber in Wirklichkeit identisch sind so mussen sie die gleichen Eigenschaften haben Wasser ist ja nichts anderes als H2O Also gilt auch fur H2O dass es flussig und durchsichtig ist Gilt dieses Beispiel auch fur die Identitat von mentalem Zustand und Gehirnzustand Ist es sinnvoll von einem neuronalen Zustand zu sagen dass er schmerzhaft oder stechend sei Der entscheidende Einwand bezieht sich jedoch auf die multiple Realisierung Ein mentaler Zustand kann in verschiedenen Wesen durch ganz verschiedene Gehirnzustande realisiert sein Dies gilt weiterhin nicht nur fur verschiedene Wesen Spezies sondern auch fur unterschiedliche Personen und ist sogar bei derselben Person innerhalb eines Lebens moglich 3 Verdeutlicht wird das an dem Beispiel Schmerzen als mentaler Zustand welcher nicht mit einem bestimmten Gehirnzustand identisch ist Menschen konnen Schmerzen haben auch Katzen und wahrscheinlich Lurche Nun ist es aber unwahrscheinlich dass allen Wesen im gleichen neuronalen Zustand sind wenn sie Schmerzen haben Zu verschieden sind die Gehirne Nennen wir die neuronalen Zustande M beim Menschen K bei der Katze und L beim Lurch Wenn nun die verschiedenen neuronalen Zustande M K und L alle Schmerzen realisieren so kann der mentale Zustand Schmerz nicht nur mit einem dieser Zustande identisch sein Von der Identitatstheorie zum Funktionalismus und zuruck BearbeitenInsbesondere der Einwand der multiplen Realisierung trug zu einem rasanten Popularitatsverlust der Identitatstheorie bei Hilary Putnam der den Einwand 1967 ins Spiel gebracht hatte bot auch gleich eine Alternative an den Funktionalismus Die verschiedenen Gehirnzustande sollten alle einen funktionalen Zustand realisieren der dann mit dem mentalen Zustand identisch sei Als Beispiel kann der Bauplan einer Uhr herangezogen werden Der Bauplan spezifiziert funktionale Zustande Dabei kann die Uhr aus diversen Materialien gebaut werden die alle die funktionalen Zustande realisieren Der Funktionalismus wurde fur die folgenden Jahrzehnte zur orthodoxen Lehre in der Philosophie des Geistes In letzter Zeit treten jedoch wieder vermehrt Stimmen auf die eine Ruckkehr zur Identitatstheorie fordern Es wird darauf hingewiesen dass der Funktionalismus das Problem der Qualia nicht losen konnte Zudem spielen Uberlegungen von Jaegwon Kim zur multiplen Realisierung hier eine grosse Rolle Literatur BearbeitenDavid M Armstrong A Materialist Theory of the Mind Routledge London 2002 ISBN 0 415 10031 3 Christopher Hill Sensations A defense of type materialism CUP Cambridge 1991 ISBN 0 521 39423 6 Michael Pauen Das Ratsel des Bewusstseins Eine Erklarungsstrategie Mentis Verlag Paderborn 2001 ISBN 3 89785 087 7 Ullin Place Is Consciousness a Brain Process In British Journal of Psychology 47 1956 John J C Smart Sensations and Brain Processes In The Philosophical Review 68 1959 Siehe auch BearbeitenIdentitatsphilosophieWeblinks BearbeitenJ J C Smart Eintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Vorlage SEP Wartung Parameter 1 und Parameter 3 und nicht Parameter 2 Steven Schneider Eintrag in J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Einzelnachweise Bearbeiten Rafael Huntelmann Grundkurs Philosophie IV Das Leib Seele Problem 2022 S 55 Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 3 Auflage De Gruyter Berlin 2008 S 181 Ansgar Beckermann Analytische Einfuhrung in die Philosophie des Geistes 3 Auflage De Gruyter Berlin 2008 S 137 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Identitatstheorie Philosophie des Geistes amp oldid 238362128