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Identitatsphilosophie ist ein z B bei Hegel auftauchender polemischer Begriff fur die von Schelling in der Zeit zwischen 1801 und 1806 formulierte Auffassung zum Leib Seele Problem dass Natur und Geist als Einheit betrachtet werden konnen und nur zwei Seiten bzw Pole derselben Wirklichkeit darstellen 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Schellings Aussagen 3 Polemik 4 Weitere Entwicklung 5 Rezeption 6 Siehe auch 7 Einzelnachweise 8 LiteraturHintergrund BearbeitenSchellings Ausfuhrungen sind vor allem im Kontext des Leib Seele Problems zu sehen das seit Rene Descartes 1596 1650 zu einem allgemeinen Paradigma geworden war Allerdings ist die Kritik Hegels moglicherweise auch auf das aus seiner Sicht mangelnde naturwissenschaftliche Wissen zu beziehen Dieses Problem war bereits aufgrund von Descartes Annahme der Zirbeldruse als einer vermittelnden Hirnstruktur offenkundig geworden Seine Annahme erschien mehr und mehr unwahrscheinlich insbesondere nachdem es zu einer Revision durch die Monadologie von Gottfried Wilhelm Leibniz 1646 1716 gekommen war in der das Eingreifen Gottes concursus dei wieder starker hervorgehoben wurde 3 Die Konzeption Schellings unter Berufung auf die Identitatsvorstellungen von Benedictus de Spinoza 1632 1677 sollte sich jedoch als zukunftstrachtig erweisen da sie von Gustav Theodor Fechner 1801 1887 wiederaufgegriffen wurde siehe Kap Rezeption 4 Schellings Aussagen BearbeitenSchelling selbst hat seine Konzeption der Identitat von Natur und Geist und damit von Reellem und Ideellem stets als absolutes Identitatssystem bezeichnet 5 Die Bezeichnung Identitatsphilosophie hatte sich jedoch als polemische Bezeichnung relativ schnell eingeburgert Als System lasst sich die Identitatsphilosophie insofern auffassen als naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse die sich auf psychologisch subjektive Sachverhalte beim Menschen beziehen methodisch und sachbezogen auf einen Einheitspunkt zu bringen sind Schelling gebrauchte fur diesen Einheitspunkt die Bezeichnung Indifferenzpunkt 2 Zu diesem Punkt musse die Philosophie gelangen von dem aus sich das Absolute als ungeschiedene Identitat ergreifen lasse Ziel war fur Schelling die positive Philosophie 1 Die Einheit von Natur und Geist umfasst daher auch die Einheit von Subjektivitat und Objektivitat bzw die Subjekt Objekt Spaltung 1 2 Alles Wirkliche existiert daher nicht fur sich allein Schelling vertrat mit dieser Auffassung Gedanken die auf seine Beschaftigung mit Spinoza zuruckgehen speziell auf dessen Ethik 4 Die von Schelling favorisierte Methode ist bereits im Buchtitel der Ethik Spinozas in dem Hinweis ordine geometrico enthalten ordine geometrico nach geometrischer Methode Schelling bezeichnet sie als apriorisch Die Aufgabe der Philosophie bestehe darin das All aus den in der Natur erkennbaren Ideen zu konstruieren und zu systematisieren 6 Zum Verhaltnis von Geist und Natur schreibt Schelling Die Natur soll der sichtbare Geist der Geist die unsichtbare Natur sein Hier also in der absoluten Identitat des Geistes in uns und der Natur ausser uns muss sich das Problem wie eine Natur ausser uns moglich sei auflosen 7 Polemik BearbeitenSchellings Auffassungen wurden zunachst von Hegel weitgehend angenommen 8 dann aber polemisch abgelehnt Hegel kritisiert Schellings Absolutes als 9 Nacht worin wie man zu sagen pflegt alle Kuhe schwarz sind die Naivitat der Leere an Erkenntnis Daruber hinaus ubte Hegel weitere Kritik an der Theorie Schellings in seiner Vorrede zur zweiten Ausgabe der Enzyklopadie 1827 10 Darin wird auf den Unterschied zwischen menschlicher und gottlicher Schopferkraft hingewiesen Weitere Entwicklung BearbeitenSchelling stand in Kontakt mit einem seiner Schuler dem wurttembergischen Arzt Carl August von Eschenmayer 1768 1852 Dieser hatte sich mit Schellings Gedanken des Absoluten auseinandergesetzt Schelling erkannte im Jahre 1804 nach seinem Umzug von Jena nach Wurzburg die Zweiheit der Philosophie im Hinblick auf die Erkenntnis an Gegenuber der Anschauung der Seele im Absoluten dem Gottlichen im Menschen sei Erkenntnis nur das Negative Diese negative Wertung der Erkenntnis wird nach Schelling bedingt durch die Korruption des Menschen seinen Abfall von Gott 11 Der Ursprung dieser Spaltung des Abfalls von Gott der Entfremdung liege ebenfalls im Absoluten Dieser Abfall setze Freiheit voraus wodurch der gefallene Mensch als ein Gegen Absolutes ein umgekehrter Gott erscheine Der Mensch sei durch die Herrschaft der Materie als eines ausseren Prinzips in diesen Zustand geraten Daher herrsche das Unwesen uber das Wesen das Negative uber das Positive relativ Nichtseiendes uber Seiendes und Ausseres uber Inneres 11 Konsequenzen aus diesen Auffassungen zog Schelling im Jahre 1809 indem er sie auf Krankheit anwendete Krankheit sei das wahre Gegenbild des Bosen oder der Sunde bedingt durch den Missbrauch der Freiheit 12 Angewandt auf die Unvernunft des Irreseins schliesst Schelling im Jahr 1810 dass die Seele als Instanz des Gottlichen im Menschen nicht erkranken kann Seelenkrankheiten gibt es nicht Erkranken konne nur der Geist 13 Nicht der Geist wird vom Leib sondern umgekehrt der Leib vom Geist infiziert Geist sei die ideale Seite die Bewusstheit das Personliche die bewusste Begierde also der Wille vgl a den Begriff der Geisteskrankheit Der Wille befinde sich im Indifferenzpunkt in der mittleren Position zwischen Eigenwille und Verstand 13 Rezeption BearbeitenJurgen Mittelstrass halt die Identitatsphilosophie fur eine philosophiegeschichtliche Episode Die erkenntniskritischen Positionen Kants wurden hier durch das von Fichte eingeleitete rein konstruierende Systemdenken verloren gehen 2 Karl Marx scheint dieser kritischen Sichtweise mit seinem beruhmten Diktum zu entsprechen Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen das ihr Sein sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein das ihr Bewusstsein bestimmt 14 Damit darf jedoch nicht der pragende Einfluss ubersehen werden der von diesem konstruierenden Denken Schellings auf die romantische Medizin und auf die Naturwissenschaften einerseits ausging 15 andererseits aber auch fur die Verzogerung der naturwissenschaftlichen Medizin und Psychiatrie in Deutschland wie z B den Zugang zur Lerntheorie 15 Klaus Dorner sieht die naturphilosophische und theologische Philosophie Schellings u a fur die deutsche Begriffsbestimmung der Endogenitat von Psychosen als wesentlich an 15 Unter Wilhelm Wundt und Gustav Theodor Fechner gelangte auf dem Boden dieser Betrachtungsweise die deutsche Psychologie zur Vorherrschaft Es erscheinen grundsatzlich zwei Formen des Monismus auf jeder Seite des Indifferenzpunkts moglich die spiritualistische und die materialistische 3 Gotthard Gunther fuhrt in seinen Texten Erkennen und Wollen sowie Metaphysik der Institution in letzterem sich explizit auf Schelling beziehend beide Gegenpole zusammen Siehe auch BearbeitenIdentitatstheorie Philosophie des Geistes Animismus Psychosomatik Einzelnachweise Bearbeiten a b c Eisler Rudolf Historisches Worterbuch der Philosophie HWPh Vollig neu bearbeitete Ausgabe des Worterbuchs der philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler 1904 hrsg von Joachim Ritter und Karlfried Grunder by Schwabe amp Co Basel Stuttgart c 1976 ISBN 3 7965 0115 X fur das Gesamtwerk Band 4 I K Stw Identitatsphilosophie Spalte 151 152 a b c d Mittelstrass Jurgen Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Bibliographisches Institut Mannheim Wien Zurich B I Wissenschaftsverlag 1984 Band 2 H O ISBN 3 411 01604 3 Stw Identitatsphilosophie Seite 193 a b Hofstatter Peter R Hrsg Psychologie Das Fischer Lexikon Fischer Taschenbuch Frankfurt a M 1972 ISBN 3 436 01159 2 Stw Leib Seele Problem Seite 207 f a b Spinoza Ethica ordine geometrico demonstrata Ethik nach geometrischer Methode dargestellt 1677 postum erschienen ISBN 3 88851 193 3 Zitat Una eademque res sed duobus modis expressa II 7 Schelling F W J Darstellung meines Systems der Philosophie Zeitschrift fur spekulative Physik II 2 1801 Werke hg K F A SCHELLING 1856 1861 4 113 oder III XIV 1 127 Samtliche Werke III 1 108 Stockl Albert Lehrbuch der Geschichte der Philosophie Franz Kirchheim Verlag Mainz 1870 Seite 728 Abs 14 Schelling F W J Ideen zu einer Philosophie der Natur In Werke Ed Schroter Munchen 1927 Bd I Seite 706 Hegel G W F Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie Jena 1801 Hegel G W F Phanomenologie des Geistes Bamberg Wurzburg 1807 Samtl Werke II 22 Hegel G W F Enzyklopadie der philosophischen Wissenschaft im Grundrisse Vorrede zur zweiten Ausgabe 1827 Seite IX XVI Felix Meiner Hamburg 1999 Hauptwerke Bd 6 ISBN 3 7873 1433 4 Seite 8 11 a b Schelling F W J Philosophie und Religion 1804 in Werke Ed Schroter Munchen 1927 Bd IV a zu Stw Anerkennung der Zweiheit der Philosophie Seiten 13 20 f 28 b zu Stw Ursprung der Spaltung Seite 29 Schelling F W J Philosophische Untersuchungen uber das Wesen der menschlichen Freiheit 1809 in Werke Ed Schroter Munchen 1927 Bd IV Seiten 258 263 a b Schelling F W J Stuttgarter Privatvorlesungen 1810 in Werke Ed Schroter Munchen 1927 Bd IV a zu Stw Seele und Geist Seite 361 Begriff der Geisteskrankheit b zu Stw Psychophysische Korrelation Seite 360 Karl Heinz Hillmann Worterbuch der Soziologie Kroners Taschenausgabe Band 410 4 uberarbeitete und erganzte Auflage Kroner Stuttgart 1994 ISBN 3 520 41004 4 S 99 Stw Bewusstsein a b c Dorner Klaus Burger und Irre Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie 1969 Fischer Taschenbuch Bucher des Wissens Frankfurt M 1975 ISBN 3 436 02101 6 a zu Stw Fordernder Einfluss auf die Romantische Medizin Seite 225 f b zu Stw Hemmender Einfluss auf die Entwicklung naturwissenschaftlicher Medizin Seiten 260 262 b zu Stw Endogenitat Seite 260Literatur BearbeitenF W J Schelling Bruno oder uber das gottliche und naturliche Prinzip der Dinge Ein Gesprach Berlin 1802 Samtl Werke III 109 228 F W J Schelling Fernere Darstellungen aus dem System der Philosophie Neue Z f speculative Physik I erstes und zweites Stuck 1802 1 188 1 180 mit Zusatzen aus Handexemplar in Samtl Werke Erg Bd l 385 562 F W J Schelling Vorlesungen uber die Methode des akademischen Studiums Tubingen 1803 Samtl Werke III 229 374 Dusing Klaus Spekulation und Reflexion Zur Zusammenarbeit Schellings und Hegels in Jena Hegel Stud 5 1969 95 128 Folkers Horst Hegels erste philosophische Positionsbestimmung Die Stellung der Differenzschrift in der Ausbildung der Identitatsphilosophie Diss vorgelegt von Horst Folkers als Typoskript Heidelberg Univ Diss 1986 Lauth Reinhard Die Entstehung von Schellings Identitatsphilosophie in der Auseinandersetzung mit Fichtes Wissenschaftslehre 1795 1801 Freiburg Breisgau Munchen Alber 1975 ISBN 3 495 47322 X Karl Leonhard Reinhold Anleitung zur Kenntnis und Beurteilung der Philosophie in ihren sammtlichen Lehrgebauden 1805 147 154 Von dem absoluten Dogmatismus oder dem sogenannten Identitatssysteme Johann Eduard Erdmann Versuch einer wiss Darstellung der Geschichte der neueren Philosophie Neu A 1932 3 2 309 352 Nicolai Hartmann Die Philosophie des deutschen Idealismus l 1923 153 162 Hermann Zeltner Schellings philosophische Idee und das Identitatssystem 1931 in Schelling 1954 53 55 286 295 Helmuth Plessner Das Identitatssystem Studia philos 14 Basel 1954 68 84 Xavier Tilliette Schelling Une philosophie en devenir l Paris 1971 305 438 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Identitatsphilosophie amp oldid 235817320