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Die Friesische Freiheit friesisch Fryske frijheid ist ein den Friesen angeblich von Karl dem Grossen verliehenes Recht keinen Herren ausser dem Kaiser uber sich zu haben Die friesische Sage berichtet von Friesen die im 9 Jahrhundert siegreich aus Italien in ihre Heimat zuruckkehrten In Rom hatten sie vollkommen und unerwartet fur ihren Konig Karl die Romer besiegt Der Konig sei begeistert gewesen belohnte und beschenkte seine tapferen friesischen Krieger mit dem hochsten Gut Freiheit Upstalsboom alteste bekannte Ansicht von Conrad Bernhard Meyer 1790 Wahrscheinlich war die Ausbildung der Friesischen Freiheit ein langfristiger Prozess Dabei sorgten okonomische Grunde dafur dass sich in Ostfriesland kein Feudalsystem auspragen konnte Die daraus resultierende Sozialstruktur fuhrte im 9 und dem 10 Jahrhundert zu einer Ausweitung der bauerlichen Freiheitsrechte 1 Aus den Erfordernissen des Deichbaus und der Verteidigung gegen fremde Machte wie etwa den Normannen organisierten sich die Friesen im Mittelalter genossenschaftlich in autonomen Landesgemeinden Wahrend des Hochmittelalters begannen die Friesen ihre Freiheit aktiv gegen auswartige Fursten zu verteidigen Vertreter der Landesgemeinden trafen sich nahe Aurich auf dem Upstalsboom Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Geschichte 2 1 Ursprung 2 2 Blutezeit 2 3 Niedergang 3 Bewertungen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenHerrschaft und Wehrbau nahmen in Ostfriesland eine grundlegend andere Entwicklung als anderswo in Mitteleuropa So konnte sich weder ein flachendeckendes Herrschaftssystem etablieren noch wurden vor dem 15 Jahrhundert die gegenstandlichen Attribute von Ritterschaft und Adel akzeptiert Der Begriff der Freiheit bezog sich deshalb sowohl auf den Wegfall der Heerfolge als auch auf das Fehlen eines Feudalsystems 2 Geschichte BearbeitenErstmals taucht die friesische Freiheit in den wohl um 1080 entstandenen Zusammenstellung von Rechten den sogenannten gemeinfriesischen siebzehn Kuren auf Auch in den Uberkuren und den Magnuskuren sowie in einem wohl im 13 Jahrhundert entstandenen und gefalschten Karlsprivileg wird sie genannt Demnach war es fur die Friesen im hohen und spaten Mittelalter selbstverstandlich als Individuen sowie als Gesellschaft frei und abgesehen vom Konig keinerlei Herrschaft unterworfen zu sein Dafur zahlten die Friesen dem Konig eine huslotha oder koninckhuere und damit eine Abgabe fur die Konigsfreiheit Auswartige Grafen gewahrten sie als Vertretern des Konigs nur die Wahrnehmung bestimmter koniglicher Grundrechte zu Daruber hinaus liessen sie aber keine Ausubung eigener Herrschaft zu Die friesische Freiheit war nicht das Ergebnis einer einmaligen Verleihung sondern einer allmahlichen Entwicklung 3 Ursprung Bearbeiten Nach dem Tode Radbods eroberten die Franken Friesland nach und nach Karl der Grosse unterwarf in seinen Sachsenkriegen bis 804 auch den friesischen Siedlungsraum bis zur Weser Dieser Bereich war in Gaue eingeteilt deren Grenzen sich an geografischen Gegebenheiten orientiert Diese Gaue waren Genossenschaftlich republikanisch organisiert Es gab zwar eine Schicht von bauerlichen Aristokraten den sogenannten Nobiles doch war diese so breit dass keine von ihnen uberregionale Bedeutung erlangen konnte So bildete sich kein friesisches Stammesherzogtum aus Stattdessen entstand ein breiter Untertanenverband freier nicht in das Eigentum eines anderen Herren gehoriger Leute die im Schutze der Krone lebten und nur ihr und ihren Sachwaltern Dienste Heerfolge Abgaben schuldete 1 Nachdem um 800 die skandinavischen Wikinger das unter der Herrschaft der Karolinger stehende Friesland erstmals angegriffen hatten wurden die Friesen vom Militardienst auf fremden Territorien freigestellt um sich auf die Verteidigung gegen die Wikinger konzentrieren zu konnen Auch diese Landesverteidigung war bauerlich organisiert so dass es keiner Berufskriegerschicht von grundbesitzenden Vasallen bedurfte 1 Mit dem Sieg in der Schlacht bei Norditi im Jahr 884 wurden die Wikinger aus Ostfriesland endgultig vertrieben Sie blieben aber stets eine Bedrohung Wahrend sich in den folgenden Jahrhunderten in weiten Teilen Europas eine sich eine immer starker hierarchisch auspragende Herrschaft der Feudalherren etablierte widerstand Friesland dieser Entwicklung und blieb nach aussen hin frei Vertreten wurde diese Freiheit von Redjeven aus der Schicht der Grossbauern gewahlten bzw ausgewahlten Vertretern der autonomen Landesgemeinden Ursprunglich waren die Redjeven ausschliesslich Richter sog Asega die von den Grundherren eingesetzt wurden 4 Die Autonomie der Landesgemeinden fuhrte dazu dass sich die von den Karolingern eingesetzten auswartigen Grafen keine vollstandige territoriale Landesherrschaft uber ganz Friesland erlangen konnten Sie entsandten zwar Vertreter die bestimmte Aufgaben zu erledigen hatten Die Friesische Freiheit der grundbesitzenden Bauern und Nobiles erschutterte das aber nicht Ab dem 11 Jahrhundert entwickelte sich ein friesisches Autonomiebestreben was im 11 und 12 Jahrhundert mehrfach zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den auswartigen Grafen fuhrte Diese konnten ihren Herrschaftsanspruch nicht durchsetzen In der Folge entstanden noch im 11 Jahrhundert selbstverwaltete friesische Landesgemeinden mit mehr genossenschaftlichen Verfassungsstrukturen 5 Blutezeit Bearbeiten Die Seelande etwa um 1300 Lage des Upstalsbooms im Herzen Ostfrieslands zur Zeit der HauptlingeZur Blutezeit um das Jahr 1300 umfasste das Reich der Freien friesischen Lander 27 Landesgemeinden vom Nordwesten der Niederlande uber Ostfriesland bis ins Land Wursten nordlich von Bremerhaven Die Landesgemeinden schlossen sich zu den Sieben Seelanden zusammen Ihre Abgesandten trafen sich zu Pfingsten am Upstalsboom in Rahe bei Aurich einem Versammlungsort auf einem Hugel Zwei Vertreter von jeder Landesgemeinde gewahlt traten dort als Seelandische Richter auf Von diesen Vertretern wird angenommen dass sie aus fuhrenden Familien kamen denn das aktive und passive Wahlrecht war an den Grundbesitz gebunden Das bedeutet dass zwar die Entscheidungen von jeweils zwei Abgesandten getragen die Versammlung am Upstalsboom sich aber aus der Gesamtheit der Begleitung der Richter zusammensetzte Damit war der Upstalsboom zwar nicht die Versammlungsstatte aller freien Friesen aber zumindest ein Ort der Begegnung einflussreicher Mitglieder der Landesgemeinden Der Stamm ist nach aussen frei keinem anderen Herrn unterworfen Fur die Freiheit gehen sie in den Tod und wahlen lieber den Tod als dass sie sich mit dem Joch der Knechtschaft belasten liessen Daher haben sie die militarischen Wurden abgeschafft und dulden nicht dass einige unter ihnen sich mit einem militarischen Rang hervorheben Sie unterstehen jedoch Richtern die sie jahrlich aus der Mitte wahlen die das Staatswesen unter ihnen ordnen und regeln Diese Einschatzung des englischen Franziskaners Bartholomaeus Anglicus stammt aus der Zeit um 1240 Fur die Ausfertigung von Vertragen benotigten die Friesen eine leistungsfahige schreibende Institution Diese wird im benachbarten Kloster Ihlow vermutet in dem die Ergebnisse der Verhandlungen in Vertrage gefasst und auch das Siegel aufbewahrt werden konnten Eine Ubernachtungsmoglichkeit konnte das Kloster bei langerer Verhandlungsdauer ebenso geboten haben Aus dem sagenhaften Auftrag Karls der die Friesen nach der Einnahme Roms mit der Freiheit belohnt haben soll und sie zugleich mit Pflichten belegte spricht genossenschaftliche Praxis Die Freistellung von der Heeresfolge ausserhalb Frieslands wird mit der gemeinsamen Abwehr von Feinden und des Wassers begrundet Als Gemeinschaftsaufgabe forderte sie alle Manner Frauen Kinder Alte und Kranke Im gemeinsamen Kampf gegen die drohende See zerflossen immer wieder die Standesunterschiede Reich und Arm Herr und Knecht mussten zusammenstehen jeder hatte bei diesem Kampf gleiche Rechte und Pflichten Der bekannteste Grundsatz des Deichrechts war De nich will dieken mutt wieken Diejenigen die den Deich in der Nahe ihres Landes nicht pflegen ausbessern mussen weichen d h verlieren ihren Grundbesitz Denkmal des Hartwarder Friesen 1914 in Rodenkirchen Stadland zur Erinnerung an den 400 Jahrestag der Schlacht an der Hartwarder Landwehr aufgestelltNiedergang Bearbeiten Im Verlauf des 14 Jahrhunderts zerfiel die Redjeven Verfassung zusehends und weitere Ereignisse wie etwa der Ausbruch der Pest und grosse Sturmflutkatastrophen sorgten fur weitere Destabilisierung der Verhaltnisse Diese Situation machten sich dann einige einflussreiche Familien zu Nutze und schufen ein Herrschaftssystem in dem sie als Hauptlinge hovedlinge die Macht uber mehr oder weniger weite Gebiete an sich rissen Dabei etablierten sie aber weiterhin kein Feudalsystem wie es im ubrigen Europa zu finden war sondern eher ein Gefolgschaftssystem das alteren Herrschaftsformen germanischer Kulturen im Norden ahnelte indem die Bewohner der jeweiligen Machtbereiche zwar dem Hauptling verschiedentlich verpflichtet waren im Ubrigen aber ihre Freiheit behielten und sich auch anderweitig niederlassen konnten Albrecht ubernimmt Friesland Wandgemalde in der Albrechtsburg in Meissen 1910 Indem 1498 der romisch deutsche Konig und spatere Kaiser Maximilian I Herzog Albrecht von Sachsen im Tausch fur ein Darlehen von 300 000 Gulden mit den gesamten Frieslanden inklusive Dithmarschen belehnte wurde deutlich dass dem Gegenmodell zu der im Binnenland sudlich der Nordsee ublichen Herrschaftsform ein Ende bereitet werden sollte Mit der tatsachlichen Eroberung friesischer Gebiete durch Territorialfursten bzw deren Umwandlung in Feudalstaaten begann fur die Frieslande eine Periode politischer Zersplitterung und Abhangigkeit Ostfriesland war von Kaiser Friedrich III schon 1464 zu einer Grafschaft unter den Cirksenas erhoben worden Ab 1498 versuchte Herzog Albrecht von Sachsen die westlich der Ems gelegenen Provinzen Friesland und Groningen zu unterwerfen Nach der Belagerung der Stadt Groningen 1500 wurde Albrecht krank und wurde nach Emden transportiert wo er starb Sein Sohn Georg von Sachsen ubernahm bald die Herrschaft aber diese Provinzen leisteten andauernd Widerstand woraufhin er sie 1515 Karl von Kastilien dem spateren Kaiser Karl V Enkel von Kaiser Maximilian I zuruckgab siehe auch Sachsische Fehde Groningen versuchte im Kraftefeld zwischen Karl V und dem Herzog Karl von Geldern seine Freiheit noch zu retten aber musste 1536 endgultig die Herrschaft des Kaisers anerkennen In der westlichen Wesermarsch wurde 1514 der Widerstand der Butjadinger und Stadlander Friesen in der Schlacht an der Hartwarder Landwehr durch Graf Johann V von Oldenburg und die welfischen Herzoge Heinrich den Alteren von Braunschweig Heinrich den Mittleren von Luneburg und Erich von Calenberg gebrochen 6 Im Land Wursten ubernahm der Erzbischof von Bremen 1525 die Herrschaft 7 Spezifisch friesische Gebrauche blieben in den lokalen und regionalen Rechtsordnungen der von Friesen bewohnten Gebiete noch jahrhundertelang bestehen Bewertungen BearbeitenGerd Steinwascher ehemaliger Leiter des Staatsarchivs Oldenburg bezweifelt dass das Ende der Friesischen Freiheit in den von den Grafen von Oldenburg eroberten friesischen Gebieten den dort lebenden Friesen nachhaltig geschadet habe Die Friesische Freiheit sei insofern ein Mythos als einige wenige reiche Bauernfamilien keinen adligen Herrn uber sich dulden mussten und sich deshalb selbst auffuhren konnten wie kleine Adlige Den meisten ging es unter den Oldenburgern nicht schlechter 8 Literatur BearbeitenKarl Ernst Behre Hajo van Lengen Hrsg Ostfriesland Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft Ostfriesische Landschaft Aurich 1995 ISBN 3 925365 85 0 Volker Gabriel Rechts und Gerichtswesen im Lande Wursten vom Ausgang des Mittelalters bis ins 17 Jahrhundert Hamburg 2004 online PDF 1 3 MB Hamburg Universitat Dissertation 2004 Hajo van Lengen Hrsg Die Friesische Freiheit des Mittelalters Leben und Legende Ostfriesische Landschaft Aurich 2003 ISBN 3 932206 30 4 Monika van Lengen Eala frya Fresena Die friesische Freiheit im Mittelalter Ostfriesische Landschaft Aurich 2003 ISBN 3 932206 33 9 Carsten Roll Vom asega zum redjeven Zur Verfassungsgeschichte Frieslands im Mittelalter In Concilium Medii Aevi Jg 13 2010 S 187 221 online PDF 395 42 kB Heinrich Schmidt Politische Geschichte Ostfrieslands Ostfriesland im Schutze des Deiches 5 Rautenberg u a Leer 1975 Heinrich Schmidt Ostfriesland und Oldenburg Gesammelte Beitrage zur norddeutschen Landesgeschichte Ostfriesische Landschaft Aurich 2008 ISBN 978 3 940601 04 9 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Eckart Kromer Kleine Wirtschaftsgeschichte Ostfrieslands und Papenburgs 1 Auflage Norden 1991 ISBN 978 3 922365 93 8 S 19 f Sonja Konig Vincent T van Vilsteren Evert Kramer Von Hauptlingen und Burgen Over hoofdelingen en kasteien In Jan F Kegler Red Land der Entdeckungen Die Archaologie des friesischen Kustenraums Land van ontdekkingen Ostfriesische Landschaft Aurich 2013 ISBN 978 3 940601 16 2 S 283 295 Ostfriesland Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft eine Gemeinschaftspublikation der Ostfriesischen Landschaft in Aurich und des Niedersachsischen Instituts fur Historische Kustenforschung in Wilhelmshaven 3 durchges Auflage Ostfries Landschaft Aurich 1998 ISBN 978 3 925365 85 0 S 113 Heinrich Schmidt Politische Geschichte Ostfrieslands 1975 S 22 ff Eckart Kromer Kleine Wirtschaftsgeschichte Ostfrieslands und Papenburgs 1 Auflage Norden 1991 ISBN 978 3 922365 93 8 S 21 Freilichtspektakel Stadland e V Das Friesendenkmal Memento vom 20 Marz 2014 im Internet Archive Hajo van Lengen Siedlungsgebiet der Friesen im nordwestlichen Niedersachsen mit den heutigen Verwaltungsgrenzen Gutachten 2011 S 16 Henning Bielefeld Vortrag Die Friesische Freiheit ist nur ein Mythos Gerd Steinwascher ordnet Schlacht bei Hartwarden in Zusammenhange ein Nordwestzeitung 16 Januar 2014 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friesische Freiheit amp oldid 234017601