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Das Rogationsrecht aus lat rogare fragen war ein Rede Verhandlungs und spater Entscheidungsrecht der Volkstribune in der Zeit der romischen Republik Ursprunglich als blosses Rederecht zugestanden hatten die Tribunen lediglich die Befugnis ihre Versammlungen unter ungestorten Voraussetzungen abzuhalten 1 Sie durften ihren Willen aussern in rechtlicher Hinsicht schufen die Ausserungen und Erklarungen keinerlei Verbindlichkeit Sozial durch die erfolgreichen Standeskampfe mit den Patriziern gestarkt wuchs die Autoritat der Tribunen erheblich an Spatestens mit der 287 v Chr erlassenen lex Hortensia erhielten ihre Erklarungen und Resolutionen verbindliche Rechtsqualitat Ihre Rogationen flossen von nun an unmittelbar in Gesetze ein die so genannten Plebiszite Diese galten fur das Gesamtvolk und beruhten auf essentieller Mitwirkung des Volkstribunats hergeleitet aus dem ius agendi cum plebe 2 3 Bei dem Recht des Volkstribunats fur die Plebs zu verhandeln konnten die Tribune eine weitere gesellschaftliche Rechtsposition fur sich starken denn im rein plebiszitar besetzten concilium plebis ubten sie parallel sehr weitreichende Antragsrechte aus Diese waren legislativer Qualitat aber in einer ohnehin nicht gewaltengeteilten verfassungspolitischen Landschaft waren sie auch judikativer Natur Im concilium fuhrten sie Gerichtsprozesse vornehmlich sogar gegen Magistrate aber auch missliebige Amtskollegen und Private Diese Verfahren sind die tribunizischen Prozesse Entwicklung BearbeitenDas Rogationsrecht spater das Antragsrecht im tribunizischen Prozess entwickelte sich aus einer einfachen Form der Auseinandersetzung den Contionen Dabei handelte es sich um Zusammenkunfte bei denen politische Akteure ihre Ansichten und Vorstellungen vermittelten oder auch Interessierte die Veranstaltung zur eigenen Willensbildung nutzten ius contionandi 4 Livius berichtet dass eine contio einberufen worden sei damit L A Paulus Gelegenheit bekame vom dritten makedonischen Krieg zu berichten 5 Sulpicius Rufus hat der Berichterstattung Ciceros nach taglich eine contio abgehalten 6 Die Reden fuhrten die Tribune zum Volk hin gewandt anfanglich zum Comitium spater zum Forum 7 Aus den Contionen entwickelte sich das Rogationsrecht Es kann nach heutigem Forschungsstand 8 9 festgehalten werden dass die lex Hortensia des Diktators Q Hortensius die lex selbst wurde als Komitialgesetz geschaffen die Verbindlichkeit der Plebiszite herbeifuhrte 10 und nicht bereits fruhere Gesetze uber die die zeitgenossische Geschichtsschreibung zumeist aber auch widerspruchlich in anderen Rechtszusammenhangen berichtet 11 insbesondere nicht hinsichtlich der Frage der Beteiligung des Senats im Wechselbezug zu der der Tribunen 12 13 Die weitreichenden Zugestandnisse an die Plebs waren dem Versuch einer wirtschaftlichen Losung der Schuldenfrage verpflichtet die aufgrund der Plunderung der Kriegskassen beim Volk entstanden war 14 9 Im Ergebnis wurde das tribunizische Rogationsrecht damit institutionalisiert und auf eine verfassungsrechtliche Ebene gehoben Im Gegenzug erhoffte sich insbesondere der Senat der auf die Spruchkorper der Zenturiats und Tributkomitien unmittelbaren Einfluss nehmen konnte dass die revolutionaren Zuge tribunizischer Politik kunftig vermieden werden konnten Verfahrensregeln BearbeitenBestimmte Verfahrensregeln waren fur tribunizische Rogationen im Allgemeinen verbindlich bestimmte Vorschriften galten nur fur den fur sie relevanten Spruchkorper So galten im concilium plebis spezifische Regeln Eine Regel bestand darin dass der Zusammenfassung sachlich unterschiedlicher Vorgange in einem Gesetzesantrag ein altes Verbot entgegenstand die rogatio per saturam Die Regel galt fur alle Rogationen und wurde ursprunglich aus dem mos maiorum hergeleitet Seit der lex Caecilia Didia aus dem Jahr 98 v Chr grundete das Verbot auf einer gesetzlichen Grundlage 15 Bedeutung erlangten die Verfahrensregeln uberhaupt erst als aus blossen Resolutionen Plebiszite entstanden waren Erst in der spaten Republik 62 v Chr verlangte ein Konsulargesetz die lex Licinia Iunia dass promulgierte Gesetzesantrage im Arar zu hinterlegen waren Im Concilium war besonders das Gebot der Beachtung der Oblativauspizien zu beachten Fur Impetrativauspizien galt das Gebot hingegen nicht weil vor dem Concilium keine Auspikationen stattfanden 16 17 Die Meldung boser Vorzeichen die Obnuntation oblag seit den leges Fufia Caninia und darauf aufbauend Aelia Sentia Mitte des 2 Jahrhunderts v Chr dem Volkstribunat 15 Verhaltnis zum Senat BearbeitenJuristisch geschult waren die Volkstribunen nicht Es wird davon ausgegangen dass sie Consilien veranstalteten wenn es schwierigere Rogationen zu beraten galt Bei vielen Gesetzesinitiativen wurde der Senat ins Einvernehmen gesetzt was besonders fur den privatrechtlichen Bereich galt Ein grundlegendes Beispiel ist die schadenersatzregelnde lex Aquilia wohl aus dem Jahr 286 v Chr 18 Etliche Gesetzesrogationen betrafen das Burgschaftsrecht und Legatsbeschrankungen bedeutend in diesem Zusammenhang die leges Publilia Apuleia und Furia 19 Die Zustimmung des Senats wurde aufgrund des Relationsrechts durch formlichen Senatsbeschluss erklart Er wandte sich direkt an die Tribune und dies mit dem Auftrag der Rogation 20 Die Mehrzahl der Entscheidungen verliefen in konsensualer Abstimmung mit dem Senat Plebiszite wurden nach der wegweisenden lex Hortensia durchaus auch gegen den Willen des Senats rogiert Erstes Beispiel war das Siedlungsgesetz des Gaius Flaminius aus dem Jahr 232 v Chr das die Zuweisung des ager Gallicus regelte um den kriegsbedingt leidenden Bauernstand zu starken dies allerdings bei Unterbindung der Mitwirkung des Senats 21 Auch nach dem Beginn des zweiten punischen Krieges ergaben sich gegen den Willen der Senatsaristokratie rogierte Plebiszite so 217 v Chr das gegen die Erweiterung der diktatorischen Gewalt Fabius auf dessen Stellvertreter 22 204 v Chr die lex Cincia mit ihren Schenkungsbeschrankungen 23 oder 195 v Chr die tribunizische Rogation zur Ausserkraftsetzung der lex Oppia 24 Ahnlichkeiten und Unterschiede der Gesetzgebung der Organe Volk leges plebescita Senat senatus consulta Kaiser constitutiones und in Abgrenzung dazu der Pratoren edictae edictum perpetuum beschrieb im Anschluss an die hier noch unprazisen Glossatoren und im Geist der humanistischen Bewegung Jacques Cujas 25 Literatur BearbeitenJochen Bleicken Das Volkstribunat der klassischen Republik Studien zu seiner Entwicklung zwischen 287 und 133 v Chr Zetemata Band 13 Beck Munchen 1955 2 Auflage 1968 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 573 und 607 626 Anmerkungen Bearbeiten Dionysios von Halikarnassos 7 17 5 unter Hinweis auf ein im Jahr 492 v Chr erlassenen Plebiszits dass Storungen mit Multstrafen bedacht werden durften Wolfgang Kunkel lemmatiert Das Recht ungestort zum Volk zu sprechen S 573 Cicero De legibus 3 10 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 607 626 607 Zu den contiones Aulus Gellius Noctes Atticae 13 16 2 3 Livius 45 40 9 Cicero Brutus 306 Varro De re rustica 1 2 9 Heinrich Siber Die plebejischen Magistraturen bis zur lex Hortensia In Festschrift der Leipziger Juristenfakultat fur Dr Alfred Schultze zum 19 Marz 1936 Leipziger rechtswissenschaftliche Studien 100 ZDB ID 530615 2 Weicher Leipzig 1938 S 1 88 Auch als Sonderabdruck a b Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 607 626 608 611 Gaius Institutiones 1 3 Plinius der Altere Naturalis historia 16 37 Laelius Felix bei Aulus Gellius Noctes Atticae 15 27 4 Livius 23 14 3 Livius 3 55 1 hier will Livius bereits in der lex Valeria Horatia aus dem Jahr 449 v Chr plebiszitische Verbindlichkeit erkannt haben Cassius Dio I p 110 112 Boissevain Livius 8 12 15 Cicero Pro domo 38 Vgl hierzu Karl Joachim Holkeskamp Die Entstehung der Nobilitat Studien zur sozialen und politischen Geschichte der Romischen Republik im 4 Jahrhundert v Chr Stuttgart 1987 Dissertation Ruhr Universitat Bochum S 163 mit Anmerkung 153 Livius Epitome 11 Plinius der Altere Naturalis historia 16 15 Aulus Gellius Noctes Atticae 15 27 a b Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 607 626 625 f Livius 10 47 1 Jochen Bleicken Gesammelte Schriften Herausgegeben von Frank Goldmann Band 1 Steiner Stuttgart 1998 ISBN 3 515 07241 1 S 264 Ulpian Digesten 9 2 1 1 Gaius Institutiones 3 215 Gaius Institutiones 3 121 122 127 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 607 626 614 625 Polybios 2 21 7 8 Cicero Academica 2 13 Livius 22 25 10 26 5 12 Livius 34 4 9 Cicero De oratore 2 286 Livius 34 1 1 2 Salvatore Marino VIII Ius quod necessitas constituit Senatusconsultum est Jacques Cujas und die Grundlage der normativen Befugnis des romischen Senates In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Ausgabe 139 Nr 1 2022 S 290 337 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tribunizisches Rogationsrecht amp oldid 233671106