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Der tribunizische Prozess war ein Gerichtsverfahren das zur Zeit der romischen Republik vor dem concilium plebis einer der Einrichtungen der Volkstribune tribuni plebis gefuhrt wurde Angeklagt wurden diejenigen die entweder die Sakrosanktitat der Tribune verletzt oder deren Recht auf Mitwirkung ius agendi cum plebe gestort hatten Auch die Beeintrachtigung von tribunizischen Versammlungen war Anklagegrund Ursprunge BearbeitenNach aussen hatten die Tribune bereits in pradecemviraler Zeit ein Selbsthilferecht zum Schutz der Plebs gegen das patrizische imperium organisiert das auch als Notwehrrecht verstanden werden kann das ius auxilii 1 Auf diesem aufbauend reichen die Wurzeln der tribunizischen Prozessformen wohl ebenfalls in die Zeit der ersten Standeskampfe zuruck als die sozialen Konflikte zwischen Patriziern und Plebejern ihre ersten Hohepunkte erreichten Die Tribunen versuchten die patrizischen Interessen in der Fruhphase derart stark zu beschneiden dass darin missbrauchliches Tun gesehen wurde Cicero deutet in seinem Werk De legibus namlich an dass bestimmte Regelungen im Zwolftafelgesetz wohl deshalb eingebracht wurden weil es galt den ausufernden Kapitalprozessen Einhalt zu gebieten 2 Kapitalprozesse also Prozesse bei denen Todesstrafe Verbannung oder der Verlust des Burgerrechts zu erwarten waren wurden fortan aus dem Kompetenzbereich des Volksgerichtshofs in Gestalt des conilium plebis ausgegliedert und an die Zenturiatskomitien comitia centuriata abgegeben Einberufen durfte den Komitialprozess uberdies nur noch der zustandige Obermagistrat Seinem Charakter nach stellte der tribunizische Prozess ein revolutionares Volksgerichtsverfahren dar das es nach erfindungsreicher annalistischer Auffassung immer schon gegeben haben soll 3 Die Verfahren richteten sich nicht zwangslaufig gegen die Vertreter des eigenen Standes vornehmlich waren es sogar Patrizier gegen die Anklage erhoben wurde Zeugnis daruber legen die Geschichtsschreiber Livius und Dionysios ab Bei Verurteilung drohten Kapitalstrafen die Verhangung einer Mult Geldstrafe oder auch der Vermogenseinzug 4 5 Um den Angeklagten uber die Dauer des Prozesses in der Stadt zu halten durfte das Zwangsmittel der Verhaftung angewendet werden Es handelte sich aber um das einzige verfugbare Zwangsmittel wirksam nur dann wenn es nicht am geschlossenen Widerstand der Patrizier scheiterte 6 Kapitalprozess Mult und Perduellionsprozess BearbeitenDas erste als quellensicher geltende tribunizische Kapitalverfahren war der Prozess gegen P Claudius Pulcher wegen Missachtung ungunstiger Auspizien 7 Er erhielt eine Geldstrafe Der Kapitalprozess wandelte in dieser Zeit bereits seinen Schutzzweck Ursprunglich diente er der Sanktion von Verletzungshandlungen an der Sakrosanktitat und von Storung der Abhaltung von Versammlungen 8 erhielt aber seit der lex Hortensia zunehmend den Charakter eines Rechenschaftsprozesses 9 Den ersten historisch glaubhaften tribunizischen Multprozess fuhrte der Volkstribun M Scantius 293 v Chr gegen den Konsul des Vorjahres L P Megellus 10 weil er einen vom Senat nicht abgesegneten Triumph abgehalten hatte 11 Multprozesse wurden gegen Reprasentanten der Obermagistrate und Zensoren ebenso gefuhrt wie gegen Amtsinhaber aus der Stellung der Quaestur oder aus den Reihen der tresviri capitales 12 Aber auch Private und Legaten fanden Platz auf den Anklagebanken 13 Kam wahrend des Multprozesses der Verdacht auf dass der gerichtliche Verhandlungsgegenstand eine perduellio darstellen konnte gab das Volksgericht den Prozess an die Zenturiatskomitien ab um ihn dort verhandeln zu lassen 14 Historisch gesichert ist nur ein einziger Verweisungsfall dieser Art und zwar der den Caesar gegen Rabirius im Jahr 63 v Chr angestrengt hatte 15 16 Tatbestandlich nicht klar umrissen gab jede Art von staatsfeindlichem Verhalten zu denken ist an Hochverrat an Feigheit vor dem Feind oder an die Nichtbeachtung der tribunizischen Interzession einen hinreichenden Grund dafur den Delinquenten mit dem Vorwurf der perduellio zu konfrontieren Die XII Tafeln ordneten bei Verurteilung die Todesstrafe an spater konnte Exil resultieren Falle von Perduellionsprozessen regelmassig vor den Zenturiatskomitien gefuhrt konnten die Verfahren gegen die Pratoren Gnaeus Fulvius Flaccus Prator 212 v Chr 17 und Gaius Plautius Prator 146 v Chr 18 19 gewesen sein Saumige oder sich entziehende Angeklagte wurden per Plebiszit verbannt 20 zudem konnte das Vermogen eingezogen werden 21 In postgracchischer Zeit kamen Perduellionsprozesse nur noch selten vor Anmerkungen Bearbeiten Stefan Malorny Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem Eine systematische Darstellung und kritische Wurdigung unter besonderer Berucksichtigung der rechtshistorischen Herausbildung sowie der institutionellen Einpassung in die parlamentarischen Demokratiestrukturen Deutschlands und Europas Gottinger Schriften zum Offentlichen Recht Bd 2 Universitats Verlag Gottingen 2011 zugleich Dissertation an der Universitat Gottingen 2010 ISBN 978 3 86395 002 6 S 13 Cicero De legibus 3 44 Insbesondere bei Livius finden sich zweifelhafte Betrachtungen Livius 2 34 8 35 6 2 52 6 8 2 54 2 3 8 9 2 61 2 Livius 3 31 5 6 Dionysios 10 42 4 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 630 637 630 Scholia Bobiensia p 27 H Livius 25 38 43 16 10 16 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 630 637 632 Livius 10 46 16 Livius 10 37 8 Aulus Gellius 6 11 9 Sueton Iul 23 1 Sueton Tib 3 2 Livius 25 3 13 Livius 26 3 5 9 Cicero Pro Rabirio perduellionis reo Jochen Bleicken Senatsgericht und Kaisergericht Eine Studie zur Entwicklung des Prozessrechts im fruhen Prinzipat Gottingen 1962 S 27 Livius 26 3 5 9 Diodor 33 2 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 630 637 633 f Livius 26 3 12 Livius 25 4 9 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tribunizischer Prozess amp oldid 210176193