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Schleifendiuretika sind eine Gruppe harntreibender Medikamente Diuretika die an der Henleschen Schleife einem Teil des harnbildenden Systems der Nieren wirken Sie sind uber kurze Zeit stark wirksam und werden da sie uber einen weiten Dosisbereich eine nahezu lineare Konzentrations Wirkungsbeziehung zeigen auch als high ceiling Diuretika bezeichnet Bei entsprechender Flussigkeitsgabe ist es moglich einen Harnfluss von 35 bis 45 Liter pro Tag zu erreichen Chemisch handelt es sich bei den Schleifendiuretika um verschiedenartige Substanzen die alle den gleichen Wirkmechanismus haben Durch Hemmung eines Transportproteins in den Nierenkanalchen kommt es zu verringerter Wiederaufnahme von Ionen aus dem Primarharn und damit infolge der Veranderung des osmotischen Drucks zur vermehrten Wasserausscheidung Inhaltsverzeichnis 1 Vertreter und chemischer Aufbau 2 Pharmakologie 2 1 Wirkmechanismus 2 2 Indikationen 2 3 Kontraindikationen 2 4 Pharmakokinetik 2 5 Nebenwirkungen 2 6 Wechselwirkungen 3 Geschichte 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVertreter und chemischer Aufbau Bearbeiten nbsp Strukturformeln diverser SchleifendiuretikaSchleifendiuretika konnen chemisch unterschieden werden in Sulfonamidderivate und Nicht Sulfonamidderivate Zu den Sulfonamidderivaten zahlen die Wirkstoffe Furosemid Bumetanid und Piretanid welche alle zusatzlich eine Carboxygruppe am zentralen Benzolring tragen Azosemid ist ebenfalls ein Sulfonamid allerdings ohne Carboxygruppe Torasemid ist ein Pyridinsulfonylharnstoffderivat Etacrynsaure hingegen ist eine halogenierte Phenoxyessigsaure mit angehangten Keton und Methylengruppen Die Methylengruppe geht eine Bindung mit Cystein ein und bildet dadurch die aktive Form des Arzneistoffs Ein weiterer Vertreter ist Etozolin Bei den Quecksilber Diuretika handelt es sich um organische Quecksilberverbindungen die jedoch heute aufgrund ihrer hohen Toxizitat nicht mehr verwendet werden Pharmakologie BearbeitenWirkmechanismus Bearbeiten nbsp Transportprozesse im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife die von Schleifendiuretika beeinflusst werden In der Niere werden Stoffwechselendprodukte aus dem Blut ausgefiltert und mit dem Urin ausgeschieden Dabei werden zuerst taglich etwa 180 bis 200 Liter Primarharn produziert der dann im darauffolgenden System aus Tubuli Henle Schleife nach Friedrich Gustav Jakob Henle und Sammelrohren durch Resorption von Wasser konzentriert wird bis nur noch etwa 1 bis 1 5 Liter Endharn oder Sekundarharn ubrigbleiben Weiterhin werden wichtige Stoffe wie Glucose Aminosauren und Elektrolyte resorbiert Schleifendiuretika wirken im dicken aufsteigenden Teil der Henle Schleife einem wichtigen Resorptionsort in dem bis zu 25 des ausgeschiedenen Natriums wieder ins Blut aufgenommen resorbiert werden Diese Wiederaufnahme der Natriumionen erfolgt mithilfe eines Transportproteins dem Na K 2Cl Symporter Cotransporter Er befindet sich auf der luminalen dem Urin zugewandten Seite der Tubuluszellen und transportiert neben Natrium auch Chlorid und Kaliumionen in die Tubuluszelle Triebkraft ist der aktive Transport von Natrium aus der Zelle heraus ins Blut durch die Natrium Kalium Pumpe da dies ein Konzentrationsgefalle zwischen Tubuluszelle und dem Harn innerhalb des Tubulus aufbaut Ausserdem bewirkt dieser Transport dass das Zellinnere elektrisch negativ geladen ist Diese negative Ladung treibt die Resorption durch passiven Transport von Magnesium Mg2 und Calciumionen Ca2 in die Zwischenraume zwischen den Tubuluszellen an Da die Wand des Tubulus hier nur wenig durchlassig fur Wasser ist erfolgt eine relative Verdunnung des Urins Schleifendiuretika wirken nun indem sie den Na K 2Cl Symporter reversibel umkehrbar hemmen Natrium kann nicht mehr ruckresorbiert werden weshalb der Harn konzentriert bleibt Dies fuhrt durch Osmose zu vermehrter Wasserausscheidung Da nun auch keine negative Membranspannung aufgebaut werden kann verbleiben Calcium und Magnesiumionen im Urin und gehen dem Korper verloren Schleifendiuretika hemmen auch die Na K 2Cl Symporter der Macula densa wodurch es zu einer Steigerung der glomerularen Filtrationsrate GFR kommt siehe Glomerulares Feedback Nach Absetzen des Medikaments ist zu beachten dass der Korper versucht den Wasser und Natriumionenverlust auszugleichen indem die naturlichen Gegenregulationsmechanismen des sympathikoadrenalen und des Renin Angiotensin Aldosteron Systems in Gang gesetzt werden In Folge reduziert sich die glomerulare Filtrationsrate und letztendlich das Harnvolumen Dieser Prozess wird als postdiuretische Natriumretention bezeichnet Indikationen Bearbeiten Die Indikationen fur Schleifendiuretika sind ahnlich denen anderer Diuretika Hauptsachlich werden sie in der Behandlung des akuten Lungenodems und anderer lokalisierter durch Herz Nieren und Leberinsuffizienz verursachter Odeme verwendet Durch die starke Auswaschung von Calcium werden sie ausserdem in der Behandlung einer Hypercalcamie verwendet Weitere Indikationen sind akutes Nierenversagen um den Wasserhaushalt noch eine gewisse Zeit lang kontrollieren zu konnen Hyperkaliamie und fruher zur Forcierten Diurese bei Vergiftungen z B mit Anionen insbesondere Bromid Fluorid und Iodid oder Rhabdomyolyse Wichtig ist aber die gleichzeitige Zufuhr von ausreichenden Mengen Wasser Natrium und Chlorid in Form von Elektrolytlosungen Aufgrund ihrer starken Wirksamkeit sind Schleifendiuretika vorsichtig einzusetzen Die Bilanzierung des Wasserhaushalts und die adaquate Substitution von Elektrolyten sind vor allem bei Patienten mit Storungen des Elektrolyt oder Saure Base Gleichgewichtes z B Leberzirrhose indiziert da die Kompensationsfahigkeit besonders schlecht ist Kontraindikationen Bearbeiten Die Kontraindikationen sind die gleichen wie die der meisten anderen Diuretika Dazu gehoren Natrium und Kaliummangel sowie Hypercalcurie vermehrte Calciumausscheidung im Harn da diese noch verstarkt werden sowie Hypovolamie also der Mangel an zirkulierendem Wasservolumen Da zu viel Calcium im Urin die Bildung von Nierensteinen begunstigt durfen Schleifendiuretika bei bereits bekannten Nierensteinen nicht angewendet werden Ebenso ist die Anwendung bei Anurie wenn also gar kein Harnfluss mehr vorhanden ist kontraindiziert Sollte der Einsatz von Schleifendiuretika aber trotz bestehender Kontraindikationen zwingend notwendig sein so wird begleitend eine exakte Bilanzierung insbesondere des Elektrolythaushaltes durchgefuhrt Vertreter der Sulfonamidderivate durfen grundsatzlich auch bei bekannter Allergie gegen andere Sulfonamide nicht angewendet werden Pharmakokinetik Bearbeiten Alle Schleifendiuretika konnen sowohl peroral in Tablettenform als auch parenteral als Injektion oder Infusion verabreicht werden Die enterale Aufnahme ist fast so vollstandig wie die parenterale gute orale Bioverfugbarkeit Schleifendiuretika wirken sehr schnell abhangig von der Darreichungsform innerhalb von funf Minuten intravenos bis zu einer halben Stunde oral Ihre maximale Wirkung erreichen sie nach etwa zwei Stunden sie halt zwischen sechs und acht Stunden an Die Halbwertszeit ist abhangig von der Nierenfunktion Zwei Drittel werden in den Nieren sowohl durch glomerulare Filtration als auch tubulare Sekretion ausgeschieden das restliche Drittel wird in der Leber in die Galle abgegeben und letztlich uber den Stuhl ausgeschieden Die Verstoffwechselung in der Leber ist gering Stoffwechselendprodukte von Furosemid und Etacrynsaure wurden identifiziert Es ist jedoch unbekannt ob sie eine diuretische Wirkung entfalten Torasemid hingegen hat zwei aktive Stoffwechselendprodukte die als M1 und M3 bezeichnet werden Da sie ihre Wirkung auf der luminalen Seite des Tubulus entfalten mussen sich die Schleifendiuretika um wirksam zu werden im Primarharn befinden Ihre starke Bindung an Plasmaproteine hemmt jedoch die glomerulare Filtration Als schwache organische Sauren werden sie jedoch in den proximalen Tubuluszellen sezerniert Dies kann jedoch durch andere organische Sauren wie nichtsteroidale Antirheumatika NSAID oder Probenecid oder bei manchen Nierenerkrankungen vermindert sein was letztendlich die Wirksamkeit beeintrachtigt Nebenwirkungen Bearbeiten Durch die starke Wirkung der Schleifendiuretika ist eine regelmassige Kontrolle der Elektrolytkonzentration im Serum notwendig um insbesondere bei Langzeitanwendung Hypovolamie infolge zu starker Entwasserung mit daraus resultierendem Schwindel Kopfschmerzen Kollapsneigung und orthostatischer Hypotonie zu verhindern In schweren Fallen kann es zu Dehydratation und Exsikkose kommen Die erhohte Ausscheidung von Kaliumionen K und Protonen H kann zu hypokalamischer metabolischer Alkalose fuhren ein Zustand der durch Gabe von Kalium und Behandlung der Hypovolamie behoben werden kann Natriummangel tritt zwar seltener als bei Thiazid Diuretika auf aber wenn Patienten infolge der Hypovolamie zu grosse Mengen Wasser zu sich nehmen kann dies einen verminderten Natriumspiegel im Blut zur Folge haben Infolge der Hypovolamie wird ausserdem verstarkt Harnsaure im proximalen Tubulus reabsorbiert was zu erhohtem Harnsaurespiegel im Blut Hyperurikamie und damit zu Gichtattacken fuhren kann Weiterhin fuhrt die Langzeitanwendung haufig zu verringertem Magnesium und Calcium im Blut Hypomagnesiamie bzw Hypocalciamie Bei allen Schleifendiuretika konnen Horschaden in den hohen Frequenzen bis Taubheit durch Hemmung des Na K 2Cl Symporters auftreten da kein Kaliumkonzentrationsgefalle Gradient aufgebaut werden kann Ototoxizitat Dieser Effekt tritt abhangig von der Dosis und im Allgemeinen nur wahrend der Behandlung auf nur bei der Verwendung von Etacrynsaure konnen die Schaden bleibender Natur sein Durch Sulfonamid Derivate kann es bei Patienten mit Uberempfindlichkeit gegen Sulfonamide zu allergischen Reaktionen kommen die sich durch Hautausschlag Eosinophilie und in seltenen Fallen interstitieller Nephritis auszeichnen Nach Absetzen der Stoffe verschwinden diese Effekte wieder Bei Etacrynsaure tritt diese Uberempfindlichkeit infolge der anders gearteten chemischen Struktur nicht auf Wechselwirkungen Bearbeiten Der von Schleifendiuretika verursachte Kalium und Magnesiummangel verstarkt den Effekt von Herzglykosiden Da Glucocorticoide und Abfuhrmittel ebenfalls die Kaliumausscheidung erhohen wird bei einer Verwendung mit Schleifendiuretika die Entstehung von Kaliummangel begunstigt Die Wirkung von Salicylaten Theophyllin curareartigen Muskelrelaxanzien und anderer blutdrucksenkender Medikamente wird verstarkt ebenso wie die giftige Wirkung von Lithium auf Herz und Nervensystem da die Ausscheidung vermindert und somit letztendlich der Lithiumspiegel im Blut erhoht ist Der blutzuckersenkende Effekt von antidiabetischen Medikamenten wird vermindert Die blutdruckerhohende Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin wird abgeschwacht da das verringerte Blutvolumen ihrem Effekt entgegenwirkt Andere Arzneimittel die gehorschadigend ototoxisch wirken wie zum Beispiel Aminoglykoside und Cisplatin konnen die schadliche Wirkung auf das Gehor verstarken Da Schleifendiuretika die Niere anregen Prostaglandine zu synthetisieren und dies zum diuretischen Effekt beitragt diese Synthese aber durch nichtsteroidale Antirheumatika behindert wird schwachen diese die diuretische und antihypertensive Wirkung der Schleifendiuretika ab Bei sonst gesunden Patienten ist dieser Effekt nur gering bei Patienten mit Nierenversagen und solchen mit Leberzirrhose tritt er jedoch verstarkt auf Geschichte BearbeitenAls erste verwendete Schleifendiuretika konnen Quecksilberverbindungen betrachtet werden Ihre harntreibende Wirkung wurde 1919 eher zufallig als Nebeneffekt des damals gegen Syphilis 1 verwendeten Arzneimittels Novasurol entdeckt 2 Ihre haufige Verwendung fuhrte jedoch zu zahlreichen Fallen von Quecksilbervergiftung Trotzdem waren organische Quecksilberverbindungen fur die nachsten vierzig Jahre der Standard in der Behandlung von Odemen Ihre fehlende orale Verfugbarkeit die Giftigkeit und die rasche Toleranzentwicklung schrankten ihre Nutzbarkeit jedoch stark ein Eine weniger giftige Alternative war das 1924 von Hoechst entwickelte Mersalyl Da es wesentlich effektiver als das seit 1957 verfugbare Chlorthiazid war wurde es trotz der hoheren Toxizitat weiterhin verwendet Mit dem zunehmenden Verstandnis der Harnbildung begann die Suche nach effektiveren und ungiftigeren Arzneimitteln Die Forscher von MSD synthetisierten ausgehend von Chlorthiazid Etacrynsaure Hoechst synthetisierte 1959 ausgehend von der Struktur von Sulfonamyl erstmals Furosemid Literatur BearbeitenBertram G Katzung Hrsg Basic amp Clinical Pharmacology 9th Edition Lange Medical Books McGraw Hill New York NY u a 2004 ISBN 0 07 141092 9 Kapitel 15 Diuretic agents Donald Seldin Gerhard Giebisch Hrsg Diuretic Agents Clinical Physiology and Pharmacology Academic Press San Diego CA u a 1997 ISBN 0 12 635690 4 S 3 ff Kapitel 3 A history of diuretics Charles R Craig Robert E Stitzel Hrsg Modern Pharmacology with Clinical Applications 6th edition Lippincott Williams amp Wilkins Philadelphia PA u a 2004 ISBN 0 7817 3762 1 S 249 ff Kapitel 21 Diuretic Drugs Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Schleifendiuretika Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Walther Schonfeld Uber die einzeitig kombinierte intravenose Quecksilbersalvarsanbehandlung der Syphilis unter besonderer Berucksichtigung von Novasurol Silbersalvarsanmischungen In Munchener medizinische Wochenschrift Band 68 1921 S 197 199 Julius H Comroe Exploring the Heart Discoveries in Heart Disease and High Blood Pressure W W Norton amp Co New York NY 1983 ISBN 0 393 01708 7 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten nbsp Dieser Artikel wurde am 5 Juni 2008 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schleifendiuretika amp oldid 228122116