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Aminoglykosid Antibiotika kurz Aminoglykoside sind den Kohlenhydraten verwandte Oligomere und bestehen aus Aminozucker und stickstoffhaltigen Cyclitol Bausteinen Sie bilden eine grosse anwachsende Gruppe von ca 200 wasserloslichen antibiotisch wirksamen Substanzen von denen viele arzneilich verwendet werden Streptomycin war das erste Aminoglykosid Antibiotikum das bereits 1944 durch die Gruppe um Selman Waksman entdeckt wurde Nachfolgend wurden viele ahnliche Wirkstoffe aus Actinomyceten vor allem der Gattungen Streptomyces und Micromonospora isoliert Konventionsgemass werden die Aminoglykosid Antibiotika aus der Gattung Streptomyces mit dem Suffix mycin bezeichnet wahrend diejenigen aus der Gattung Micromonospora mit dem Suffix micin benannt werden Inhaltsverzeichnis 1 Wirkmechanismus 2 Einteilung und wichtige Vertreter 2 1 Streptidin Gruppe 2 2 Desoxystreptamin Gruppe 2 3 Galerie 3 Anwendung und Darreichung 4 Nebenwirkungen 5 EinzelnachweiseWirkmechanismus BearbeitenDie Aminoglykosid Antibiotika wirken ausgepragt konzentrationsabhangig 1 stark bakterizid durch Hemmung der Proteinbiosynthese bei sich teilenden und nicht teilenden Erregern indem sie an die 30S Untereinheit der Ribosomen ankoppeln 2 und Ablesefehler der mRNA verursachen Dadurch werden fehlerhafte Proteine gebildet die ihre biologische Funktion verlieren In der Konsequenz werden z B defekte Proteine in die Zellmembran des Bakteriums eingebaut was zur Lyse des Erregers fuhrt Einteilung und wichtige Vertreter Bearbeiten nbsp Streptamin und verwandte AminocyclitoleAminoglycoside weisen als zentrales Strukturelement ein Amino Cyclitol auf abgeleitet z B vom Streptamin 1 3 Diamino 1 3 didesoxy scyllo inositol das glycosidisch mit einem oder zwei Aminozuckern verbunden ist Zusatzlich konnen stickstofffreie Monosaccharidkomponenten enthalten sein Therapeutisch verwendete Aminoglycoside lassen sich in folgende Hauptgruppen einteilen vom Streptidin abgeleitet Streptomycine vom 2 Desoxystreptamin abgeleitet die 4 6 disubstituierten Vertreter der Kanamycin Gentamicin Gruppe und ihre Abkommlinge die 4 5 disubstituierten Neomycine und einfach substituierte Vertreter wie etwa das tiermedizinisch eingesetzte Apramycin und Hygromycin B Spectinomycin ist wegen des fehlenden Aminozuckers kein echtes Aminoglycosid wird jedoch den Aminoglycosiden zugerechnet Sein Aglycon ist das N N Dimethyl 2 epi streptamin Actinamin Eine weitere Besonderheit ist die halbacetalische Struktur Streptidin Gruppe Bearbeiten nbsp Strepotomycine blau Streptidinstruktur Desoxystreptamin Gruppe Bearbeiten nbsp Kanamycine und verwandte Verbindungen blau Desoxystreptaminstruktur nbsp Gentamicine und verwandte Verbindungen blau Desoxystreptaminstruktur nbsp Dehydro Analoga von Gentamicin blau Desoxystreptaminstruktur nbsp Neomycine blau Desoxystreptaminstruktur Ein weiterer Vertreter der Desoxystreptamin Gruppe ist Verdamycin ein in Position 6 methyliertes Sisomicin 6 Methylsisomicin Isepamicin Plazomicin Arbekacin und Amikacin sind Vertreter einer Generation halbsynthetischer Aminoglycoside aus den 1970er Jahren die durch Einfuhrung einer S 4 Amino 2 hydroxybuttersaure Seitenkette die entsprechende Aminogruppe vor enzymatischem Deaktivierung durch die Erreger bewahren 3 Galerie Bearbeiten nbsp Ribostamycin blau Desoxystreptamin Struktur nbsp Apramycin blau Desoxystreptamin Struktur nbsp Hygromycin B blau Desoxystreptamin Struktur nbsp Spectinomycin blau Actinamin Struktur Anwendung und Darreichung BearbeitenDas Wirkspektrum umfasst vor allem die gramnegativen Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa sowie die grampositiven Staphylokokken Aminoglykoside sind gegen anaerobe Bakterien wirkungslos da sie durch einen Sauerstoff verbrauchenden Prozess in die Zelle aufgenommen werden Ebenso wenig wirken sie gegen Streptokokken und Haemophilus Arten 4 Sie werden beispielsweise bei schwerwiegenden Infektionen wie Hirnhautentzundung Meningitis und Herzinnenhautentzundung Endokarditis eingesetzt sowie auch haufig gegen Lungeninfektionen Pseudomonas aeruginosa siehe oben im Rahmen einer bestehenden Cystischen Fibrose Aminoglykoside werden nicht resorbiert und mussen bei systemischen Infektionen daher parenteral verabreicht werden Sie erreichen eine gute Verteilung im Extrazellularraum und sind plazentagangig sie passieren allerdings die Zellwande des Wirtsorganismus kaum und sind somit schlecht gewebegangig bei einer bestehenden Hirnhautentzundung sind sie massig liquorgangig Die Ausscheidung erfolgt mit einer kurzen Halbwertszeit von etwa zwei Stunden vorwiegend uber die Nieren Problematisch ist die rasche Resistenzentwicklung die unter einer Aminoglykosidtherapie auftreten kann Sie werden daher in der Regel in Kombination mit anderen Antibiotika v a b Lactam Antibiotika gegeben Wegen der toxischen Nebenwirkungen s u sind die Serumspiegel von Aminoglykosiden wahrend der antibiotischen Therapie zu uberwachen wobei fur die toxischen Nebenwirkung vor allem die Talspiegel und fur die antibakterielle Aktivitat die Spitzenspiegel bedeutsam sind 1 Beispiele fur Richtwerte von Aminoglykosidspiegeln hier im 8 Stunden Intervall Amikacin Spitzenspiegel 20 30 mg L Talspiegel 5 10 mg L Gentamicin Tobramycin und Netilmicin 6 10 unter 2 Nebenwirkungen BearbeitenWegen ihrer geringen therapeutischen Breite mussen systemische Aminoglykoside sehr sorgfaltig dosiert werden und sind daher typisch intensivmedizinische Antibiotika Aminoglykoside reichern sich in Niere und Innenohr besonders an und wirken dort stark giftig Nephrotoxizitat Ototoxizitat 4 Man geht davon aus dass die Ototoxizitat der Aminoglykoside uber mehrere Mechanismen zustande kommt Aminoglykoside gelangen uber einen spezifischen Transduktionskanal auf den Zilien der Haarzellen im Innenohr in das Zellinnere Aufgrund elektrischer Ladungen an der dem Zellinneren zugewandten Seite des Kanals konnen sie die Zellen auf diesem Weg nicht mehr verlassen und reichern sich an Im Zellinnern konnen die Aminoglykoside mit Metallionen Chelatkomplexe bilden welche die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies ROS katalysieren die oxidative Schaden an verschiedenen Zellstrukturen verursachen und letztlich den Zelluntergang bewirken Es entstehen irreversible Schaden die von leichtem Horverlust in den oberen Frequenzbereichen bis zur vollstandigen Taubheit reichen konnen Weitere Mechanismen die auf Wechselwirkungen der Aminoglykoside mit verschiedenen Ionenkanalen und Rezeptoren beruhen sind noch nicht im Detail geklart 5 Weitere mogliche Nebenwirkungen sind Atemlahmung Allergien oder Blutbildungsstorungen Bei einmaliger taglicher Gabe ist das Verhaltnis von erwunschter zu unerwunschter Wirkung besonders gunstig Dies hangt damit zusammen dass es sich bei den Aminoglykosiden um konzentrationsabhangige Antibiotika handelt welche gut wirken wenn die Spitzenspiegel weit uber der minimalen Hemmkonzentration des Erregers liegen die Talspiegel aber sehr niedrig sind lt 1mg ml Die Nebenwirkungen hingegen verstarken sich wenn hohe Talspiegel zustande kommen wie es bei haufigerer Gabe der Fall ware Das liegt daran dass sich in den vor allem betroffenen Organen Niere und Innenohr der Wirkstoff anreichert und nur dann wieder ins Blut abgegeben wird wenn die peripheren Spiegel niedrig sind ist das nicht der Fall weil die Talspiegel hoch sind so bleibt der Wirkstoff in den Organen und schadigt sie Daher ist es wichtig vor einer weiteren Gabe eine Talspiegelbestimmung durchzufuhren Eine Einmaldosierung von Aminoglykosiden ist von Ausnahmefallen abgesehen nicht zugelassen bei Kindern und Schwangeren Endokarditis Meningitis schwerster Sepsis ausgepragtem Aszites schweren Verbrennungen Dialyse oder Hamofiltration 1 Einige Aminoglykoside Neomycin Kanamycin sind wegen ihrer Nephro und Ototoxizitat ausschliesslich zur Behandlung lokaler Infektionen Haut Schleimhaut Auge angezeigt 4 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Marianne Abele Horn Antimikrobielle Therapie Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten Unter Mitarbeit von Werner Heinz Hartwig Klinker Johann Schurz und August Stich 2 uberarbeitete und erweiterte Auflage Peter Wiehl Marburg 2009 ISBN 978 3 927219 14 4 S 334 Eintrag zu Aminoglykosid Antibiotika In Rompp Online Georg Thieme Verlag abgerufen am 15 Juni 2014 D Obrecht F Bernardini G Dale K Dembowsky Emerging New Therapeutics Against Key Gram Negative Pathogens In Annual Reports in Medicinal Chemistry Band 46 2011 S 245 262 a b c Ernst Mutschler Arzneimittelwirkungen 9 Auflage Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8047 1952 1 F Maurer Gefahr fur Ohr und Gleichgewicht In Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 22 2016 pharmazeutische zeitung de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aminoglykosid Antibiotika amp oldid 227649176