www.wikidata.de-de.nina.az
Rudolf von Scheliha 31 Mai 1897 in Zessel Landkreis Oels Provinz Schlesien 22 Dezember 1942 in Berlin Plotzensee war ein deutscher Diplomat und Widerstandskampfer gegen den Nationalsozialismus Rudolf von Scheliha Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Bis 1933 1 2 1933 bis 1942 2 Historische Wurdigung 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben Bearbeiten nbsp Gedenktafel Frankfurter Allee 233 in Berlin LichtenbergBis 1933 Bearbeiten Rudolf von Schelihas Vater war der preussische Offizier und Grundbesitzer Rudolph von Scheliha seine Mutter war eine Tochter des preussischen Finanzministers Johannes von Miquel 1 Seine vier Jahre jungere Schwester war die Altphilologin Renata von Scheliha Scheliha meldete sich nach dem Abitur 1915 als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg und wurde fur seinen Einsatz mit beiden Eisernen Kreuzen und dem Silbernen Verwundetenabzeichen ausgezeichnet Nach Kriegsende nahm er ein Studium der Rechtswissenschaft in Breslau auf im Mai 1919 wechselte er an die Universitat Heidelberg wo er 1919 dem Corps Saxo Borussia beitrat 2 Dort kam von Scheliha in Kontakt mit republikfreundlichen und antitotalitaren Kreisen fur die Vereinigung Heidelberger Verbindungen wurde er in den AStA gewahlt und wandte sich dort mit anderen Corpsstudenten vehement gegen die antisemitischen Ausschreitungen seitens der Studentenschaft Im Anschluss an sein Examen 1921 wurde er zunachst Referendar am Kammergericht spater Mitarbeiter des Auswartigen Amts und ubernahm in den folgenden Jahren Aufgaben in den Auslandsvertretungen von Prag Konstantinopel Angora Kattowitz und Warschau 1927 erfolgte die Ernennung zum Legationssekretar Im selben Jahr heiratete er Marie Louise von Medinger Aus der Ehe gingen die beiden Kinder Sylvia geboren 1930 und Elisabeth geboren 1934 gestorben als Elisabeth Ritscher von Scheliha am 16 Juli 2016 in Adliswil hervor 3 4 1933 bis 1942 Bearbeiten Einige Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 wurde Scheliha als Diplomat Mitglied der NSDAP Von 1932 bis 1939 war er Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Warschau Dort knupfte er Kontakte zu polnischen Adeligen und Intellektuellen die er nach Beginn des Uberfalls auf Polen zum Teil aufrechterhalten und so fur Nachrichten uber NS Verbrechen an das Ausland nutzen konnte Ab September 1939 wurde Scheliha zum Leiter einer Informationsabteilung im Auswartigen Amt ernannt die auslandischen Presse und Rundfunkmeldungen uber deutsche Besatzungspolitik in Polen propagandistisch begegnen sollte Dadurch konnte er den Wahrheitsgehalt der Auslandsberichte prufen und NS Beamte dazu befragen In dieser Position protestierte er haufig bei NS Dienststellen gegen deutsche Verbrechen in Polen Auch verhalf er Polen und Juden zur Flucht ins Ausland Er legte heimlich eine Sammlung von Dokumenten uber die Grausamkeiten der Gestapo und insbesondere uber Morde an Juden in Polen an die auch Fotografien von neu eingerichteten Vernichtungslagern enthielt Dieses Dossier zeigte er im Juni 1941 der polnischen Grafin Klementyna Mankowska die ihn in Berlin besuchte um diese Details der polnischen Widerstandsbewegung und den Alliierten bekannt zu machen 5 Im Herbst 1941 lud Scheliha auch seinen polnischen Freund Graf Konstantin Bninski unter dem Vorwand nach Berlin ein dieser solle Propagandaschriften fur das Auswartige Amt gegen polnische Widerstandler verfassen Ulrich Sahm halt es in seiner 1990 erschienenen Biografie fur wahrscheinlich dass Scheliha an Bninski bei dieser Gelegenheit Material fur eine umfassende Dokumentation der deutschen Besatzungsverbrechen weitergab Diese im Januar 1942 vollendete Schrift wurde unter dem Titel The Nazi Kultur in Poland von polnischen Widerstandlern verfasst auf Mikrofilm festgehalten und unter hohem personlichen Risiko der Beteiligten bis 1945 nach Grossbritannien geschmuggelt Sie gilt als einer der detailliertesten zeitgenossischen Berichte uber den begonnenen Holocaust in Osteuropa aus der Kriegszeit 6 Im Februar 1942 beendete Scheliha seine Versuche Exilpolen als Helfer fur deutsche Propaganda vorzuschlagen und auszugeben um diese und sich nicht noch mehr zu gefahrden In diesem Fruhjahr reiste er mehrmals in die Schweiz und ubermittelte ihm bekannt gewordene Informationen uber die Aktion T4 darunter Predigten des Bischofs Clemens August Graf von Galen gegen die Ermordungen von Geisteskranken an die Alliierten Ebenso ubermittelte er Berichte uber die Endlosung der Judenfrage wie den Bau und Betrieb weiterer Vernichtungslager und Hitlers Befehl zur Ausrottung der europaischen Juden 7 Im Herbst 1942 versuchten in Moskau ausgebildete deutsche Exilkommunisten mit Scheliha direkten Kontakt aufzunehmen um uber ihn kriegswichtige Nachrichten aus dem Auswartigen Amt zu erhalten Die Gestapo beobachtete Scheliha seit langem wegen seiner kritischen Einstellung gegen die NS Politik in Polen und suchte eine Gelegenheit ihn auszuschalten Diese ergab sich mit der Enttarnung verschiedener westeuropaischer und Berliner Widerstandsgruppen die von einer Gestapo Sonderkommission als Rote Kapelle zusammengefasst wurden Am 29 Oktober 1942 wurde Heinrich Koenen in der Wohnung Ilse Stobes verhaftet Bei sich hatte er unter anderem eine Mikroverfilmung mit dem Nachweis einer 1937 erfolgten Uberweisung auf ein Schweizer Bankkonto Schelihas Noch am selben Tag wurde Scheliha von der Gestapo festgenommen und als einer der ersten angeblichen Mitglieder der Roten Kapelle wegen Landesverrats angeklagt Tatsachlich hatte er zu dem Widerstandskreis um Harro Schulze Boysen und Arvid Harnack keinen direkten Kontakt gehabt und ihm waren die Verbindungen von Ilse Stobe und Rudolf Herrnstadt zur Sowjetunion nicht bekannt In der Anklage wurde ihm gleichwohl von den Sowjets bezahlte Spionage vorgeworfen Bei den Vernehmungen wurde Scheliha gefoltert Daraufhin bestatigte er die konstruierten Vorwurfe auch um anderen Kontaktpersonen das Leben zu retten Obwohl er das Foltergestandnis in der Verhandlung widerrief verurteilte das Reichskriegsgericht Rudolf von Scheliha am 14 Dezember 1942 wegen Landesverrats zum Tode Die Akten des Verfahrens mitsamt Urteil sind nicht aufgefunden worden 8 Am 22 Dezember 1942 wurde er im Strafgefangnis Berlin Plotzensee durch den Strang hingerichtet Als eine seiner letzten Ausserungen vor seinem Tod ist uberliefert Ich habe keine Schuld an dem wofur ich angeklagt bin ich habe keinerlei Geldbetrage angenommen ich sterbe reinen Herzens Seine Ehefrau Marie Louise wurde am 22 Dezember verhaftet und in das Gerichtsgefangnis in die Kantstrasse gebracht Dort wurde sie wiederholt verhort und bedroht und erst am 6 November wieder entlassen In den letzten Kriegstagen floh sie mit ihren Tochtern uber Prag ins bayerische Niederstatten In dem ehemaligen Schloss der Fursten von Hohenlohe Jagstberg bewohnte die Familie einen Kellerraum und ernahrte sich uberwiegend von Pilzen Beeren und Fallobst 9 Historische Wurdigung Bearbeiten nbsp Stolperstein am Haus Wilhelmstrasse 92 in Berlin Mitte ehemaliger Dienstsitz des Auswartigen AmtsIn der westdeutschen Geschichtsschreibung wurde Scheliha bis 1986 nicht als Widerstandskampfer sondern als Spion in sowjetischen Diensten angesehen Dabei wurden die Verhors und Gestapoakten weiterhin unkritisch als Quellen kolportiert wozu ehemalige NS Anklager wie Manfred Roeder und Alexander Kraell der ehemalige Prasident des 2 Senats des Reichskriegsgerichts nach 1945 beitrugen Am 20 Juli 1961 bedachte das Auswartige Amt in Bonn elf seiner als Widerstandskampfer hingerichteten Mitarbeiter mit einer Gedenktafel darunter Albrecht Graf von Bernstorff Ulrich von Hassell Adam von Trott zu Solz und Friedrich Werner Graf von der Schulenburg Rudolf von Scheliha wurde darauf nicht erwahnt da ihm weiterhin Weitergabe von Informationen an die Sowjetunion zur Last gelegt und dieses als Verrat betrachtet wurde Erst neuere Forschung zur Roten Kapelle besonders die Biografie von Ulrich Sahm 10 erreichte eine Revision dieser Einschatzung Daraufhin urteilte das Kolner Verwaltungsgericht im Oktober 1995 dass Scheliha nicht wegen Spionage sondern in einem Scheinverfahren wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Tode verurteilt worden sei und hob das Urteil von 1942 auf 11 Am 21 Dezember 1995 wurde in einer Feierstunde mit Staatssekretar Hans Friedrich von Ploetz eine Zusatztafel mit der Inschrift Rudolf von Scheliha 1897 1942 angebracht Am 18 Juli 2000 wurden in einer Feierstunde im neuen Auswartigen Amt in Berlin beide Tafeln zusammengefuhrt und die Namen in der Abfolge der Todesdaten aufgefuhrt Schelihas Name fuhrt die Liste an nbsp Von Scheliha Strasse in Hamburg NeuallermoheIn Hamburg Neuallermohe West wurde am 5 Mai 1997 zur Erinnerung an Rudolf von Scheliha eine Strasse nach ihm benannt Auch in Gotha gibt es eine Schelihastrasse Diese ist jedoch benannt nach dem Oberhofmeister v Scheliha der in der Strasse ein grosses Gartengrundstuck besass auf dem heute die evang Kreuzkirche steht Am 7 November 2021 wurde auf Initiative einer Gruppe von Beschaftigten des Auswartigen Amts vor dem ehemaligen deutschen Aussenministerium Berlin Mitte Wilhelmstrasse 92 ein Stolperstein fur ihn und 55 weitere NS Verfolgte verlegt 12 Literatur BearbeitenBiographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871 1945 Herausgegeben vom Auswartigen Amt Historischer Dienst Band 4 S Bearbeiter Bernd Isphording Gerhard Keiper Martin Kroger Schoningh Paderborn u a 2012 ISBN 978 3 506 71843 3 Ulrich Sahm Rudolf von Scheliha 1897 1942 Ein deutscher Diplomat gegen Hitler Beck Munchen 1990 ISBN 3 406 34705 3 Gert Rosiejka Die Rote Kapelle Landesverrat als antifaschistischer Widerstand Mit einer Einfuhrung von Heinrich Scheel ergebnisse Hamburg 1986 ISBN 3 925622 16 0 Gerhard Kegel In den Sturmen unseres Jahrhunderts Ein deutscher Kommunist uber sein ungewohnliches Leben Dietz Berlin 1984 Bernard Wiaderny Der polnische Untergrundstaat und der Deutsche Widerstand 1939 1944 VWF Verlag fur Wissenschaft und Forschung Berlin 2003 ISBN 978 3 89700 074 2 Lars Jockheck Rezension In sehepunkte 3 2003 Nr 4 Eckart Conze Norbert Frei Peter Hayes Moshe Zimmermann Das Amt und die Vergangenheit Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik Karl Blessing Verlag Munchen 2010 ISBN 978 3 89667 430 2 Krzysztof Ruchniewicz Rudolf von Scheliha Niemiecki dyplomata przeciw Hitlerowi In Zblizenia Polska Niemcy nr 1 22 1999 Wroclaw S 119 Dariusz Matelski Niemcy w Polsce w XX wieku Warszawa Poznan 1999 Johannes Hurter Scheliha Rudolf von In Neue Deutsche Biographie NDB Band 22 Duncker amp Humblot Berlin 2005 ISBN 3 428 11203 2 S 646 Digitalisat Wolfgang Wippermann Widerstand fur Polen und Juden Rudolf von Scheliha In Sebastian Sigler Hrsg Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler Duncker amp Humblot Berlin 2014 ISBN 978 3 428 14319 1 S 191 215 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rudolf von Scheliha Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Rudolf von Scheliha im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiografie der Gedenkstatte Deutscher Widerstand Joschka Fischer in der Gedenkschrift am 19 Juli 2000 PDF 1 81 MB Susanne Kienlechner The Nazi Kultur in Poland Rudolf von Scheliha und Johann von Wuhlisch Zwei Deutsche Diplomaten gegen die nationalsozialistische Kultur in Polen In Zukunft braucht Erinnerung 23 Juni 2007 aktualisiert am 14 Juni 2017 Rudolf von Scheliha Tabellarischer Lebenslauf im LeMO DHM und HdG Rainer Blasius Kleiner Beamter in der Ahnengalerie des Widerstands In Frankfurter Allgemeine Zeitung 9 September 2004 uber Fritz Kolbe geht auch auf Rudolf von Scheliha ein Claudia Kuhner Von den Nazis ermordet und nach dem Krieg weiter verunglimpft In Tages Anzeiger 19 Dezember 2010 Einzelnachweise Bearbeiten Biographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871 1945 Herausgegeben vom Auswartigen Amt Historischer Dienst Band 4 S Bearbeiter Bernd Isphording Gerhard Keiper Martin Kroger Schoningh Paderborn 2012 S 55 Kosener Corpslisten 1996 140 1312 Biographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871 1945 Herausgegeben vom Auswartigen Amt Historischer Dienst Band 4 S Bearbeiter Bernd Isphording Gerhard Keiper Martin Kroger Schoningh Paderborn 2012 S 56 Todesdatum von Elisabeth Ritscher von Scheliha nach totesanzeigenportal ch nahere Eingrenzung des Weblinks nicht moglich durch den erforderlichen Registrierungsprozess im Portal abgerufen am 1 April 2022 The Nazi Kultur in Poland shoa de Susanne Kienlechner The Nazi Kultur in Poland Rudolf von Scheliha und Johann von Wuhlisch Zwei Deutsche Diplomaten gegen die nationalsozialistische Kultur in Polen Gerd R Ueberschar Fur ein anderes Deutschland Der deutsche Widerstand gegen den NS Staat 1933 1945 Fischer Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 596 13934 1 S 139 Bernward Dorner Die Deutschen und der Holocaust Was niemand wissen wollte aber jeder wissen konnte Berlin 2007 ISBN 978 3 549 07315 5 S 281 Frauke Geyken Wir standen nicht abseits Frauen im Widerstand gegen Hitler Beck Verlag Munchen 2014 ISBN 978 3 406 65902 7 Ulrich Sahm Rudolf von Scheliha 1897 1942 ein deutscher Diplomat gegen Hitler Beck Munchen 1990 ISBN 978 3 406 34705 4 S 400 Biographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871 1945 Herausgegeben vom Auswartigen Amt Historischer Dienst Band 4 S Bearbeiter Bernd Isphording Gerhard Keiper Martin Kroger Schoningh Paderborn 2012 S 56 Auswartiges Amt Stolpersteine zum Gedenken an NS verfolgte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Auswartigen Amts Abgerufen am 14 November 2021 Normdaten Person GND 118940279 lobid OGND AKS LCCN n91001758 VIAF 64806842 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Scheliha Rudolf vonKURZBESCHREIBUNG deutscher Diplomat und Widerstandskampfer im Nationalsozialismus Mitglied der Roten KapelleGEBURTSDATUM 31 Mai 1897GEBURTSORT Zessel Provinz SchlesienSTERBEDATUM 22 Dezember 1942STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rudolf von Scheliha amp oldid 236750044