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Raetia secunda Vindelica oder Vindelikien Vindelicien war eine im Zuge der diokletianischen Reichsreformen im fruhen 4 Jahrhundert durch Teilung der vormaligen Provinz Raetia entstandene romische Provinz Sie umfasste das nordliche Alpenvorland zwischen Iller Donau und Inn daruber hinaus wohl auch einen nordostlichen Teil des heutigen Tirol Ihre Hauptstadte waren Cambodunum Kempten und spater Augusta Vindelicorum Augsburg Die Namen Vindelica Vindelicien Vindelikien und Augusta Vindelicorum gingen auf das keltische Volk der Vindeliker zuruck die hier bis zum romischen Feldzug von 15 v Chr selbstandig lebten Der Namensbestandteil Raetia ruhrte vom sudlich benachbarten Volk der Rater her gegen die dieser Feldzug zunachst gefuhrt worden war Im 5 und 6 Jahrhundert wurde ein Teil von Raetia secunda auch Bestandteil des Ostgotenreichs von Alamannen besiedelt und ostlich des Lech Keimzelle des germanischen Volksstamms der Bajuwaren Lage der Vorgangerprovinz Raetia Inhaltsverzeichnis 1 Vorgangerprovinz Alamannen 2 Teilung der Vorgangerprovinz 3 Schwinden romischer Kontrolle 4 Alamannen am Lech Bajuwaren endgultiger Zerfall 5 Nachwirkung Bayerisch Schwaben 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseVorgangerprovinz Alamannen Bearbeiten nbsp Die Vorgangerprovinz Raetia gelb zwischen anderen an Germania magna grenzenden Provinzen Droysens Historischer Handatlas 1886 Man beachte den Schriftzug Vindelicia Die Vorgangerprovinz Raetia wurde im fruheren 1 Jahrhundert n Chr auf 15 v Chr erobertem Gebiet eingerichtet Einige der dort unterworfenen Volker wurden von den Romern als Vindelici andere als Raeti bezeichnet vgl Rater Von den Ratern erhielt die Provinz von den Vindeliziern ihre Hauptstadt Augusta Vindelicorum ihren Namen Vor Augusta Vindelicorum war jedoch Cambodunum die Hauptstadt der Provinz Im zweiten Drittel des dritten Jahrhunderts nahmen die Raubzuge der Germanen aus dem nordlich benachbarten Germania Magna in die Provinz Ratien dramatisch zu Sie konnten aufgrund einer ausgedunnten Truppensituation von den Romern nicht mehr nachhaltig zuruckgedrangt werden Auch ein vorubergehender Anschluss an das Gallische Sonderreich welches eine entschlossene Verteidigung der Grenzen gegen die Germanen versprach brachte nur einen vorubergehenden Erfolg Die nordliche Limesgrenze wurde um 260 nach Suden an die Donau zuruckgenommen Limesfall Die westliche Grenze wurde vom Schwarzwald nach Osten an die Iller zuruckgenommen Von Kempten Cambidanum verlief die neue Grenze entlang der Argen dem Bodensee und dem Hochrhein Donau Iller Rhein Limes Das heutige Oberschwaben und der Schwarzwald wurden von den Romern nach und nach systematisch geraumt Die Provinz Raetia verkleinerte sich drastisch Das von den Romern niemals de jure aber zumindest de facto aufgegebene Land der Schwarzwald und Oberschwaben wurden von Westen und von Norden ab dem 4 Jahrhundert von Alemannen besiedelt die sich allmahlich auch nach Osten uber die Iller ausbreiteten und ihre Siedlungsaktivitat bis zum Lech vortrieben Teilung der Vorgangerprovinz BearbeitenIm Zuge der diokletianischen Reichsreformen wurde die Provinz Raetia 297 n Chr entlang des Bodensees und der Nordalpen in zwei neue Provinzen Raetia prima Curiensis und Raetia secunda Vindelica aufgeteilt mit kleinen Verschiebungen von Grenzen zu Nachbarprovinzen Die beiden neuen Provinzen gehorten zur Diozese Italia und waren militarisch gemeinsam einem Dux Raetiae unterstellt Die Zivilverwaltung oblag in den beiden neuen Provinzen jeweils einem praesides Statthaltern niederen Ranges Von deren Residenzen Curia Raetorum Chur und Augusta Vindelicorum Augsburg leiteten sich die spateren deutschen Bezeichnungen Churratien und Vindelicien ab Die sparlichen Quellen erlauben nur Plausibilitatsschlusse bezuglich der genauen Teilungslinie Bis zu den 30er Jahren herrschte die Meinung vor Raetia secunda habe gerade den transalpinen Teil das Alpenvorland der Raetia umfasst 1 Die Bezeichnung der Raetia II als Vindelikien u a legt dies nahe wenn angenommen wird die Vindeliker hatten lediglich im Alpenvorland und nicht in den Alpen gelebt vgl Droysens Karte und den Artikel Rater Heute findet man etwa im Neuen Pauly von 2001 2 die Angabe die Teilungslinie sei von Isny uber den Arlberg durchs Munstertal zum Stilfserjoch verlaufen oder ungefahr entlang der heutigen Grenzen Vorarlbergs und Graubundens zu Deutschland und Tirol Nord und Sudtirol Heuberger 1930e S 358ff argumentierte im 6 Jahrhundert habe ein Bischof von Saben gleichzeitig als Bischof der Raetia secunda gegolten die nicht erst nach dem Verlust des Alpenvorlands als neue Raetia II von der bisherigen Raetia I abgeteilt worden sei S 364 Er geht von spateren Quellen aus Originalquellen aus dem 6 Jahrhundert sind hierzu uberhaupt nicht erhalten Unbestritten ist wohl dass das Alpenvorland zwischen Iller Donau und Inn der seit dem 3 Jahrhundert Rom gebliebene Teil Vindelikiens zur Raetia secunda gehorte 3 deren Hauptstadt Augusta Vindelicorum lag ja zwischen Iller und Lech und die Vita Sancti Severini erklart dass Kunzing an der Donau und Batavis Castra Batava Passau Orte der Raetia secunda waren 4 Weniger klar ist wie weit Raetia II auch in die Alpen reichte ausserdem noch wie das Gebiet zwischen Iller Argen und Alpenrheinmundung aufgeteilt wurde Man vergleiche auch Raetia Teilung der Provinz Schwinden romischer Kontrolle BearbeitenIm 5 Jahrhundert schwand die romische Kontrolle uber das Alpenvorland die Grenzkastelle der Raetia II an der Donau wurden nach und nach aufgegeben der Vita Sancti Severini zufolge zuletzt gegen 470 Quintanis Kunzing und Batavis Castra Batava Passau 5 unter dem Eindruck standiger Alamannen Uberfalle entlang der Donau Als der Ostgotenkonig Theoderich der Grosse die Fuhrung Westroms ubernahm versuchte er die fruhere Provinz Raetia wieder als Bollwerk zu festigen u a durch Aufnahme von den Franken bedrangter Alamannen Es ist nicht klar wie weit er so wieder Kontrolle uber das Alpenvorland gewann Alamannen am Lech Bajuwaren endgultiger Zerfall Bearbeiten nbsp Alamannische Verschiebung und Expansion vom 3 bis zum 6 Jahrhundert Fast das gesamte Gebiet der Provinz Raetia secunda ist im Alpenvorland zwischen Donau Inn und Bodensee Grenzfluss Iller nicht eingezeichnet sichtbar Die schwarze Linie kennzeichnet hauptsachlich die fruher aufgegebene romische Reichsgrenze nordlich der Donau Sudlich der Donau dehnten die Alamannen ihr Siedlungsgebiet bis um 500 uber die Iller hinweg zum Lech aus In der folgenden Zeit bildete sich ostlich des Lech aus Alamannen anderen germanischen Einwanderern verbliebenen Vindelikern und romischer Zivilbevolkerung der germanische Stamm der Bajuwaren Baiern Thomas Fischer zufolge 6 wurde diese Ethnogenese von Theoderich zur Festigung der Nordgrenze seines Reichs gesteuert Spatestens seit der Zerschlagung des Ostgotenreiches durch den ostromischen Kaiser Justinian I um 540 bestand kein wesentlicher Bezug der fruheren transalpinen Raetia des eigentlichen Vindelikien zum romischen Reich mehr Im Gegensatz dazu blieben im Gebiet der sudlichen von Chur Curia Raetorum aus verwalteten Schwesterprovinz Raetia prima die Begriffe Churratien Ratien und ratisch u a in der Schweiz Graubunden seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit im Gebrauch vor allem fur die Gemeinschaft der Drei Bunde und fur Einrichtungen des modernen Graubunden nbsp Das bayerische Stammesherzogtum um 788 Im Osten grenzt es an den Lech Sudlich greift es in die fruhere Raetia prima nordlich entlang der Naab uber die nordlichste Grenze der Raetia hinaus Ostlich umfasst es fast das gesamte fruhere Noricum Die Entstehung und folgende Ausbreitung der Bajuwaren betraf auch die ostliche Nachbarprovinz Noricum und schliesslich den sudlich davon gelegenen mutmasslichen alpinen Teil der Raetia secunda Die Bajuwaren bevolkerten Altbayern Raetia II ostlich des Lech und Osterreich in den Alpen Tirol Sie bildeten spater das Herzogtum Bayern nbsp Das Herzogtum Schwaben rechts oben und Hochburgund im 10 und 11 Jahrhundert Rechts unten Churratien als Teilgebiet nbsp Was von Vindelikien ubrig blieb der bayerische Regierungsbezirk Schwaben Braun sind die schwabischen gelb die altbayerischen und frankischen Landkreise des Freistaats Bayern dargestellt Die Landkreise Donau Ries Dillingen an der Donau und Gunzburg ragen jedoch uber die vindelikische Grenze der Donau nach Norden hinaus Westlich des Lech orientierten sich die Alamannen ungeachtet der Provinzgrenzen zu ihren Verwandten um den Oberrhein und den Bodensee hin wo sie bis 746 im frankischen Reich ein autonomes Herzogtum Alamannien bildeten Nachwirkung Bayerisch Schwaben BearbeitenIm 19 Jahrhundert gelangte das Konigreich Bayern in den Besitz eines Teils Schwabens genannt Bayerisch Schwaben zwischen Iller und Lech gelegen und sich von den Allgauer Alpen noch wie einst Raetia uber die Donau hinweg in den Landkreis Donau Ries erstreckend Als Regierungsbezirk Schwaben untersteht dieses Gebiet heute dem Freistaat Bayern Als Ironie der Geschichte wurden so die beiden Volker der Alamannen und der Baiern die sich in Vindelikien auseinanderentwickelt hatten lokal wieder aufeinander angewiesen In gewisser Weise wurde das Vorrucken der Alamannen von der Iller zum Lech in der Volkerwanderungszeit durch diese politische Entwicklung 1300 Jahre spater korrigiert Siehe auch BearbeitenWeitere Einzelheiten grossere Zusammenhange und Quellenangaben finden sich in den Artikeln Raetia Bajuwaren Ethnogenese AlamannenLiteratur BearbeitenRichard Heuberger Raetia prima und Raetia secunda In Klio Beitrage zur alten Geschichte Bd 24 Neue Folge Band VI 1931 S 348 366 PDF 1 54 MB Weblinks BearbeitenArtikel Vindelicien Seiten Faksimile in Meyers Grossem Konversations Lexikon Band 20 Leipzig 1909 S 175 Einzelnachweise Bearbeiten Heuberger 1930e Im Gegensatz zu S 350 dort vertrat Heuberger schon im Nachtrag dazu auf S 366 und in seinen folgenden Publikationen die heute vorherrschende Ansicht der Vinschgau habe zur Raetia II gehort In Ratien S 301ff erganzt Heuberger seine fruhere Argumentation Sp 753 von Gerhard H Waldburg Raeti Raetia In Der Neue Pauly DNP Band 10 Metzler Stuttgart 2001 ISBN 3 476 01480 0 Sp 749 754 Vgl Heuberger 1930e S 356 und 351 Brennergebiet Raetia II besteht hier aus Vindelikien und dem Brennergebiet Vgl Heuberger 1930e S 348f Heuberger Ratien S 122f S 410f von Thomas Fischer Von den Romern zu den Bajuwaren Das Alpenvorland im 5 Jahrhundert In Wolfgang Czycz Karlheinz Dietz Thomas Fischer Hans Jorg Kellner Die Romer in Bayern Theiss Stuttgart 1995 S 405 411 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Raetia secunda amp oldid 224817350