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Der am Niederrhein verbreitete Trojamythos ist der an Vergils Aeneis anschliessende Grundungsmythos des Frankenreichs Daneben wurde auch der Ursprung der Stadt Xanten aufgrund volksetymologischer Spekulation auf das antike Troja zuruckgefuhrt Xanten selbst wird in mittelalterlichen Uberlieferungen auch als Troja am Rhein Troia nova Neu Troja oder als Troia minor Klein Troja bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Mythos 2 Xanten als Troja am Niederrhein 3 Rezeption im Mittelalter 4 Rezeption im Nibelungenlied 5 Asciburgium 6 Literatur 7 EinzelnachweiseMythos Bearbeiten nbsp Seite aus einer Abschrift der Fredegar Chronik Pariser NationalbibliothekDer niederrheinische Trojamythos schliesst an die Schilderung Homers vom Ende des Trojanischen Krieges an der besagt dass die von den Griechen besiegten Trojaner fliehen und in mehreren Gruppen uber Asien und Europa versprengt werden Hier grunden sie neue Stadte und werden zu Stammvatern neuer ruhmreicher Volker Die bis heute bestehende niederrheinische Variante des Trojamythos indes spiegelt den Grundungsmythos des Frankenreichs wider die Origo francorum Als Vorbild diente der romische Trojamythos wie er in Vergils Aeneis uberliefert ist und wie seine literarischen Nachahmer eine Herkunftssage bildet Die gallischen Haeduer wurden fruh vom romischen Senat wiederholt als Bruder und Verwandte bezeichnet als fratres consanguineosque wie Caesar uberlieferte 1 Kaiser Claudius liess im Jahre 48 den Haeduern vor allen Galliern als ersten die Auszeichnung ius honorum zuteilwerden Aus allem geht hervor dass kein anderer Gallierstamm das Recht in Anspruch nehmen konnte sich fratres consanguineique populi Romani zu nennen Spater versuchten auch die Arverner sich diese Bezeichnung anzumassen Tacitus bekraftige Ende des 1 Jahrhunderts die diesbezugliche Einzelstellung der Haeduer 2 Die Haeduer mussten aus dem ihnen zukommenden Ehrentitel bald auf die gemeinsame Abstammung von den Trojanern schliessen Diesem Schluss war es nicht hinderlich dass die Ernennung rein fiktiv war Es entspricht romischer Auffassung vom Wesen derartiger Akte vergleichbar mit einer Adoption bei der der Adoptierte zum Sohn des Adoptivvaters wird und damit auch dessen gesamte Ahnenschaft und der Traditionen bis ins Biologische ubernimmt 3 Der romische Historiker Ammianus Marcellinus beschreibt dann auch in seiner um 380 n Chr niedergeschriebenen Chronik Res gestae die mythische Entstehung des gallischen Volkes in Verbindung mit der homerischen Trojalegende 4 Beim Versuch fur die nach dem Untergang des Romischen Reiches aufkommenden Franken eine moglichst heroische Abstammung im Sinne einer Origo gentis zu etablieren griffen frankische Geschichtsschreiber im Laufe des 3 Jahrhunderts spatestens jedoch im 4 Jahrhundert 5 vermutlich auf die gallotrojanischen Erzahlungen zuruck Erstmals urkundlich erwahnt wird der frankische Trojamythos in einer Abschrift der Fredegar Chronik aus der ersten Halfte des 7 Jahrhunderts Fredegars Weltchronik befasst sich am Schluss des zweiten und zu Anfang des dritten Buches mit dem frankischen Grundungsmythos Der Chronist bezieht sich bei diesen Passagen auf altere Quellen Buch II beruht auf der Chronik des Kirchenvaters Hieronymus wahrend sich Buch III auf die heute nicht mehr im Original erhaltenen Decem libri historiarum des Gregor von Tours bezieht Auch der Anfang des Liber Historiae Francorum LHF von 726 727 befasst sich mit diesem Thema wobei sich der LHF in grossen Teilen ebenfalls auf das Werk Gregors bezieht Alle spateren Bearbeitungen gehen im Wesentlichen auf diese beiden Quellen die Fredegar Chronik und den LHF zuruck Fredegar berichtet von einer Gruppe Trojaner die nach dem Trojanischen Krieg auf der Flucht aus der von den Griechen zerstorten Stadt nach Makedonien gelangten und so zu den Urvatern Alexanders des Grossen wurden 6 Spater sollen sie durch ein Bundnis mit den Sachsen der Unterwerfung durch Pompeius entgangen und uber Pannonien an den Rhein gezogen sein Hier grundete der mythische Konig Francio das nach ihm benannte Geschlecht der Franken Fredegar schafft eine Verbindung zu Vergils Aeneis indem er Konig Francio aus der Linie des Frigas in der Legende der Sohn des Priamos hervorgehen lasst Frigas seinerseits wird zum Bruder des Aeneas erklart der nach Vergil der Stammvater des romischen Volkes war Somit erklart der frankische Trojamythos die Franken zum Brudervolk der Romer Xanten wird in dieser Epoche als Troja francorum Troja der Franken bezeichnet Xanten als Troja am Niederrhein BearbeitenDie Bezeichnung Troja fur das heutige Xanten wurzelt in der romischen Epoche Als der romische Kaiser Marcus Ulpius Traianus um 110 n Chr das heutige Xanten zur Colonia im romischen Rechtssinne erhob benannte er den Ort wie im Romischen Reich ublich nach sich selbst Colonia Ulpia Traiana CUT Nachdem der Ort im Jahr 275 n Chr von den Franken vollig zerstort worden war ging dieses Toponym im ausgehenden 3 Jahrhundert im offiziellen Sprachgebrauch verloren Er findet sich aber noch in Abwandlungen in spateren Nennungen Im Fruhmittelalter wurde aus Traiana die Eigenbezeichnung Troianer der Xantener Burger 7 Das mittelalterliche Xanten wurde nur wenige hundert Meter sudlich der Ruinen der ehemaligen romischen Colonia Ulpia Traiana gegrundet Gemass allgemeiner Lehrmeinung entwickelte sich der Name Xanten aus der lateinischen Bezeichnung ad sanctos bei den Heiligen als Hinweis auf die Martyrergraber bei denen im 9 Jahrhundert das Stift St Viktor errichtet wurde Die mittelalterliche Legendenbildung fuhrt jedoch den Namen Xanten auf den Fluss Xanthos Skamandros in Kleinasien zuruck an dessen Ufern das antike Troja gelegen haben soll Greifbar wird dieser Bezug in der Strophe XXIII des fruhmittelhochdeutschen Annoliedes 8 aus der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts Bereits ab dem 10 Jahrhundert kommt es nachweisbar zu Doppelnennungen beider Namen wobei meist Troja der Bezeichnung Xanten vorangestellt wird So nennt beispielsweise die Kolner Passio des heiligen Gereon Xanten als Stadt der Franken die von den Nachfahren der Trojaner gegrundet worden war und deshalb Troja oder Xanten genannt wird Troia sive Xantum 9 Rezeption im Mittelalter BearbeitenIn spateren Jahrhunderten wurde der frankische Grundungsmythos und die Erzahlung vom trojanischen Ursprung der Stadt Xanten vor allem am Niederrhein thematisiert und politisch instrumentalisiert Denare die der Kolner Erzbischof Hermann II zwischen 1036 und 1056 in Xanten pragen liess tragen umseitig die Pragung SCA TROIA fur SANCTA TROIA heiliges Troja als Bezeichnung fur die Pragestatte Im 15 Jahrhundert nutzte das Haus Kleve den niederrheinischen Trojamythos zur Aufwertung ihrer genealogischen Abstammung gegenuber dem Habsburger Kaiserhaus Wahrend der Soester Fehde von 1444 bis 1449 bezeichnete sich beispielsweise der Herzog von Kleve Johann I als Konig von Troja 10 Bereits der Humanist Hermann von Neuenahr lehnte in seiner 1521 veroffentlichten Schrift Brevis narratio de origine et sedibus priscorum Francorum Kurzer Abriss vom Ursprung und den Wohnsitzen der alten Franken 11 in der er sich auch auf bei Asciburgium gefundene Altertumer bezieht in kritischer Auseinandersetzung mit Johannes Trithemius und dessen angeblichem Gewahrsmann Hunibald die Theorie von der trojanischen Abkunft der niederrheinischen Franken ab Noch bis in das 19 Jahrhundert stritten sich Gelehrte uber den historischen Wahrheitsgehalt der Erzahlung Auch Richard Wagners Schrift Die Wibelungen von 1848 verwendet den Mythos Viele sahen einen trojanischen Ursprung der Franken als geschichtliche Tatsache an 12 Auch heute noch ist dieser Mythos am Niederrhein lebendig Rezeption im Nibelungenlied Bearbeiten nbsp Gedenktafel an das Nibelungenlied am Nordwall von XantenUntergrundig hatte der niederrheinische Trojamythos auch Einfluss auf das im Hochmittelalter entstandene Nibelungenlied Der Protagonist Hagen stammt aus Tronje ein Name der vermutlich auf das heute in Belgien gelegene Drongen zuruckgeht In mehreren Fassungen der Sage wurde jedoch aus dem mittelhochdeutschen Tronje durch Verschleifung Troja 13 Im Lied wird Hagen von Tronje als Verwandter der im Frankenreich aufgegangenen Burgunden beschrieben Als Siegfried von Xanten in der zweiten Aventure an den burgundischen Hof nach Worms kommt ist Hagen der Einzige der den Helden sofort erkennt Unabhangig vom historischen Wahrheitsgehalt war dem Dichter des Nibelungenliedes die mythische Verbindung zwischen Troja und Xanten noch bekannt 14 Auch stellte er uber die Burgunden eine Verbindung zu den Franken her Asciburgium Bearbeiten Hauptartikel Asciburgium Eine Parallele zur gallotrojanischen Legendenbildung am Niederrhein bildet der Mythos der bei Tacitus erwahnten Grundung des Ortes Asciburgium Moers Asberg durch Odysseus den es auf seinen Irrfahrten an den Rhein verschlagen haben soll Ceterum et Ulixen quidam opinantur longo illo et fabuloso errore in hunc Oceanum delatum adisse Germaniae terras Asciburgiumque quod in ripa Rheni situm hodieque incolitur ab illo constitutum nominatumque aram quin etiam Ulixi consecratam adiecto Laertae patris nomine eodem loco olim repertam monumentaque et tumulos quosdam Graecis litteris inscriptos in confinio Germaniae Raetiaeque adhuc extare Ubrigens glauben einige dass auch Ulixes auf seiner langen und sagenhaften Irrfahrt in jenen Ozean verschlagen die Kusten Germaniens betreten habe und dass das am Ufer des Rheins gelegene Asciburgium das noch heute bewohnt wird von ihm begrundet und benannt sei ja es sei sogar ein Altar der von Ulixes unter Beifugung seines vaterlichen Namens Laertes sei an eben jener Stelle einst gefunden worden 15 Literatur BearbeitenHans Hubert Anton Troja Herkunft origio gentis und fruhe Verfasstheit der Franken in der gallisch frankischen Tradition des 5 bis 8 Jahrhunderts In Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung MIOG Band 108 Heft 1 2 Oldenbourg 2000 ISSN 0073 8484 S 1 30 Johnathan Barlow Gregory of Tours and the Myth of the Trojan Origins of the Franks In Fruhmittelalterliche Studien Band 29 de Gruyter Berlin 1995 S 86 95 englisch uni muenster de Eugen Ewig Troiamythos und frankische Fruhgeschichte In Dieter Geuenich Hrsg Die Franken und die Alemannen bis zur Schlacht bei Zulpich 496 97 Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Erganzungsbande Band 19 de Gruyter Berlin 1998 ISBN 3 11 015826 4 S 1 30 Eugen Ewig Troja und die Franken In Rheinische Vierteljahrsblatter Band 62 Rohrscheid Bonn 1998 S 1 16 mgh bibliothek de PDF Eugen Gerritz Troia sive Xantum Beitrage zur Geschichte einer niederrheinischen Stadt Gesthuysen Xanten 1964 Eugen Gerritz Das trojanische Xanten In Kreisverwaltung Moers Hrsg Heimatkalender 1966 fur den Kreis Moers 23 Jahrgang Schiffer Rheinberg 1965 S 145 149 Heike Hawicks Sanctos Xantum Troia Zum Einfluss ottonisch byzantinischer Beziehungen auf die Toponymie im Xantener Raum In Uwe Ludwig Thomas Schilp Hrsg Mittelalter an Rhein und Maas Beitrage zur Geschichte des Niederrheins Waxmann Munster 2004 ISBN 3 8309 1380 X S 27 41 Georg Heeger Uber die Trojanersagen der Franken und Normannen Waxmann Landau in der Pfalz 1890 S 3 27 Otto Hofler Siegfried Arminius und die Symbolik Carl Winter Heidelberg 1961 Hildebrecht Hommel Die trojanische Herkunft der Franken In Bernd Manuwald Hrsg Rheinisches Museum fur Philologie Band 99 J D Sauerlander s Verlag Frankfurt am Main 1956 S 323 341 19 Seiten rhm uni koeln de PDF 3 8 MB Ingo Runde Troia sive Xantum Zu der Entstehung einer ost frankischen Troiasage und ihrer Bedeutung fur die Kontinuitatsproblematik im Xantener Raum In Uwe Ludwig Thomas Schilp Hrsg Mittelalter an Rhein und Maas Beitrage zur Geschichte des Niederrheins Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas Band 8 Waxmann Munster 2004 ISBN 3 8309 1380 X S 7 25 Einzelnachweise Bearbeiten Gaius Iulius Caesar De bello Gallico 1 33 2 Tacitus Annales 11 25 1 Hildebrecht Hommel Die trojanische Herkunft der Franken S 333 337 Ammianus Marcellinus Res gestae 15 9 5 Aiunt quidam paucos post excidium Troiae fugitantes Graecos ubique dispersos loca haec occupasse tunc vacua Ewig 1998 S 1 Barlow 1995 S 89 f Fredegar Chronik II 4 Postea pariti sunt in duabus partibus Una pars perrexit in Macedoniam vocati sunt Macedonis secundum populum a quem recepti sunt et regionem Macedoniae qui oppremebatur a gentes vicinas invitati ab ipsis fuerunt ut eis praeberent auxilium Per quos postea subiuncti in plurima procreatione crevissent fortissimi pugnatores effecti sunt quod in postremum in diebus Phylyphi regis et Alexandri filii sui fama confirmat Gerritz 1966 S 146 Annolied XXIII Strophe Auszug Franko gesaz mit den sinin vili verre nidir bi Rini da worhtin si duo mit vroudin eini luzzele Troii den bach hizin si Sante na demi wazzere in iri lante den Rin havitin si vure diz meri Passio Gereonis 15 In J P Migne Patrologia Latina 212 Paris 1855 Sp 766 Hawicks 2004 S38f Munze mit der Pragung JOANNES TROIANORVM REX MONETA TROIAE MINORIS Johannes Soter Hermanni Comitis Nvenarii brevis narratio De origine et sedibvs Francorum Nachdruck In Willibald Pirkheimer Descriptio Germaniae Vtriusqve Tam superioris quam inferioris Christoffel Plantijn Antwerpen 1585 S 63 68 Online Ressource abgerufen 5 April 2011 Heeger 1890 S 4 f In den Handschriften B und C des Nibelungenliedes fuhrt Hagen den Beinamen von Tronege In der Thidrekssaga wird daraus Hogni von Troia Im alteren aus dem 9 Jahrhundert stammenden Waltharius Lied heisst es Hagen sei veniens de germine Troia aus dem Geschlecht von Troja Otfrid Reinald Ehrismann Das Nibelungenlied Munchen 2005 ISBN 3 406 50872 3 S 25 Tacitus Germania 3 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Niederrheinischer Trojamythos amp oldid 227676988