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Als Massaker von Nemmersdorf werden die Ereignisse um den 21 Oktober 1944 im damals deutschen Dorf Nemmersdorf in Ostpreussen heute Majakowskoje Russland bezeichnet bei denen nach heutigen Erkenntnissen zwischen 19 und 30 Menschen getotet wurden nachdem die Rote Armee den ostpreussischen Ort besetzt hatte Im Kern dieser Ereignisse steht die Erschiessung von 13 einheimischen Zivilisten die sich vor den Kampfhandlungen zwischen der Wehrmacht und den sowjetischen Truppen in einen Bunker gefluchtet hatten Hinzu kommen sechs weitere Nemmersdorfer und moglicherweise auch einige ortsfremde Personen die bei der Einnahme Nemmersdorfs ums Leben kamen Die Hintergrunde fur den Tod der dortigen Zivilisten sind bis heute nicht restlos geklart Schlagzeile in der Braunschweiger Tageszeitung vom 27 Oktober 1944Nachdem sich die Rote Armee aus Nemmersdorf zuruckgezogen hatte versuchte das deutsche Reichsministerium fur Volksaufklarung und Propaganda die Geschehnisse in der Ortschaft im Sinne des nationalsozialistischen Regimes zu deuten Ziel war es die Reserven der deutschen Bevolkerung gegen die vorruckenden Sowjettruppen zu mobilisieren indem man diese als grausame Invasoren darstellte Zu diesem Zweck wurden nachtraglich Aufnahmen mit Erschossenen unbekannter Herkunft angefertigt und propagandistische Berichte verbreitet die von methodischen Folterungen Vergewaltigungen und Morden sprachen Das Ziel die deutsche Bevolkerung und die Weltgemeinschaft zum Kampf gegen die Rote Armee zu motivieren verfehlte diese Propaganda aber In der Bundesrepublik Deutschland wurde Nemmersdorf zum Symbol fur die Erlebnisse der ostdeutschen Bevolkerung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Die Schilderungen und Todesopfer aus der NS Propaganda wurden noch einmal gesteigert Dabei wurde auf angebliche Augenzeugenberichte Bezug genommen die weder mit der Darstellung der NS Propaganda noch mit der heute rekonstruierbaren Quellenlage ubereinstimmen In der DDR und in der Sowjetunion wurde das Massaker von Nemmersdorf tabuisiert beziehungsweise als blosse Propagandaaktion des NS Regimes dargestellt In Russland wird eine Verantwortung sowjetischer Truppen fur die Erschiessungen bis heute abgestritten Nemmersdorf gilt in Deutschland nach wie vor als Symbol fur Verbrechen der Roten Armee gegen die deutsche Bevolkerung Erst mehrere Jahrzehnte nach den Ereignissen trug der deutsche Autor Bernhard Fisch zu einer massgeblichen Revision der uber Jahrzehnte tradierten Berichte uber das Massaker von Nemmersdorf bei Die Rezeption der Nemmersdorfer Ereignisse gilt als symptomatisch fur die einseitige offentliche Aufarbeitung des Komplexes Krieg und Vertreibung in den jeweiligen Landern Inhaltsverzeichnis 1 Hergang 1 1 Kriegslage 1 2 Sowjetische Besetzung 1 3 Ruckeroberung und Inspektion 2 Propagandistische Instrumentalisierung 2 1 Offentlichkeitskampagne 2 2 Untersuchungskommission 3 Rezeption in der Nachkriegszeit 4 Aufarbeitung nach der Wende 5 Belege 5 1 Verwendete Literatur 5 2 Weblinks 5 3 EinzelnachweiseHergang BearbeitenKriegslage Bearbeiten Bis Ende Oktober 1944 hatte die Rote Armee weite Teile der von der Wehrmacht besetzten sowjetischen Gebiete zuruckerobern konnen In der Operation Bagration hatte sie die deutschen Truppen aus Belarus verdrangt und konnte bis August an die ostpreussische Grenze an die Weichsel und nach Riga vordringen Damit hatte die Rote Armee die deutschen Gebietsgewinne des Uberfalls auf die Sowjetunion von 1941 praktisch revidiert hatte aber die Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 noch nicht uberschritten Ausschlaggebend fur das Ende der sowjetischen Sommeroffensive waren vor allem die hohen Verluste die ausgeglichen werden mussten sowie uberdehnte Nachschubwege Einige Divisionen der Roten Armee lagen mit 2 000 bis 3 000 Soldaten weit unter ihrer Sollstarke von rund 10 000 Mann Die verbliebenen Reserven reichten nicht aus um nennenswerte Gebietsgewinne auf deutschem Territorium zu machen 1 Allerdings bemuhte sich der sowjetische Generalstab zum 27 Jahrestag der Oktoberrevolution einen solchen Erfolg an Stalin melden zu konnen Die Armeefuhrung hatte fur die zweite Oktoberhalfte geplant mit der 1 Baltischen Front und der 3 Weissrussischen Front im Rahmen der Gumbinnen Goldaper Operation die deutschen Truppen im nordlichen Ostpreussen zu zerschlagen um damit ganz Ostpreussen zu besetzen Es gelang der Roten Armee aber nicht sich gegen die 4 Armee durchzusetzen unter anderem weil die 1 Baltische Armee unter Howhannes Baghramjan an der Memel Halt machte und nicht ubersetzte Die Gebietsgewinne entsprachen lediglich rund 150 km Einzig die 11 sowjetische Gardearmee konnte auf ostpreussisches Gebiet vordringen und erreichte am 21 Oktober 1944 den Kreis Gumbinnen wo sie auf die 4 Armee der Wehrmacht traf und sich mit ihr erbitterte Gefechte lieferte 2 Nemmersdorf hatte mit der einzigen befahrbaren Betonbrucke in weitem Umkreis uber die Angerapp eine strategische Schlusselrolle Die nachste fur Panzer passierbare Brucke lag 6 km weiter flussabwarts in Sabadschuhnen sudlich von Nemmersdorf lag die nachste Brucke 26 km flussaufwarts in Darkehmen Seine Lage verschaffte Nemmersdorf aber nicht nur militarische Bedeutung Als Reaktion auf den Vorstoss der Roten Armee hatte Fritz Feller Bauernfuhrer des Orts und Kreises Gumbinnen mit den Kreisbehorden am 20 Oktober 1944 die Evakuierung der Bevolkerung in den sudwestlich gelegenen Kreis Gerdauen beschlossen Die Bewohner von etwa 20 ostlich der Angerapp gelegenen Dorfern waren gezwungen mit ihren Trecks Nemmersdorf zu durchqueren Bis auf einen fuhrten alle Trecks der Umgebung uber Nemmersdorf weshalb sich die Fluchtlingszuge an der Brucke stauten hinzu kamen Militarfahrzeuge auf dem Ruckzug vor der herannahenden 25 sowjetischen Panzerbrigade Warum die Wehrmacht die Brucke nicht sprengte und den herannahenden Truppen so den Weg abschnitt ist unklar Die Brucke war nach Augenzeugenberichten bereits vermint als ein Treck aus Kuttkuhnen in der Nacht vom 19 zum 20 Oktober Nemmersdorf erreichte Bernhard Fisch vermutet dass die Verantwortlichen vor Ort aus Rucksicht auf wartende Fluchtlingstrecks nicht sprengten Viele Wartende verliessen teils aus Ungeduld teils aus Angst ihre Habseligkeiten und uberquerten die Brucke nach Nemmersdorf zu Fuss 3 Nemmersdorf war nach sowjetischen Aufzeichnungen ostlich der Brucke durch zwei Schutzengraben einen Panzergraben eine Stacheldrahtlinie sowie befestigte und unbefestigte MG Nester der Wehrmacht geschutzt Die Rote Armee selbst setzte beim Sturm auf Nemmersdorf nach eigenen Angaben zehn 75 mm Geschutze vier Zugmaschinen und 150 Soldaten ausser Gefecht 4 Am fruhen Morgen des 21 Oktobers etwa gegen 6 30 Uhr erreichten zuerst die Vorhut spater die Panzer des 2 Bataillons der 25 Panzerbrigade die Nemmersdorfer Brucke an der sich nach wie vor die Fluchtlingszuge stauten Vor Ort war es schon hell aber uberaus neblig Die sowjetischen Panzer mussten sich zunachst durch die Menge der wartenden Wagen kampfen Die Brucke freizuraumen war vor allem deswegen schwierig weil die Wagen dicht gedrangt standen Zudem liefen die polnischen Kriegsgefangenen die die Wagen zumeist lenken mussten zu den Sowjetsoldaten uber als diese auftauchten Gegen 7 30 Uhr war die Brucke schliesslich von der Roten Armee eingenommen um etwa 8 00 Uhr hatte sie die Umgebung bis zum Gut Pennacken gesichert das nordwestlich von Nemmersdorf lag 5 Sowjetische Besetzung Bearbeiten nbsp Nemmersdorf mit den Schauplatzen der Ereignisse vom Oktober 1944Die meisten der 637 Nemmersdorfer hatten den Ort bereits verlassen als ihn die Rote Armee einnahm Vor allem die Einwohner die nicht uber Pferde und Wagen verfugten alt waren oder an einer Krankheit litten blieben im Dorf zuruck Insgesamt war es wohl nur eine kleinere zweistellige Zahl hinzu kamen die an der Brucke verharrenden Fluchtlinge aus den ostlich gelegenen Dorfern die die Rotarmisten gegen Nachmittag des 21 Oktober wieder abziehen liessen 6 Die Vorfalle vom 21 bis zum 23 Oktober 1944 sind schwierig zu rekonstruieren da nur wenige Augenzeugenberichte vorliegen Zudem wurden diese Berichte mit grossem zeitlichen Abstand angefertigt oder durch Dritte mundlich uberliefert Ihre Autoren standen meist der NSDAP nahe und stimmten sich vermutlich auch aufgrund personlicher Beziehungen untereinander ab Bernhard Fisch stuft die Berichte der namentlich bekannten Augenzeugen als authentisch ein macht aber bei einigen Aspekten Abstriche an ihrer Aussagekraft 7 Auch einen Bericht der nicht namentlich bekannten Frau des Dorfpolizisten den erstmals Fritz Leimbach 1956 zitierte stuft Fisch als serios ein Die Frau sei mit ihren beiden Kindern aus dem Ort geflohen als der Gefechtslarm naher ruckte Dabei habe sie ein Wehrmachtspanzer uberholt ohne anzuhalten obwohl sie der Besatzung zurief sie mitzunehmen Kurz darauf habe sie jedoch ein russischer Offizier in einem Panzerspahwagen mitgenommen ausserhalb des Ortes abgesetzt und so Leimbach in gutem Deutsch vor seinen Kameraden gewarnt 8 Auch der Malermeister Johannes Schewe der gegen Morgen des 21 Oktober zu seinem Haus ging konnte die sowjetischen Soldaten passieren wurde spater von einem Offizier auf Deutsch befragt und konnte den Ort schliesslich ungehindert verlassen Auf der Angerappbrucke wurden die Fluchtlingstrecks hingegen von sowjetischen Soldaten durchsucht gegen Nachmittag des 21 Oktobers wurde das verlassene Gepack dort auch geplundert so die Augenzeugin Gerda Meczulat 14 Zivilisten Einwohner von Nemmersdorf und evakuierte Verwandte darunter auch Gerda Meczulat hatten sich bei der Einnahme Nemmersdorfs aus Angst vor Panzergeschossen in einen behelfsmassigen Bunker zuruckgezogen der im Suden des Dorfes an einem Kanaldurchbruch errichtet worden war Nachdem es ruhiger geworden war seien einige Stunden spater zunachst ihr Vater Eduard spater Karl Kaminski ebenfalls ein Nemmersdorfer zu ihren Hausern zuruckgegangen um Kaffee und Decken zu holen Wahrend ihr Vater von den Rotarmisten durchsucht und dann durchgelassen worden sei habe man Kaminski den Zutritt zu seinem Haus verwehrt dieser sei unverrichteter Dinge in den Bunker zuruckgekehrt Am fruhen Nachmittag erschienen schliesslich sowjetische Soldaten im Bunker sprachen mit Meczulats Vater durchsuchten das Handgepack und spielten mit den anwesenden Kindern Gegen Abend sei ein hoherer Offizier erschienen woraufhin es zu einer Auseinandersetzung zwischen diesem und einem anderen Soldaten gekommen sei Anschliessend seien die Zivilisten aus dem Bunker kommandiert worden und vor dem Ausgang mittels Kopfschussen getotet worden Lediglich Gerda Meczulat uberlebte weil sie krankheitsbedingt hinfiel Sie erlitt zwar einen Kopfschuss lebenswichtige Organe wurden aber verfehlt Meczulat wurde einen Tag spater von Soldaten der Wehrmacht nach Osterode und spater ins Krankenhaus nach Neuruppin gebracht 9 Auf dem Gut Schrodershof des Nemmersdorfer Burgermeisters Johannes Grimm hatte sich gegen 7 Uhr ein Fluchtlingstreck in Bewegung gesetzt so dessen Frau Margot Er sei kurz darauf von sowjetischen Soldaten angehalten worden lediglich der erste Wagen des Trecks sei unter Gewehrfeuer davongefahren Die Rotarmisten hatten die Fluchtlinge zum Absteigen gezwungen und durchsucht Den Mannern seien Armbanduhren abgenommen worden anschliessend sei ihr Mann zur Seite gefuhrt und durch einen Schuss in die Schlafe getotet worden Von polnischen Zwangsarbeitern sei sie verkleidet und als Polin ausgegeben worden wodurch sie verschont geblieben sei 10 Die Gemeindekrankenschwester wurde in Nemmersdorf von sowjetischen Soldaten getreten und schwer verletzt Abgesehen von den Erschiessungen decken sich diese gemischten Eindrucke der Nemmersdorfer von Rotarmisten mit denen aus Dorfern der Umgebung Im sudwestlich von Nemmersdorf gelegenen Tutteln russisch Sytschjowo nahmen sowjetische Truppen am 22 Oktober Zivilisten zum Schutz vor Geschutzfeuer mit in einen Unterstand Auf dem ostlich der Brucke gelegenen Gut Eszerischken verhielten sich Rotarmisten am gleichen Tag zunachst freundlich gegenuber den Bewohnern spater vergewaltigten jedoch zwei Angehorige der Roten Armee eine junge Frau Am Montag dem 23 Oktober spielten sie nach Angaben von Augenzeugen offenbar mit dem Gedanken die Gutsbewohner zu erschiessen liessen jedoch nach dem Protest polnischer Zwangsarbeiter von diesem Vorhaben ab 11 Nach Angaben von Erika Feller die allerdings nicht vor Ort war kamen ausser den Insassen des Bunkers und dem Burgermeister auch mindestens zwei Fluchtlingsfrauen aus Eszerischken an der Brucke ums Leben als die Rote Armee den Ort hielt Die Gemeindeseelenliste weist neben sieben von Rotarmisten erschossenen Nemmersdorfern aus dem Bunker auch noch die Namen Bernhard Brosius Berta Aschmoneit die Witwe Hilgermann und das Ehepaar Wagner auf 12 Namentlich oder durch Herkunft bekannte Opfer bei der Einnahme und Besetzung Nemmersdorfs durch die Rote Armee 13 14 15 Name Herkunft Alter TodesumstandeBerta Aschmoneit Nemmersdorf 70 In ihrem Haus durch eine Kugel getotetBernhard Brosius Nemmersdorf 1885 unbekanntJohannes Grimm Nemmersdorf 37 Auf Gut Schrodershof von sowjetischen Soldaten erschossenFr Hilgermann Nemmersdorf ca 60 unbekanntHelene Hilbermann Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenFriedrich Hobeck Nemmersdorf ca 72 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenAmalie Hobeck Nemmersdorf ca 74 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenKarl Kaminski Nemmersdorf 1865 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenFr Kaminski Ehefrau Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenFr Kaminski Schwiegertochter Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenVerwandter von Kaminskis Gumbinnen unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenVerwandte von Kaminskis Gumbinnen unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenEnkelkind von Kaminskis Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenEnkelkind von Kaminskis Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenEnkelkind von Kaminskis Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenEnkelkind von Kaminskis Nemmersdorf unbekannt Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenAmalie Klaus Nemmersdorf 1881 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenMaria Koch Skardupchen 1897 unbekanntEduard Meczulat Nemmersdorf 71 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenHr Susat Nemmersdorf ca 70 Am Kanaldurchbruch von sowjetischen Soldaten erschossenHr Wagner Nemmersdorf ca 65 unbekanntFr Wagner Nemmersdorf ca 65 unbekanntGrete Gertrud Waldowski Kopischken 19 Durch Kopfschuss getotetHr M Zahlmann Gerwischken unbekannt erschossenZz Name unbekannt Arbeiterfrau Gut Eszerischken unbekannt unbekanntZz Name unbekannt Arbeiterfrau Gut Eszerischken unbekannt unbekanntNeben den hier aufgelisteten Opfern gab es weitere Personen bei denen nicht sicher festzustellen ist wo sie sich wahrend der Ereignisse in und um Nemmersdorf aufhielten und wie sie ums Leben kamen Dazu gehorten eine Schwester von Berta Aschmoneit und eine weitere Arbeiterfrau aus Eszerischken Aus einem Treck aus Schameitschen wurden moglicherweise Herta und Margitta Brandtner durch Schusse getotet Aus den Trecks wurden zudem das Ehepaar Friedrich 1868 und Matilde Rossian 1875 aus Matzutkehmen und ein Mann namens Bahr aus Augstuponen als vermisst gemeldet 16 Legt man vertrauenswurdige Augenzeugenberichte die Gemeindeseelenlisten und Fragebogenberichte zugrunde so belauft sich die Gesamtzahl der Toten in Nemmersdorf auf 23 bis 30 Die Berichte der Offiziere der Wehrmacht Hans Hinrichs und Karl Fricke die Bernhard Fisch als serios bewertet kommen auf insgesamt 26 Todesopfer in und um Nemmersdorf 17 Abgesehen von den durch Augenzeugen bezeugten Erschiessungen lasst sich aber nicht feststellen welche der Opfer mutwillig getotet wurden Auch unbeabsichtigte Todesfalle unter der Zivilbevolkerung etwa durch Panzergranaten von Wehrmacht oder Roter Armee sind moglich Eine solche Interpretation wurde in der bundesdeutschen Literatur aber in der Regel zugunsten der These fallengelassen die Menschen seien durch Sowjetsoldaten gezielt ermordet worden 18 Ruckeroberung und Inspektion Bearbeiten Bereits in der Nacht zum 21 Oktober 1944 hatte die Wehrmacht in der Garnison Insterburg Alarmeinheiten aufgestellt Das deutsche Panzergrenadier Ersatzbataillon 413 schickte in der Nacht zum 22 Oktober etwa 100 Mann nach Nemmersdorf die von Oberleutnant Louis Rubbel und Feldwebel Helmut Hoffmann angefuhrt wurden und das Dorf von Westen angriffen Sie konnten die Angerapphohe sudlich des Dorfes erreichen wahrend Einheiten der Fallschirm Panzer Division Hermann Goring unabhangig von ihnen das Dorf von Nordwesten angriffen Nach mehreren Gefechten im Laufe des 22 Oktobers zog sich die Rote Armee am 23 Oktober 1944 gegen 2 30 Uhr aus Nemmersdorf zuruck 6 Der Ruckzug der Roten Armee wurde von den deutschen Truppen erst nach etwa sechs bis acht Stunden am Morgen des 23 Oktobers bemerkt Zu den ersten Deutschen die den Ort danach inspizierten gehorten Helmut Hoffmann und der Soldat Harry Thurk aus der Division Hermann Goring Auch der Kreisbauernfuhrer Fritz Feller begab sich umgehend nach Nemmersdorf als er vom Abzug der Sowjettruppen erfuhr Am 23 oder 24 Oktober traf mit Karl Gebhardt nicht nur ein SS Generalleutnant sondern auch der Leibarzt von Heinrich Himmler ein Als die ersten offiziellen Inspekteure der Geheimen Feldpolizei am 25 Oktober in Nemmersdorf eintrafen waren dort bereits zahlreiche Angehorige der SS und NSDAP anwesend darunter drei Sicherheitspolizisten aus Gumbinnen eine Abordnung der SS Standarte Kurt Eggers sowie eine NSDAP Kommission unter dem ostpreussischen Gaupropagandaleiter Martins Daruber hinaus hatten auch die Heeresgruppe Mitte und die Luftwaffe jeweils einen Kriegsberichterstatter nach Nemmersdorf abkommandiert zu denen am 25 Oktober auch noch Hans Hinrichs vom Oberkommando der Wehrmacht ein Kriegsgerichtsrat Groch und Hauptmann Karl Fricke vom Oberkommando der 4 Armee stiessen Die Vertreter von Wehrmacht und SS wurden unabhangig voneinander nach Nemmersdorf entsandt was sich daran ablesen lasst dass die ersten SS Einheiten vor den offiziellen Inspekteuren der Wehrmacht in Nemmersdorf eintrafen offenbar war ein direkter Nachrichtenweg von der ostdeutschen Front zum SS Reichsfuhrer Heinrich Himmler vorhanden 19 nbsp Eines der 1944 angelegten Massengraber Im heutigen Majakowskoje gibt es keinen Grabstein der auf Einzel oder Massengraber hinweist Von diesen fruhen Zeugen liegen Berichte von Hoffmann Thurk der Geheimen Feldpolizei sowie von Hinrichs und Fricke vor Hoffmann gab seine Beobachtungen etwa 65 Jahre spater Bernhard Fisch zu Protokoll alle anderen Zeugen verfassten sie schriftlich Alle Berichte aus dieser Zeit stimmen stark uberein sowohl hinsichtlich der Szenerie als auch mit Blick auf die Opferzahlen Vermerkt wurden Tote am Kanalbunker neun bis zehn in den Hausern ostlich des Dorfplatzes eine alte Frau in ihrem Wohnzimmer im gegenuberliegenden Haus ein Ehepaar und eine junge Frau Grete Waldowski sowie an der Brucke zwei Frauen und ein Saugling Abseits der Hauptstrasse berichtete Harry Thurk von einem toten alteren Mann auf einem Misthaufen dem eine Mistgabel im Brustkorb steckte Daruber hinaus vermerkt Thurk eine Frau die an einen Scheunenflugel aufgehangt worden und kurz nachdem er sie gesehen hatte abgenommen worden sei 20 In der Frage ob es in Nemmersdorf zu Vergewaltigungen kam sind sich die Berichte uneinig Hoffmann verneint dies die Geheime Feldpolizei hielt sie bei einer Frau auf der Brucke fur moglich Die im Dorf gefundenen Leichen wurden von den Inspekteuren zunachst der Hitze wegen in einem Massengrab auf dem Dorffriedhof beerdigt Spater wurden die Leichen exhumiert und untersucht die Geheime Feldpolizei notierte 13 Frauen acht Manner und funf Kinder Von den Leichen wurden anschliessend Fotos angefertigt es ist aber unklar wie stark die Leichen fur die Bilder manipuliert wurden Wenn diese ersten Bilder mit den spater vom deutschen Propagandaministerium verbreiteten identisch sind wurden den Frauen zumindest die Rocke hoch und die Unterwasche herabgezogen 17 Dies legt bereits eine propagandistische Absicht nahe Uberlegungen der Pietat hatten hingegen eine Bedeckung der Toten nach sich gezogen so Bernhard Fisch Unklar ist auch wer die Toten identifizierte hierzu machen die Quellen widerspruchliche Angaben Wahrscheinlich handelte es sich um Gertrud Hobeck die als Krankenschwester in Insterburg tatig war und ihre Eltern und andere Dorfbewohner erkannte Die aus dem Kreis Darkehmen stammende Grete Waldowski wurde offenbar anhand ihrer Kennkarte identifiziert Der weitere Verbleib der Leichen ist ungeklart Im heutigen Majakowskoje gibt es keinen Grabstein der auf Einzel oder Massengraber hinweist Auch Fotos von einer solchen Grabstatte existieren nicht Eine anonyme Bestattung ware selbst fur die Endphase des Zweiten Weltkrieges ausserst ungewohnlich im Fruhjahr 1945 wurden selbst in der Schlacht gefallenen Soldaten noch an Ort und Stelle Grabkreuze mit Inschrift gesetzt 21 Der Zustand des Dorfes nach den Kampfhandlungen ist unklar Laut Thurk sei es weitgehend unbeschadet gewesen was er angesichts des Artilleriebeschusses durch die Wehrmacht erstaunt zur Kenntnis genommen habe Auch Bernhard Fisch der das verlassene Dorf am 27 Oktober 1944 als junger Soldat in Augenschein nahm beschreibt den westlichen Teil Nemmersdorfs als vollig intakt 22 Wahrend Fritz Feller dies in seinem Fragebogenbericht von 1944 bestatigte reichen die Schilderungen von ehemaligen Nemmersdorfern in spateren Jahrzehnten von mehreren zerstorten Hausern bis hin zu einer volligen Zerstorung des Dorfs Fritz Feller selbst sprach spater davon der Ort sei zu zwei Dritteln zerstort gewesen Diese Diskrepanzen lassen sich zum Teil durch unterschiedlich betroffene Ortsteile erklaren Zudem ist es moglich dass durchziehende Landser das verlassene Dorf nach dem Abzug der ersten Inspekteure verwusteten wie dies auch im Umland von Nemmersdorf vorkam 23 Propagandistische Instrumentalisierung Bearbeiten nbsp Aufnahme einer deutschen Propagandakompanie mit Leichen in Nemmersdorf Tote Frauen wurden bewusst mit hochgezogenen Rocken fotografiert um sie als Vergewaltigungsopfer darzustellen Das deutsche Reichspropagandaministerium unter Joseph Goebbels erkannte die Bedeutung der Nemmersdorfer Vorfalle fur eine propagandistische Auswertung moglicherweise wurden bereits vor der Einnahme Nemmersdorfs durch die Rote Armee Vorbereitungen fur eine entsprechende Instrumentalisierung getroffen So war dem Ministerium der Stimmungsumschwung in der deutschen Bevolkerung bekannt die der NS und Wehrmachtfuhrung angesichts der fortgesetzten Niederlagen deutscher Truppen an der Ost und Westfront 1944 zunehmend skeptisch gegenuberstand Es arbeitete intensiv an Gegenmassnahmen um die Kriegsmoral der Deutschen wiederherzustellen 24 Noch bevor die Wehrmacht das Dorf angriff gingen leitende Stellen von der Gewissheit aus dass in Nemmersdorf Zivilisten umgebracht worden waren 25 Offentlichkeitskampagne Bearbeiten Nachdem ihn die ersten Berichte aus Nemmersdorf erreicht hatten notierte Goebbels in seinem Tagebuch dass er zu Nemmersdorf eine grosse Presseerklarung plane Auf Basis der Berichte von NSDAP SS und Wehrmacht Angehorigen vor Ort erschien schliesslich am 27 Oktober 1944 im Volkischen Beobachter und anderen reichsdeutschen Zeitungen ein Artikel uber Nemmersdorf Er nannte keine genaue Opferzahl fugte aber zu den Toten aus den fruhen Berichten mehrere niedergemachte Frauen hinzu die allesamt per Genickschuss getotet und ausgeraubt worden seien Der Volkische Beobachter behauptete ausserdem dass alle Hauser Nemmersdorfs von Rotarmisten geplundert und zerstort worden seien dass die Evakuierung des Orts planmassig verlaufen sei und dass es sich beim Einrucken der Roten Armee uber einen plotzlichen Vorstoss gehandelt habe der einige Dorfbewohner uberrascht habe Am Tag darauf folgte eine Reportage eines PK Mannes und ein ausfuhrlicherer Bericht der auch Todesopfer aus der weiteren Region behandelte und auf insgesamt 61 Tote kam Die Belastbarkeit dieser Zahlen ist ungeklart Der Volkische Beobachter subsumierte alle Toten unter dem Stichwort Nemmersdorf um die propagandistische Wirkung zu verstarken Wochenschauaufnahmen zeigten Bilder der Propagandakompanie auf denen mehrere Frauen mit hochgezogenen Rocken und ein vollstandig zerstortes Dorf zu sehen waren Zwei Tage spater folgten nachweislich falsche Berichte in den NS nahen Zeitungen Fritt Folk Oslo und Courrier de Geneve Genf die die Artikel im Volkischen Beobachter bestatigten oder an Drastik noch ubertrafen 26 Untersuchungskommission Bearbeiten Parallel dazu richtete Goebbels eine internationale Untersuchungskommission ein die mit dem Esten Hjalmar Mae als Vorsitzenden und als Mitglieder mit Ausnahme eines Schweizer Arztes nur Angehorige von besetzten oder verbundeten Staaten hatte Sie befragten am 31 Oktober 1944 den Volkssturmmann Emil Radunz den Kriegsgerichtsrat Paul Groch Hans Hinrichs Charlotte Muller von Gut Eszerischken einen Stabsarzt namens William einen Leutnant Saidat und einen Reporter Keiner von der Luftwaffe der die Aufnahmen aus Nemmersdorf angefertigt hatte Die Zeugen wurden vor ihrer Befragung durch Eberhard Taubert unter vier Augen belehrt ihre Aussagen wurden mit ihm zuvor durchgesprochen Insbesondere die Schilderungen von Radunz und Saidat spitzten die Darstellungen der NS Presse noch einmal zu So war von Verschleppungen nach Sibirien ausnahmsloser Vergewaltigung aller Nemmersdorferinnen und einem toten Schweizer die Rede Auch uber die Tagung der Untersuchungskommission berichtete der Volkische Beobachter Sie war fur Goebbels nicht nur ein Versuch die deutsche Offentlichkeit noch weiter aufzurutteln sondern richtete sich vor allem auch an auslandische Staaten und Medien die damit fur den Kampf gegen die Sowjetunion gewonnen werden sollten 27 Weder die inlandische Pressekampagne noch die Untersuchungsmission hatte jedoch nennenswerte Erfolge Der NS Propaganda gelang es nicht Fragen nach den Ursachen des sowjetischen Vorstosses und ihrer Evakuierungspolitik in der Bevolkerung zu zerstreuen So wurde etwa die Frage laut warum Zivilisten im Kampfgebiet nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden seien worauf die Propaganda sowohl vorschob die Ernte habe noch eingeholt werden mussen als auch behauptete das Gebiet sei bereits evakuiert gewesen und lediglich Fluchtlinge seien unter den Opfern gewesen 28 Der Sicherheitsdienst des Reichsfuhrers SS berichtete aus Stuttgart die expliziten Darstellungen des Massakers von Nemmersdorf wurden in der Bevolkerung als schamlos empfunden und in einen Zusammenhang mit dem Holocaust geruckt uber den man durch heimkehrende Soldaten wusste Die Juden sind doch auch Menschen Damit haben wir den Feinden ja vorgemacht was sie im Falle eines Sieges mit uns machen durfen Insofern sei die Propaganda kontraproduktiv 29 Goebbels verbuchte seine Aktion am 10 November 1944 als Misserfolg in seinem Tagebuch und ausserte sich bis Dezember 1944 uberhaupt nicht mehr zu den Vorfallen 30 Die Wehrmachtfuhrung entschloss sich im Januar 1945 verschiedene Offiziere der Roten Armee wegen Kriegsverbrechen in Nemmersdorf anzuklagen was jedoch angesichts der Kriegslage keine Konsequenzen hatte Zu einer Veroffentlichung des Anklagetextes kam es nicht 31 Rezeption in der Nachkriegszeit BearbeitenEine neue Dynamik gewann der Fall Nemmersdorf nach Kriegsende vor dem Hintergrund der Vertreibung der deutschen Bevolkerung aus den Gebieten ostlich der Oder Neisse Linie und des aufkommenden Kalten Krieges Die Berichte uber die Ereignisse wurden in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Teil der Erinnerungskultur und erfuhren zahlreiche inhaltliche Anderungen Bereits 1946 gab Erich Dethleffsen zu Protokoll die sowjetischen Soldaten hatten in Nemmersdorf mehrere Personen lebendig an Scheunentore genagelt und neben einheimischen Zivilisten auch rund 50 franzosische Kriegsgefangene erschossen In den Jahren darauf meldeten sich immer mehr ehemalige Autoren zu Wort die durch Zeugen von Massenvergewaltigungen von Panzern uberrollten Zivilisten und kastrierten Mannern erfahren haben wollten Diese Schilderungen gipfelten im vermeintlichen Augenzeugenbericht den Karl Potrek 1953 unter einem Pseudonym verfasste Er sprach von 72 ermordeten Frauen und Kindern in Nemmersdorf Kreuzigungen nackter Frauen an Scheunenturen und Axtmorden an alten Frauen Unter den Toten sei nur ein einziger erwachsener Mann der Rest seien Frauen und Kinder gewesen Laut Potrek wurden die Toten erst nach funf Tagen bestattet was mit keiner der Aussagen fruherer Zeugen vereinbar ist Von den Toten am Behelfsbunker oder auf Gut Schrodershof war in den bundesdeutschen Berichten der Nachkriegszeit hingegen nur noch selten die Rede Potreks Aussagen wurden 1971 von Rudolf Grenz veroffentlicht 32 Neben Potrek berief sich Grenz auch auf eine Reihe weiterer fragwurdiger Zeugen durch Augenzeugen verburgte Begebenheiten sind in seinem Werk oft stark dramatisiert und teils verfalscht Werke aus spateren Jahrzehnten unter anderem von Alfred de Zayas beriefen sich haufig auf Grenz und seine Zeugen vor allem Karl Potrek der wahrscheinlich nie vor Ort war wurde am haufigsten zitiert 33 Die Zeitzeugen Gerda Meczulat und Johannes Schewe veroffentlichten zwar Ende der 1970er ihre Erinnerungen sie wurden jedoch auch von spateren Autoren ubergangen Fotografien der Propagandakompanie sowie Berichte und Artikel offizieller NS Stellen wurden im bundesdeutschen Diskurs als verlassliche Quellen betrachtet Lediglich de Zayas bemuhte sich um eine Uberprufung einiger Berichte durch ihre noch lebenden Urheber 34 Die Zuspitzung der Berichterstattung uber Nemmersdorf in der Bundesrepublik erklaren Eva und Hans Henning Hahn als Verdrangung einer deutschen Mitverantwortung fur die Aussiedlung der deutschen Bevolkerung aus den Ostgebieten 35 Bernhard Fisch vermutet hingegen eine Reaktion auf den Blockgegensatz im Kalten Krieg bei dem der ideologische Gegner Sowjetunion damonisiert wurde 36 Aufarbeitung nach der Wende BearbeitenBernhard Fisch beschaftigte sich seit seiner Jugend und Aussiedlung in die Deutsche Demokratische Republik mit Nemmersdorf konnte aber lange Zeit kaum dazu forschen da die DDR Fuhrung die Aufarbeitung sowjetischer Kriegsverbrechen unterdruckte Die Sowjetunion wiederum bestritt von Anfang an jede Verantwortung fur die Vorfalle sie werden auch in jungeren russischen Geschichtsbuchern noch als reine Propagandaaktion des NS Regimes dargestellt Erst nach der deutschen Wiedervereinigung konnte Fisch offen zu Nemmersdorf forschen und bis 1994 noch lebende Zeitzeugen ausfindig machen Diese widersprachen ausdrucklich allen nach Kriegsende aufgekommenen Darstellungen des Geschehens und relativierten auch einige der Behauptungen des Volkischen Beobachters Fisch gelang es ab Ende der 1990er das Geschehen in und um Nemmersdorf in vielen Teilen zu rekonstruieren wies aber auch auf bedeutende Lucken in den Quellen hin die es nicht moglich machten die Ereignisse vollstandig nachzuzeichnen So ist etwa nach wie vor ungeklart aus welchen Grunden Rotarmisten in Nemmersdorf Zivilisten erschossen haben oder welche Absichten hinter der Entsendung hochrangiger SS und NSDAP Mitglieder an den Ort des Massakers standen 25 Mit Blick auf die veranderte Quellenlage ubten Fisch sowie Eva und Hans Henning Hahn 35 scharfe Kritik an fruheren westdeutschen Historikern die das Massaker von Nemmersdorf fahrlassig unkritisch oder verfalschend dargestellt hatten 37 Neben dem Lob fur seine Quellenarbeit 38 39 brachten diese Deutungen Fisch allerdings auch Kritik ein So bemangelt etwa Karl Heinz Frieser dass Fischs Darstellung fast ausschliesslich auf mundlichen Zeitzeugenberichten beruhe und in ihrer Interpretation der Ereignisse zu positiv gegenuber der Roten Armee ausfalle Frieser bemangelt eine Verzerrung die sich durch den grossen zeitlichen Abstand die notwendigerweise unvollstandige Befragung von Augenzeugen und eine einseitige Gewichtung von Quellen die Fischs Deutung widersprachen Einen von Fischs Rekonstruktion abweichenden Ablauf der Ereignisse in Nemmersdorf stellt Frieser nicht dar Er bringt das Geschehen aber in einen Zusammenhang mit Kriegsverbrechen die sowjetische Soldaten flachendeckend in Ostpreussen begangen hatten eventuell auch mit Billigung der Armeefuhrung Fur ihn stellt das Massaker von Nemmersdorf einen kurzen Motivationsschub fur die deutschen Soldaten dar mit dem Stalin die Herrschaft Hitlers vorubergehend stabilisiert und damit seinen Sturz hinausgezogert habe 40 Ian Kershaw schildert das Massaker von Nemmersdorf in seiner Monografie zur Niederlage des Dritten Reiches vor allem anhand zeitgenossischer Militarberichte Fischs Buch von 1997 und Theodor Schieders Bericht zur Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten aus den 1950er Jahren und kommt zu ahnlichen Opferzahlen wie Fisch Er schliesst sich Friesers Kritik an Fischs Buch vorsichtig an er habe die sowjetischen Soldaten an einigen Stellen zu positiv dargestellt Die Hergange in Nemmersdorf so Kershaw seien bis heute unklar und angesichts der Verquickung authentischer Berichte mit zeitgenossischer Propaganda und Verklarung im Nachkriegsdeutschland schwer zu rekonstruieren Das dadurch entstandene Bild des Massakers von Nemmersdorf sei in seinen Folgen sehr viel wirkmachtiger gewesen als faktengetreue Aufarbeitungen der Ereignisse 41 In der historischen Forschung gilt das Massaker heute als Kriegsverbrechen der sowjetischen Soldaten 42 43 Es wird in Deutschland als Vorzeichen fur die Verbrechen gedeutet die diese bei ihrem weiteren Vormarsch begingen namentlich die Massenvergewaltigungen des Jahres 1945 44 45 Belege BearbeitenVerwendete Literatur Bearbeiten Frank Bajohr Dieter Pohl Der Holocaust als offenes Geheimnis die Deutschen die NS Fuhrung und die Alliierten Beck Munchen 2006 ISBN 978 3 406 54978 6 Bernhard Fisch Nemmersdorf Oktober 1944 Was in Ostpreussen tatsachlich geschah edition ost Berlin 1997 ISBN 3 932180 26 7 Bernhard Fisch Was haben die Augenzeugen wirklich gesehen Erfahrungsbericht uber die Quellen zu den Ereignissen im ostpreussischen Nemmersdorf am 21 und 22 Oktober 1944 In Bulletin fur Faschismus und Weltkriegsforschung Band 12 1999 S 30 65 Bernhard Fisch Nemmersdorf 1944 nach wie vor ungeklart In Gerd Ueberschar Hrsg Orte des Grauens Verbrechen im Zweiten Weltkrieg Primus Darmstadt 2003 ISBN 3 89678 232 0 S 155 167 Bernhard Fisch Nemmersdorf im Oktober 1944 In Elke Schersjanoi Hrsg Rotarmisten schreiben aus Deutschland Briefe von der Front 1945 und historische Analysen K G Sauer Munchen 2004 ISBN 3 598 11656 X S 287 304 Bernhard Fisch Nemmersdorf 1944 ein bisher unbekanntes zeitnahes Zeugnis In Zeitschrift fur Ostmitteleuropa Forschung Band 56 1 2007 S 105 114 doi 10 25627 20075618692 Karl Heinz Frieser Die erfolgreichen Abwehrkampfe der Heeresgruppe Mitte im Herbst 1944 In Karl Heinz Frieser Hrsg Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Band 8 Die Ostfront 1943 44 Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2007 ISBN 978 3 421 06235 2 S 619 622 Rudolf Grenz Stadt und Kreis Gumbinnen Eine ostpreussische Dokumentation Kreisgemeinschaft Gumbinnen in der Landsmannschaft Ostpreussen e V Marburg Lahn 1971 Hans Goldenbaum Nicht Tater sondern Opfer Ilja Ehrenburg und der Fall Nemmersdorf im kollektiven Gedachtnis der Deutschen In Hallische Beitrage zur Zeitgeschichte Band 17 2007 S 7 38 Eva Hahn Hans Henning Hahn Die Vertreibung im deutschen Erinnern Legenden Mythos Geschichte Schoningh Paderborn 2010 ISBN 978 3 506 77044 8 Ian Kershaw Das Ende Kampf bis in den Untergang NS Deutschland bis 1944 45 Deutsche Verlags Anstalt Munchen 2011 ISBN 978 3 421 05807 2 S 166 182 Alexander Mikaberidze Hrsg Atrocities Massacres and War Crimes An Encyclopedia 2013 ISBN 978 1 59884 925 7 Henning Kohler Deutschland auf dem Weg zu sich selbst Eine Jahrhundertgeschichte Hohenheim Stuttgart 2002 ISBN 3 89850 057 8 Alfred M de Zayas Die Anglo Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen Ullstein Berlin 1996 ISBN 3 548 33206 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Massaker von Nemmersdorf Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Was geschah beim Massaker in Nemmersdorf Die Welt 28 Mai 2013 Eine erschossene Frau hockte am Strassenrand Einzelnachweise Bearbeiten Fisch 1997 S 8 Fisch 1997 S 9 Fisch 1997 S 104 118 Fisch 1997 S 79 Fisch 1997 S 119 120 a b Fisch 1997 S 155 Fisch 1997 S 33 41 Fisch 1997 S 169 Fisch 1997 S 121 123 Fisch 1997 S 121 124 Fisch 2003 S 156 157 Fisch 1997 S 125 Fisch 1997 S 124 125 Fisch 2003 S 159 160 Fisch 2007 S 108 109 Fisch 1997 S 124 126 a b Fisch 2003 S 159 161 Fisch 1997 S 126 Fisch 2003 S 158 165 Fisch 1997 S 132 Fisch 1997 S 134 136 Fisch 1997 S 27 28 Fisch 1997 S 131 140 Fisch 1997 S 141 144 a b Fisch 2003 S 165 Fisch 1997 S 144 152 Fisch 1997 S 155 159 Kershaw 2011 S 175 Peter Longerich Davon haben wir nichts gewusst Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933 1945 Siedler Munchen 2006 S 310 Fisch 1997 S 150 Fisch 1997 S 162 163 Grenz 1971 S 635 de Zayas 1996 S 97 Fisch 1997 S 160 172 a b Hahn amp Hahn 2010 S 64 Fisch 1997 S 172 Fisch 1997 S 171 172 Goldenbaum 2007 S 35 Hahn amp Hahn 2010 S 55 56 Frieser 2007 S 620 621 Kershaw 2011 S 168 172 578 159 Bajohr amp Pohl 2006 S 122 Mikaberidze 2013 S 752 Kohler 2002 S 432 Hubertus Knabe Tag der Befreiung Das Kriegsende in Ostdeutschland Propylaen Berlin 2005 S 39 f Dittmar Dahlmann Die Rote Armee und der Grosse Vaterlandische Krieg In Manuel Becker Hrsg Der militarische Widerstand gegen Hitler im Lichte neuer Kontroversen XXI Konigswinterer Tagung vom 22 24 Februar 2008 LIT Munster 2008 S 130 54 52 22 065555555556 Koordinaten 54 31 N 22 4 O nbsp Dieser Artikel wurde am 12 Oktober 2014 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Massaker von Nemmersdorf amp oldid 239004977