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Das Kastell Steincheshof ist ein ehemaliges romisches Standlager am Niedergermanischen Limes zwischen den Nachbarkastellen Quadriburgium und Burginatium bzw zwischen den modernen Orten Kleve und Kalkar Der seit anderthalb Jahrhunderten durch sein hohes Fundaufkommen bekannte Platz war immer als zivil und nicht als militarisch interpretiert worden Erst in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten moderne geophysikalische Untersuchungsmethoden am Steincheshof unweit der Sommerlandstrasse den Nachweis dass unter diesem Fundplatz ein weiteres romisches Militarlager des linken Niederrheins verborgen liegt Der Niedergermanische Limes ist seit 2021 Teil des UNESCO Weltkulturerbes Kastell SteincheshofAlternativname Kastell Till SteincheshofLimes Niedergermanischer LimesDatierung Belegung neronisch flavisch bis 3 Jh Typ AuxiliarkastellEinheit a cohors quingeniaria equitatab ala quingeniaria oder cohors milliaria equitataGrosse a ca 1 94 2 25 hab ca 3 6 haBauweise Holz Erde LagerErhaltungszustand obertagig nicht sichtbares BodendenkmalOrt Bedburg Hau Till MoylandGeographische Lage 51 46 30 N 6 14 59 4 O 51 775 6 2498416666667 20 Koordinaten 51 46 30 N 6 14 59 4 OHohe 20 m u NHNVorhergehend Quadriburgium westlich Anschliessend Burginatium sudsudostlich Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Forschungsgeschichte 3 Befunde und Interpretation 4 Fundmaterial und Datierung 5 Belegung 6 Denkmalschutz 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 AnmerkungenLage Bearbeiten nbsp Flussterrassenbildung nbsp Niedergermanischer LimesTopographisch befindet sich das heutige Bodendenkmal wie fur die romischen Garnisonen am Niederrhein insgesamt typisch auf der den Rhein flankierenden so genannten Niederterrasse Da die Terrassen immer hochwasserfrei waren boten sie sich zu Siedlungszwecken geradezu an alle romischen Militarlager zwischen Novaesium und Burginatium lagen auf der Terrassenkante Unmittelbar ostlich der Fundstelle fallt das Gelande auch heute noch jah um zwei bis drei Meter zum Auenbereich hin ab Ob sich dort zur romischen Zeit ein aktiver oder ein toter Rheinarm befand wird derzeit im Rahmen eines Projektes des LVR Amtes fur Bodendenkmalpflege noch untersucht In romischer Zeit befand sich die Garnison am Steincheshof acht bis neun Kilometer nordnordwestlich von Burginatium sowie funf Kilometer ostlich von Quadriburgium und neun bis zehn Kilometer sudsudostlich von Harenatium entfernt Im modernen Siedlungsbild befindet sich der Fundplatz auf dem Gelande eines landwirtschaftlichen Anwesens des Steincheshofs unweit des Ortsteils Till Moyland der Gemeinde Bedburg Hau Der unmittelbar sudwestlich des Hofes vorbeifuhrende Feldweg folgt ungefahr dem Verlauf der antiken Via principalis 1 Forschungsgeschichte BearbeitenDie als Trummerstelle bekannt gewordene romerzeitliche Fundstelle am Steincheshof wird bereits seit rund 150 Jahren erwahnt Auch archaologische Ausgrabungen waren bereits im 19 Jahrhundert und dann erneut in den 1930er Jahren dort vorgenommen worden jedoch blieben diese Aktivitaten in allen Fallen undokumentiert In der wissenschaftlichen Diskussionen um den Fundplatz war dieser stets als zivile Siedlung oder Villa rustica nicht jedoch als militarisch genutzter Ort angesprochen worden Um die Fundzone genauer eingrenzen zu konnen fuhrte die Aussenstelle Xanten des LVR Amts fur Bodendenkmalpflege im Rheinland im Herbst 2008 und im Fruhjahr 2009 eine Feldbegehung am Steincheshof durch Dieser Begehung wurde ein Grundraster von funf mal funf Metern zugrunde gelegt und so die Dichte der Ziegelstreuung ermittelt Ausserdem konnte weiteres Fundgut aufgelesen werden Dabei wurden fruhere Beobachtungen einer dunkleren Schicht bestatigt die eine sich flachig uber den mutmasslichen Kernbereich des Fundgebiets ausbreitet Das bei dieser Begehung erfasste romerzeitliche Fundspektrum deckte ungefahr die Zeitspanne zwischen der neronisch flavischen Epoche bis in das 2 3 Jahrhundert ab Spatantikes Material fehlte vollstandig Erst ab etwa dem 7 Jahrhundert dokumentieren weitere Funde die frankische Zeit Anschliessend erfolgte eine Geomagnetische Prospektion die im Rahmen von drei Kampagnen im Fruhjahr und Herbst 2009 sowie im November 2010 durch Mitarbeiter und Studenten des Archaologischen Instituts der Universitat Koln durchgefuhrt wurde Insbesondere die durch das Magnetometer aufgenommenen Daten lieferten sehr gute Ergebnisse die den Befund eines romischen Kastells eindeutig belegten auch wenn sich die Praetentura die hier den nordlichen Lagerbereich bildet aufgrund der rezenten Bebauung durch den Steincheshofs nicht feststellen liess 2 Von August 2010 bis Juni 2011 legten Mitarbeiter der Aussenstelle Xanten drei Sondierungsschnitte an um die wichtigsten Fragen zu klaren die sich nach den geomagnetischen Untersuchungen ergeben hatten 3 Fur die kommenden Jahre sind weitere kleinere Ausgrabungen geplant um neue Erkenntnisse uber das Kastell Steincheshof zu gewinnen Befunde und Interpretation BearbeitenDas altere kleinere Kastell war vermutlich als Holz Erde Lager konstruiert Mit seiner durch die rezente Bebauung verdeckten Pratorialfront Vorderfront war es nach Nordnordwest zur Flussterrassenkante hin ausgerichtet Seine Breite betrug rund 125 Meter die Langsausdehnung durfte bei etwa 155 Meter bis 180 Meter gelegen haben woraus sich eine um und uberbaute Flache von 1 94 bis 2 25 Hektar ergab Die Umwehrung bestand aus einem Erdwall und einem einfachen Spitz Graben die Gesamtbreite von Wall und Graben betrug etwa 15 Meter An den abgerundeten Ecken waren keinerlei Turmbauten nachweisbar Die Umwehrung des jungeren grosseren Kastells umfasste und bedeckte bei einer Langsausdehnung von etwa 195 Metern und einer Breite von circa 185 Meter eine Lagerflache von insgesamt rund 3 6 Hektar Auch diese turmlose Wehranlage bestand aus einem Erdwall und einem einfachen Spitz Graben von insgesamt rund 15 Meter Breite An der Ostseite zeigte sich im Magnetogramm eine Torkonstruktion die als Porta principalis dextra rechtes Seitentor angesprochen wird Wahrend sich zwischen der grosseren ausseren und der kleineren inneren Wehranlage keine Bebauungsspuren erkennen liessen war die Innenflache des kleineren Kastells von deutlichen Gebaudekonturen gepragt Zumindest einige dieser Innenbauten waren in ziegelgedeckter Fachwerkbauweise ausgefuhrt Beiderseits der im Magnetogramm ausgepragt zu erkennenden breiten sich in nordsudlicher Ausrichtung erstreckenden Via praetoria Lagerhauptstrasse in der Mittelachse des Kastells befanden sich rechteckige Baustrukturen mit einer Grosse von jeweils etwa 45 18 Meter die als Mannschaftsbaracken angesprochen werden Der Bereich der im Zentrum des Kastells anzunehmenden Principia Stabsgebaude ist von der modernen Hofbebauung uberdeckt und war so durch das Magnetogramm nicht erfassbar Im sudostlichen Kastellbereich waren die Konturen eines moglicherweise aus Ziegelsteinen errichteten Gebaudes ungeklarter Funktion zu erkennen das die Umwehrung der jungeren Bauphase uberschneidet und somit als nachkastellzeitlich anzusehen ist Von der Porta principalis dextra aus fuhrte eine Ausfallstrasse in sudostliche Richtung auf das Nachbarkastell Burginatium zu Die sich zu beiden Seiten dieser Strasse erstreckenden Konturen von vermutlichen Steingebauden sind einer grossflachigen Zivilsiedlung des Lagers dem Vicus zuzuweisen der mit der jungeren Bauphase des Kastells korreliert Fundmaterial und Datierung BearbeitenDie im Laufe der anderthalb Jahrhunderte Forschungsgeschichte zusammengekommenen Munzreihe setzt sich aus einigen Denaren die zwischen der republikanischen Zeit und der Regierungszeit Domitians gepragt worden waren sowie einem Aureus des Nero zusammen Das bei der Begehung 2008 2009 geborgene keramische Fundmaterial liess sich von der neronisch flavischen Zeit bis ins 3 Jahrhundert datieren Unter dem Fundgut war auch ein Ziegelstempel mit dem Aufdruck V IC was sich moglicherweise als Hinweis auf die Anwesenheit eines Bautrupps der Legio VI victrix pia fidelis Domitiana dt 6 Legion mit dem Beinamen Die Siegreiche die dem Domitian treu ergebene hinweist Im Gegensatz zu den Nachbarkastellen Quadriburgium und Burginatium liegen aus dem Kastell Steincheshof keinerlei spatantike Funde vor nbsp Manica geborgenes Fragment eines Schienenarmschutzes aus dem Kastell Till SteincheshofEin bedeutender und seltener Militariafund liegt mit einer bei den Grabungen 2010 2011 geborgenen Manica vor Der aus Messing gefertigte Schienenarmschutz wurde im Bereich einer Mannschaftsbaracke in der Retentura dem ruckwartigen Lagerteil entdeckt und als Block geborgen Die Schienen dieser einst rohrenformigen Armpanzerung waren grosstenteils noch im Verbund erhalten jedoch durch die Lagerung im Boden langst zerbrochen Einige kleinere Nietstellen an einer der Schienen dienten offensichtlich der Befestigung mit einem Lederstreifen Des Weiteren fand sich eine Lochreihe die quer zu allen Schienen eingestanzt ist An ihr waren die Schienen wohl einst mittels Lederstreifen verbunden Der Armpanzer wurde in einer Planierschicht geborgen die durch Befunde der dritten von vier Bauphasen geschnitten wird Durch die keramischen Beifunde kann die Manica in die Zeit vom letzten Drittel des ersten bis in das erste Drittel des zweiten Jahrhunderts datiert werden 4 Belegung BearbeitenDer antike Name des Kastells Steincheshof ist durch keine schriftliche bzw kartographische Quelle uberliefert ebenso wenig Name und Gattung der die Garnison belegenden Einheit en Aufgrund seiner Grosse durfte es einer Ala quingeniaria einer rund 500 Mann starken Kavallerieeinheit oder einer Cohors milliaria 1000 Mann starke Infanterieeinheit als Standort gedient haben Denkmalschutz BearbeitenDas Kastell Steincheshof ist ein Bodendenkmal nach dem Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmaler im Lande Nordrhein Westfalen Denkmalschutzgesetz DSchG 5 Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig Zufallsfunde sind an die Denkmalbehorden zu melden Siehe auch BearbeitenListe der Truppenlager am Niedergermanischen Limes Liste der romischen vici in NiedergermanienLiteratur BearbeitenMarion Bruggler et al Steincheshof Ein neues Romerlager am Niederrhein In Archaologie im Rheinland 2009 S 79 82 Marion Bruggler Manuel Buess Michael Heinzelmann Matthias Nieberle Ein bislang unbekanntes Standlager am Niederrhein PDF 3 1 MB In Der Limes Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission 4 Jahrgang 2010 Heft 1 S 6 9 Marion Bruggler Christiane Dirsch Michael Drechsler Ein romischer Schienenarmschutz aus Messing PDF 2 7 MB In Der Limes Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission 6 Jahrgang 2012 Heft 1 S 8 11 Marion Bruggler Michael Drechsler Das neue Auxiliarlager Till Steincheshof Bedburg Hau Kreis Kleve In Peter Henrich Hrsg Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau 6 Kolloquium der Deutschen Limeskommission Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2466 5 S 28 37 Michael Drechsler Die Funde aus dem romischen Auxiliarkastell Till Steincheshof In Kolner und Bonner Archaeologica KuBA 3 2013 S 83 101 Michael Drechsler Neue Forschungen zum Kastell Steincheshof und der Rheingrenze zwischen Xanten und Nijmegen In Peter Henrich Hrsg Der Limes in Raetien Ober und Niedergermanien vom 1 bis 4 Jahrhundert Beitrage zum Welterbe Limes 8 Theiss Stuttgart 2014 ISBN 978 3 8062 3059 8 S 172 185 Michael Drechsler Das romische Auxiliarkastell Steincheshof und der niedergermanische Limes zwischen Xanten und Nimwegen In Bonner Jahrbucher Band 217 WBG Zabern Darmstadt 2017 ISBN 978 3 8053 5189 8 S 131 305 Weblinks BearbeitenSteincheshof Neues romisches Militarlager entdeckt Auf der Webprasenz des Archaologischen Instituts der Universitat zu Koln am 22 Januar 2011 abgerufen am 23 September 2011 Anmerkungen Bearbeiten Michael Drechsler Neue Forschungen zum Kastell Steincheshof und der Rheingrenze zwischen Xanten und Nijmegen In Peter Henrich Hrsg Der Limes in Raetien Ober und Niedergermanien vom 1 bis 4 Jahrhundert Beitrage zum Welterbe Limes 8 Theiss Stuttgart 2014 ISBN 978 3 8062 3059 8 S 172 185 hier S 182 Marion Bruggler und Michael Drechsler Das neue Auxiliarlager Till Steincheshof Bedburg Hau Kreis Kleve In Peter Henrich Hrsg Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau 6 Kolloquium der Deutschen Limeskommission Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2466 5 S 28 37 hier S 29 30 Marion Bruggler und Michael Drechsler Das neue Auxiliarlager Till Steincheshof Bedburg Hau Kreis Kleve In Peter Henrich Hrsg Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau 6 Kolloquium der Deutschen Limeskommission Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2466 5 S 28 37 hier S 32 Marion Bruggler und Michael Drechsler Das neue Auxiliarlager Till Steincheshof Bedburg Hau Kreis Kleve In Peter Henrich Hrsg Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau 6 Kolloquium der Deutschen Limeskommission Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2466 5 S 28 37 hier S 35 Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmaler im Lande Nordrhein Westfalen Denkmalschutzgesetz DSchG Memento vom 18 Juli 2011 im Internet Archive Kastelle des Niedergermanischen Limes Rheinlinie Lugdunum Batavorum Kastell Brittenburg Praetorium Agrippinae Kastell Valkenburg Matilo Kastell Leiden Roomburg Albaniana Kastell Alphen aan den Rijn Nigrum Pullum Kastell Alphen Zwammerdam Kastell Bodegraven Laurium Kastell Woerden Kastell Op de Hoge Woerd Fletio Traiectum Kastell Utrecht Fectio Kastell Bunnik Vechten Levefanum Kastell Rijswijk Mannaricium Kastell Buren Maurik Carvo Kastell Kesteren Kastell Overbetuwe Randwijk Kastell Overbetuwe Driel Castra Herculis Kastell Arnhem Meinerswijk Kastell Duiven Loowaard Carvium Kastell Rijnwaarden Harenatium Kastell Kleve Rindern Quadriburgium Kastell Qualburg Kastell Steincheshof Burginatium Kastell Altkalkar Vetera I Vetera II Kastell Wesel Buderich Kastell Alpen Drupt Calo Asciburgium Kastell Moers Asberg Kleinkastell Werthausen Gelduba Kastell Krefeld Gellep Novaesium Legionslager Neuss Kleinkastell am Reckberg Durnomagus Kastell Dormagen Buruncum Kastell Worringen Apud Aram Ubiorum Legionslager Koln Divitia Kastell Koln Deutz Flottenkastell Alteburg Romerlager Wesseling Legionslager Bonn Rigomagus Kastell Remagen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kastell Steincheshof amp oldid 236406417