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Joseph Maria Baernreither 12 April 1845 in Prag 19 September 1925 in Teplitz Schonau war ein osterreichischer Politiker Mitglied des Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses des Wiener Reichsrats Handelsminister 1898 und 1907 sowie 1916 1917 Minister ohne Portefeuille im Kabinett Clam Martinic 1 Joseph Maria BaernreitherInhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Mitteleuropa 2 Schriften Auswahl 3 Literatur 4 Einzelnachweise 5 WeblinksLeben BearbeitenBaernreither war der Sohn des reichen Wiener Gutsbesitzers und Industriellen Joseph Baernreither der in Bohmen und Galizien Unternehmen besass und dessen Frau Josefa Antonie geborene Stelz Joseph Maria Baernreither absolvierte das Kleinseiter Gymnasium in Prag 1863 mit Auszeichnung und studierte in Heidelberg und Prag Rechtswissenschaft 1866 wurde er Mitglied des Corps Guestphalia Heidelberg 2 Baernreither wurde am 14 Dezember 1871 zum Dr iur promoviert Danach war er in Prag und Reichenberg von 1871 bis 1875 provisorischer Gerichtsadjunkt Gerichtspraktikant und Richter anschliessend Ministerialvizedirektor im Justizministerium 3 Seit 1878 vertrat Baernreither als Abgeordneter im Prager Landtag die bohmischen Grossgrundbesitzer ab 1885 im Reichsrat fur den Bezirk Eger die von ihm mitbegrundete Partei des Verfassungstreuen Grossgrundbesitzes 4 Baernreither fuhlte sich stets einer liberalen und sozialreformatorischen Politik verpflichtet und wollte auch Osterreich aus der Ara des Manchesterliberalismus herausfuhren In der liberalen Ara des Ministerprasidenten Eduard Taaffe schuf er sich durch zahlreiche sozialliberale Reden und Antrage im Reichsrat ein hohes Ansehen 5 Er spielte bald innerhalb der Vereinigten deutschen Linken eine bedeutende Rolle im Parlament und war federfuhrend bei der Reform des osterreichischen Gerichtsverfahrens In der Regierung Thun Hohenstein war er von 7 Marz bis 3 Oktober 1898 kurzzeitig Handelsminister 6 7 Die tiefen politischen Differenzen mit den Deutschnationalen seiner bohmischen Heimat die ihn teilweise als Verrater und Intriganten bezeichneten machten Baernreither zum gehassten Gegner des rechten Lagers Trotz aller Bemuhungen schaffte es Baernreither bei den ersten allgemeinen Wahlen in Cisleithanien 1907 nicht wieder ins Abgeordnetenhaus gewahlt zu werden Er konnte aber seine ihm so wichtige parlamentarische Arbeit wenig spater im Herrenhaus fortsetzten wo er sich den Verfassungstreuen Linken anschloss 8 In dieser Zeit standen vor allem der Kinderschutz die bohmischen Ausgleichsverhandlungen Sprachenstreit sowie die sudslawische Frage im Mittelpunkt seiner Politik Baernreither war vor dem Ersten Weltkrieg ein Gegner der Kriegspartei und deren Wunsch nach trialistischer Angliederung Serbiens 9 Zur Kriegspartei den Befurwortern einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien gehorten die wichtigsten Exponenten der Gesamtmonarchie wie Ministerprasident Karl Sturgkh Generalstabschef Conrad von Hotzendorf Finanzminister Leon von Bilinski und Kriegsminister Alexander von Krobatin 10 Baernreither warnte vor dem Plan der Kriegspartei Serbien zu annektieren denn ein demokratisches an seine Selbstandigkeit gewohntes Volk ohne Adel und Grossgrundbesitzer mit einem ausdehnungsbedurftigen Staat revolutionaren Ursprungs konne man nicht als Reichstagsdelegation in das alte Osterreich hineinzwangen 11 Er war ausserdem ein Gegner der volligen Suspendierung der Verfassung durch die Regierung Sturgkh 7 In der Regierung Clam Martinic war Baernreither von 20 Dezember 1916 bis 23 Juni 1917 schliesslich Minister ohne Geschaftsbereich aktiv vor allem im Bereich der sozialen Fursorge Er bekam die Aufgabe ein Ministerium fur Volksgesundheit und soziale Fragen zu grunden und arbeitete die Grundzuge der Jugendfursorge mit selbstandigen Jugendamtern aus In seiner kurzen Amtszeit leistete er wesentliche Vorarbeiten fur die zukunftige Entwicklung des osterreichischen Sozialstaats 12 Baernreither war Besitzer der bohmischen Grundherrschaften Linz und Lust Nach seinem Tod am 19 September 1925 wurde er in der Familiengruft am Wolschaner Friedhof in Prag beigesetzt Sein schriftlicher Nachlass ging an das Wiener Haus Hof und Staatsarchiv heute Teil des Osterreichischen Staatsarchivs 13 Mitteleuropa Bearbeiten Als Vorsitzender des Mitteleuropaischen Wirtschaftsvereins und danach des Arbeitsausschusses fur Mitteleuropa vertrat Baernreither das Mitteleuropa Konzept Friedrich Naumanns das eine engere politische und wirtschaftliche Annaherung der beiden Kaiserreiche zum Ziel hatte 14 Im Sommer 1915 liess Baernreither eine vertrauliche Denkschrift uber das wirtschaftspolitische Verhaltnis Osterreich Ungarns zu Deutschland in einem Kreis ausgewahlter Politiker und Wirtschaftsfachleute der Monarchie und Deutschlands zirkulieren Der Autor vertrat darin die Notwendigkeit eines engen wirtschaftlichen Bundnisses mit dem Ziel der Erhohung und Sicherung der wirtschaftlichen Machtstellung Osterreich Ungarns Baernreither rechnete mit dem naturlichen Anschluss von Nachbarstaaten Durch diese erweiterten Grenzen einer wirtschaftlichen Verstandigung durch die grosse Landbrucke nach dem Orient und eine starke maritime Stellung in den nordlichen und sudostlichen Meeren Europas konnte ein Wirtschaftsblock geschaffen werden der nicht nur den grossen Weltmachten in jeder Hinsicht gewachsen ware sondern den mitteleuropaischen Volkern eine auf Wohlstand und freie Entfaltung der Krafte begrundete Kulturentwicklung gewahrleisten wurde Durch den Abschluss eines befristeten bilateralen Vertrages uber die wirtschaftliche Zusammenarbeit werde verhindert dass die kleinen europaischen Staaten isoliert den drei Weltmachten dem Britischen Empire Russland und den Vereinigten Staaten gegenuberstehen 15 Im November 1915 besprach Baernreither seine Denkschrift in Berlin unter anderem am 9 November mit dem deutschen Aussenminister Gottlieb von Jagow der aber vor allem in der Frage der Eingliederung Polens in die Habsburgermonarchie seine Bedenken mitteilte Osterreich werde Polen nicht unter Kontrolle halten verdauen konnen In welcher Form immer die Angliederung stattfindet immer wird das Deutschtum in Osterreich dadurch in seinem Einfluss geschwacht und reduziert Der Staatssekretar fur Finanzen Karl Helfferich und Jagows Stellvertreter Arthur Zimmermann stimmten der Denkschrift hingegen weitgehend zu 16 Baernreithers Begeisterung fur Mitteleuropa liess spater stark nach weil er das Konzept zunehmend fur unvereinbar mit der habsburgischen Souveranitat hielt Mitteleuropa war fur die deutsch osterreichischen Befurworter aus dem liberalen Lager und sogar fur die Deutschnationalen kein Plan auf Kosten der Donaumonarchie sondern einer zu Gunsten Deutschlands Man wollte die Monarchie durch Anlehnung an Deutschland starken nicht schwachen Nur realistischere Betrachter wie Baernreither sahen die Problematik der gespaltenen Loyalitat unter den Deutschen Osterreichs Er erkannte dass Mitteleuropa eine grossere Gefahr fur Osterreich Ungarn ware als die politischen und wirtschaftlichen Probleme die man damit zu losen hoffte 17 Schriften Auswahl BearbeitenJosef Redlich Hrsg Fragmente eines politischen Tagebuches Die sudslawische Frage und Osterreich Ungarn vor dem Weltkrieg Verlag fur Kulturpolitik Berlin 1928 Oskar Mitis Hrsg Der Verfall des Habsburgerreiches und die Deutschen Fragmente eines politischen Tagebuches 1897 1917 Verlag Holzhausen Wien 1939 Literatur BearbeitenLeopold Izak Baernreither und die Sozialpolitik Ungedruckte Dissertation Wien 1950 Karl Gottfried Hugelmann Baernreither Joseph Maria In Neue Deutsche Biographie NDB Band 1 Duncker amp Humblot Berlin 1953 ISBN 3 428 00182 6 S 528 f Digitalisat Ilse Schwarz Dr Joseph Maria Barnreither Versuch einer politischen Biographie Ungedruckte Dissertation Wien 1966 Einzelnachweise Bearbeiten Masaki Miyake J M Baernreither und Mitteleuropa Eine Studie uber den Nachlass Baernreither In Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 17 18 1964 65 S 359 398 hier S 359 Kosener Corpslisten 1960 64 675 Harald Bachmann Joseph Maria Baernreither 1845 1925 Der Werdegang eines altosterreichischen Ministers und Sozialpolitikers Verlag Schmidt Neustadt an der Aisch 1977 ISBN 3 87707 014 0 S 15 und Oskar Mitis Hrsg Josef Maria Baernreither Der Verfall des Habsburgerreiches und die Deutschen Fragmente eines politischen Tagebuches 1897 1917 Verlag Holzhausen Wien 1939 S Xi Brigitte Pellar Arbeitsstatistik soziale Verwaltung und Sozialpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten der Habsburgermonarchie Das arbeitsstatistische Amt im k k Handelsministerium und sein standiger Arbeitsbeirat Gerald Stourzh Margarete Grandner Hrsg Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft Wien 1986 ISBN 3 7028 0242 8 S 155 Harald Bachmann Joseph Maria Baernreither 1845 1925 Der Werdegang eines altosterreichischen Ministers und Sozialpolitikers Verlag Schmidt Neustadt an der Aisch 1977 ISBN 3 87707 014 0 S 15 und 28 Kurzbiographie des Osterreichischen Staatsarchivs a b Joseph Maria Baernreither In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 1 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1957 S 43 Ernst Rutkowski Hrsg Der verfassungstreue Grossgrundbesitz 1900 1904 Briefe und Dokumente zur Geschichte der osterreichisch ungarischen Monarchie Unter besonderer Berucksichtigung des bohmisch mahrischen Raumes Band 2 Verlag Oldenbourg Munchen 1991 ISBN 3 486 52611 1 S 30 Masaki Miyake J M Baernreither und Mitteleuropa Eine Studie uber den Nachlass Baernreither In Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 17 18 1964 65 S 359 398 hier S 363 William Jannen Jr The Austro Hungarian Decision For War in July 1914 In Samuel R Williamson Jr Peter Pastor Hrsg Essays On World War I Origins and Prisoners of War New York 1983 S 55 81 hier 56f Masaki Miyake J M Baernreither und Mitteleuropa Eine Studie uber den Nachlass Baernreither In Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 17 18 1964 65 S 359 398 hier S 363f Gerald Stourzh Margarete Grandner Hrsg Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft Wien 1986 ISBN 3 7028 0242 8 S 176f Oskar Mitis Hrsg Josef Maria Baernreither Der Verfall des Habsburgerreiches und die Deutschen Fragmente eines politischen Tagebuches 1897 1917 Verlag Holzhausen Wien 1939 S Xiii Henry Cord Meyer Mitteleuropa in German Thought and Action 1815 1945 The Hague 1955 S 160ff Masaki Miyake J M Baernreither und Mitteleuropa Eine Studie uber den Nachlass Baernreither In Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 17 18 1964 65 S 359 398 hier S 368f Und Fritz Fellner Denkschriften aus Osterreich Die osterreichische Mitteleuropa Diskussion in Wissenschaft und Politik 1915 16 In Emil Brix Thomas Froschl Josef Leidenfrost Hrsg Geschichte zwischen Freiheit und Ordnung Gerhard Stourzh zum 60 Geburtstag Verlag Bohlau Graz Wien Koln 1991 ISBN 3 222 11870 1 S 145 162 hier S 155f Masaki Miyake J M Baernreither und Mitteleuropa Eine Studie uber den Nachlass Baernreither In Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 17 18 1964 65 S 359 398 hier S 380 381 und Fritz Fellner Denkschriften aus Osterreich Die osterreichische Mitteleuropa Diskussion in Wissenschaft und Politik 1915 16 In Emil Brix Thomas Froschl Josef Leidenfrost Hrsg Geschichte zwischen Freiheit und Ordnung Gerhard Stourzh zum 60 Geburtstag Verlag Bohlau Graz Wien Koln 1991 ISBN 3 222 11870 1 S 145 162 hier S 156 Richard W Kapp Divided Loyalities The German Reich and Austria Hungary in Austro German Discussions of War Aims 1914 1916 In Central European History 17 1984 S 120 139 hier S 132 und 139 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Joseph Maria Baernreither im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiographie des Osterreichischen Staatsarchivs Nachlass Baernreither Josef Maria Dr iur Biographie in der osterreichischen Parlamentarierdatenbank parlament gv at archiviert vom Original am 28 Mai 2022 abgerufen am 31 Januar 2023 Baernreither Josef Maria 1845 1925 Politiker In biographien ac at Abgerufen am 31 Januar 2023 Ministerium Thun 1898 1899 Franz von Thun und HohensteinJoseph Maria Baernreither Artur Bylandt Rheidt Josef von Dipauli Adam Jedrzejowicz Josef Kaizl Michael von Kast Ignaz von Ruber Zeno Welser von Welsersheimb Heinrich von WittekMinisterium Clam Martinic 1916 1917 Heinrich Clam MartinicJoseph Maria Baernreither Michal Bobrzynski Zdenko von Forster zu Philippsberg Friedrich von Georgi Erasmus von Handel Anton Hofer Max Hussarek von Heinlein Josef von Schenk Ernst Seidler von Feuchtenegg Alexander Spitzmuller Ottokar Trnka Karl Urban Normdaten Person GND 118505858 lobid OGND AKS LCCN no2019122041 VIAF 20471172 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Baernreither Joseph MariaALTERNATIVNAMEN Barnreither Joseph MariaKURZBESCHREIBUNG osterreichischer PolitikerGEBURTSDATUM 12 April 1845GEBURTSORT PragSTERBEDATUM 19 September 1925STERBEORT Teplitz Schonau Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Joseph Maria Baernreither amp oldid 234042832