www.wikidata.de-de.nina.az
Der Hohlenbar Ursus spelaeus ist eine ausgestorbene Barenart der letzten Kaltzeit etwa 120 000 bis 10 000 v Chr Seine Stammform ist vermutlich Ursus deningeri Die Bezeichnung Hohlenbar verweist auf die Fundorte fossiler Knochen sie ist jedoch insofern irrefuhrend als Ursus spelaeus sich nach heutigem Forschungsstand nur wahrend der Winterruhe in Hohlen aufhielt Aufgrund dieses Umstandes wird der Hohlenbar als sogenanntes hohlenliebendes Tier bezeichnet HohlenbarHohlenbarenskelett in Schlafstellung in der SophienhohleZeitliches AuftretenPleistozan400 000 bis etwa 28 000 JahreFundorteEuropaSystematikOrdnung Raubtiere Carnivora Unterordnung Hundeartige Caniformia Familie Baren Ursidae Unterfamilie UrsinaeGattung UrsusArt HohlenbarWissenschaftlicher NameUrsus spelaeusRosenmuller 1794 Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung und Aussehen 2 Fundorte und Aussterben 3 Genetische Analyse 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVerbreitung und Aussehen Bearbeiten nbsp Lebendrekonstruktion eines HohlenbarenDer Lebensraum des Hohlenbaren war Europa von Nordspanien und den Pyrenaen bis zum Ural und Schwarzen Meer sowie von Sudengland bis Makedonien Seine Kopf Rumpf Lange betrug bis zu 3 5 m seine Schulterhohe zirka 1 70 m Er war somit deutlich grosser als der heutige Braunbar Die Weibchen des Hohlenbaren waren wie bei heutigen Barenarten etwas kleiner als die Mannchen Geschlechtsdimorphismus Das Gewicht eines mannlichen Hohlenbaren wird auf 600 bis 1200 kg geschatzt 1 Damit waren mannliche Hohlenbaren schwerer als ein Bison oder ein Kaffernbuffel Der Hohlenbar hatte kraftige Kiefer deren Muskeln auf der Oberseite des Kopfes an einem Scheitelkamm ansetzten Seine grossflachigen Zahne und der relativ niedrige Gehalt an Stickstoff 15 im Kollagen der Barenknochen weisen jedoch darauf hin dass er sich weitgehend von Pflanzen ernahrte 2 Er war kein typischer Vertreter der Kaltzeiten weil er infolge seiner Ernahrungsgewohnheiten nur bis zur nordlichen Grenze laubtragender Baume verbreitet war und in einem Tundren und Kaltsteppenbiotop nicht ausreichend Nahrung gefunden hatte Zur Orientierung in der beinahe kompletten Dunkelheit setzte sich der Hohlenbar Duftmarken indem er sein Fell an den Hohlenwanden rieb Diese verfarbten Stellen sind auch heute noch beispielsweise in der Hermannshohle und der Baumannshohle in Rubeland im Harz zu sehen Fundorte und Aussterben BearbeitenWie in vielen anderen Hohlen Europas fanden sich auch in der Zoolithenhohle bei Burggaillenreuth in der Frankischen Schweiz seit alters her Knochen sogenannte Zoolithen ubersetzt Tiersteine die Johann Friedrich Esper 1771 naher untersuchte und als Knochen von Baren identifizierte zunachst als die von Eisbaren die die Sintflut hierher geschwemmt habe Esper beschrieb 1774 diese Funde in einem grossformatigen Buch dem ersten das sich dem Thema fossiler Knochen allein widmet 3 4 Erst spater wurde erkannt dass es sich nicht um den Eisbaren oder Braunbaren sondern um eine grossere Barenart handelt Die Artbeschreibung in der Nomenklatur von Linne erfolgte 1794 durch den Mediziner Johann Christian Rosenmuller in seiner Dissertation anhand eines gut erhaltenen Schadels aus derselben Hohle 5 Ob der von Rosenmuller beschriebene Schadel sich heute unter den im Museum fur Naturkunde in Berlin aufbewahrten zur Rosenmullerschen Sammlung gehorenden Schadeln befindet ist unklar 6 Der Hohlenbar ist die erste ausgestorbene Saugetierart die nach dem Linneischen System beschrieben wurde Seine Aufstellung als eigene Art war ein Durchbruch fur die Saugetierpalaontologie 7 8 9 Trotz der massenhaften Ansammlung von Knochen und Zahnen in Hohlen der Frankenalb der Schwabischen Alb sowie der Steiermark war der Hohlenbar kein Hohlenbewohner Die Tiere hielten in den Hohlen lediglich ihre Winterruhe sodass es auch beim gelegentlichen Tod eines Tiers pro Hohle im Laufe Zehntausender von Jahren der Wurmeiszeit zu grossen Ansammlungen von Knochen und Zahnen kam Die sind im basischen Milieu der devonischen permischen oder jurassischen Kalke in den Karsthohlen oft bestens erhalten Da die Knochen der Hohlenbaren gelegentlich bis zu 90 Prozent aller in einer Hohle gefundenen Knochen ausmachen tragt eine Reihe von Hohlen die Namen Barenhohle Barenloch Drachenhohle oder Einhornhohle nbsp Hohlenbarenskelett in der Teufelshohle bei Pottenstein nbsp Durchbohrter BarenzahnAus Einzelknochen verschiedener Individuen zusammengesetzte Hohlenbaren Skelette werden zum Beispiel in der Baumannshohle bei Rubeland im Harz der Teufelshohle bei Pottenstein und der Heinrichshohle in Hemer ausgestellt Das Deutsche Hohlenmuseum im westfalischen Iserlohn Letmathe besitzt das nahezu komplette Skelett eines in der Dechenhohle gefundenen Jungtiers In der Drachenhohle bei Mixnitz Steiermark wurden Knochen von zirka 3000 Individuen freigelegt deren Alter auf 30 000 40 000 Jahre bestimmt wurde Eines der vollstandigsten Skelette ist in der Sophienhohle in Schlafhaltung in einem Barenbett ausgestellt nbsp Ein Wirbel mit abgebrochener Steinspitze aus dem Hohle Fels gilt als Nachweis der Bejagung durch den MenschIn welchem Ausmass Hohlenbaren von eiszeitlichen Jagern gejagt wurden ist noch weitgehend unklar Den einzigen direkten Beweis bildet eine Projektilspitze im Brustwirbel eines Hohlenbaren aus dem Hohlen Fels bei Schelklingen Der Knochen wurde in archaologischen Siedlungsschichten des Gravettien gefunden Schicht IIcf die mit 14C Daten auf etwa 29 000 BP datiert wurde 10 11 Auch in der Hohlenmalerei des prahistorischen Menschen in Sudfrankreich wurden Hohlenbaren mehrfach dargestellt Wenngleich der forschungsgeschichtliche Begriff Barenkult heute als archaologisches Konstrukt gilt konnten dennoch in einigen Hohlen exponiert aufgestellte Barenschadel gefunden werden zum Beispiel in der Chauvet Hohle Derzeit stammen jungste direkte Radiokohlenstoffdaten dieser Barenart aus der Stajnia Hohle in Polen und sind zirka 21 000 BP alt was nach aktueller Kalibrierung etwa 26 100 Kalenderjahren entspricht 12 Diese Periode fallt mit einer Abkuhlung des Klimas innerhalb des Eiszeitalters zusammen sog Greenland Stadial 3 weshalb als Ursache fur das Aussterben Klimaanderungen und ein daraus resultierender Wandel der Vegetation der Lebensgrundlage der Baren vermutet werden Ob die Art im sudlichen und ostlichen Europa langer uberlebte ist derzeit unklar 13 Der Hohlenbar starb damit schon vor der eigentlichen Quartaren Aussterbewelle am Ende der Weichsel bzw Wurmeiszeit aus Auch der Cro Magnon Mensch des Jungpalaolithikums als Verursacher einer starken Dezimierung wird diskutiert Overkill Hypothese Wie Forscher der Universitat Zurich im August 2019 mitteilten ging der Bestand der Hohlenbaren in Europa schon vor 40 000 Jahren durch menschliche Einflussnahme stark zuruck Das war die Zeit als sich der moderne Mensch hier ausbreitete Zuvor hatte die Barenart mehr als 400 000 Jahre mit mehreren Klimawechseln unbeschadet uberstanden Fur die Studie wurden die Knochenreste von 59 Hohlenbaren untersucht 14 15 Genetische Analyse BearbeitenAus einem 32 000 Jahre alten in der Chauvet Hohle entdeckten Brustbein wurde von franzosischen Forschern mitochondriale DNA gewonnen und mit der mitochondrialen DNA eines Braunbaren aus den Pyrenaen verglichen Den Ergebnissen dieser 2008 publizierten Studie zufolge sind die Hohlenbaren eng verwandt mit den Eisbaren und den Braunbaren die drei Arten stammen demzufolge von einem gemeinsamen Vorfahren ab 16 Alle anderen heute lebenden Barenarten stammen von einem anderen Ast des Barenstammbaums ab Innerhalb der Hohlenbarenlinie lassen sich im Spatpleistozan drei genetisch deutlich verschiedene Formen fassen die bisweilen als eigenstandige Arten betrachtet werden Die Formen im Westen Europas werden in der Regel mit der nominalen Art Ursus spelaeus gleichgesetzt wahrend die Hohlenbaren Osteuropas als Ursus ingressus bezeichnet werden Die westlichste Fundstelle letzterer ist die Steigelfadbalm an der Rigi 17 Das Grenzgebiet zwischen beiden Formen bildet der Alpenraum Eine dritte Form ist aus dem Kaukasus bekannt Die unterscheidet sich genetisch besonders stark von den ubrigen Hohlenbaren und wird als Ursus deningeri kudarensis bezeichnet Erst in der jungeren Vergangenheit wurden auch Hohlenbarenreste aus Nord und Zentralasien bekannt Ein Fund aus Nordsibirien wurde durch DNA Analysen als naher Verwandter des Kaukasischen Hohlenbaren identifiziert Erstaunlicherweise erwiesen sich Hohlenbaren aus dem Altaigebirge als enge Verwandte des Westeuropaischen Hohlenbaren 18 Der Hohlenbar hybridisierte mit dem Braunbaren Abschnitte des Hohlenbarengenoms lassen sich heute noch in der Braunbaren DNA nachweisen Etwa 0 9 bis 2 4 des Braunbarengenoms stammen vom Hohlenbaren 19 Literatur BearbeitenRichard Breuer Zur Anatomie Pathologie und Histologie der Zahne und der Kiefer von Ursus spelaeus In Othenio Abel Georg Kyrle Hrsg Die Drachenhohle bei Mixnitz Spelaologische Monographien Band 7 8 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1931 S 581 610 Richard Breuer Pathologisch anatomische Befunde am Skelette des Hohlenbaren In Othenio Abel Georg Kyrle Hrsg Die Drachenhohle bei Mixnitz Spelaologische Monographien Band 7 8 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1931 S 611 ff Frederic Edouard Koby Hans Schaefer Der Hohlenbar In Veroffentlichungen aus dem Naturhistorischen Museum Basel Nr 2 1961 Ernst Probst Der Hohlenbar Diplomica Verlag Hamburg 2015 ISBN 978 3 95934 561 3 Gernot Rabeder Doris Nagel Martina Pacher Der Hohlenbar Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2000 ISBN 3 7995 9085 4 Rudolf Virchow Knochen von Hohlenbaren mit krankhaften Veranderungen In Zeitschrift fur Ethnologie Band 27 1895 S 706 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hohlenbar Album mit Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Hohlenbar Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Hohlenbar starb vor allem wegen des Menschen ausEinzelnachweise Bearbeiten Ernst Probst Der Hohlenbar Diplomica Verlag 15 Juni 2015 S 101 Yuichi I Naito et al Evidence for herbivorous cave bears Ursus spelaeus in Goyet Cave Belgium implications for palaeodietary reconstruction of fossil bears using amino acid d15N approaches Journal of Quaternary Science August 2016 DOI 10 1002 jqs 2883 Johann Friedrich Esper Ausfuhrliche Nachrichten von neuentdeckten Zoolithen unbekannter vierfussiger Tiere Georg Wolfgang Knorrs Seel Erben Nurnberg 1774 Faksimileausgabe Guido Pressler Wiesbaden 1978 Einfuhrung Armin Geus Vgl auch Heinrich Buess Huldrych M Koelbing Kurze Geschichte der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose J R Geigy Basel 1964 Acta rheumatologica Nr 22 S 13 27 Palaopathologie der ankylosierenden Spondylitis und Spondylose hier S 13 16 und 18 22 Johann Christian Rosenmuller Quaedam de ossibus fossilibus animalis cujusdam historiam ejus et cognitionem accurationem illustrantis deutsche vom Verfasser selbst herruhrende Ubersetzung Dissertation Leipzig 1795 Stephan Kempe Doris Doppes Cave bear cave lion and cave hyena skulls from the public collection at the Humboldt Museum in Berlin In Acta Carsologica 38 2 3 2009 S 253 264 Stephan Kempe Wilfried Rosendahl Doris Doppes The making of the cave bear Die wissenschaftliche Entdeckung des Ursus spelaeus In Festschrift G Rabeder Mitt Komm Quartarforsch Osterr Akad Wiss 14 2005 S 57 73 Stephan Kempe Wilfried Rosendahl Doris Doppes The scientific discovery of Ursus spelaeus In Neue Forschungen zum Hohlenbaren in Europa 11 Internationales Hohlenbar Symposium 29 September 2 Oktober 2005 Naturhistorische Gesellschaft Nurnberg e V Abhandlungen Band 45 2005 S 199 214 Wilfried Rosendahl Stephan Kempe Ursus spelaeus ROSENMULLER 1794 and not ROSENMULLER amp HEINROTH Johann Christian Rosenmuller his life and the Ursus spelaeus In Neue Forschungen zum Hohlenbaren in Europa 11 Internationales Hohlenbar Symposium 29 September 2 Oktober 2005 Naturhistorische Gesellschaft Nurnberg e V Abhandlungen Band 45 2005 S 191 198 Susanne C Munzel Nicholas J Conard Cave Bear Hunting in the Hohle Fels a Cave Site in the Ach Valley Swabian Jura In Revue de Paleobiologie 23 2 2004 S 877 885 Foto und Bericht des Befundes vom Hohlen Fels Mateusz Baca et al Retreat and extinction of the Late Pleistocene cave bear Ursus spelaeus sensu lato In The Science of Nature Band 103 Artikel Nr 92 2016 doi 10 1007 s00114 016 1414 8 Martina Pacher Anthony J Stuart Extinction chronology and palaeobiology of the cave bear Ursus spelaeus In Boreas Band 38 Nr 2 2009 S 189 206 doi 10 1111 j 1502 3885 2008 00071 x Nadja Podbregar Warum starb der Hohlenbar aus In wissenschaft de 15 August 2019 abgerufen am 18 August 2019 Joscha Gretzinger u a Large scale mitogenomic analysis of the phylogeography of the Late Pleistocene cave bear In Scientific Reports 9 2019 doi 10 1038 s41598 019 47073 z Celine Bon u a Deciphering the complete mitochondrial genome and phylogeny of the extinct cave bear in the Paleolithic painted cave of Chauvet In Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA PNAS 2008 doi 10 1073 pnas 0806143105 Gernot Rabeder Christine Frischauf Ebbe Nielsen Steigelfadbalm eine fossilfuhrende Barenhohle in der Nagelfluh der Rigi bei Luzern Zentralschweiz In Die Hohle Band 68 Nr 1 4 2017 S 124 133 M Knapp N Rohland J Weinstock G Baryshnikov A Sher D Nagel G Rabeder R Pinhasi H A Schmidt M Hofreiter First DNA sequences from Asian cave bear fossils reveal deep divergences and complex phylogeographic patterns In Molecular ecology vol 18 Mar 2009 S 1225 1238 Axel Barlow at al Partial genomic survival of cave bears in living brown bears In Nature Ecology amp Evolution 2018 doi 10 1038 s41559 018 0654 8Normdaten Sachbegriff GND 4128442 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hohlenbar amp oldid 233168033