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Die Moorleiche Frau von Peiting popularwissenschaftlich auch Moorleiche Rosalinde genannt wurde 1957 beim Torfabbau im Moor Weiter Filz auf damals gemeindefreiem Gebiet zwischen den oberbayerischen Gemeinden Peiting und Hohenpeissenberg 1 in einem Holzsarg gefunden Nach aktuelleren Untersuchungen datiert der Fund in das 14 oder 15 Jahrhundert und ist eine der wenigen dokumentierten und erhaltenen Moorleichen aus Bayern 2 Inhaltsverzeichnis 1 Fundort 2 Fundumstande 3 Wissenschaftliche Bearbeitung und Konservierung 3 1 Eigentumsfrage 3 2 Neubearbeitung 4 Befunde 4 1 Anthropologische Befunde 4 2 Letzte Mahlzeit 4 3 Schwangerschaftssymptome 4 4 Isotopenanalysen 4 5 Todesursache 5 Archaologische Befunde 5 1 Kleidung 5 2 Stiefel 5 3 Sarg 6 Datierung 7 Deutung 7 1 Unwahrscheinliche Theorien 7 2 Trivia 8 Literatur 9 Einzelnachweise 10 WeblinksFundort BearbeitenDie Fundstelle liegt im Moor Weiter Filz auf dem Gebiet der Gemeinde Hohenpeissenberg Landkreis Weilheim Schongau nahe der Gemeindegrenze zu Peiting 47 48 56 1 N 10 58 13 5 O 47 815583333333 10 970416666667 Koordinaten 47 48 56 1 N 10 58 13 5 O 1 In diesem Moor wurde in der Zeit von 1923 bis 1990 industriell Torf abgebaut Bei diesen Torfarbeiten wurde bereits mehrere Jahre zuvor etwa 750 m nordlich der Fundstelle mehrfach ein Knuppeldamm angeschnitten der nach und nach vollstandig mit abgebaut wurde Zunachst wurde die Fundstelle der Gemeinde Peiting zugeschrieben Erst nach der Neubestimmung der Fundstelle im Jahre 2007 wurde deren Lage auf Hohenpeissenberger Gebiet bestatigt Die fruher oft publizierte und falsche Bezeichnung der Fundstelle als Schwarzer Laich bzw Schwarzlaichmoor ging auf eine missverstandliche Erwahnung des Grabungstechnikers Wilfried Titze in seinem Grabungsbericht zuruck die anschliessend fehlerhaft weiter publiziert wurde Titze berichtete von schriftlich uberlieferten Kampfen aus dem Jahre 1525 die in dem etwa einen Kilometer weiter sudostlich gelegenen Schwarzlaichmoor stattgefunden haben sollen Begunstigt wurde diese Verwechslung auch durch eine assoziative Verknupfung der Flurbezeichnung Laich ubertragen fur Lichtung mit dem Wort Leiche 2 Fundumstande BearbeitenAm 23 Juli 1957 stiess der Arbeiter Samuel Gunsch mit einem Bagger in der senkrecht abgestochenen Torfwand auf die darin steckende Holzkiste In der Vermutung es handele sich um eine Schatzkiste stellte er die Arbeiten ein Nach einem Blick durch die mit der Baggerschaufel aufgerissene Ecke des Deckels erkannte er den Inhalt Gunsch informierte den Leiter des Torfabbaubetriebes der Kaufbeurer Firma Momm amp Co KG dieser liess die Kiste wieder mit Torf bedecken um sie vor dem Austrocknen zu schutzen und meldete den Fund den zustandigen Behorden Die herbeigerufene Polizei erkannte die historische Bedeutung des Fundes informierte am 24 Juli das Bayerische Landesamt fur Denkmalpflege in Munchen und sicherte den Fundort ab Noch am gleichen Tag reiste der Grabungstechniker Wilfried Titze im Auftrag des Landesamtes an und begann mit der mehrtagigen Freilegung des Fundes Er fuhrte Sondierungsbohrungen im Umkreis von vier Metern um die Fundstelle durch die jedoch keine weiteren Befunde im Boden ergaben Aufgrund fehlender Erfahrungen mit der Konservierung von Moorfunden ubertrug das Bayerische Landesamt fur Denkmalpflege am 25 Juli Karl Schlabow vom Textilmuseum Neumunster die wissenschaftliche Bearbeitung und Konservierung des Fundes da Schlabow seinerzeit als Experte fur diese Fundgattungen bekannt war Am 29 Juli reiste Schlabow mit seinem Assistenten Willi Schramm zur Bergung an Der Fund und Sarg wurden in einem Bretterverschlag verpackt mit weichem Torfmull gesichert und auf einem gefederten LKW nach Neumunster transportiert Im Mai 1959 untersuchte Titze den angeschnittenen Knuppeldamm und zog Holzproben daraus die jedoch nicht weiter untersucht wurden und jetzt verschollen sind Im Herbst 1962 unternahm Titze dann eine Nachgrabung an der Fundstelle der Moorleiche Durch Sondierungen und einen grossen Suchschnitt bis auf den anstehenden tonigen Grund ermittelte er die genaue Tiefe des Moores von 1 2 Metern jedoch ergaben diese Grabungen keine weiteren Funde In seinem Bericht teilte er ebenfalls mit dass der Knuppeldamm mittlerweile vollstandig zerstort war Wissenschaftliche Bearbeitung und Konservierung BearbeitenDie erste wissenschaftliche Bearbeitung erfolgte nach der Ankunft in Neumunster unter der Leitung von Rudolf Ullemeyer und Karl Schlabow Die Leiche wurde durch mehrere Neumunsteraner Gerichtsmediziner obduziert wofur der Torso grossflachig eroffnet wurde Alle inneren Organe wurden entnommen und separat konserviert Organproben wurden fur weitere Spezialuntersuchungen an verschiedene Institute weltweit versandt Nach der Obduktion begannen am 5 August 1957 die Konservierungsarbeiten Der Korper der Frau wurde neun Monate in einem Bad aus Eichenlohe sowie durch partielles Einstreichen mit einem Ol konserviert Der nach der Organentnahme leere Torso wurde mit Fullstoffen vermutlich Papierschnipseln aufgefullt Die Sezierschnitte wurden vernaht und entstandene Hautdefekte wurden mit Fullmassen ausgeglichen Zur endgultigen Aufbereitung des Korpers fur die museale Prasentation wurden anstelle der entnommenen Knochensegmente wie der Halswirbelsaule Schienen aus Metall und Holz eingebracht und lose Knochen mit Drahtschienen verbunden Fehlende oder entnommene Knochen wurden teilweise durch Nachbildungen aus Holz ersetzt Entnommene Zahne wurden ebenfalls durch Kunstzahne erganzt wobei nicht alle Zahne und Knochen im anatomisch korrekten Verband eingesetzt wurden Der bei der Obduktion aufgesagte Schadel wurde mit Metallstiften fixiert und anschliessend wieder zusammengeklebt Die sichtbaren Nahte wurden mit einer Fullmasse und Farbe kaschiert Die Konservierung des Sarges erfolgte mit Methylzellulose und mehrfachem Einstreichen mit einem verdunnten Firnis Auf den Boden im Inneren des Sarges wurde stellenweise ein Veloursgewebe geklebt Die in Einzelteilen geborgenen Stiefel wurden mit Degras einem Gerberfett behandelt und anschliessend wieder zusammengenaht Eigentumsfrage Bearbeiten Nach Abschluss der wissenschaftlichen Untersuchungen und der Konservierungsmassnahmen Anfang der 1960er Jahre erhoben weder das Landesamt fur Denkmalpflege in Bayern noch die Gemeinde Peiting Anspruch auf den Fund so wurde die Moorleiche im Textilmuseum Neumunster aufbewahrt und ausgestellt Erst 1987 forderte die Gemeinde Peiting den Fund zuruck um ihn im Schongauer Heimatmuseum zu ihrem 550 Jahrestag ausstellen zu konnen Nach einem drohenden Rechtsstreit einigten sich die Gemeinde und das Textilmuseum Neumunster den Fund der Gemeinde zur 550 Jahr Feier im Jahr 1988 als Leihgabe zur Verfugung zu stellen Mit der Neustrukturierung des ehemaligen Textilmuseums Neumunster wurde der Fund 2007 dem Freistaat Bayern ubergeben der die weitere Erhaltung und wissenschaftliche Untersuchung des Fundes tragt Im Bayerischen Moor und Torfmuseum Rottau wird ein Modell des Fundes ausgestellt 3 Neubearbeitung Bearbeiten Mit der Uberstellung des Fundes an das Bayerische Landesamt fur Denkmalpflege im Jahre 2007 folgten interdisziplinare Untersuchungen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft Diese Untersuchungen sollten den augenblicklichen Zustand und ebenso die bisher durchgefuhrten Veranderungen an der Leiche des Fundes dokumentieren Die bisher gewonnenen Erkenntnisse sollten dabei uberpruft und vor allem neue weitgreifende Fragen geklart werden In diesem Zuge wurde die Fundgeschichte anhand der Aktenlage neu rekonstruiert und Nachforschungen zu den Praparaten angestellt die an andere Institute versandt wurden Die Recherchen ergaben in vielen Fallen dass geplante Untersuchungen aus den verschiedensten Grunden nicht durchgefuhrt wurden und Berichte wie Praparate nicht mehr auffindbar sind Die ersten aktuellen Untersuchungsergebnisse lassen jedoch erkennen dass der Fund grundlegend neu zu bewerten ist und zahlreiche der haufig publizierten Erkenntnisse revidiert werden mussen Daruber hinaus sind zahlreiche weitere Untersuchungen geplant wie Isotopenanalysen DNA Analysen histologische und toxikologische Untersuchungen um weitergehende Fragen zu klaren Befunde BearbeitenDer Sarg lag in einer Tiefe von etwa 50 cm unterhalb der Oberflache in ost westlicher Ausrichtung mit dem Kopfende im Osten und Blick Richtung Westen Im Sarg lag die gut erhaltene Leiche einer Frau mit auf der Brust verschrankten Armen mit der linken Hand uber der rechten Die Frau trug ein langes feines Wollkleid und als auffalligstes Kleidungsstuck kniehohe Lederstiefel Bis auf ein brettchengewebtes Haarband wurde kein weiterer Schmuck im Sarg beobachtet Der Korper der Frau war nicht durch die uber ihr liegenden Erdschichten zusammengedruckt da er in dem massiven Sarg geschutzt lag anders als bei den meisten Moorleichen deren Korper haufig auf nur wenige Zentimeter Dicke komprimiert sind Anthropologische Befunde Bearbeiten Wie die Fotos der Grabung und die Obduktionsberichte zeigten war der Korper der Frau in einem selbst fur Moorleichen aussergewohnlich guten Erhaltungszustand Lediglich das Gesicht die unter dem Kinn liegenden Hande und Teile der Bruste waren starker skelettiert Ihr Korper hat aufgrund der gebeugten Beinhaltung und des losen Kopfes eine Lange von 146 cm Die rechnerisch ermittelte Korpergrosse wurde 1957 mit 152 cm angegeben Die Geschlechtsdiagnose als weiblich konnte aufgrund der deutlich erkennbaren Geschlechtsteile sowie charakteristischer Skelettmerkmale eindeutig bestatigt werden Das Skelett liegt nahezu vollstandig vor Die Knochen sind stark entkalkt und waren bei der Auffindung weich und biegsam Nach der Konservierung und Trocknung weisen die Knochen ein deutlich leichteres Gewicht auf Das Skelett zeigte keine Spuren von zu Lebzeiten erlittenen Verletzungen oder verheilten Knochenbruchen Die Haut war durch die Moorsaure gegerbt und zeigte ebenfalls keine Anzeichen von Verletzungen Nach der Konservierung in Eichenlohe hat sie eine braunliche bis braunrote Farbe und eine zahe lederartige Konsistenz Die zahlreich beobachteten Einschnitte in der Hauthulle gehen offensichtlich alle auf die Obduktion und verschiedene Probenentnahmen nach der Bergung zuruck Das Fettgewebe unter der Haut ist zu Leichenwachs umgebildet Alle inneren Organe lagen 1957 bei der Obduktion vollstandig und gut erhalten vor und zeigten keine krankhaften Veranderungen Die dabei beobachteten Anzeichen einer verheilten Dickdarmentzundung und einer leichten uberstandenen Lungenspitzentuberkulose konnen aufgrund der verlorengegangenen Organpraparate nicht mehr uberpruft werden Aus dem gleichen Grund lassen sich die vermutlich vom heimischen Herdfeuer verursachten Russablagerungen in den Lungenblaschen nicht mehr uberprufen Dass die Frau beim Heranwachsen keine Mangelernahrung oder schwerere Krankheiten zu erleiden hatte geht aus dem Fehlen von Harris Linien Wachstumsstorungen an den Knochen hervor Die stark geweiteten Hautpartien mit den Resten der ausgepragten Fettablagerungen im Bauch Huft und Oberschenkelbereich deuten ausserdem an dass die Frau zu Lebzeiten sehr gut genahrt war Das Fehlen von degenerativen Veranderungen am Skelett sowie verschleissfreie Gelenkbereiche ihres Skelettes zeigen dass die Frau keine schwere korperliche Arbeit verrichtete Dem Gebiss der Frau fehlen drei noch zu Lebzeiten verlorene Zahne deren leere Zahntaschen gut verheilt waren Vier weitere Zahne waren stark karios und mussten der Frau standig starke Zahnschmerzen verursacht haben Ihr Oberkiefer zeigte einen deutlichen Uberbiss von zwei bis drei Zentimetern 2 was ihr Gesicht auffallend gepragt haben musste Ihr Unterkiefer hatte im Vergleich zum Oberkiefer eine ungewohnliche Breite die jedoch auch auf eine Verformung des Unterkieferknochens aufgrund der Lagerung im Moor zuruckzufuhren sein kann Aufgrund der durch die Moorsaure abgebauten Zahnschmelzkronen war eine Analyse der Abnutzungsspuren auf den Zahnen nur begrenzt moglich Die erhaltenen Dentinkorper liessen jedoch keine ungewohnlichen Abnutzungsspuren erkennen Das Haupthaar der Frau war leicht meliert und hatte eine Lange von durchschnittlich 15 cm Sie trug es zuruckgekammt und mit einem zweifarbigen Band aus Brettchengewebe gehalten Das Sterbealter der Frau wurde aufgrund des Status der Schadelnahte auf zwischen 15 und 25 Jahre aufgrund des Gebisses auf maximal 25 Jahre sowie auf Grundlage weiterer Skelettmerkmale und verwachsener Wachstumsfugen der Knochen auf ein Alter zwischen 20 und 30 Jahren geschatzt Insgesamt wird ein Sterbealter zwischen 20 und 30 Jahren angenommen Auf der Haut der Leiche wurde ein seit der letzten Untersuchung neuer Befall durch Schimmelpilze registriert der mechanisch entfernt werden musste Letzte Mahlzeit Bearbeiten Nach den Untersuchungsergebnissen des Verdauungstraktes der 1950er Jahre nahm die Frau etwa sechs bis acht Stunden vor ihrem Tode ihre letzte Nahrung zu sich Die an der Niedersachsischen Landesstelle fur Marschen und Wurtenforschung in Wilhelmshaven und der Rechtsmedizin des Hamburger Universitatsklinikums Eppendorf untersuchten Proben des Magens des Darms und der Kotreste ergaben lediglich Pflanzenreste von Gemuse Salatpflanzen Spelzreste von Getreide und einige wenige Fasern tierischer Nahrung In den Proben wurden keine auswertbaren Pollen gefunden Eine Prazisierung dieser Ergebnisse ist kaum noch moglich da der Darminhalt bereits 1960 nicht mehr vorhanden war und die entnommenen Proben heute grosstenteils als verschollen gelten Schwangerschaftssymptome Bearbeiten Aufgrund der in den 1950er bis 1970er Jahren durchgefuhrten Untersuchungen wurde angenommen dass die Frau noch kurz vor ihrem Tode ein Kind gebar und wahrscheinlich im Wochenbett verstorben war Dies wurde hauptsachlich aus dem extrem geweiteten Bauchgewebe der hervortretenden Scheidenrander dem aufgeweiteten Beckenring sowie dem Zustand der Gebarmutter abgeleitet Neuere radiologische Untersuchungen konnten diesen Befund jedoch weder eindeutig bestatigen noch widerlegen Nach Ansicht von Klaus Puschel konnen die beschriebenen Schwangerschaftssymptome auch durch den beginnenden Verwesungsprozess verursacht worden sein 3 Isotopenanalysen Bearbeiten Die rontgenfluoreszenzspektroskopische Untersuchung von Metallisotopen in Zahnen und Knochen zur Ermittlung der geographischen Herkunft der Frau von Peiting erbrachte verschiedene Befunde Die Isotopenwerte der Zahne wichen stark von denen der Knochen ab Demnach muss wahrend der Lagerzeit im Moor ein Austausch und eine deutliche Anreicherung von Isotopen in den Knochen stattgefunden haben wohingegen die Isotopen im harteren Zahnmaterial stabiler isoliert waren Ein weiterer starker Eintrag von Metallisotopen in den Knochen erfolgte durch Konservierungsmittel wahrend der konservatorischen Massnahmen nach der Bergung Besonders an den Bereichen wo die Armknochen durch Drahtwicklungen in ihrem anatomischen Verband fixiert wurden sind ungewohnlich erhohte Konzentrationen an Metallionen gemessen worden Die Auswertung der Strontiumisotopenanalyse der Zahne und Knochen im Vergleich mit geochemischen Daten von Bodenproben der Fundstelle ergaben dass die Frau von Peiting wahrscheinlich nicht aus der naheren Umgebung der Fundstelle stammte 4 Todesursache Bearbeiten Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf die Todesursache Moglich ware auch ein Tod aufgrund toxikologischer Ursachen oder einer schnell verlaufenden Krankheit oder Infektion die bei der fruheren Obduktion ubersehen wurden Aufgrund der verschollenen Organproben lasst sich dies hochstwahrscheinlich nicht mehr ermitteln Zudem erschwert das im Halsbereich vergangene Haut und Muskelgewebe den Nachweis einer moglichen und auch bei vielen anderen Moorleichen beobachteten Strangulation Archaologische Befunde BearbeitenNeben der gut erhaltenen Leiche der Frau von Peiting sind vor allem die gefundenen Textilreste und die vorzuglich erhaltenen Stiefel von besonderem wissenschaftlichen Interesse Diese werden zurzeit erneut textilarchaologisch und kostumkundlich umfassend untersucht Kleidung Bearbeiten Die wissenschaftliche Auswertung der Kleidung erfolgte Ende der 1950er Jahre durch Karl Schlabow der das Oberkleid als ein etwa knielanges Kleid aus heller feiner Schafwolle interpretierte Der Stoff des Kleides war auf der Vorder und Ruckseite in Falten gelegt die auf Hohe unterhalb der Schultern vernaht waren und bis in den unteren auf Kniehohe liegenden Saum weit ausliefen Durch die Einwirkung der Moorsaure ist die Wolle jetzt braun verfarbt Spuren von Leinenresten auf dem Sargboden und dem Korper der Leiche weisen auf eine Unterbekleidung hin Sollte sich der Nachweis von Flachsfasern im Sarg bestatigen ware dies einer der seltenen Funde von Leinengewebe aus einem Moor Weitere Wollreste am Unterkorper dem Schritt und den Oberschenkeln lassen auf eine weitere eventuell hosenartige Unterbekleidung aus leichtem Wollgewebe schliessen Ob die bisher gewonnenen Erkenntnisse bestatigt werden konnen werden die aktuell laufenden Untersuchungen klaren Um den Kopf trug die Frau ein zweifarbiges etwa 18 mm breites Haarband in Brettchenwebtechnik das in zwei Teilen von 37 und 23 cm erhalten ist 5 Stiefel Bearbeiten Eine Besonderheit stellen die hohen ledernen Stiefel dar die nicht typisch fur die Zeitstellung der Fundgegend sind Das als Reitstiefel angesprochene Schuhwerk wurde in einer sorgfaltigen und aufwandigen Schuhmacherarbeit hergestellt Sie sind in Qualitat und Erhaltungszustand aus dieser Zeit in Mitteleuropa einmalig Der zylinderformige Schaft ist aus weichem Ziegenleder der Rand ist oben schrag angeschnitten und hat im Inneren eingenahte Verstarkungen Sohle Fussoberteil Brandsohle sowie eingenahte Kappen an den Fersen sind aus hellbraunem Rindsleder hergestellt Das Nahtmaterial aus gezwirnten Flachsfaden war durch die Moorsaure vergangen und die Stiefel konnten in Einzelteilen von der Leiche geborgen werden Die Schuhsohle hat eine Lange von 23 cm und entspricht einer modernen Schuhgrosse 36 5 Die Ende der 1950er Jahre von Gunter Gall vom Deutschen Ledermuseum in Offenbach am Main anhand von Fotos und Zeichnungen vorgenommene Datierung in das 8 bis 9 Jahrhundert n Chr sowie seine Zuschreibung zu einem osteuropaischen Reiter oder Hirtenvolk wurde aufgrund der Neudatierung in das spate Mittelalter widerlegt Diese Neudatierung wirft jedoch weitere Fragen auf da Stiefel mit solch hohen Schaften in der spatmittelalterlichen Frauenmode Suddeutschlands bisher nicht bekannt sind 4 Die aktuelle Begutachtung der Stiefel zeigte ausserdem dass diese nicht wie ursprunglich vermutet neu und extra fur die Bestattung angefertigt wurden Abnutzungsspuren und eine Flickstelle am rechten Stiefel zeigten dass diese zu Lebzeiten bereits langere Zeit getragen wurden 6 Sarg Bearbeiten Das Holz des Sarges war hervorragend erhalten Die 183 cm lange Sargkiste hat eine Breite von etwa 34 bis 36 cm am Fussende etwa 35 bis 39 cm am Kopfende und hat eine Hohe von 37 cm wobei sich ihre Breite nach unten hin etwas verjungt Die Bretter der Sargkiste waren auf eine Starke von 4 bis 4 5 cm gesagt und bestehen aus Fichtenholz Picea abies Kopf und Fussbretter haben nahezu eine quadratische Form Die Bretter waren mit runden etwa 2 5 cm langen Dubeln von durchschnittlich 1 4 cm Durchmesser aus Eschenholz Fraxinus excelsior sorgfaltig zusammengefugt Die Bretter stammten aus einem Baumstamm von mindestens 50 cm Durchmesser Am Fussende weist der Sarg eine Beschadigung auf die von der Schaufel des Torfbaggers verursacht wurde Die Seitenbretter der Sargkiste und der Deckel weisen an allen vier Ecken etwa 3 cm im Durchmesser messende Bohrlocher auf die schrag von oben durch Bretter gebohrt wurden In den Lochern wurden bei der ersten wissenschaftlichen Untersuchung Reste von Weiden oder Bastfasern geborgen ausserdem wurden im Inneren des Sarges Spane gefunden die vermutlich von der Herstellung herruhrten 2007 wurde das Sargholz am Institut fur Holzbiologie und Holzschutz des Hamburger Johann Heinrich von Thunen Instituts und dem Zentrum fur Holzwirtschaft der Universitat Hamburg holzbiologisch untersucht Dabei wurden die verwendeten Holzarten der Sargkiste mikroskopisch und elektronenmikroskopisch auf Fichtenholz korrigiert das bei den ersten Untersuchungen 1957 als Kiefernholz angesprochen wurde An den Holzern wurden Abbauspuren durch Bakterien an dem organischen Material beobachtet die an den Fichtenbrettern leichter und an dem Holz der Eschendubel ausgepragter erschienen Dieser Abbauprozess fand jedoch vor der Versenkung des Sarges im Moor statt und wurde durch die nachfolgende Lagerung im sauren Moor vollstandig gestoppt Nach Ansicht der Wissenschaftler war der Sarg auf Grund der ausgewahlten Holzarten und der sauberen handwerklichen Ausfuhrung das Werk eines erfahrenen Schreiners Sie widersprachen damit der fruheren Ansicht dass der Sarg in Eile zusammengezimmert wurde Die chemischen Untersuchungen der Holzproben erbrachten hohe Konzentrationen der Schwermetalle Zink Kupfer und Chrom die vermutlich aus den Konservierungsmitteln der 1950er Jahre stammten Die erhohten Konzentrationen an Aluminium und Eisen wurden dagegen durch die lange Lagerung im sauren Moor in das Holz eingetragen Das bei den Konservierungsarbeiten im Inneren des Sarges auf den Boden geklebte Gewebe erschwerte die Untersuchung der Holzverbindungen von Boden und Seitenbrettern wurde aber bei den neueren Untersuchungen noch nicht entfernt 7 8 Datierung BearbeitenNach einem ersten Augenschein durch die Grabungstechniker Titze und Schlabow wurde 1957 eine Datierung in das Mittelalter angenommen Gall vom Ledermuseum Offenbach datierte die Stiefel in das 8 oder 9 Jahrhundert n Chr Die an einem Holzsplitter aus dem Sargdeckel an der Universitat Koln durchgefuhrte C14 Analyse ergab 1965 ein Alter von 1110 80 Jahren BP 5 Diese Probe ergibt bei Anwendung der aktuelleren Kalibrierungsdaten aus 2007 ein Alter von 840 80 BP was einem Zeitraum von 1087 bis 1247 n Chr entspricht Da die alte Datierung der Sargholzprobe zu unsicher erschien wurde im Oktober 2007 eine Probe aus dem Gewebe der Leiche an der Friedrich Alexander Universitat Erlangen Nurnberg mittels Beschleuniger Massenspektrometrie AMS auf ein Alter 552 44 Jahren BP 14C datiert Demnach starb die Frau mit einer 95 4 igen Wahrscheinlichkeit in dem Zeitraum zwischen 1290 und 1370 oder zwischen 1380 und 1440 n Chr also im Spatmittelalter Aufgrund der hohen Differenz zwischen den beiden 14C Datierungen ist eine neue AMS Datierung des Sargholzes in Arbeit 6 Deutung BearbeitenDie Sonderbestattung im Moor abseits eines Ortsfriedhofs im Zusammenhang mit den beschriebenen Schwangerschaftssymptomen und der hohen Reitstiefel fuhrte zu zahlreichen Deutungsversuchen Die Bestattung einer vermeintlichen Wochnerin im Moor fuhrte zur Annahme dass sie vor ihrem plotzlichen Tod ein nichteheliches Kind gebar Eine andere Theorie vermutete den Grund in mittelalterlichen Kirchenlehren wonach ungesegnet gestorbene Wochnerinnen nicht in gesegneter Erde bestattet werden durften Aufgrund des Fehlens jeglichen Schmuckes wurde vermutet dass die Verstorbene keinen aussergewohnlich hohen Stand in ihrem sozialen Umfeld innehatte Dagegen spricht jedoch der aussergewohnlich gute Ernahrungs und der relativ gute allgemeine Gesundheitszustand der Verstorbenen Im krassen Gegensatz zu den sehr aufwendig gearbeiteten Stiefeln steht ihre einfache und schmucklose Bekleidung Da das Grab in der Nahe eines alten Bohlenweges lag wurde vermutet sie konne eine Fremde oder Durchreisende gewesen sein 2 Die Herkunft der Stiefel wurde von Gunter Gall vom Deutschen Ledermuseum aus einem der mittelosteuropaischen Reiter und Hirtenvolker vermutet Die Ergebnisse einer aktuellen Strontiumisotopenanalyse stutzt zumindest die Theorie dass die Frau nicht in der naheren Umgebung der Fundstelle aufwuchs 4 Den aktuellen Untersuchungsergebnissen zufolge entsprechen die geographische Ausrichtung des Sarges sowie die Armhaltung der Frau dem allgemeinen christlichen Bestattungsritus des spaten Mittelalters in der Region demnach wurde die Leiche nicht beseitigt sondern ordentlich und pietatvoll bestattet 2 Ob eine ungewohnliche Erscheinung aufgrund des Uberbisses eine Ortsfremdheit oder ein unnaturlicher Tod Grunde fur ihre Bestattung abseits eines ordentlichen Friedhofs waren kann moglicherweise durch weitere Untersuchungen naher eingegrenzt werden Unwahrscheinliche Theorien Bearbeiten Nach einer von Karl Schlabow aufgestellten Theorie befand sich zum Zeitpunkt der Grablege an der Bestattungsstelle noch ein Gewasser Durch die Locher des Sarges waren Seile mit Beschwersteinen angebunden damit der Sarg nicht wieder aufschwimmt Der Sarg soll dann von einem Boot aus versenkt worden sein Mit der Zeit sollen zuerst die Seile am Kopfende und spater die Seile des Fussendes verrottet sein weswegen sich der Sarg zuerst mit dem Kopfende aufrichtete und spater komplett an die Wasseroberflache stieg Dadurch sollen Teile des Kopfes und der vor der Brust verschrankten Unterarme nicht von Moorwasser umschlossen und folglich schlechter erhalten worden sein Das Moor verlandete allmahlich und es lagerte sich immer mehr Material im Gewasser ab so dass der Sarg zum Zeitpunkt des Auffindens schliesslich noch etwa 50 cm unterhalb der Gelandeoberflache lag Diese Theorie muss als widerlegt gelten da weder bei der Ausgrabung 1957 noch bei der Nachgrabung im Jahre 1962 geeignete Steine gefunden wurden Der Grund fur die unterschiedlichen Erhaltungszustande des Korpers kann auch in ortlich begrenzten leichten Unterschieden der chemischen Zusammensetzung der Moorflussigkeit begrundet sein die den Verwesungsprozess an bestimmten Korperteilen begunstigten Als unwahrscheinlich gilt die Vermutung dass die Frau moglicherweise eine Judin war Hiergegen spricht vor allem ihre Armhaltung und der gezimmerte Sarg Durch eine DNA Analyse soll versucht werden eine mogliche judische Abstammung zu klaren 7 Trivia Bearbeiten Ein alter Aberglaube besagt dass verstorbene Wochnerinnen noch sechs Wochen lang nach dem Kind sehen wurden deshalb mussten sie mit neuen Schuhen bestattet werden da man sonst ihre schlurfenden Schritte gehort hatte Literatur BearbeitenBrigitte Haas Gebhard Klaus Puschel Die Frau aus dem Moor Teil 1 In Kommission fur Bayerische Landesgeschichte Hrsg Bayerische Vorgeschichtsblatter Nr 74 Beck 2009 ISBN 978 3 406 11079 5 ISSN 0341 3918 S 239 268 Tafeln 15 23 Matthias Rehbein Gerald Koch Peter Klein Moorleiche Frau von Peiting Holzbiologische Befunde vom Sarg In Restauro Forum fur Restauratoren Konservatoren und Denkmalpfleger Nr 5 2009 ISSN 0933 4017 S 320 325 Inge Linfert Reich Die Frau von Peiting In Historische Museen der Stadt Koln Hrsg Kolner Romer Illustrierte 1975 ISSN 0179 5511 S 290 291 Karl Schlabow Der Moorleichenfund von Peiting Kreis Schongau in Oberbayern In Veroffentlichungen des Fordervereins Textilmuseum Neumunster e V Nr 2 Wachholz Neumunster 1961 Erstpublikation Angela Dopfer Werner Mein Name ist Afra CreateSpace Independent Publishing Platform ISBN 978 1 4839 3120 3 Roman zu dieser Begebenheit Einzelnachweise Bearbeiten Barbara Schlotterer Fuchs Rosalinde Gehort sie Peiting oder Hohenpeissenberg In Weiheimer Tagblatt Lokalteil Schongau 27 Januar 2010 abgerufen am 30 November 2011 a b c d Barbara Schlotterer Fuchs Moorleiche Rosalinde das Ratsel in Lederstiefeln In Weiheimer Tagblatt Lokalteil Schongau 12 Januar 2010 abgerufen am 30 November 2011 Bayerischen Moor und Torfmuseum a b Guinevere Granite Andreas Bauerochse Analysis of the Peiting Woman Using Portable X Ray Fluorescence Spectroscopy In Chronica Nr 3 Institute for European Mediterranean Archaeology 2013 ISSN 2159 9904 S 55 66 englisch Online PDF 690 kB a b Karl Schlabow Der Moorleichenfund von Peiting Kreis Schongau in Oberbayern In Veroffentlichungen des Fordervereins Textilmuseum Neumunster e V Nr 2 Wachholz Neumunster 1961 Erstpublikation Stiefel der Moorleiche von Peiting In bavarikon Abgerufen am 11 Juli 2017 Matthias Rehbein Gerald Koch Peter Klein Holzbiologische Funde vom Sarg der Frau von Peiting In Kommission fur Bayerische Landesgeschichte Hrsg Bayerische Vorgeschichtsblatter Nr 74 Beck 2009 ISBN 978 3 406 11079 5 ISSN 0341 3918 S 269 278 Matthias Rehbein Gerald Koch Peter Klein Moorleiche Frau von Peiting Holzbiologische Befunde vom Sarg In Restauro Forum fur Restauratoren Konservatoren und Denkmalpfleger Nr 5 2009 ISSN 0933 4017 S 320 325 Brigitte Haas Gebhard Klaus Puschel Die Frau aus dem Moor Teil 1 In Kommission fur Bayerische Landesgeschichte Hrsg Bayerische Vorgeschichtsblatter Nr 74 Beck 2009 ISBN 978 3 406 11079 5 ISSN 0341 3918 S 243 S 241 242 S 267 Anmerkung 13 S 246 S 248 249 Anmerkung Nr 36 Weblinks BearbeitenMoor und Mensch Rosalinde mittelalterlicher Moorleichenfund aus Peiting In Chiemgau Blatter 2002 abgerufen am 27 April 2013 Ausgabe 17 2002 Angela Dopfer Werner Mein Name ist Afra Abgerufen am 30 November 2011 Bilder der Moorleiche in Fundlage und nach der Konservierung Bayerisches Moor und Torfmuseum Museumsverein Torfbahnhof Rottau e V abgerufen am 9 April 2012 Torfmuseum Rottau mit dem Modell des Fundes Hans Kratzer Rosalinde aus dem Moor Sueddeutsche Zeitung abgerufen am 27 Februar 2012 Artikel mit Foto Stiefel der Moorleiche von Peiting In bavarikon Abgerufen am 11 Juli 2017 Hochauflosende Fotografie der Stiefel PersonendatenNAME Frau von PeitingALTERNATIVNAMEN Moorleiche RosalindeKURZBESCHREIBUNG MoorleicheGEBURTSDATUM 13 Jahrhundert oder 14 JahrhundertSTERBEDATUM 14 Jahrhundert oder 15 JahrhundertSTERBEORT bei Peiting Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Frau von Peiting amp oldid 236630987