Druidin ist die weibliche Form des Wortes Druide und bezeichnet eine keltische Priesterin, Seherin oder Zauberin als Kultoffiziantin der Keltischen Religion. Das Wort ist vermutlich vom keltischen *dru-ṷid-es („Eichenkundige[r]“ ?) hergeleitet. Sowohl bei den antiken griechischen und römischen Autoren als auch in späteren religionsgeschichtlichen Werken ist der Stand und die Funktion der Druidinnen beschrieben. Auch im Neuheidentum und in der modernen Fantasy-Literatur nehmen sie einen festen Platz ein.
Druidinnen bei den Kelten der Antike Bearbeiten
Schon in der Antike werden Druidinnen beschrieben, die in der Römischen Kaiserzeit – offenbar irrtümlich unter der Bezeichnung dryadae, was eigentlich eine Bezeichnung von Baumnymphen ist – vor allem als Seherinnen genannt werden. In der spätantiken Historia Augusta werden diese Druidinnen (auch druidas geschrieben) ebenfalls als allgemeine Bezeichnung gallischer Wahrsagerinnen verwendet. In diesem historisch unzuverlässigen Geschichtswerk sind auch Prophezeiungen solcher Druidinnen für die römischen Kaiser Severus Alexander (222–235), Aurelian (270–275) und Diokletian (284–305) überliefert. Severus Alexander sei von einer Seherin in gallischer Sprache vor einer Niederlage gewarnt worden, Diokletian und Aurelian hätten Prophezeiungen über ihre künftige Kaiserwürde und deren Dauer von Druidinnen empfangen. Aus der Geschichte ist außerdem eine Seherin namens Veleda bekannt, die um 70 n. Chr., zur Zeit Vespasians, zwar bei den germanischen Brukterern wirkte, deren Name jedoch vom keltischen banfili abzuleiten ist (altkeltisch *ṷelī-s zu fili, kymrisch gweled, „sehen“, lateinisch vultus, „Angesicht“). Von einigen Keltologen wird sie deshalb als Druidin gesehen.
Auf dem Siebdeckel des Kraters (Kessels) im Fürstengrab von Vix (bei Châtillon-sur-Seine, Burgund) ist die Bronzeplastik einer (vermuteten) Druidin angebracht.
In Irland wurden die Druidinnen als bandrúid („weibliche Druiden“) und die Seherinnen als banfáith oder banfilid („weibliche Seher/Dichter“) bezeichnet. Trotz ihrer im Vergleich zu den männlichen Druiden und Filid eher selteneren Nennung in den Überlieferungen kann ihre Existenz aus den überlieferten Texten entnommen werden. Ein Beispiel ist die zauberkräftige Druidin Tlachtga, die Tochter des Druiden Mog Ruith, nach der ein Hügel im County Meath benannt ist.
Ingeborg Clarus beschreibt in ihrem Buch Keltische Mythen. Der Mensch und seine Anderswelt die weiblichen Kultfunktionäre der Kelten aus der Sicht des Spannungsfeldes zwischen Matriarchat und Patriarchat. Zwar wird in ihrem Kapitel über das Kultpersonal die Druidin oder Seherin nicht explizit erwähnt, doch schildert sie Fedelm in ihrer Kontroverse mit der Connachter Königin Medb als Seherin, gekleidet in ein rotes Kapuzenkleid mit einem goldenen Webstab in der Hand, als Zeichen ihrer Macht über das Schicksal. Ihre dreimal wiederholte Prophezeiung, dass die Connachter Krieger im Kampf gegen den Ulter Cú Chulainn fallen würden – „Ich sehe die Krieger alle in rot, in Scharlachrot!“ – findet, ähnlich der trojanischen Kassandra, kein Gehör bei der Königin.
Antike Autoren Bearbeiten
Strabon Bearbeiten
Eine auf Poseidonios zurückgehende Nachricht, die Strabon in seiner „Geographie“ (Γεωγραφικά, Geôgraphiká, 4,4,6) überliefert, lautet:
Dieses hier geschilderte jährliche Bauopfer könnte mit dem unter den antiken Autoren weit verbreiteten literarischen Klischee über den archaischen Charakter der Barbaren und ihre rauen Sitten erklärt werden.
Pomponius Mela Bearbeiten
Pomponius Mela (Mitte 1. Jahrhundert n. Chr.) berichtet in seinem Werk De situ orbis („Über die Lage der Welt“) von einem keltischen weiblichen Kultverband. Die Insel Sena (Île-de-Sein vor Pointe du Raz, Département Finistère) war eine Orakelstätte, deren Priesteramt neun durch „ewige Jungfräulichkeit heilige“ Frauen versahen, „die die Gallier senas nannten“ (…Galli zenas vocant) – andere Übersetzungsvariation: „…die sie Gallizenas nannten“ (…Gallizenas vocant). Angeblich konnten diese Jungfrauen Meer und Winde mit ihren Zauberliedern beeinflussen, sich in jedes beliebige Tier verwandeln, die Zukunft vorhersehen und jedes Leiden heilen. Der Kultname sena dieser gallischen Vestalinnen könnte sich von air. sen, kymr., bret. hen ableiten, alle mit der Bedeutung „alt“ (vergleiche lat. senex „Greis“), womit die Bedeutung „die Alte“ möglich wäre. Der Inselname dürfte sich von den Bewohnerinnen herleiten.
Tacitus Bearbeiten
Tacitus beschreibt in seinem Bericht (Annales 14,30) über die Eroberung der Insel Mona (Anglesey) durch Gaius Suetonius Paulinus im Jahre 61 n. Chr. eine Szene bei der Anlandung der römischen Truppen:
Ob diese Frauen, vor denen das römische Heer anfangs Grauen bis zur Bewegungsunfähigkeit empfand (… quasi haerentibus membris immobile corpus …), Druidinnen waren, kann nicht sicher gesagt werden, obwohl sie gemeinsam mit männlichen Druiden die Krieger von Mona anfeuerten.
Abhandlungen aus dem 19. Jahrhundert Bearbeiten
Bei Franz Xaver Schönwerth ist 1857 zu lesen:
Auch in den Werken von Mayer „Abhandlung über einen im Fürstenthume Eichstädt entdeckten Grabhügel einer altteutschen Druidin“ (1825) und Barth: „Ueber die Druiden der Kelten …“ 1826. werden die keltischen Druidinnen beschrieben. Als Druidengrab wird von Mayer, Stadtpfarrer von Eichstätt, der Fundort deshalb angesprochen, weil trotz reicher Grabbeigaben alle kriegerischen Artefakte fehlten. Der Begriff „altteutsch“ bezieht sich auf den Fundort, nicht auf eine vermutete germanische Volkszugehörigkeit.
Moderne Rezeption in Roman, Drama und Oper Bearbeiten
François-René de Chateaubriand (1768–1848) lieferte mit einem Abschnitt seines Romanes Les martyrs ou le Triomphe de la religion chrétienne (1804) eine Vorlage für den Librettisten Felice Romani, der den Text zur Oper Norma von Vincenzo Bellini schrieb. Bei Chateaubriand liebt der römische Oberbefehlshaber der Aremorica die keltische Druidin Velléda (als Vorbild diente die Veleda der Brukterer, oben), die sich wegen der ausweglosen Liebe tötet. Die dieses Thema behandelnde Tragödie Norma von Alexandre Soumet war dann die Grundlage für Romani und Bellini. Aus dem altsächsischen Heiligtum Irminsul wird in diesen Werken bedenkenlos eine keltische Göttin und Norma ihre Priesterin (La sacerdotessa d'Irminsul war der Titel eines weiteren Librettos von Romani).
In seinem Drama La Druidesse beschreibt Édouard Schuré (1841–1929) den mystischen Aspekt der keltischen Seele am Beispiel einer keltischen Druidin ([…] ses mouvements incalculables, ses soubresauts les plus terribles comme ses plus sublimes inspirations. – „[…] ihre unabsehbaren Bewegungen, ihre schrecklichen Krämpfe ebenso wie ihre erhabenen Inspirationen.“).
Im humoristischen Roman Auch einer (1878) von Friedrich Theodor Vischer werden im Kapitel Der Besuch, das in einem Pfahldorf in Helvetien spielt, Druidinnen genannt, die hier den Titel Gwyllion („Gwyonkind“, „Gwyonchen“), nach dem Jugendnamen Gwion Bach des Dichters Taliesin tragen. Damit will der Autor ausdrücken, dass die Druidinnen nicht ganz so weise wie der große Taliesin sind.
Druidinnen im Neopaganismus Bearbeiten
Die Druidinnen sind im neuzeitlichen Druidentum des keltischen Neopaganismus (Neuheidentum) ein wichtiger Faktor als Träger des Zeremoniales und der Mantik. Auch im Orden der Barden, Ovaten und Druiden und im feministischen Wicca-Kult, der „Religion der Hexen“, stellen sie eine erhebliche Anzahl des Kultpersonals, im letztgenannten Kult werden sie Wicca genannt. Sie richten sich fast alle nach dem Kalender des Keltischen Jahreskreises und den Mythen des Keltischen Baumkreises, beides neopagane Konstruktionen ohne historischen keltisch-mythischen Hintergrund.
Gerald Brosseau Gardner, einer der Begründer der Wicca-Bewegung, hat die oben zitierte Stelle bei Pomponius Mela angeblich in Gaius Iulius Caesars De bello Gallico gefunden (wo sie in Wahrheit nicht vorkommt!) und ausgeschmückt:
Abgesehen vom dominierenden Aspekt der Keltischen Mythologie finden sich im Gedankengut der neuzeitlichen Druidinnen auch Germanische Mythologie, Schamanismus (siehe auch Neoschamanismus) und zum Teil Indianische Mythologie (siehe auch White Buffalo Woman).
Fantasy-Figuren Bearbeiten
Einige Wesen aus den Fantasy-Romanen von J. R. R. Tolkien, Marion Zimmer Bradley, Joanne K. Rowling und anderen Autoren sind den keltischen Druidinnen, Seherinnen und Heilerinnen nachempfunden.
Siehe auch Bearbeiten
Literatur Bearbeiten
- Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2609-3.
- Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. Praesens Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-7069-0541-1.
- Ingeborg Clarus: Keltische Mythen. Der Mensch und seine Anderswelt. Walter Verlag, Olten/ Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-530-13513-5. (Patmos Verlag, Düsseldorf 2000, ISBN 3-491-69109-5)
- Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur (= Kröners Taschenausgabe. Band 466). Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-46601-5.
- Bernhard Maier: Die Religion der Kelten. Götter, Mythen, Weltbild. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48234-1.
- Susanne Sievers, Otto Helmut Urban, Peter C. Ramsl: Lexikon zur Keltischen Archäologie. Mitteilungen der prähistorischen Kommission im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2012, ISBN 978-3-7001-6765-5.
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ S. Sievers, O. H. Urban, P. C. Ramsl: Lexikon zur Keltischen Archäologie. 2012, S. 451 f.
- ↑ Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1997, S. 896 f.
- Bernhard Maier: Die Religion der Kelten. Götter, Mythen, Weltbild. S. 158 f.; Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1997, S. 907 f.
- ↑ Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. S. 487 f.
- Johannes Hoops: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 32, Walter de Gruyter, 2006, S. 111. (books.google.at)
- Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1997, S. 811.
- Ingeborg Clarus: Keltische Mythen. Der Mensch und seine Anderswelt. S. 141.
- „Evoë“ (ευοι) ist ein Jubelruf der Bacchantinnen bei den Bacchusfeiern.
- ↑ Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1997, S. 920 f.
- Christian Karl Barth: Teutschlands Urgeschichte. Band 5, Palm und Enke, 1846, § 117, S. 319. (books.google.at)
- Tacitus, Annales 14,30: Stabat pro litore diversa acies, densa armis virisque intercursantibus feminis; in modum furiarum veste ferali, crinibus deiectis faces praeferebant,[…]
- Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1997, S. 659 f.
- Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur. S. 236.
- siehe auch Drude, Trud (Mythologie), Thrud
- Franz Xaver von Schönwerth: Aus der Oberpfalz: Sitten und Sagen, Band 1. § 11: Die Drud, Kapitel V: Deutung der Drud, Matth.Rieger'sche Buchhandlung, Augsburg 1857, S. 232.
- Franz Anton Mayer: Abhandlung über einen im Fürstenthume Eichstädt entdeckten Grabhügel einer altteutschen Druidin. J.M. Beyer, 1825, S. 69. (books.google.at)
- Christian Karl Barth: Ueber die Druiden der Kelten … VII. Abschnitt: Von den Druidinnen. J.J. Valm und Ernst Ente, 1826, S. 112.
- Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. S. 788. f.
- Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. S. 474 f.
- Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. S. 497, Fußnote 1.
- Friedrich Theodor Vischer: Auch Einer: Eine Reisebekanntschaft. tredition, 2011, ISBN 978-3-8424-2143-1. (books.google.at)
- Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. S. 767. f.