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Das Domkandidatenstift war ein Predigerseminar im Berliner Ortsteil Mitte das unter Konig Friedrich Wilhelm IV 1854 in der Friedrichstrasse eroffnet wurde Ab 1858 wurde fur das Domkandidatenstift ein eigenes Gebaude von Friedrich August Stuler in der Oranienburger Strasse erbaut das bis 1874 von Rudolf Stuve vollendet wurde Vom Stiftsgebaude und seiner Kapelle sind nach Kriegsbeschadigung und deren Sprengung im Jahr 1972 keine Reste mehr erhalten Domkandidatenstift Berlin Darstellung von 1908 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund 2 Stadtebauliches Umfeld und religiose Pragung an der Oranienburger Strasse 3 Bau des Stiftsgebaudes 4 Weitere Geschichte des Domkandidatenstifts 5 Amtstrager 5 1 Ephoren des Stiftes 5 2 Studiendirektoren 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichtlicher Hintergrund BearbeitenGetragen von der industriellen Entwicklung und befordert durch das Entstehen des schienengebundenen Massenverkehrs durch Regional und spater Stadtbahn kommt es in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts zu einem dynamischen Wachstum der bis dahin eher mittelgrossen Stadt Berlin deren Bevolkerung bis 1840 auf knapp 330 000 Einwohner anwachst Wahrend die Bevolkerungsexplosion damit unaufhaltsam zu sein scheint verbunden mit zunehmender Industrialisierung Landflucht und Verstadterung dem Entstehen der Mietskasernen und entwicklungbegleitender Vorgaben wie dem Bebauungsplan durch James Hobrecht von 1862 kann die Kirche der werdenden Metropole nicht mit dem Wachstum Schritt halten Friedrich Wilhelm IV seit 1840 preussischer Konig und oft mit den Attributen Romantiker auf dem Thron und dilettierender Architekt verbunden er selbst gibt sich die Bezeichnung Butt ist stark religios gepragt und von dieser aufkommenden Tendenz schwer beunruhigt Bruno Doehring schreibt hierzu im geschichtlichen Ruckblick zur Hundertjahrfeier des Stifts 1954 Von dem unuberbietbaren Wert des Christusglaubens fur die innere Gesundheit des Volkslebens von Herzen uberzeugt verbrachte er schlaflose Nachte uber der Suche nach einer Moglichkeit seiner Nation diesen Kraftquell aufs neue zu erschliessen Und 50 Jahre vorher heisst es in einer Festschrift dazu Langer schon hatte der Gedanke in der Seele Friedrich Wilhelms IV gelebt etwas fur die Vertiefung der jungen Geistlichen fur die Arbeit an den verwahrlosten Gemeinden fur die Lebendigmachung und Verinnerlichung der Kirche in Berlin zu tun Zitiert wird der Konig 1851 aus dem Turmgemach des Berliner Schlosses durchs Fenster deutend mit den Worten Sehen sie diese grosse sundenvolle Stadt in ihr gab es vor kurzem noch eine Parochie von 80 000 Seelen und noch gibt es deren von 50 000 Unterstutzung bei der Durchsetzung seiner Ziele erfahrt der Konig hauptsachlich durch den Tubinger Stiftsprofessor und Ephorus Generalsuperintendent Wilhelm Hoffmann den er bei seinen Planungen fur den von Friedrich August Stuler realisierten Wiederaufbau der Burg Hohenzollern in Hechingen kennenlernt und daraufhin als Hof und Domprediger in Berlin verpflichtet Die Bezeichnung Ephorus ist der offizielle Titel fur den Leiter eines evangelischen Predigerseminars 1 sie leitet sich ab von Ephor dem hochsten Beamten im antiken Sparta Grundlage der Planungen fur ein erneuertes Predigerseminar ist das 1714 durch den Soldatenkonig Friedrich Wilhelm I eingerichtete Dom Alumnat Es bietet Platz fur lediglich vier bis sechs reformierte und spater auch unierte Kandidaten mit einem Stipendium von 500 Talern ausgestattet und bei ehrbaren Leuten der Domgemeinde untergebracht Ein gemeinsames Leben neben dem Lernen die Vita communis fehlt so ganz Inhaltliche Verbesserungen und veranderte Rahmenbedingungen mahnte auch Friedrich Wilhelm III in einer Kabinettsorder 1816 an Es muss auf die Kandidaten der Theologie wenn sie die Universitat verlassen mehr Aufmerksamkeit verwandt werden Ich will dass zu diesem wichtigen Zweck geistliche Seminarien errichtet werden in welchen die Kandidaten nachdem sie die Universitat verlassen haben unter Leitung wurdiger Geistlicher zu vorzuglichen Seelsorgern ausgebildet werden sollen Friedrich Wilhelm IV und Hoffmann sahen im Predigerseminar keine blosse Fortsetzung des Universitatsstudiums im akademischen Sinne und auch keine ausschliessliche Hinwendung zu technischen Fragen des Kirchendienstes sondern versuchten vielmehr durch Vertiefung in die Heilige Schrift und die daraus sich ergebenden dogmatischen und praktisch theologischen Fragen eine freimutige Aussprache daruber herbeizufuhren was die Kandidaten bewegte Und das mit dem Endziel einer eigenen theologischen Uberzeugungsbildung unter steter Berucksichtigung des die werdenden Geistlichen erwartenden Amtes B Doehring Das neue Predigerseminar war zunachst in einem Provisorium untergebracht Am 7 April 1854 wurde in aller Stille und ohne offentliche Bekanntmachung die Eroffnung des neu gegrundeten Stifts begangen in angemieteten Raumen eines Hauses des Provinzial Schulkollegiums in der Friedrichstrasse 208 Heute befindet sich an dieser Stelle unweit des ehemaligen Checkpoint Charlie ein Gebaude von Rem Koolhaas OMA Da sich das Gebaude fur die Aufgaben als ungunstig gelegen erwies und die Raume feucht waren wandte sich Hoffmann schon bald mit der Bitte um einen Neubau an anderer Stelle an den Konig Dieser stimmte zu und stellte hierfur eine Parzelle des Monbijouparks zur Verfugung Stadtebauliches Umfeld und religiose Pragung an der Oranienburger Strasse BearbeitenFur den Standort Oranienburger Strasse 76a in der nordwestlichen Ecke des Monbijouparks sprach zur Grundungszeit die Nahe einiger Einrichtungen Der noch Schinkelsche Dom wo die Kandidaten sich in Morgen und Abendgottesdiensten in Liturgie ubten die Domschule am jetzigen Bahnhof Hackescher Markt in der sie Religionsunterricht erteilen sollten das Seminar fur Stadtschullehrer neben der Synagoge in dem sie padagogisch unterwiesen wurden oder das Domhospital in dem Andachten zu halten waren Spater kamen auch Morgenandachten bei Koniginwitwe Elisabeth im Schloss Charlottenburg hinzu Heute liesse sich noch die nahegelegene Theologische Fakultat der Humboldt Universitat in der Anna Luise Karsch Strasse hinzurechnen Wie schon zu Mitte des 19 Jahrhunderts finden sich in diesem Bereich der Spandauer Vorstadt aber nicht nur die genannten Institutionen christlicher Pragung sondern gleichermassen auch derer judischen Glaubens die hier mittlerweile wieder das Zentrum religiosen Lebens bilden Im Mittelpunkt steht dabei die Synagoge fast zeitgleich mit dem Domkandidatenstift entstanden Von einem Freund F A Stulers Eduard Knoblauch entworfen aber wegen dessen Erkrankung von Stuler ausgefuhrt und im Innenraum gestaltet Nach erfolgter Teilrekonstruktion befindet sich hier heute das Centrum Judaicum In der Oranienburger Strasse 25 26 direkt gegenuber dem zur Disposition stehenden Grundstuck ist der Judische Kulturverein und das Anne Frank Zentrum zu finden Unweit hiervon in der Sophienstrasse durch den dort gewesenen Sammelplatz zur Deportation besonders mit dem Schicksal der judischen Bevolkerung verbunden befindet sich ausserdem eine judische Schule Nach Angaben des Pastors der benachbarten Ev Sophiengemeinde ist das alltagliche Leben allerdings eher ein Neben als ein Miteinander der kulturelle Austausch findet allenfalls auf kulinarischer Ebene in den judischen Restaurants statt Einen moglichen Ort zum Aufbau und zur Pflege solcher Beziehungen konnte das Predigerseminar mit einem offenen Begegnungszentrum bieten beispielsweise als Sitz der Arbeitsgemeinschaft Judentum und Christentum Baulich war die Umgebung des Domkandidatenstifts wahrend der knapp 90 Jahre seines Bestehens einigen Veranderungen unterworfen Zunachst als Abschluss der durchgehenden Bebauung entlang der Sudseite der Oranienburger Strasse konzipiert mit einer zum Park hin frei stehenden Kapelle entstanden spater ostlich unmittelbar angrenzend weitere Wohnbauten Westlich wurde mit dem Bau des heutigen Bode Museums die Monbijoustrasse angelegt womit aus ursprunglichen Brandwanden des Gebaudes nachtraglich Giebelfassaden wurden Erhaltene Umbauplane von 1908 1910 lassen dieses nachvollziehen Sudlich angrenzend entstanden auf Parkgelande ausserdem 1885 die Anglikanische Kirche St Georg unter Julius Carl Raschdorff wenig spater Architekt des neuen Doms und beim Innenausbau des TU Hauptgebaudes und 1911 an der Monbijoustrasse das Wohnhaus fur Konigliche Hofbeamte Vergleichsweise gewaltig und den Rahmen sprengend war das von 1900 bis 1913 errichtete ehemalige Haupttelegrafenamt Allenfalls die Bedeutung die es als Zentrale des dichten Rohrpostnetzes der Reichshauptstadt innehatte rechtfertigte das Volumen Heute steht es bis auf die derzeitige Nutzung fur das Nachtleben grosstenteils leer und wartet wie der gesamte Motz Block nach den umgrenzenden Strassen Monbijou Oranienburger Tucholsky und Ziegelstrasse benannt auf eine in Aussicht gestellte Millioneninvestition Bau des Stiftsgebaudes Bearbeiten nbsp Terrakotten aus der Manufaktur von Ernst March fur das Domkandidatenstift obere Reihe und untere Reihe links Illustration aus dem Architektonischen AlbumNachdem Friedrich Wilhelm IV dem Stift die Superficies uber das Grundstuck ubertragen hatte welches selbst im Eigentum des Kron Fidei Kommisses verblieb und in der Erbfolge heute in Landesbesitz ist konnte 1858 mit dem Bau begonnen werden Grundlage waren die Planungen Stulers im Landesarchiv dokumentiert Das Bauensemble besteht aus dem eigentlichen Seminargebaude H formig unterteilt in zwei Riegel entlang der Oranienburger Strasse und sudlich davon verbunden durch einen mittleren Teil mit Bet und Speisesaal zwischen einem knapp 20 Meter messenden quadratischen Atrium sowie einem Hof mit spaterem Zugang von der Monbijoustrasse Das Stiftsgebaude wird am 16 Oktober 1859 geweiht Als vierte Atriumwand nach Osten abschliessend plante Stuler eine ebenfalls quadratische Kapelle die bei einer Grundflache von 380 m mit drei Emporen etwa 725 Personen aufnehmen kann Hierzu wird es wohl eher selten gekommen sein Die hohen Baukosten dieses grossen Kirchenraums in Berlin und seine Bauten 1877 mit exakt 142 278 Mark angegeben fuhrten so auch dazu dass zunachst nur die Fundamente gelegt werden konnen auf denen die Kandidaten in ihren Pausen spazieren gingen und sich die Ausfuhrung des Baus erst nach dem Tod von Stiftsgrunder und erstem Ephorus 1871 1874 unter Leitung von Stuve realisieren liess Erst zu diesem Zeitpunkt wurde als drittes Element des Entwurfs der 35 Meter hohe Glockenturm fertiggestellt In seiner Gesamtkonzeption und bei Ausformung von Basilika und Campanile ging Stuler auf die Vorstellungen Friedrich Wilhelms IV ein der durch Beschaftigung mit der Architektur Italiens gepragt von seiner ersten Italienreise 1828 und angeregt vom 1822 1828 von Cotta in Munchen herausgegebenen Stichwerk Denkmale der christlichen Religion aufgenommen von den Architecten Johann Gottfried Gutensohn und Johann Michael Knapp Formen der Antike und Renaissance im Preussischen Arkadien umzusetzen suchte Auch in der Ruckbesinnung auf fruhchristliche Motive die Urkirche und ihre Liturgie sah der Konig einen Ausweg aus kirchen politischen Problemen Wie der Campanile von Santa Maria in Cosmedin fur die Friedenskirche in Potsdam als direktes Vorbild diente fanden sich auch andere Beispiele dieser Art Stuler ubernahm bei der Ausfuhrung der Friedenskirche nach dem Tod von Ludwig Persius die Oberbauleitung Auch durch seine gemeinsame Reise mit Friedrich Wilhelm IV nach Italien im Winter 1858 1859 ebenso wie mit Eduard Knoblauch bereits 1829 1830 war Stuler selbst gepragt von den Bauten des italienischen Mittelalters und Quattrocento Ideen fur gusseiserne Saulen in der Kapelle des Domkandidatenstifts eingesetzt oder die im Neuen Museum angewandten Techniken durften dabei eher auf seine vom Konig initiierte Studienreise 1842 nach England zuruckgehen Die klassische Form der altchristlichen Basilika mit erhohtem Mittelschiff und niedrigeren Seitenschiffen der halbrunden Apsis im Osten und einem am Narthex im Westen vorgelagerten Atrium war damit beim Domkandidatenstift im Wesentlichen umgesetzt Vorbilder mehr oder weniger frei variierend findet sich die Form des abgesetzten Glockenturms bei Stuler auch an anderen Kirchenbauten in Berlin so zum Beispiel bei der Jacobikirche in der Oranienstrasse 1844 1845 erbaut Mit Pfarr und Schulhaus am Atrium entlang der Strasse gelegen gibt der Ziegelbau auch einen vagen Eindruck vom Erscheinungsbild des Domkandidatenstifts Nur ausserlich wiederhergestellt vermittelt der in den 1950er Jahren durch Paul und Jurgen Emmerich neugestaltete Innenraum nicht mehr den fruhchristlichen Geist der der Gestaltung nach Vorbild von S Quattro Coronati in Rom ursprunglich zugrunde lag Weitere Geschichte des Domkandidatenstifts BearbeitenDie 1904 zur neuerbauten Monbijoubrucke durchgefuhrte Monbijoustrasse trennte den westlichen Teil des Grundstucks ab Die beiden Trakte erhielten an den nun neu der Strasse zugewandten Westfassaden Giebel und der Hof wurde mit einer Mauer und einer Pforte gegen die Strasse geschlossen Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gebaude aus Die in der Substanz noch gut erhaltene und wiederherstellungsfahige Ruine wurde 1972 abgetragen 2 Amtstrager BearbeitenEphoren des Stiftes Bearbeiten 1854 1873 Wilhelm Hoffmann 1873 1896 Rudolf Kogel 1898 1922 Ernst Dryander 1924 1925 Ernst Vits 1925 1927 Paul Conrad 1927 1933 Georg Burghart 1937 Johannes HymmenStudiendirektoren Bearbeiten 1929 1937 Wilhelm Schutz 1895 1970 1937 1945 Ferdinand Cohrs 1893 1966 Siehe auch BearbeitenKirchensprengungen in der SBZ und in der DDRLiteratur BearbeitenDas Evangelische Dom Candidaten Stift zu Berlin Schulze Berlin 1859 Sonderdruck aus Neue evangelische Kirchenzeitung Paul Conrad Das Konigliche Domkandidatenstift 1854 1904 Festschrift zum funfzigjahrigen Stiftsjubilaum Erinnerungsblatter Warneck Berlin 1904 Bruno Doehring Das Domkandidatenstift zu Berlin Ein geschichtlicher Ruckblick zur Hundertjahrfeier Enthalt auch Ulrich Seeger Die Aufgaben des Predigerseminars heute Verlag Die Kirche Berlin 1954 Eva Borsch Supan Dietrich Muller Stuler Friedrich August Stuler 1800 1865 Dt Kunstverlag Munchen Berlin 1996 ISBN 3 422 06161 4 Weblinks BearbeitenDiplomarbeit Predigerseminar in Berlin Mitte Das Domkandidatenstift von F A Stuler mit Bildern Holger Zurch Sonntagskirche 85 Das verlorene Domkandidatenstift Berlin In Leipziger Internet Zeitung 9 Juli 2023 abgerufen am 12 Juli 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Art Ephorus In Karl Heinrich Philipp Ferdinand Sander Lexikon der Padagogik Bibliographisches Institut Leipzig 1883 S 93 Kurzdarstellung auf www kirchensprengung de unter Domkandidatenstift 52 524166666667 13 395277777778 Koordinaten 52 31 27 N 13 23 43 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Domkandidatenstift Berlin amp oldid 237911496