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Der Hobrecht Plan ist die ubliche Bezeichnung fur den nach seinem Hauptverfasser James Hobrecht benannten und 1862 in Kraft getretenen Bebauungsplan der Umgebungen Berlins Dieser sollte als Fluchtlinienplan die Fuhrung von Ring und Ausfallstrassen und die Bebauung der Stadte Berlin und Charlottenburg und sowie weiterer umgebender Gemeinden fur die kommenden 50 Jahre regeln Ubersichtskarte des Bebauungsplans der Umgebungen Berlins genehmigt am 18 Juli 1862 Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangssituation 2 Planungsvorgaben 3 Der Hobrecht Plan 4 Folgen 5 Soziale Absichten kritische Bewertung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseAusgangssituation BearbeitenIm Zuge der Industrialisierung kam es auch in Deutschland zu einer Landflucht Angelockt durch bessere Verdienstmoglichkeiten und ein grosseres Angebot an Arbeitsplatzen stieg in Berlin die Einwohnerzahl von 172 122 im Jahr 1800 uber 774 452 1872 bis auf 1 902 509 im Jahr 1919 Im selben Masse wie sich die Bevolkerungszahl vergrosserte verschlechterten sich die hygienischen Verhaltnisse die Versorgung der Bevolkerung und vor allem die Wohn und Lebensbedingungen Die meist schmalen Strassen und Gassen der Innenstadt waren dem Verkehrsaufkommen kaum gewachsen Eine sprunghaft wachsende Industrie trug zur Luftverschmutzung bei Der Bevolkerungszuwachs fuhrte zum Zuzug in die Vororte Die Infrastruktur musste entwickelt werden Bahnhofe breitere Strassen ein ausgebautes Verkehrsnetz und die Schaffung technischer und hygienischer Voraussetzungen wurden notig Zudem behinderte die Versumpfung grosser Flachen beispielsweise in Charlottenburg und Wilmersdorf eine Bebauung fur Wohnzwecke und eine Befestigung der Strassen Die Entwicklung einer Kanalisation zur Ableitung der Abwasser und die Versorgung mit sauberem Wasser gleichzeitig die Verbesserung des Strassensystems ins Umland mussten vorgenommen werden Ausgehend von einem Anwachsen der Bevolkerung auf 1 1 2 2 Millionen Einwohner 1861 524 900 Einwohner und der damit verbundenen Verkehrs und Verwaltungsentwicklung war eine einheitliche stadtische Administration und Planung notwendig geworden Planungsvorgaben BearbeitenDie Verbesserung der stadtischen Verhaltnisse wurde mit dem Wachstum der Stadt unumganglich Es waren Planungen fur technische und hygienische Massnahmen und vor allem eine Anpassung der Verkehrsinfrastruktur notwendig nbsp James Hobrecht um 1890Im Auftrag des preussischen Innenministeriums sollte ab 1858 eine Planungskommission des Koniglichen Polizeiprasidiums Plane schaffen die der erwarteten Situation gerecht werden Dafur war die Polizei zustandig zu dieser Zeit als Baupolizei auch fur die Stadt und Infrastrukturplanung und wichtige Bauaufgaben Vorsitzender der Kommission war der junge Regierungsbaumeister James Hobrecht der jungere Bruder des Reichstagsabgeordneten und spateren Oberburgermeisters der Stadt Arthur Johnson Hobrecht Die Planung sollte in der Innenstadt die Strassen verbreitern und diese zu einem leistungsfahigen Strassennetz verbinden Damit ubereinstimmend waren die Voraussetzungen fur eine Kanalisation und fur Versorgungsleitungen zu schaffen Fur die schnell wachsenden Eisenbahnstrecken und Bahnhofe sollten ebenfalls Flachen vorgesehen werden Entsprechend dem Wunsch des Konigs sollte das Stadtgebiet durch eine Boulevardstrasse eingefasst und dazwischen eine Reihe von Radial und Ausfallstrassen angelegt werden Der Konig Friedrich Wilhelm IV hatte als Vorbild die Pariser Strassenplanungen von Baron Georges Eugene Haussmann Im Gegensatz zu diesem Plan sollten in Berlin moglichst keine radikalen Strassendurchbruche die historisch gewachsenen Stadtviertel zerstoren Ein rucksichtsloser Ruckgriff auf private Flachen war rechtlich nicht moglich alle in Anspruch genommenen Flachen mussten vom Staat erworben werden nbsp Karte des Berliner Generalszugs Der Breitscheidplatz am linken und der Sudstern am rechten EndeNach der Kartografierung des Ist Zustandes sollten bereits vorliegende Plane gesichtet und in die spatere Planung eingearbeitet werden Dazu gehorten die Vorschlage zur Stadtplanung von Karl Friedrich Schinkel die Bebauungsplane von Johann Carl Ludwig Schmid von 1825 und 1830 und insbesondere die Stadtentwicklungsplane Peter Joseph Lennes der vor allem als Garten und Landschaftsarchitekt gearbeitet hatte Lenne hatte im Jahr 1840 als einer der ersten einen Gesamtplan fur Berlin und das Umland erstellt Projektierte Schmuck und Grenzzuge von Berlin mit nachster Umgebung Viele von Lennes Vorstellungen und Ideen flossen in den Hobrecht Plan ein Eines der wichtigsten Elemente war der schon von Schmid in Ansatzen vorgesehene Generalszug eine Abfolge von Strassen und Platzen die als Ost West Verbindung vom Sudstern in Kreuzberg bis zum Breitscheidplatz in Charlottenburg reicht Im Bereich des spateren Gleisdreieckgelandes war aufgrund der schnell zunehmenden Ausdehnung der Eisenbahnanlagen nach Festlegung des ursprunglichen Hobrecht Plans eine Plananderung mit einer Sudverschiebung erforderlich die die Grundlage fur die hier errichteten Yorckbrucken bildete Der Hobrecht Plan BearbeitenBedingt durch das Wachstum der Stadt und die 1861 erfolgten Eingemeindungen reichten die Planungen der Hobrecht Kommission weit uber das damalige Stadtgebiet hinaus Der am 18 Juli 1862 als Bebauungsplan der Umgebungen Berlins genehmigte Hobrecht Plan umfasste in 14 Abteilungen das bebaute und kartografisch erfasste unbebaute Land der Stadte Berlin und Charlottenburg sowie der Gemeinden Reinickendorf Weissensee Lichtenberg Boxhagen Rummelsburg Treptow Rixdorf Schoneberg und Wilmersdorf nbsp Umgesetzte und nicht realisierte Teile des Plans mit weiteren StadterweiterungenDer Plan sah zwei ringformige Gurtelstrassen vor die die Stadte Berlin und Charlottenburg komplett umgeben Die dazwischen liegenden noch unbebauten Flachen sollten durch Diagonalstrassen und nach allen Richtungen fuhrende Ausfallstrassen in rechtwinklige Baublocke aufgeteilt werden Zur Strasse sollten burgerliche Wohnhauser entstehen in den Innenhofen war Wohnraum fur Arbeiter und Werkstatten vorgesehen Hobrecht erwartete dass dadurch verschiedene Bevolkerungsschichten friedlich zusammenleben konnten nbsp Das Pumpwerk im Radialsystem XI Erich Weinert Strasse zwischen Greifswalder Strasse und Prenzlauer Allee Der Hobrecht Plan selbst legte nur den Verlauf der Strassen und deren Grenzen fest es handelt sich um einen reinen Fluchtlinienplan Weitergehende Vorschriften zur Bebauung der Blocks etwa uber die Ausnutzung der Grundstucke und die Art der Nutzung enthielt er nicht Das war nach damaliger Rechtslage auch nicht moglich Erst in Verbindung mit der 1853 erlassenen Baupolizeiordnung begunstigte er die Entstehung des wilhelminischen Mietskasernengurtels Die Baupolizeiordnung schrieb innerhalb der recht grossen Blocke nur vor dass die Bebauung maximal sechs Vollgeschosse bei einer Traufhohe von 20 Metern umfassen durfte Innenhofe mussten eine Mindestflache von 5 34 Meter im Quadrat haben damit die Feuerwehrspritze wenden konnte Folgen BearbeitenDa das Bauen durch keine weitergehenden Vorschriften geregelt wurde entstand in den Folgejahren eine sehr dichte Bebauung Der Mangel an weitergehenden Vorschriften fuhrte zu Immobilienspekulationen und dem Wachstum der beruchtigten Mietskasernen des Steinernen Berlins in denen die Menschen unter engsten Verhaltnissen wohnten Es entstanden im Innenbereich der Blocke Hinter und Seitenhauser die nur die geforderten Mindesthofflachen unuberbaut liessen Die durch die schmalen Hofe nur sparlich beleuchteten Wohnungen und die durch die Enge und hohe Bewohnerzahl drastisch verscharften hygienischen Verhaltnisse fuhrten immer wieder zu Krankheiten Erst durch die Einfuhrung der Berliner Kanalisation mit den zwolf Radialsystemen und den Berliner Rieselfeldern bis 1893 besserten sich die Umstande Hobrecht als Verfasser des Planes wird oft als Hauptschuldiger fur die Entstehung der Mietskasernen und der dortigen schlechten Wohnverhaltnisse angesehen und zwar schon seit dem Ende des 19 Jahrhunderts unter anderem von Rudolph Eberstadt 1 Erst in der heutigen Zeit wird die Bedeutung des Hobrecht Plans fur die Stadtentwicklung anerkannt Die eigentliche Verantwortung fur die Entstehung der dichten Blockbebauung trugen die Spekulationen mit Immobilien und der Gesetzgeber der damals seine Steuerungsfunktion fur die Entwicklung kaum wahrnahm Nicht die Planung ist die Ursache des Mietskasernen Problems sondern das Streben mit moglichst wenig Finanzeinsatz einen hohen Gewinnertrag zu erreichen Trotz der negativen Wirkungen war der Hobrecht Plan Voraussetzung fur die Losung des zur Jahrhundertwende entstehenden Wohnungsproblems und ermoglichte die fur die Stadthygiene unumgangliche Einfuhrung der Stadtentwasserung Noch immer ist seine Planung bestimmend fur weite Teile des Berliner Stadtbildes Soziale Absichten kritische Bewertung BearbeitenJames Hobrecht sprach der bewussten sozialen Vermischung der Bewohner in Vorder und Hinterhausern Keller Dach und Beletage Wohnungen eine gesellschaftliche Wirkung zu In der Mietskaserne gehen die Kinder aus den Kellerwohnungen in die Freischule uber denselben Hausflur wie diejenigen des Rats oder Kaufmanns auf dem Wege nach dem Gymnasium Schusters Wilhelm aus der Mansarde und die alte bettlagerige Frau Schulz im Hinterhaus deren Tochter durch Nahen oder Putzarbeiten den notdurftigen Lebensunterhalt besorgt werden in dem ersten Stock bekannte Personlichkeiten Hier ist ein Teller Suppe zur Starkung bei Krankheit da ein Kleidungsstuck dort die wirksame Hilfe zur Erlangung freien Unterrichts oder dergleichen und alles das was sich als das Resultat der gemutlichen Beziehungen zwischen den gleichgearteten und wenn auch noch so verschiedenen situierten Bewohner herausstellt eine Hilfe welche ihren veredelnden Einfluss auf den Geber ausubt Und zwischen diesen extremen Gesellschaftsklassen bewegen sich die Armeren aus dem II oder IV Stock Gesellschaftsklassen von hochster Bedeutung fur unser Kulturleben der Beamte der Kunstler der Gelehrte der Lehrer usw und wirken fordernd anregend und somit fur die Gesellschaft nutzlich Und ware es fast nur durch ihr Dasein und stummes Beispiel auf diejenigen die neben ihnen und mit ihnen untermischt wohnen James Hobrecht Der linksliberale Stadtplaner Architekturkritiker und Publizist Werner Hegemann verurteilte dagegen 1930 im Ruckblick den Hobrecht Plan als ein Vorhaben das unabsehbare grune Flachen der Umgebung Berlins fur den Bau dichtgepackter grosser Mietskasernen mit je zwei bis sechs schlecht beleuchteten Hinterhofen amtlich herrichtete und vier Millionen kunftiger Berliner zum Wohnen in Behausungen verdammte wie sie sich weder der dummste Teufel noch der fleissigste Berliner Geheimrat oder Bodenspekulant ubler auszudenken vermochte Werner Hegemann 2 nbsp Gedenktafel fur James Hobrecht in HobrechtsfeldeLiteratur BearbeitenJohann Friedrich Geist Klaus Kurvers Das Berliner Mietshaus Drei Bande Prestel Munchen 1980 1989 Klaus Strohmeyer James Hobrecht 1825 1902 und die Modernisierung der Stadt Verlag fur Berlin Brandenburg 2000 ISBN 3 9329 8167 7 Claus Bernet The Hobrecht Plan 1862 In Urban History 31 2004 S 400 419 Werner Hegemann Das steinerne Berlin Geschichte der grossten Mietskasernenstadt der Welt Bauwelt Fundamente Berlin 1930 Neuausgabe gekurzt 4 Aufl 1988 ISBN 978 3 7643 6355 0 Gabi Dolff Bonekamper et al Hrsg Das Hobrechtsche Berlin Wachstum Wandel und Wert der Berliner Stadterweiterung DOM publishers Berlin 2018 ISBN 978 3 86922 529 6 Weblinks BearbeitenSchema des Hobrechtplans uberlagert von einer Karte um 1980 Historische Karten Hobrechtplan 1862 Landesarchiv und Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung Das war der Plan In taz 31 Juli 2012Einzelnachweise Bearbeiten Rudolph Eberstadt Berliner Communalreform In Preussische Jahrbucher Jg 70 1892 S 576 610 hier S 590 Werner Hegemann Das steinerne Berlin Ullstein Berlin Frankfurt M Wien 1930 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hobrecht Plan amp oldid 235945765