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Die Centumviri Zentumvirn ubersetzt Hundertmanner bekannt auch unter Centumviralgericht waren im antiken Rom ein gerichtlicher Spruchkorper centumvirale iudicium der Recht in zivilrechtlichen Angelegenheiten zu Eigentums und Besitzverhaltnissen sprach vornehmlich in erbrechtlichen Streitigkeiten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Historischer Fall 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenAls einziges Gericht seiner Art tagte es in Rom auf dem Forum Romanum in der Kaiserzeit in den Hallen der Basilica Iulia 1 Mutmasslich hat es der sagenhafte Konig Servius Tullius eingerichtet Dazu wird angefuhrt dass Zivilprozesse unter seiner Agide Prozesswetten unter Hingabe eines Sakraments waren insbesondere aber noch die ehrwurdige Lanze hasta aufgepflanzt wurde 2 Diese zeitliche Verortung wird andererseits aber fur abwegig gehalten und als fruhestes Erscheinen des Centumviralgerichts das Jahr 241 v Chr diskutiert 3 4 Mit dem Ende der Standeskampfe vermochten sich Plebejer gegenuber Patriziern erfolgreicher zur Wehr zu setzen was dem Spruchkorper eine plebejische Konnotation einbrachte Jedenfalls ab 241 v Chr dem Zeitpunkt des Aufstiegs Roms zur Vormacht in Italien Sieg uber Karthago bis zur Reichsteilung 395 n Chr in der Spatantike soll der Gerichtshof bestanden haben Mit der Reichsteilung ging der Gerichtshof spatestens unter moglicherweise bereits in der Zeit der grossen Krise nach Severus Alexanders Tod 235 n Chr Bis dahin erlangte das Gericht fortwahrenden Bedeutungszuwachs 5 Die iustinianische Gesetzessammlung erwahnt das Centumviralgericht nicht mehr Die langste Zeit der Republik uber fuhrten reine Spruchrichter privati iudices die Prozesse Sie standen unter staatlicher Aufsicht 6 und agierten vergleichbar Geschworenen also ohne magistratische Kompetenzen Weder waren sie Beamte im Sinne der Amterlaufbahn noch waren sie vom Volk legitimiert Ihre Beauftragung erfolgte allein durch Pratoren gewesene Quastoren Als Gerichtsvorstande klarten die Pratoren Vorfragen zum Prozessinhalt und sie beobachteten danach den ordnungsgemassen Prozessablauf Die Zustandigkeit lag zunachst bei den Urbanpratoren praetores urbani 7 spater in der fruhen Kaiserzeit bei den Peregrinenpratoren praetores peregrini 8 Vorangestellt war dem Centumviralprozess das Verfahren in iure das den einleitenden Verfahrensabschnitt bildete Die Spruchrichter wurden alsbald von Decemvirn abgelost die ihrerseits hatten Magistratenstatus inne 9 Die vier Consilien Senate des Centumviralgerichts wurden gelegentlich zu tribunalen Gremien erweitert wobei wegen des Bedeutungsaufschwungs berucksichtigt werden muss dass die einst einflussreichen Volksgerichtshofe der republikanischen Zeit vollstandiger Bedeutungslosigkeit anheimgefallen waren Bisweilen wird in der Forschung gemutmasst dass das Centumviralgericht ein den Volksversammlungen nachlaufender Spruchkorper war spater sogar ausgestattet mit der Kompetenz eines Volks oder Staatsgerichts 10 Administrativ unterlagen die Prozesse lange dem hergebrachten rituellen Legisaktionenverfahren konkret war die legis actio sacramento aufgerufen Soweit von der Forschung zeitlich uberhaupt eingeraumt gehen Vermutungen dahin dass Centumviralprozesse XII Tafelzeit kollegial und unmittelbar also ohne Einschaltung des Prators und anschliessend des iudex gefuhrt und entschieden wurden 11 Die Richter waren fur die Beweisaufnahme und Klarung von Rechtsfragen zustandig das galt auch noch in spateren Zeiten 12 Appellationen Berufungen oder vergleichbare Rechtsbehelfe an ubergeordnete Gerichte waren nicht vorgesehen Der Verfahrenstyp des Legisaktionenverfahrens wurde auch noch beibehalten als fur andere Zivilprozesse ausgelost durch die Wandlungsstruktur der lex Aebutia der pratorische Formularprozess eingefuhrt worden war 13 Die Anzahl der centumviri schwankte im Gremium zwischen anfanglich 105 drei Vertreter aus 35 tribus und 180 decemviri stlitibus iudicandis unter Augustus 14 Historischer Fall BearbeitenEinen bedeutenden Erbschaftsprozess Thema Ersatzerbschaft vor dem Centumviralgericht fuhrte der Jurist Scaevola im Jahr 92 v Chr Bekannt ist der Prozess als causa Curiana Scaevola verlor den Prozess gegen seinen einstigen Amtskollegen den begnadeten Rhetor Lucius Licinius Crassus der das Gericht davon zu uberzeugen vermochte einen jurisdiktorischen Paradigmenwechsel zu vollziehen Dieser beruhte darauf dass Crassus im Gegensatz zu Scaevola nicht mit der stets ublichen formalen Strenge am Wortlaut einer testamentarischen Verfugung hing sondern fur eine freie Auslegung unter Berucksichtigung des wahren Willens des Testamentsverfassers pladierte auf das Auslegungsziel hin seine Argumente aufbaute und damit der Methode der Willensinterpretation uberhaupt zu einem ersten Erfolg verhalf 15 Im Detail ging es in dem Fall um die Frage ob ein Nacherbe auch als Ersatzerbe berufen ist Konkret streitig war ob die Anordnung einer Pupillarsubstitution also die Einsetzung eines Nacherbens fur den Fall dass der Erbe zum Erbanfall noch unmundig verstirbt mit Mundigkeit erbt er zugleich eine Vulgarsubstitution umfassen kann mithin die Nennung eines Ersatzerbens wenn der Haupterbe schon tot ist oder die Erbschaft ausschlagt 16 Der Urteilsspruch wirkt als legislatorische Zweifelsregelung im heutigen 2102 BGB und in den Rechtsordnungen Osterreichs 608 ABGB und der Schweiz Art 492 Abs 3 ZGB u a fort Es gilt namlich der Satz dass die Einsetzung eines Nacherben zugleich diejenige eines Ersatzerben beinhaltet 17 18 Literatur BearbeitenMoriz Wlassak Centumviri 1 In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band III 2 Stuttgart 1899 Sp 1935 1952 Friedrich Ludwig Keller Adolf Wach Der Romische Civilprocess und die Actionen In summarischer Darstellung zum Gebrauche bei Vorlesungen 5 Auflage online Bernhard Tauchnitz Leipzig 1883 August Otto Krug Ueber die legis actiones und das Centumviralgericht der Romer Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte 2 Auflage Voigt amp Gunther Leipzig 1855 S 35 f Karl Gottlob Zumpt Uber Ursprung Form und Bedeutung des Centumviralgerichts in Rom Sitzungsberichte der Koniglich Preussischen Akademie der Wissenschaften Offprint Druckerei der Koniglichen Akademie der Wissenschaften Berlin 1838 Weblinks BearbeitenCentumviriAnmerkungen Bearbeiten Varro r r II 1 26 Cicero De oratore I 173 Plinius epistulae II 14 4 8 V 9 21 1 VI 33 4 Vertretend mehrere Moritz August von Bethmann Hollweg Zeitschrift fur geschichtliche Rechtswissenschaft Band V S 358 400 Der Civilprozess des Gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung Band I S 56 60 57 vgl auch Band II S 11 S 53 58 S 230 235 Sigmund Wilhelm Zimmern Geschichte des romischen Privatrechts bis Justinian Band III Der romische Civilprozess in geschichtlicher Entwicklung bis auf Justinian S 25 f 38 ff 38 Fn 8 Moriz Wlassak Romische Prozessgesetze Band I S 131 138 und 139 151 Theodor Mommsen Romische Geschichte Band II Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod Berlin Weidmann 1855 S 359 Quellen 1 Gaius Inst IV 16 zum Wahrzeichen des Prozesses die aufgepflanzte Lanze 2 Pomponius Digesten I 2 2 28 30 zur Einsetzung der decemriri stlitibus iudicandis als Richter Karl Albert Schneider De centumviralis judicii apud Romanos origine liber singularis Rostochii Oeberg 1835 Online Computer Library Center 22554041 Cicero De oratore I 173 177 ff Quintilian inst V 10 115 Das Amt wurde im 4 Jahrhundert v Chr mit den leges Liciniae Sextiae eingefuhrt Moriz Wlassak Romische Prozessgesetze Band I S 202 204 bezugnehmend auf Gaius IV 31 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 536 540 536 f Theodor Mommsen Abriss des romischen Staatsrechts 249 vgl St R II 231 2 so auch von Keller Bethmann Hollweg u a August Otto Krug Ueber die legis actiones und das Centumviralgericht der Romer Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte 2 Auflage Voigt amp Gunther Leipzig 1855 S 35 f Cicero De oratore I 38 56 Gaius Inst 31 95 Plinius Epistulae 6 33 Moriz Wlassak Centumviri 1 In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band III 2 Stuttgart 1899 Sp 1935 1952 hier Sp 1935 Cicero De oratore 1 180 Cicero De inventione 2 122 ubersetzt Wenn mir ein Sohn oder mehrere geboren wird dann soll en er oder sie Erbe sein Sodann hiess es spater noch Jener soll mein Erbe sein wenn mein Sohn vor erreichter Mundigkeit sterben sollte Anm Ein Sohn wurde ihm nicht geboren Heinrich Honsell Romisches Recht 7 Auflage Springer Zurich 2010 ISBN 978 3 642 05307 8 S 192 ff 193 Vgl auch Uwe Wesel Juristische Weltkunde eine Einfuhrung in das Recht Suhrkamp Frankfurt am Main 1984 ISBN 978 3 518 28067 6 S 185 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Centumviri amp oldid 236974300