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Als Bosniendeutsche wird die jungste Siedlergruppe unter den Deutschen in Jugoslawien bezeichnet Sie liessen sich ab 1879 in Bosnien und in der Herzegowina nieder 1 Im Zweiten Weltkrieg kam es wegen zunehmender Partisanenuberfalle auf die abgelegenen deutschen Streusiedlungen erst zu Flucht und Evakuierung nach Syrmien dann zur Umsiedlung grosser Teile der etwa 20 000 Bosniendeutschen in den Warthegau Einige Orte in Bosnien wurden bis September 1944 gehalten ihre Einwohner wurden mit der Einnahme der Orte vertrieben 2 Bei Kriegsende waren die Bosniendeutschen uber ganz Deutschland und Osterreich verteilt jene die nach Bosnien zuruckkehrten wurden in Lagern inhaftiert 3 Die Zahl der Deutschen in Bosnien ist heute verschwindend gering 4 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Ansiedlung ab 1879 und Entwicklung bis 1941 1 2 Zweiter Weltkrieg bis zur Gegenwart 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAnsiedlung ab 1879 und Entwicklung bis 1941 Bearbeiten nbsp Sprachgruppen in Osterreich Ungarn 1910 nbsp Ethnische Verteilung in Jugoslawien 1940 Der Berliner Kongress sprach Osterreich Ungarn die Provinzen Bosnien und Herzegowina zur Verwaltung zu die formell im Osmanischen Reich verblieben Die Habsburgermonarchie besetzte diese Landstriche in ihrem Okkupationsfeldzug von 1878 Die Provinzen wurden weitgehend dunnbesiedelt vorgefunden 5 Zwischen 1879 und 1900 wanderten unter sehr verschiedenen Bedingungen Kolonisten in die Region ein 3 eine Mischung aus Soldaten Beamten Experten und Bauern 6 Die ersten Siedler waren katholischer Konfession und stammten aus Nordwestdeutschland Sie kauften ab 1879 bei Banja Luka Grundstucke und grundeten die Ortschaft Windthorst heute Nova Topola Donauschwaben evangelischer Konfession aus der Vojvodina erwarben Land in Franz Josefsfeld bei Bijelina Russlanddeutsche deren Moglichkeiten zum Landerwerb im Russischen Kaiserreich eingeschrankt waren kamen an und erhielten in Vranovac und Prosora bei Dubica Wald und Odland zur Pacht Ab 1892 warb die Monarchie mit gunstigen Konditionen gezielt um die Verpachtung ungenutzter Grundstucke aus offentlichem Besitz Etwa 10 000 Polen und 7000 Ukrainer nahmen das Angebot an Mit ihnen wanderten Deutsche aus unter anderem Galizien und Kroatien zum Beispiel nach Glogovac deutsch Schutzberg sowie Hollander Italiener und Tschechen ein 7 Die vorherrschende Art der Siedlung war die Streusiedlung 8 Osterreich Ungarn annektierte Bosnien und Herzegowina formell im Jahr 1908 wonach sich die Lage der Deutschen zu verschlechtern drohte 3 Einige der Einwanderer gingen zuruck andere zogen weiter in Industriegebiete nach Nordamerika Brasilien oder nach Ostdeutschland 9 10 1910 wurden in Bosnien 22 968 Menschen mit deutscher Muttersprache gezahlt von denen 8000 in etwa 20 mehrheitlich evangelisch gepragten Dorfern lebten 9 5246 Personen mit deutscher Muttersprache hatten sich bis 1910 in Sarajevo niedergelassen was etwa 10 Prozent der Bevolkerung der Stadt entsprach 3 Eine mitunter feindselige Haltung der einheimischen serbischen Bevolkerung auch mit Vertreibungsdrohungen reichte zuruck bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg Als 1918 das Konigreich der Serben Kroaten und Slowenen auch in Bosnien die Habsburgermonarchie abloste mussten die beiden deutschen Zeitungen Bosnische Post und das Sarajevoer Tagblatt ihr Erscheinen einstellten nur wenige grossere Kolonien behielten ihre deutschen Schulen Ein grosser Teil der deutschsprachigen Elite verliess die Stadte Bosniens oder kroatisierte sich besonders die Katholiken Insgesamt verliess etwa ein Drittel der Deutschen das Land vor allem Militars und Beamte 3 Die weit verbreitete Arbeitsmigration die ab den 1930er Jahren bevorzugt das Deutsche Reich zum Ziel hatte war durch strukturelle Armut in einigen deutschen Siedlungen bedingt die Deutschen in Bosnien Herzegowina waren wesentlich armer als jene in Slowenien Kroatien oder dem Banat 11 die sich durch Wirtschaftskrisen und Umwelteinflusse noch akut verscharft hatte 12 Zudem verstarkte die mehrheitlich evangelische Konfession die Distanz der Bosniendeutschen zur einheimischen serbisch orthodoxen Bevolkerung wahrend sich ihre Bindungen nach Deutschland vertieften Eine Umsiedlung war bereits vor 1941 verschiedentlich in Erwagung gezogen worden 13 Zweiter Weltkrieg bis zur Gegenwart Bearbeiten nbsp Die historische Landschaft Syrmien in den heutigen Staatsgrenzen nbsp Karte des Generalgouvernements mit den Distrikten Lublin Radom und Galizien Siehe auch Bosnien Herzegowina wahrend des Zweiten Weltkrieges im Artikel Geschichte von Bosnien und Herzegowina Nach dem Balkanfeldzug 1941 unter reichsdeutscher Fuhrung und der Bildung des Unabhangigen Staat Kroatien zu dem Bosnien nun gehorte entwickelte sich hier bald ein Hauptschauplatz des Partisanenkrieges dessen Gewaltdynamik sich mehr und mehr auch gegen die Dorfer der etwa 20 000 2 Bosniendeutschen richtete 3 Sehr bald nach ersten Serbenverfolgungen durch die Ustascha und dem Beginn des serbischen Aufstandes in Bosnien setzte in einigen Orten die Flucht bzw die Evakuierung der deutschstammigen Bevolkerung ein In welche Richtung oder unter welchen Umstanden eine Auswanderung in Frage kam war lange unklar improvisierte Neuansiedlungsplane losten einander immer wieder ab Nach den Planen der Deutschen Volksgruppe die aus dem Schwabisch Deutschen Kulturbund unter Volksgruppenfuhrer Branimir Altgayer entstanden war und der Volksdeutschen Mittelstelle VoMi sollten volksdeutsche Fluchtlinge in Ost Syrmien auf Grundstucken von Serben gezielt und dauerhaft angesiedelt werden Die Vorhaben scheiterten da sich das Gebiet im Sommer 1942 immer mehr zum Schauplatz heftiger Kampfe entwickelte Vom 6 Oktober bis zum 22 November 1942 wurden wegen zunehmender Partisanenuberfalle auf die abgelegenen deutschen Streusiedlungen sudlich der Save 18 360 Bosniendeutsche aus diesen Gebieten in von der VoMi gefuhrte Sammellager nach Lodz damals Litzmannstadt im Warthegau durchgeschleust Nach den Planen Heinrich Himmlers hier in der Funktion des Reichskommissars fur die Festigung deutschen Volkstums sollten sie im Rahmen der Aktion Zamosc ein Pilotprojekt des Generalplans Ost in den Distrikt Lublin umgesiedelt werden aber auch in die Distrikte Galizien und Radom wo sie die Hauser vertriebener Polen erhalten sollten Das in Lodz folgende Durchschleusung genannte Verfahren diente der Klassifizierung im Hinblick auf die Vergabe der deutschen Staatsangehorigkeit sowie eine mogliche Ansiedlung im Osten oder der Krain Die Schleusung erfolgte nach Herden Neben der Staatsangehorigkeitsstelle die nach politischen gemass dem Urteil eines Volkstumssachverstandigen sowie abstammungsmassigen Kriterien entschied wurden auch erb gesundheitliche soziale Leistungsgutachten sowie rassische in vier Wertungstufen Gesichtspunkte herangezogen Der Ansiedlungsplan scheiterte jedoch am polnischen Widerstand sodass der Aufenthalt in einem von neun Umsiedlungslagern fur viele eine ausgedehnte Zwischenstation blieb Hier dienten sie der deutschen Rustungsindustrie als Arbeitsreserve Kleine Gruppen wurden noch im Elsass Lothringen und Luxemburg angesiedelt 13 Einige Orte in Bosnien wie Windthorst Nova Topola Rudolfstal Alexandrovac und Troselje mit etwa 1000 Einwohnern waren von der Umsiedlung 1942 ausgenommen und wurden bis September 1944 gehalten Als aber die Partisanen zum Sturm ansetzten vertrieben 2 sie die verbliebenen Bewohner von denen viele mit Pferdewagen oder mit der Bahn zu Auffanglagern in Sachsen und Schlesien nach Wien und Bruck an der Leitha ins Emsland nach Bayern Simbach Altotting Tirol und anderswo fliehen konnten 14 Beim Vorrucken der Roten Armee auf die Ansiedlungsorte in Polen 1944 45 fluchteten fast alle Bosniendeutschen in das Gebiet des Altreiches Dort verstreut gingen sie in der Nachkriegszeit in der Bevolkerung Deutschlands und Osterreichs auf 3 15 Die wenigen Bosniendeutschen die zu ihren ehemaligen Besitzungen zuruckkehren wollten und dabei jugoslawisches Territorium erreichten wurden in Internierungslager verfrachtet und zu Zwangsarbeit herangezogen Viele von ihnen uberlebten die Internierungen nicht die meisten der wenigen Uberlebenden wanderten in den 1950er Jahren aus Jugoslawien aus 3 2 In den fruheren Kolonien leben heute kaum noch Deutsche die ehemaligen evangelischen Orte mit verfallenen Kirchen und uberwucherten Grabern sind heute meist lost places Gelegentlich trifft man in den Stadten noch auf Frauen aus Mischehen die nach 1945 in Jugoslawien verblieben waren 16 Katholisch gepragte Orte ermoglichten dem sozialen Raum mehr Kontinuitat jedoch ist die Zahl der Deutschstammigen auch hier verschwindend gering 4 Die Kirchen in Rudolfstal Schutzberg und Zavidovici sind zerstort Erhalten ist die Kirche in Franz Josefsfeld die seit 2014 als Kulturdenkmal geschutzt ist 17 Literatur BearbeitenCarl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 Carl Bethke Von der Umsiedlung zur Aussiedlung Zur destruktiven Dynamik ethnischer Flurbereinigung am Beispiel der Deutschen in Bosnien und Kroatien 1941 1948 In Mariana Hausleitner Vom Faschismus zum Stalinismus Deutsche und andere Minderheiten in Ostmittel und Sudosteuropa 1941 1953 Institut fur Deutsche Kultur und Geschichte Sudosteuropas 2008 ISBN 3 98116 940 9 S 23ff Carl Bethke Husnija Kamberovic Jasna Turkalj Hrsg Nijemci u Bosni i Hercegovini i Hrvatskoj Nova istrazivanja i perspektive zbornik radova deutsch Die Deutschen in Bosnien und Herzegowina und Kroatien Neue Forschungen und Perspektiven Konferenzbeitrage Sarajevo 2015 Valentin Oberkersch Die Deutschen in Syrmien Slawonien Kroatien und Bosnien Geschichte einer deutschen Volksgruppe in Sudosteuropa Stuttgart 1989 Weblinks BearbeitenSnjezana Ivkic Flucht Evakuierung und Zwangsaussiedlung der deutschen Bevolkerung aus Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg Historisch Kulturwissenschaftliche Fakultat der Universitat Wien 2013 S 102 Martin Sander Vom Feindbild zum Forschungsgegenstand Eine Tagung uber die Rolle der Deutschen und Osterreicher in Kroatien und Bosnien Deutschlandfunk vom 6 Oktober 2013 Die Deutschen in Kroatien und Bosnien und Herzegowina Neue Forschungen und Perspektiven Tagungsprogramm Zentrum zur Erforschung deutscher Geschichte und Kultur in Sudosteuropa an der Universitat Tubingen Einzelnachweise Bearbeiten Johann Bohm Die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918 1941 Innen und Aussenpolitik als Symptome des Verhaltnisses zwischen deutscher Minderheit und jugoslawischer Regierung Peter Lang 2009 ISBN 3 631 59557 3 S 72 a b c d Marica Karakas Obradov Die gezwungenen und freiwilligen Migrationen deutscher Bevolkerung auf dem kroatischen und bosnisch herzegowinischen Gebiet im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit S 46 47 a b c d e f g h Carl Bethke Bosnien und Herzegowina Abschnitt Die Bosniendeutschen In Online Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im ostlichen Europa der Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg 2015 a b Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 S 26 27 Ferdinand Sommer Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde Schutzberg in Bosnien 1895 1942 Das Schicksal der Bosniendeutschen C Bleck Mulheim an der Ruhr 1960 Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 S 2 Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 S 3 Snjezana Ivkic Flucht Evakuierung und Zwangsaussiedlung der deutschen Bevolkerung aus Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg Historisch Kulturwissenschaftliche Fakultat der Universitat Wien 2013 S 9 a b Carl Bethke Deutsche Kolonisten in Bosnien Vorstellungswelten Ideologie und soziale Praxis in Quellen der evangelischen Kirche In Bosna i Hercegovina u okviru Austro Ugarske 1878 1918 Zbornik radova Izd Filozofski Fakultet Sarajevo 2011 S 235 266 Zitiert in Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Fussnote 8 Hans Maier Die deutschen Siedlungen in Bosnien Stuttgart 1924 S 32 Franzjosefsfeld Petrovopolje Schonborn In Neuland vom 19 Juli 1958 Zitiert in Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Fussnote 9 Mariana Hausleitner Die Donauschwaben 1868 1948 Ihre Rolle im rumanischen und serbischen Banat Steiner Stuttgart 2014 ISBN 978 3 515 10686 3 S 148 Mira Kolar Dimitrijevic Movement of Labour Force between the Third Reich and Yugoslavia 1933 1941 In The Third Reich and Yugoslavia Belgrad 1977 S 331 362 a b Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 S 27 28 Carl Bethke Freiwillige Umsiedlung und Vertreibungen Zur Geschichte der Deutschen aus Bosnien 1941 1950 S 24 Bundesministerium fur Vertriebene Fluchtlinge und Kriegsgeschadigte Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost Mitteleuropa Band V Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien Bonn 1961 In Verbindung mit Werner Conze Adolf Diestelkamp Rudolf Laun Peter Rassow und Hans Rothfels Bearbeitet von Theodor Schieder S 84E Emir Musli Prica Dana Tuzni simbol proslosti Nijemaca u Semberiji In Deutsche Welle vom 26 Dezember 2012 Hannes Hofmann Protestanten sudlich der Save Die Evangelisch Lutherische Kirche in Bosnien seit 1945 In Kulturkorrespondenz ostliches Europa Nr 1433 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bosniendeutsche amp oldid 230099573