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Die Alcis auch Alken sind in der germanischen Mythologie ein jugendliches Bruderpaar das im ersten Jahrhundert nach Christus vom ostgermanischen Stamm der Nahanarvaler verehrt wurde und den griechischen Dioskuren ahnelt Inhaltsverzeichnis 1 Quellen 2 Forschung 2 1 Dioskurische Gotter 2 2 Etymologie 2 3 Gestalt 2 4 Kult 2 5 Priester 2 6 Lage 3 Literatur 4 EinzelnachweiseQuellen Bearbeiten nbsp Publius Cornelius Tacitus Die Alcis werden nur vom romischen Geschichtsschreiber Tacitus in seinem Werk Germania das etwa um 100 nach Christus entstand bezeugt Er schreibt uber sie Apud Naharvalos antiquae religionis lucus ostenditur praesidet sacerdos muliebri ornatu sed deos interpretatione Romana Castorem Pollucemque memorant ea vis numini nomen Alcis nulla simulacra nullum peregrinae superstitionis vestigium ut fratres tamen ut iuvenes venerantur Bei den Nahanarvalern zeigt man einen Hain eine uralte Kultstatte Vorsteher ist ein Priester in Frauentracht Die Gottheiten so wird berichtet konnte man nach romischer Auslegung Kastor und Pollux nennen Ihnen entsprechen sie in ihrem Wesen sie heissen Alken Es gibt keine Bildnisse keine Spur weist auf einen fremden Ursprung des Kultes gleichwohl verehrt man sie als Bruder als Junglinge Tacitus Germania 43 3 Ubersetzung von Manfred Fuhrmann 1 Forschung BearbeitenDioskurische Gotter Bearbeiten nbsp Romische Marmorstatuetten von Castor und Pollux aus dem 3 Jahrhundert nach ChristusTacitus beschreibt die Alcis als zwei bruderliche Junglinge die in ihrem Wesen nach seiner Interpretatio Romana Castor und Pollux gleichen Diese sind die romische Entsprechung der griechischen Zwillinge Kastor und Polydeukes die man Dioskuren griechisch dios kuroi Sohne des Zeus nannte 2 Ursprunglich wurden sie in der Gestalt von Pferden verehrt 3 und galten ihrem Wesen nach als Patrone der Reiter sowie als Helfer und Retter bei allen Gefahren insbesondere in den Schlachten und auf dem offenen Meer 3 4 Ihre Mutter war Leda die Frau 4 ihr Vater war der Himmelsgott Zeus Die schone Helena war ihre Schwester Polydeukes war unsterblich Kastor dagegen sterblich Als er sterben musste wollte sich der Bruder von ihm nicht trennen So verbrachten dann die beiden immer einen Tag zusammen in der Unterwelt und einen wiederum oben bei dem Vater Was Polydeukes gewahlt hat war das Teilhaben an Licht und Dunkelheit fur alle Zeiten Sie bewohnten ihre dunkle unterirdische Behausung wenn sie nicht das himmlische Licht geniessen Karl Kerenyi Die Mythologie der Griechen 5 Die gottlichen Zwillinge von denen der eine sterblich und der andere unsterblich ist gehen noch auf die Mythenwelt der Indogermanen zuruck Sie gelten als pferde oder vogelgestaltige Kinder des Himmelsgotts und befreien oder umwerben die jungfrauliche Tochter der Sonne 6 Sie stellen keine Naturgewalt dar fuhren aber die Sonne uber den Himmel 3 Allgemein wurden sie als Retter und Schutzer verehrt 6 Einen hohen Stellenwert hatten sie nicht nur bei den Griechen und Romern sondern auch bei den Indern und Balten wahrend sie bei den Kelten und Germanen nur noch schattenhaft in Erscheinung treten 6 Neben den Alcis konnen in der germanischen Uberlieferung noch die legendaren fast mythischen Stammesanfuhrer Ibur und Aio beziehungsweise Aggi und Ebbi bei den Langobarden Raos und Raptos bei den Wandalen 7 und die anglischen Bruder Hengest und Horsa 8 bei denen sogar noch deutlich im Namen eine Pferdegestalt durchscheint 9 mit den Dioskuren verglichen werden Etymologie Bearbeiten Fasst man Alcis als vulgarlateinische Form von lat alces auf so bedeutet ihr Name Elche 10 11 Alces ist eine lateinische Entlehnung aus urgermanisch algiz elxaz elxōn z B anord elgr aengl eolh ahd elaho mit derselben Bedeutung 12 die seit Caesars Buch Der gallische Krieg zum lateinischen Sprachwortschatz gehort 13 Dies ist sicherlich eine Volksetymologie Alcis wurde aber Schutzgottheiten bedeuten wenn das Wort tatsachlich auf ein urgerm alxaz zuruckginge 7 so dass es von gemeingerm alh Schutz Haus Tempel 14 herzuleiten ware 10 11 In diesem Fall stunde das Wort in Verbindung mit got alhs Tempel asachs alah ds anord all aengl ealh Schutz Haus ealgian schutzen beschutzen verteidigen 15 sowie lit al kas alka elkas Gotterhain heiliger Hain 16 und lett e lks der Gotze der Abgott Man kann davon ausgehen dass ein romischer Leser der Germania alcis als alces Elche las 3 Allerdings mussen sich die verschiedenen Herleitungen nicht widersprechen Der Bedeutung Elche liegt der romische Verstandnishorizont zugrunde der nicht unbedingt die wirkliche Bedeutung erfasst haben muss Fur die Deutung als Schutzgottheiten spricht vor allem die Ubereinstimmung in der Namensbedeutung anderer dioskurischer Gottheiten namlich den altindischen Nasatyas die Heilenden 10 beziehungsweise Schutzer Helfer 7 und den griechischen Rettern den swthres soteres 10 Gestalt Bearbeiten nbsp Elch aus der Encyclopedie ou Dictionnaire raisonne des sciences des arts et des metiersIn welcher Gestalt man die Alcis verehrte ist ungewiss Ihre Verehrung als Bruder und junge Manner weist auf eine Menschengestalt Die Gleichsetzung der Bruder mit Castor und Pollux ist hierbei ohne Bedeutung da Tacitus nicht das Aussere der Alcis sondern ausdrucklich nur das Wesen mit ihnen vergleicht 3 Ein romischer Leser der Germania musste aber wegen des Namens den Schluss ziehen dass die Bruder in Elchgestalt verehrt wurden Dass Elche in Schlesien wo man den Kult der Alcis verortet siehe unten heute nicht vorkommen ist dabei kein Hindernisgrund da Elche in fruheren Zeiten durchaus auch in Mitteleuropa lebten Zudem konnte das Elchwort im Germanischen auch zur Bezeichnung anderer Hirscharten verwendet werden 17 Der Bezug der Alcis zu den Elchen oder anderen Hirscharten wird jedoch allein durch die Deutung ihres Namens als Elche gestutzt Eine Weile glaubte man dass eine latenezeitliche Urnenvase die man im ostlichen Schlesien bei Lahse heute ein Ortsteil von Orlova in Tschechien fand die Elchgestalt These erharten wurde 18 19 Auf der Vase sind Tierparchen eingeritzt die durch einen Querstrich miteinander verbunden sind und die man als Hirsche aber genauso gut auch als Pferde deuten konnte Doch wird die Vase heutzutage nicht mehr mit den Alcis in Verbindung gebracht 20 21 Dioskurische Motive bei den Germanen in Form von Figuren oder als Bildnisse auf Brakteaten der Volkerwanderungszeit zeigen ansonsten lediglich Zwillingsparchen in Menschen oder Pferdegestalt 8 Aus der indogermanischen Uberlieferung lassen sich fur dioskurische Gottheiten zwar Tiergestalten als Pferde oder als Vogel erschliessen aber keine Hirsche Hirsche als Zugtiere eines Gotterwagens sind fur den Kult der griechischen Artemis belegt Hirsch und Hirschkuh galten als ihre Tiere Auch ist belegt dass ein Gotenkonig einen Prunkwagen hatte der von domestizierten Hirschen gezogen wurde 19 Man konnte deswegen daran denken dass das Pferd als Zugtier des Sonnenwagens die mythologische Rolle ubernahm die zuvor der Hirsch hatte 19 der Kult wird ja als uralt beschrieben Doch wurde dies voraussetzen dass der Hirsch vor dem Pferd domestiziert wurde was nicht der Fall war 21 Kult Bearbeiten Die Alcis stellen ein Beispiel dafur dar dass die Germanen ihre Kulte bildlos in heiligen Hainen pflegten wie das Tacitus als allgemeines Kennzeichen germanischer Kulte an anderer Stelle in der Germania beschreibt 22 Diese Kultstatte stellte offenbar das zentrale Heiligtum der Lugier dar 23 Priester Bearbeiten Dem Heiligtum stand ein mannlicher Priester vor der mit weiblichen Merkmalen ausgestattet war Tacitus verwendet hierfur den lateinischen Ausdruck muliebris ornatus Ausstattung Gewand oder Schmuck der Frauen In Frage kommen bunte ungegurtete Frauenkleidung oder weibliche Schmuckgegenstande 23 Denkbar ist aber auch dass der Alcispriester lediglich einen weiblichen Kopfschmuck benutzte Georges Dumezil stellte die These auf dass muliebris ornatus weibliche Haartracht meine Nach seiner Auffassung hangt Tacitus Ausdruck mit dem Namen des wandalischen Geschlechts der Hasdingi zusammen deren erste Silbe man mit Haar ubersetzen konne und die in Beziehung zu den nordischen Zwillingen namens Haddingjar stunden 7 doch findet diese These im Wortsinn von muliebris ornatus keine Grundlage 23 Der Sinn der weiblichen Aufmachung wird nicht klar In der romischen Welt gab es durchaus auch rituelles Transvestitentum In Rom trug der Priester der grossen Mutter der magna mater oder terra mater Frauengewander auf Kos der Heraklespriester ebenso ein Priester auf einem kretischen Wandgemalde 23 Vielleicht steht die gegengeschlechtliche Kleidung in Zusammenhang mit Fruchtbarkeitskulten da Zwillinge als Zeichen besonderer Fruchtbarkeit galten 23 Die weibliche Ausstattung konnte aber auch ein Nachhall weiblichen Schamanismus sein Sergej A Tokarev Genauso denkbar ist jedoch auch dass sie auf mannlichen Schamanismus zuruckgeht 24 Lage Bearbeiten nbsp Der Zobtenberg Das Heiligtum der Alcis lag wahrscheinlich in Schlesien da nach den Angaben antiker Autoren die Lugier zu denen Tacitus die Naharnavaler zahlt in dieser Landschaft siedelten Eine weitere raumliche Eingrenzung erlaubt vielleicht seine Bemerkung der Kult sei sehr alt Unter der Voraussetzung dass der heilige Ort nie verlegt wurde folgt daraus namlich dass auch die Kultstatte der Alcis ein hohes Alter hatte Die altere Forschung glaubte deswegen dass das Heiligtum der Alcis auf dem Zobtenberg lag 25 Der Zobtenberg der auch Sleza heisst gab Schlesien seinen Namen 3 Er liegt in Mittelschlesien und stellt die hochste Erhebung seiner Umgebung dar Auf dem Hugel fand man tatsachlich alte Kultspuren doch gibt es dort keine Hinterlassenschaften die auf einen Kultplatz im 1 Jahrhundert hinweisen Die gefundenen Reste datiert man auf die Bronze oder fruhe Eisenzeit so dass zwischen dieser und der Zeit des Tacitus eine Fundlucke von mindestens 500 Jahren klafft 3 Literatur BearbeitenIn der Reihenfolge des Erscheinungsjahrs Jan de Vries Altgermanische Religionsgeschichte 2 Bande 1956 1957 2 vollig neu bearbeitete Auflage Verlag Walter de Gruyter Berlin Ake Viktor Strom Haralds Biezais Germanische und Baltische Religion Kohlhammer Verlag Stuttgart 1975 ISBN 978 3 17 001157 1 Karl Hauck Hellmut Rosenfeld Dioskuren In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 5 Walter de Gruyter Berlin New York 1984 ISBN 3 11 009635 8 S 482 494 Gerhard Perl Tacitus Germania In Joachim Herrmann Hrsg Griechische und lateinische Quellen zur Fruhgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1 Jahrtausends u Z Teil 2 Akademie Verlag Berlin 1990 ISBN 978 3 05 000571 3 Wilhelm Heizmann Hirsch In Heinrich Beck Dieter Geuenich und Heiko Steuer Hrsg Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Band 14 Verlag Walter de Gruyter Berlin New York 1999 ISBN 978 3 11 016423 7 Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X Einzelnachweise Bearbeiten Tacitus Germania In der Ubersetzung von Manfred Fuhrmann Reclam Verlag Stuttgart 1971 Karl Kerenyi Die Mythologie der Griechen 2 Bande 11 Auflage dtv Verlag Munchen 1988 Band 2 S 89 a b c d e f g Gerhard Perl Tacitus Germania 1990 S 248 a b Karl Kerenyi Die Mythologie der Griechen 2 Bande 11 Auflage dtv Verlag Munchen 1988 Band 1 S 86 Karl Kerenyi Die Mythologie der Griechen 2 Bande 11 Auflage dtv Verlag Munchen 1988 Band 1 S 86 f und Band 2 S 94 a b c Jan de Vries Altgermanische Religionsgeschichte 1957 496 a b c d Ake V Strom Germanische und Baltische Religion 1975 S 87 89 a b Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X S 71 Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X S 12 a b c d Jan de Vries Altgermanische Religionsgeschichte 1957 499 a b Rudolf Simek Lexikon der germanischen Mythologie Kroners Taschenausgabe Band 368 3 vollig uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2006 ISBN 3 520 36803 X S 11 Vergleiche Julius Pokorny Indogermanisches Worterbuch A Francke Verlag Bern 1959 Band 1 S 303 Caesar De bello Gallico Buch 6 Kapitel 27 1 Sunt item quae appellantur alces Casar verfasste seine Schrift etwa um 52 51 vor Christus Das ist circa 150 Jahre vor Tacitus Manche Forscher meinen dass das Kapitel aber im 1 Jahrhundert nach Christus nachtraglich eingefugt wurde Gerhard Kobler Germanisches Worterbuch 3 Auflage 2003 Stichwort alh Gerhard Kobler Altenglisches Worterbuch 2 Auflage 2003 Stichwort ealgian Online Memento vom 23 Oktober 2007 im Internet Archive abgerufen am 8 Marz 2021 Hjalmar Falk Alf Torp Wortschatz der germanischen Spracheinheit 1909 S 15 Wilhelm Heizmann Hirsch In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Bd 14 S 595 Jan de Vries Altgermanische Religionsgeschichte 1957 498 a b c Will Erich Peuckert Hirsch In Handworterbuch des deutschen Aberglaubens Bd 4 Sp 89 f Ake V Strom Germanische und Baltische Religion 1975 S 88 a b Wilhelm Heizmann Hirsch In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Bd 14 S 607 Tacitus Germania 7 9 a b c d e Gerhard Perl Tacitus Germania 1990 S 247 Jacques Brosse Mythologie der Baume 4 Auflage Ostfildern 2003 ISBN 978 3 530 11616 8 S 34 Jan de Vries Altgermanische Religionsgeschichte 1957 498 der einige Belegstellen anfuhrt selbst jedoch keine Meinung aussert Vergleiche ebenso Manfred Fuhrmann in den Anmerkungen seiner Ubersetzung von Tacitus Germania Reclam Verlag Stuttgart 1971 S 56 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alcis amp oldid 222722548