www.wikidata.de-de.nina.az
Die Bezeichnung Magna Mater lateinisch fur Grosse Mutter wird in der archaologischen Fachliteratur fast ausschliesslich fur die antike Gottin Kybele griech Kybelh die Grosse Gottermutter Megale Meter vom Berg Ida lat Mater Deum Magna Ideae kurz Magna Mater verwendet romische Darstellung der Cybele um 60 n Chr In einigen religionshistorischen oder archaologischen Schriften wird der Begriff bisweilen auf die Muttergottinnen des mediterranen Neolithikums ausgedehnt 1 Der Autor Manfred Kurt Ehmer verwendet den Ausdruck in seinen popularwissenschaftlichen Schriften fur eine kulturubergreifende Interpretation im Sinne einer weitreichenden okospirituellen neureligiosen Auslegung die die Erde als Verkorperung der Magna Mater oder als Mutter Erde auffasst 2 Inhaltsverzeichnis 1 Mater Deum Magna Ideae 2 Harald Haarmann Verehrung in der Jungsteinzeit 2 1 Erd und Fruchtbarkeitsgottin 2 2 Vorlauferin weiblicher Gottheiten 3 Manfred Ehmer Neureligiose Interpretationen 4 Kulturhistorische Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseMater Deum Magna Ideae Bearbeiten nbsp Reliefdarstellung des Magna Mater Tempels Villa Medici Rom Der Name Mater Deum Magna Ideae lateinisch deutsch Grosse Gottermutter vom Berg Ida fur Berg Ida siehe Psiloritis wurde der phrygischen Gottin Kybele nach Einfuhrung des Kybele und Attiskultes im Romischen Reich im Jahre 205 204 v Chr gegeben Uberliefert ist auch der Name Magna Mater Deorum Idaea Grosse Mutter der Gotter vom Berge Ida sowie die Schreibweisen Magna Mater deum Idea und Mater Deum Magna Ideae Neben den offiziellen Kybele Attis Mysterien gab es auch in der Volksreligiositat Kleinasiens immer schon die Verehrung der Kybele als Grosse Mutter ausserhalb eines Mysterienkultes kultische Feiern mit einem geheim bleibenden Kern Kybele galt ursprunglich in Kleinasien und nach der Hellenisierung auch bei den Griechen als die Erzeugerin des Lebens als Berg und Erdmutter als Beschutzerin der Stadte sowie als Fruchtbarkeitsgottin und Gottin des weiblichen Geschlechtes Harald Haarmann Verehrung in der Jungsteinzeit Bearbeiten nbsp Sleeping Lady von Malta 4 Jahrtausend v Chr nbsp Weibliche Statuette von Samarra 7 Jahrtausend v Chr Der Sprach und Kulturwissenschaftler Harald Haarmann bringt die Verehrung einer Magna Mater mit der sogenannten neolithischen Revolution in Verbindung als die Menschen sich erstmals der Landwirtschaft zuwandten und oft auch sesshaft wurden Die Neolithisierung begann in Kleinasien etwa 10 000 v Chr erreichte ab etwa 6500 v Chr Sudosteuropa und in den folgenden Jahrtausenden das ubrige Europa Dabei soll den Frauen die Anpflanzung und Ernte oblegen haben wahrend die Manner weiterhin der Jagd nachgegangen seien 3 Infolgedessen soll sich die Idee einer weiblichen Gottheit ausgebreitet haben Schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeit fehlen wenn auch die auf dem Balkan gefundenen Vinca Zeichen die moglicherweise aus dem 6 Jahrtausend v Chr stammen von Haarmann als Weiheinschriften interpretiert werden die jedoch bislang nicht entziffert werden konnten 4 In dem Bereich zwischen dem Balkan der Donau und bis zur heutigen Ukraine ein Gebiet das von Marija Gimbutas als Alteuropa bezeichnet wurde wurden Tausende von Statuetten aus dieser Zeit gefunden die durch Bruste Schamdreieck und teilweise uberbreite Huften gekennzeichnet sind Darstellungen die auf Geburtsszenen oder Mutter mit Kind hinweisen fehlen jedoch Mannliche Darstellungen befanden sich nur vereinzelt darunter in Vinca waren es 581 weibliche und 17 mannliche Figuren in einer jungeren Schicht aus dem 4 vorchristlichen Jahrtausend waren uber 90 der 83 Figuren weiblich in Sitagroi in Nordgriechenland waren alle 250 Figuren weiblich 5 Insgesamt sei aus der Jungsteinzeit von uber 20 000 weiblichen Statuetten berichtet worden Solche Figuren wurden auch in Anatolien unter anderem in der jungsteinzeitlichen Grosssiedlung Catalhoyuk gefunden wo sie bis ins 8 vorchristliche Jahrtausend datiert werden 6 Erd und Fruchtbarkeitsgottin Bearbeiten Haarmann nimmt an dass die Grosse Gottin als Lebenspenderin Herrin der Vegetation und Schutzpatronin des Ackerbaus und Huterin der tierischen und menschlichen Fruchtbarkeit auch im Hinblick auf die Sexualitat verehrt wurde Sie galt als allmachtig und stand uber dem irdischen Leben Aus ihrer Bedeutung leitet Haarmann ab dass jungsteinzeitlichen Gesellschaften auch matrifokal organisiert waren in denen die Kinder bei der Mutter leben und Erbfolge sowie Familienbindungen matrilinear ausgestaltet sind sich also nach der Abstammung mutterlicherseits richten Andere gehen weiter und folgern hieraus die Existenz matriarchalisch organisierter Gesellschaften 7 Diese Deutungen werden fachwissenschaftlich jedoch zuruckgewiesen In der Archaologie wird die Interpretation anthropomorpher weiblicher Darstellungen als Gottinnen jedoch nicht gestutzt Ein Teil der Figurinen z B in Catalhoyuk stellen auch Manner dar andere Stucke sind zoomorph oder zeigen keine geschlechtsspezifischen Charakteristika Nur funf Prozent der etwa 2000 gefundenen Figuren sind eindeutig weiblich 8 Vorlauferin weiblicher Gottheiten Bearbeiten Haarmann versucht viele antike Gottinnen von der Magna Mater abzuleiten wie zum Beispiel die Verehrung der Aphrodite auf Zypern vor ca 5000 Jahren 9 Auch die sumerischen babylonischen und phonizischen Gottinnen wie Inanna Istar und Astarte sollen laut Haarmann auf eine altere Magna Mater zuruckgehen So werden von einigen Archaologen die am Ostufer des Tigris im Irak gefundenen Frauenstatuetten von Samarra aus der Zeit 6500 6000 v Chr als Vorlauferinnen der sumerischen Gottinnen und Darstellungen der Grossen Mutter angesehen Gerda Weiler will auch im Alten Testament Anzeichen fur eine fruhe Verehrung einer Grossen Gottin finden 10 In Kleinasien findet sich die Verehrung der Grossen Gottin als Kybele die unter dem Namen Mater Deum Magna Ideae Grosse Gottermutter vom Berge Idea 205 v Chr nach Rom kam und sich von hier aus im ganzen romischen Reich ausbreitete siehe auch Tempel der Magna Mater Von dieser romischen Namensgebung leitet sich auch der heute ubliche Name der Urmutter als Magna Mater ab Im 19 Jahrhundert wurde Kybele oft als Allegorie der Erde dargestellt 11 Haarmann nimmt an dass infolge der von Gimbutas postulierten indogermanischen Siedlungsschube zwischen 4500 und 3000 v Chr das indoeuropaische polytheistische Pantheon mit vorherrschenden mannlichen Gottheiten die Vorstellung einer Muttergottheit uberlagerte in dem weibliche Gottheiten zwar an Seiten der mannlichen Gotter stehen ohne aber die mannliche Dominanz in Zweifel zu stellen 12 Gimbutas Postulat wurde jedoch von zahlreichen Archaologen in Frage gestellt 13 Manfred Ehmer Neureligiose Interpretationen BearbeitenErste Spuren neuheidnischer naturreligioser Bewegungen finden sich im 18 und fruhen 19 Jahrhundert als Gegenentwurf zur rationalistischen Weltsicht der Aufklarung In den 1970er Jahren wurde die Vorstellung von einer Ur oder Allmutter die man der Erscheinung der Grossen Gottin zurechnet aufgenommen um sogenannte ganzheitliche Ansatze zur Erfassung der Erde als ein eigenes Wesen zu beschreiben 14 im Wicca in okospirituellen und okofeministischen Bewegungen im spirituellen Feminismus und in Matriarchatstheorien Siehe dazu auch Hypothesen zur Religion historischer MatriarchateIn der Interpretation von Manfred Kurt Ehmer der Autor bezeichnet als Schwerpunkt seiner Aktivitat Okoreligion Okospiritualitat forderte im Neolithikum der von der Landwirtschaft vorgegebene Lebensrhythmus die Vorstellung von der Erde als autarkem Wesen das mit seinen Kraften die sich im Werden von Fauna und Flora aber auch des Menschen zeigten als Grosse Mutter Magna Mater oder Urmutter allen Seins verehrt wurde 15 Hieraus soll sich laut Ehmer infolge einer Ubertragung dieser fruchtbringenden Eigenschaften auf das Weibliche der Kult einer Magna Mater entwickelt haben der sinnbildlich fur den fruchtbaren Mutterschoss stand aus dem alles Leben erneut hervorgeht 16 Diese Interpretation verbindet er in Europa auch mit der Megalithkultur auf Malta zwischen 4500 und 1500 v Chr deren steinerne Bauwerke angeblich als Tempel der Grossen Gottin gedeutet wurden In den megalithischen Tempelanlagen von Tarxien Ħaġar Qim und im Hypogaum von Ħal Saflieni wurden androgyne und weibliche Statuetten darunter die Venus von Malta nicht zu verwechseln mit der russischen Venus von Malta in Oblast Irkutsk die Sleeping Lady und die fat lady gefunden Ehmer interpretiert sie als kleine Darstellungen der Muttergottheit 17 Auf Magna Mater Meter megale grosse Mutter sollen auch samtliche Erdgottinnen der Alten Agais wie zum Beispiel Rhea Gaia Demeter und Persephone zuruckgehen 18 Kulturhistorische Literatur BearbeitenHarald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie Olms Hildesheim Zurich New York 1996 ISBN 3 487 10163 7 Maria Xagorari Gleissner Meter Theon Die Gottermutter bei den Griechen Harrassowitz Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 447 05986 2 Barbara Kowalewski Frauengestalten im Geschichtswerk des T Livius Saur Munchen Leipzig 2002 ISBN 3 598 77719 1 S 197 Jorg Rupke Fehler und Fehlinterpretationen in der Datierung des Dies Natalis des stadtromischen Magna Mater Tempels In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik 102 1994 S 237 PDF Weblinks BearbeitenEncyclopedia Britannica Artikel Great Mother of the GodsEinzelnachweise Bearbeiten Hanns Ch Brennecke Christoph Markschies Ernst L Grasmuck Hrsg Logos Festschrift fur Luise Abramowski zum 8 Juli 1993 de Gruyter 1993 ISBN 3 11 013985 5 S 33 34 Manfred Kurt Ehmer Die Weisheit des Westens Patmos Dusseldorf 1998 ISBN 3 491 72395 7 S 46 Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 ISBN 3 487 10163 7 S 20 ff Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 17Harald Haarmann Universalgeschichte der Schrift Frankfurt New York 1998 ISBN 3 88059 955 6 S 73 ff Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 18 Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 127 ff Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 22 Lynn Meskell The Archaeologies of Catalhoyuk In Lucy Goodison Christine Morris Hrsg Ancient Goddesses British Museum Press London 1998 ISBN 0 7141 1761 7 S 46 62 Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 88 ff Gerda Weiler Das Matriarchat im Alten Israel Kohlhammer Verlag Stuttgart 1989 ISBN 3 17 010773 9 Philippe Borgeaud La mere des dieux De Cybele a la Vierge Marie Editions Seuil Paris 1999 Harald Haarmann Die Madonna und ihre Tochter Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie 1996 S 43 f Vgl z B Ruth Tringham Review of The Civilization of the Goddess The World of Old Europe by Marija Gimbutas 1991 In American Anthropologist Band 95 1993 S 196 197 oder Lynn Meskell Goddesses Gimbutas and New Age archaeology In Antiquity Band 69 Nr 262 1995 S 74 86 Manfred Kurt Ehmer Gottin Erde Kult und Mythos der Mutter Erde Zerling Berlin 1994 ISBN 3 88468 058 7 S 40 ff Manfred Kurt Ehmer Gottin Erde Kult und Mythos der Mutter Erde Zerling Berlin 1994 ISBN 3 88468 058 7 S 24 Manfred Kurt Ehmer Die Weisheit des Westens Patmos Dusseldorf 1998 ISBN 3 491 72395 7 S 46 Manfred Kurt Ehmer Die Weisheit des Westens Patmos Dusseldorf 1998 ISBN 3 491 72395 7 S 46 Manfred Kurt Ehmer Die Weisheit des Westens Patmos Dusseldorf 1998 ISBN 3 491 72395 7 S 46 online beim Projekt Hypersoil der Universitat Munster Gaia und Demeter in der griechischen Antike Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Magna Mater amp oldid 222124094