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Georges Dumezil 4 Marz 1898 in Paris 11 Oktober 1986 ebenda war ein franzosischer Religionswissenschaftler und Soziologe der fur seine Analyse indoeuropaischer Religion und Gesellschaft beruhmt wurde Er gilt heute als einer der bedeutendsten Forscher zur Mythographie besonders fur seine Formulierung der trifunktionalen Hypothese sozialer Klassen in indoeuropaischen Gesellschaften Beeinflusst war er von James Frazer und dem deutschen Indogermanisten Hermann Guntert spater auch von dem Saussure Schuler Antoine Meillet Georges DumezilInhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Werk 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 NotizenLeben und Wirken BearbeitenGeorges Dumezil war der Enkel eines Kufers aus Bayon sur Gironde Sein Vater Jean Anatole Dumezil 1847 1929 konnte ein Gymnasium besuchen wo er sich fur Latein und moderne Sprachen begeisterte Spater schlug er eine militarische Laufbahn ein die ihn bis zum Rang eines Generals fuhrte Er vermittelte seinem Sohn das Interesse an Latein worauf dieser mit neun Jahren das Epos Aeneis von Vergil im Original lesen konnte Gleichzeitig erlernte er als Kind bereits Altgriechisch und Deutsch Den militarischen Versetzungen seines Vaters unterliegend wechselte Dumezil mehrmals das Gymnasium So waren Bourges Briancon Paris Neufchateau Troyes danach erneut Paris sowie Tarbes und schliesslich Vincennes die Stationen seiner Schullaufbahn Anschliessend besuchte er den Vorkurs der Classes preparatoires litteraires genannt khagne am Lycee Louis le Grand in Paris In dieser Zeit begegnete er Michel Breal der ihm den Kontakt mit Antoine Meillet vermittelte und ihm sein Sanskrit Worterbuch anvertraute worauf sich Dumezil mit Sanskrit und Arabisch beschaftigte 1916 wurde er als bester Bewerber zum Studium an der Ecole normale superieure de Paris zugelassen Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Dumezil als Offizier der Artillerie mobilisiert in der er vom Marz 1917 bis Februar 1919 verblieb Danach beteiligte er sich am akademischen Selektionsexamen Agregation de lettres 6 Ausgabe spater nahm er kurzzeitig ein Lehramt in Beauvais an Im Januar 1921 folgte ein Lehrauftrag fur Franzosisch an der Universitat Warschau 1922 war er wieder zuruck in Frankreich und begann seine Dissertationen in Religionswissenschaft und vergleichender Mythologie Sein Doktorvater war Antoine Meillet Dumezil verteidigte seine Arbeiten im April 1924 Die erste Arbeit trug den Titel Le Festin d immortalite Etude de mythologie comparee indo europeenne darin behandelte er Ahnlichkeiten zwischen dem den griechisch romischen Gottern zugeschriebenen Ambrosia und einem vergleichbaren Trank in der indischen Mythologie namens Amrita Jedoch beschrankte er sich nicht auf einen ausschliesslich komparativen Ansatz sondern nahm Elemente aus einem weiteren Feld der indischen Mythologie auf Dies brachte ihm den Vorwurf ein sich Freiheiten im Umgang mit Tatsachen herausgenommen und seine Geschichte ausgeschmuckt zu haben ein Vorwurf der sich zuweilen bis heute gegen ihn halt So gestand Dumezil selbst ein in seiner Dissertation mangels einer Entsprechung in der nordischen Mythologie das Bier zum Unsterblichkeitstrank umgedeutet zu haben Seine zweite Doktorarbeit betitelte er mit Le Crime des Lemniennes Rites et Legendes du monde egeen 1925 nahm Dumezil einen Ruf an die Universitat Istanbul an wo auf Wunsch von deren Grunder Mustafa Kemal Ataturk ein Lehrstuhl fur Religionswissenschaft entstanden war Dort befasste er sich mit Turkisch und reiste auch ins russisch kaukasische Grenzgebiet und daruber hinaus Studien zur Mythologie und Sprache der Osseten ebenso wie uber die heute ausgestorbene ubychische Sprache deren Sprecher von 1860 bis 1870 vor der russischen Armee in die Westturkei geflohen waren folgten Auch die adygeische und abchasische Sprache waren Gegenstand seiner Studien Seine umfangreichen Forschungen uber die Sprachen des Kaukasus gingen in den Bestand der Bibliotheque interuniversitaire des langues orientales in Paris ein 1931 folgte Dumezil einem Ruf an die Universitat Uppsala in Schweden wo er seine Kenntnisse der nordischen Mythologie vertiefte und Schwedisch lernte Dort knupfte er bleibende Kontakte zu schwedischen Religionshistorikern 1 Dank diesem Abstecher nach Skandinavien wurde spater auch Dumezils personlicher Protege Michel Foucault nach Uppsala berufen 1933 gab Dumezil diese Stelle auf und erhielt durch die Vermittlung des befreundeten Indologen Sylvain Levi in Paris den Posten eines charge de conferences der Religionswissenschaft Danach wurde er zum directeur d etude comparative des religions des peuples indo europeens der 5 Sektion an der Ecole pratique des hautes etudes ernannt Bei Marcel Granet belegte er zudem Vorlesungen der Sinologie schrieb nationalistisch gesinnte Artikel unter dem Pseudonym Georges Marcenay und pflegte den Kontakt zum Anthropologen Marcel Mauss 1936 publizierte er in der Festschrift fur Hermann Hirt Germanen und Indogermanen 1936 1938 begann er mit Jupiter Mars Quirinus in dem er sein Modell der drei Klassen Theorie de la trifonctionnalite darlegte 1941 wurde Dumezil wegen seiner Zugehorigkeit zur Freimaurerei aus dem Lehrkorper entfernt Der Geistliche Pierre Dabosville Direktor der Privatschule Ecole Saint Martin de France in Pontoise verhalf ihm darauf zu einer Anstellung als Latein und Griechischlehrer an seinem Institut Zu Dumezils dortigen Schulern zahlte unter anderem der spatere Anwalt und Politiker Jean Marc Varaut Dank einer Intervention des Althistorikers Jerome Carcopino konnte Dumezil 1942 in den universitaren Betrieb zuruckkehren 1949 bis 1968 hatte er am College de France einen eigens fur ihn geschaffenen Lehrstuhl fur indoeuropaische Zivilisationen inne Zwischen 1952 und 1972 unternahm er erneute Studienreisen in den Kaukasus 1968 wurde Dumezil emeritiert blieb aber noch drei Jahre als Teilnehmer an Konferenzen insbesondere an US amerikanischen Universitaten wie Princeton offentlich tatig Es entstand eine Gesamtausgabe seiner wissenschaftlichen Arbeiten 1968 1971 und 1973 erschien in drei Banden Mythe et Epopee 1970 erfolgte seine Berufung in die Academie des inscriptions et belles lettres Die Academie francaise nahm ihn 1978 in ihre Range auf Seit 1958 war er assoziiertes Mitglied der Academie royale des Sciences des Lettres et des Beaux Arts de Belgique 2 Ein Jahr nach ihm verstarb 1987 seine Frau Madeleine Das Paar hatte die beiden Kinder Perrine und Claude Perrine Dumezil eine Astrophysikerin war mit Hubert Curien verheiratet der unter Francois Mitterrand zum Forschungsminister aufstieg Claude Dumezil 1929 2013 war Psychoanalytiker Zu Dumezils Schulern gehort Roger Caillois Werk BearbeitenDumezil sah Mythen die er nicht historisch sondern strukturalistisch behandelte als soziale Muster an Er entwickelte dafur eine Methode der komparativen Mythologie nach der zwei Gotter identisch waren wenn sie in ihrem jeweiligen Pantheon analoge Funktionen wahrnahmen Er unternahm es in vergleichender Methode bislang unerkannte aber schlagende Strukturparallelen indischer persischer ossetischer griechischer romischer und germanischer Gotter und Heldensagen aufzudecken Dumezil erkannte darin eine Analogie zwischen indogermanischer Sprachentwicklung und indogermanischer Religionsentwicklung Seine strukturelle Theorie baut auf der These auf dass der Gotterhimmel ein Abbild der Gesellschaft ist Viele indogermanische Kulturen bestanden aus den drei freien Standen Lehrstand Wehrstand und Nahrstand Darauf folgerte Dumezil folgendes Schema Hell Juridisch ind Mitra rom Dius Fidus germ Tyr keltisch Teutates Funktion Richter Gesetzgeber halt sich im HintergrundDunkel Magisch ind Varuna rom Jupiter germ Odin Funktion Herrscher wird oft als ungerecht empfundenStarke ind Indra rom Mars germ Thor keltisch Taranis Funktion Held mit einer primitiven Waffe Keule Hammer totet die WasserschlangeFruchtbarkeit ind Nasatya rom Quirinus germ Njord amp Freyr Funktion Wohltater des VolkesDas System erwies sich als geeignetes Muster und brachte der vergleichenden Religionswissenschaft einen Schub in der Entwicklung Die Namen und deren Etymologie traten in den Hintergrund zugunsten von Sagen Mythen und struktureller Eigenschaften die bestimmte Gottheiten miteinander verbinden So wurde ein heldenhafter Donnergott fassbarer als bisher Der germanische Thor und der indische Indra trinken und essen uberreichlich sind jahzornig und bekampfen wie auch der baltische Perkunas slawisch Perun ein drachenartiges Wesen Daneben postulierte er eine Urideologie die in der Urreligion eine Projektion zeitgenossischer gesellschaftlicher Verhaltnisse sah Dabei ging er von einer dreiteiligen Standegesellschaft aus ideologie tripartite Priesterstand Kriegerstand und Bauernstand Dies spiegle sich im Ur Pantheon den Mythen und Heldengedichten wider So fanden sich dann uberall Gottheiten die Recht und Ordnung andere die die unberechenbare Gewalt und wieder andere die die Fruchtbarkeit vertraten 3 Er interessierte sich auch fur arische Mannerbunde und beschreibt unter anderem 1940 vedische Mannerbunde Sein Werk Ouranos Varuna ist dem Problem des sakralen Konigtums gewidmet bei dem die Konige rituell verstummelt und getotet werden Die Begrenztheit seines Dreiklassenmodells Priester Krieger Bauer zeigt sich in der fruhen skandinavischen Gesellschaft die einen Priesterstand nicht kannte In der Rigsthula der Edda wird dagegen ein Dreiklassenmodell Adel Freier Bauer Sklave vorgestellt Der Konigsspiegel beschreibt vier Klassen Kaufleute Aristokratie mit dem Konig an der Spitze Geistlichkeit und Bauern 4 In den letzten Jahren seines Lebens wurde Dumezil jedoch sehr selbstkritisch Obwohl er als einer der grossten Verfechter der indogermanischen Sprachenforschung galt begann er vor allem diese in Frage zu stellen Die Indo europaischen Zivilisationen sind als Produkte von Romanautoren einzustufen 5 Ausser seinen mythographischen und sprachgeschichtlichen Schriften veroffentlichte Georges Dumezil einen Roman Le Moyne noir en gris dedans Varenne Sotie nostradamique Schriften BearbeitenEin beinahe vollstandiges Schriftenverzeichnis findet sich in Hommages a Georges Dumezil Bruxelles 1960 Collection Latomus 45 S xi xxii 1924 Le Festin d immortalite Dissertation 1929 Le Probleme des Centaures 1934 Ouranos Varuna 1935 Flamen Brahman 1939 Mythes et dieux des Germains Essai d interpretation comparative Reihe Mythes et religions 1 PUF Paris 1940 Mithra Varuna Essai sur deux representations indo europeennes de la Souverainete PUF Paris 1940 Ubers Inge Kock Loki Loki WBG Darmstadt 1959 Aspekte der Kriegerfunktion bei den Indogermanen Aspects de la fonction guerriere chez les Indo Europeens Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG Darmstadt 1964 Mythos und Epos Die Ideologie der drei Funktionen in den Epen der indoeuropaischen Volker Mythe et epopee Die erleichterte Erde La terre soulagee Campus Verlag 1989 Maison des Sciences de l Homme Paris 1989 uber das Mahabharata Mehr in dieser Reihe nicht auf Dt ersch Ubers Eva Moldenhauer Der schwarze Monch in Varennes Nostradamische Posse und Divertissement uber die letzten Worte des Sokrates Roman Le moyne noir en gris dedans Varennes Insel Frankfurt 1989 Suhrkamp Berlin 2018 dazw weitere Aufl InhaltsverzeichnisLiteratur BearbeitenHommages a Georges Dumezil Bruxelles 1960 Collection Latomus 45 Festschrift Ulf Drobin Indoeuropeerna i myt och foskning In Gro Steinsland Ulf Drobin Juha Pentikainen Preben Meulengracht Sorensen Hrsg Nordisk Hedendom Et Symposium Syddansk Universitetsforlag Odense 1991 S 65 85 Didier Eribon Faut il bruler Dumezil Mythologie science et politique Flammarion Paris 1992 ISBN 978 2 08 066709 0 Stephan Moebius Die Zauberlehrlinge Soziologiegeschichte des College de Sociologie 1937 1939 UVK Konstanz 2006 ISBN 3 89669 532 0 Edgar C Polome About Dumezil Apropos of a special number of the Zeitschrift fur Religionswissenschaft In Journal of Indo European Studies 27 1999 S 248 256 Bernfried Schlerath Georges Dumezil und die Rekonstruktion der indogermanischen Kultur Kratylos 40 41 1996 S 1 48 1 67 Rudiger Schmitt Dumezilsche Dreifunktionentheorie In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 6 Walter de Gruyter Berlin New York 1986 ISBN 3 11 010468 7 S 276 280 Zeitschrift fur Religionswissenschaft 98 2 1998 Themenheft Georges Dumezil enthaltGuy G Stroumsa Georges Dumezil Ancient German Myths and Modern Demons S 125 136 Max Deeg Dumezil in practice der Fall Varuna und Odin S 137 162 Nick Allen Varnas colours and functions Expanding Dumezil s schema S 163 177 David H Sick Dumezil Lincoln and the Genetic Model S 179 195 Carlos Marroquin Bemerkungen zu einem Thema der Mythosforschung bei Georges Dumezil und Roger Callois S 197 206 Cristiano Grottanelli Dumezil s Aryens in 1941 S 207 219 Bruce Lincoln Dumezil Ideology and the Indo Europeans S 221 227Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Georges Dumezil im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiografie und Werkliste der Academie francaise franzosisch Bruce Lincoln Online Eintrag zu Dumezil in der Encyclopaedia IranicaNotizen Bearbeiten Drobin S 65 Academicien decede Georges Edmond Raoul Dumezil Academie royale des Sciences des Lettres et des Beaux Arts de Belgique abgerufen am 11 September 2023 franzosisch Drobin S 67 Sverre Bagge Old Norse Theories of Society From Rigthula to Konungs skuggsia In Jens eike Schnall Rudolf Simek Hrsg Speculum Regale Der Altnorwegische Konigsspiegel Konungs skuggsja in der europaischen Tradition Wien 2000 Studia Septentrionalia 5 S 7 45 9 f Didier Eribon Entretien avec G Dumezil Gallimard Paris 1987 S 220Normdaten Person GND 118672681 lobid OGND AKS LCCN n50030551 VIAF 68928415 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Dumezil GeorgesALTERNATIVNAMEN Dumezil Georges Edmond Raoul vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG franzosischer ReligionswissenschaftlerGEBURTSDATUM 4 Marz 1898GEBURTSORT ParisSTERBEDATUM 11 Oktober 1986STERBEORT Paris Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Georges Dumezil amp oldid 237365738