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Die Russische Revolution von 1905 russisch Revolyuciya 1905 goda v Rossii Rewoljuzija 1905 goda w Rossii umfasst eine Reihe von 1905 bis ins Jahr 1907 andauernder revolutionarer Unruhen im russischen Kaiserreich ausgelost vor allem durch den Russisch Japanischen Krieg und den Petersburger Blutsonntag von 1905 Die Massnahmen mit denen die Regierung des Zaren Nikolaus II die Revolutionare besanftigte wurden bald wieder zuruckgenommen weshalb die Revolution als gescheitert gilt Sie stellt die Vorgeschichte zur Februarrevolution 1917 und der sich daran anschliessenden Oktoberrevolution dar Inhaltsverzeichnis 1 Ursachen 2 Verlauf 3 Ergebnisse 4 Film 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseUrsachen BearbeitenDie jahrhundertelang bestehende konservative und repressive Regierungsform der zaristischen Autokratie wurde in der Geschichte Russlands schon im 19 Jahrhundert wiederholt von Bewegungen und Aufstanden begleitet die z B auf die Einfuhrung einer konstitutionellen Monarchie abzielten darunter insbesondere der 1825 gescheiterte Aufstand der Dekabristen gegen Zar Nikolaus I Die gravierenden politischen und sozialen Missstande im agrarisch gepragten Russland betrafen vor allem das durch Grossgrundbesitz und Leibeigenschaft gekennzeichnete Leben in den landlichen Gebieten Hinzu kam eine stark ausgepragte Korruption in der staatlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit Russland hatte infolge der Niederlage im Krimkrieg und mit dem Ende des Systems der Heiligen Allianz seine dominierende Stellung in Europa verloren Nun trat die sozialstrukturelle wirtschaftliche und technologische Ruckstandigkeit Russlands allerorten zutage Unter Zar Alexander II kam es daraufhin zu Liberalisierungsbemuhungen und Reformen insbesondere zur Abschaffung der Leibeigenschaft allerdings gegen grosse Widerstande der russischen Aristokratie Im Zuge der Industrialisierung verscharften sich die Probleme des Landes aufgrund einer miserablen Sozialgesetzgebung zum Schutz der Arbeiter 11 5 Stunden Tag Gewerkschaftsverbot Dadurch wuchs die Unzufriedenheit in allen Schichten der Bevolkerung nun auch in den Stadten und vor allem auch der gebildeten Kreise In Russland entstand dafur der Begriff der Intelligenzia damit sind liberale oder linksgerichtete Professoren Studenten und Akademiker gemeint die meist dem Adel und Wirtschaftsburgertum entstammten In Moskau und Sankt Petersburg aber auch in anderen russischen Stadten entstanden verschiedene kritische und teils revolutionar oder terroristisch gesinnte Kreise von Intellektuellen Sozialrevolutionaren ehemalige Narodniki Anarchisten und spatere Kommunisten Zar Alexander III der Sohn des ermordeten Zaren Alexander II liess sie brutal verfolgen Unter dem seit 1894 regierenden Zaren Nikolaus II der fest an den autokratischen Prinzipien seines Vaters festhielt nahmen Unterdruckung und Polizeiuberwachung zu Auch eine Reihe von Reformen die der Zar noch 1904 bewilligte bewirkten keine entscheidenden Veranderungen Weder gab es einen sozialen Ausgleich in der russischen Bevolkerung noch wurde Russland zu einem Verfassungsstaat Vor allem um von den gravierenden innenpolitischen Problemen abzulenken forcierte die russische Regierung den schwelenden Konflikt mit Japan Das Inselreich reagierte aber unerwartet heftig indem es im Februar 1904 den russischen Stutzpunkt Port Arthur uberfiel Der Russisch Japanische Krieg erwies sich als Debakel fur Russland Bei der Verteidigung von Port Arthur und folgenden Gefechten erlitt Russland mehrere schwere Niederlagen So auch in der Schlacht bei Mukden dem heutigen Shenyang im Marz 1905 Die Seeschlacht bei Tsushima Anfang Mai 1905 besiegelte die russische Niederlage da sie zum fast vollstandigen Verlust der russischen Flotte fuhrte Somit verlor Russland nun auch seine Dominanz im Fernen Osten Die Niederlage bewirkte neben dem Prestigeverlust fur das russische Zarenreich nach aussen ebenso einen Autoritatsverlust nach innen Die wirtschaftliche Situation im Land verschlechterte sich wegen einer Rezession zusehends Die Arbeitslosigkeit in den Industriezentren stieg rasch da Staatsauftrage ausblieben und es gab Schwierigkeiten in der Landwirtschaft da die Exportmarkte zusammenbrachen Die als Folge des Krieges und der wirtschaftlichen Krise scharfer zutage tretenden sozialen Missstande fuhrten zu wachsendem Unmut in weiten Kreisen Einzelne revolutionare Gruppen wie die Sozialrevolutionare oder die Polnische Sozialistische Partei Jozef Pilsudskis erhielten uber die japanische Botschaft in Stockholm Hilfsgelder 1 Die blutige Niederschlagung einer friedlichen Demonstration am sogenannten Blutsonntag des 9 Januarjul 22 Januar 1905greg wurde in dieser Situation zum Ausloser landesweiter Unruhen die u a auch auf die Ostseeprovinzen ubergriffen Dort richtete sich die Erbitterung auch gegen den grossgrundbesitzenden deutschbaltischen Adel Hunderte Schlosser wurden niedergebrannt 2 Die Gegnerschaft zu dem unumschrankt herrschenden Zarenregime vereinte in den folgenden Monaten recht unterschiedliche oppositionelle Gruppen Burgerliche und adlige Liberale Bauern und landbesitzlose Knechte Sozialrevolutionare und die bereits gut organisierte sozialistische Arbeiterbewegung waren an der Revolution beteiligt 3 Verlauf Bearbeiten Demonstranten am Petersburger BlutsonntagDa die Regierung fur die Fuhrung des Krieges mit Japan die offentliche Zustimmung brauchte gestattete sie einen Kongress in Sankt Petersburg im November 1904 Die Forderungen nach Reformen die bei diesem Kongress laut wurden fanden bei der Regierung jedoch keine Beachtung Arbeiter mussten in den Firmen in denen sie beschaftigt wurden fur ein kleines Stuck Brot mehrere Nachte anstehen und waren unzufrieden Zu Anfang streikten nur Frauen aus den Firmen Petersburgs Doch als man erfuhr dass das Brot absichtlich gehortet wurde und ihnen nur in kleinen Stucken zugesprochen wurde schlossen sich die Manner an und streikten mit Der Priester Georgi Apollonowitsch Gapon rief zu Demonstrationen auf Am 9 Januarjul 22 Januar 1905greg der als Petersburger Blutsonntag in die Geschichte eingehen sollte marschierten etwa 150 000 Arbeiter friedlich und unbewaffnet zum Winterpalast um ihre Forderungen nach Menschenrechten einem Wahlrecht und einem gesetzgebenden Parlament wirtschaftlicher Erleichterung und dem Achtstundentag zu verkunden Die Menge wurde vor dem Palast von der russischen Armee unprovoziert und uberraschend zusammengeschossen Die mindestens 130 Todesopfer und etwa 1000 Verletzten 4 sowie die Emporung uber die gewaltsame Niederschlagung der friedlichen Arbeiterdemonstrationen fuhrten zu einer Solidarisierung zahlreicher Arbeiter und zu einer Radikalisierung und Mobilisierung der Bevolkerung Am 4 Februarjul 17 Februar 1905greg fiel Grossfurst Sergei Alexandrowitsch Romanow der Bruder des Zaren und Generalgouverneur von Moskau einem Attentat zum Opfer 5 Es folgte eine Flut von Eingaben aus allen Bevolkerungsschichten Studenten teilweise unterstutzt vom Lehrpersonal ihrer Universitaten protestierten auf Banketten gegen die Regierung Aufgebrachte Bauern verweigerten Pacht und Steuerzahlungen oder eigneten sich das Ackerland der Gutsbesitzer an und in den Stadten streikten die Arbeiter 6 Meutereien in der Flotte schlossen sich an so die Meuterei auf dem Linienschiff Potemkin am 14 Junijul 27 Junigreg Nach Einlaufen des Schiffes in Odessa wo ein Generalstreik stattfand richteten zaristische Truppen in den folgenden Tagen bei der Niederschlagung der Unruhen ein Blutbad an Diese Ereignisse wurden im Stummfilm Panzerkreuzer Potemkin aus dem Jahr 1925 thematisiert Im Weiteren kam es zu antijudischen Pogromen unter anderem am 22 und am 23 Oktober 1905 in Riga 7 Die liberal demokratische Bewegung die sich auf die 1864 eingefuhrten Semstwo und Abgeordnete der Stadte stutzte verlangte in mehreren Konferenzen vom bis dahin autokratisch regierenden Zar die Einfuhrung eines Parlaments mit der Befugnis Gesetze zu geben Ein Konzept von Aleksander Grigorjewitsch Bulygin der am 20 Januar zum Innenminister ernannt worden war sah jedoch lediglich die Einberufung einer Duma mit beratender Stimme als zweiter Kammer neben dem Reichsrat vor 8 Dieser Entwurf wurde im September 1905 von einer weiteren Semstwo Konferenz als reaktionare Missgeburt abgelehnt 5 Die Enttauschung uber die geringe Konzessionsbereitschaft des Zaren und uber den fur Russland schmahlichen Frieden von Portsmouth der den Krieg mit Japan beendete liessen die Lage erneut eskalieren Ein im Oktober 1905 ausgerufener Eisenbahnerstreik unterband den Fernverkehr im gesamten Russischen Reich In Petersburg wurde der Generalstreik ausgerufen der bis Mitte Oktober das gesamte Land erfasste Am 13 Oktoberjul 26 Oktober 1905greg trat auf Initiative der Buchdrucker der erste Sowjet zusammen in dem der stellvertretende Vorsitzende Leo Trotzki eine fuhrende Rolle spielte Der Fuhrer der Bolschewiki Wladimir Iljitsch Lenin kehrte aus dem Exil zuruck und rief in der irrigen Annahme das Zarenregime ware bereits geschlagen Arbeiter und Bauern zum revolutionaren Widerstand gegen die liberale Bourgeoisie auf 9 Ein erster Vorlaufer hatte sich bereits im Mai 1905 in der Textilindustrie von Ivanowo herausgebildet 10 Regierung und Burokratie verloren die Kontrolle uber Versammlungsverbot und Pressezensur sodass zum ersten Mal eine Art offentlichen politischen Lebens in Russland entstand In dieser Situation gab die Regierung nach Im Oktobermanifest vom 17 Oktoberjul 30 Oktober 1905greg das von Sergei Juljewitsch Witte entworfen worden war versprach Nikolaus II burgerliche Freiheitsrechte und eine gesetzgebende Versammlung von gewahlten Volksvertretern Der Wunsch der Bauern nach einer Landreform wurde indes nicht bewilligt weswegen weitere Bauernaufstande folgten die in den folgenden Monaten blutig niedergeschlagen wurden 11 Ergebnisse BearbeitenDie grosstenteils erfolglose Revolution zeigte dem Zaren die Unzufriedenheit im Land Der Zar versuchte einen taktischen Ruckzug durch das Oktobermanifest Mit der Auflosung der zweiten Staatsduma und der Einfuhrung eines neuen Wahlrechts durch Nikolaus II im Juni 1907 wodurch die Vorherrschaft konservativer Krafte im Parlament sichergestellt wurde wurden die Reformen weitgehend wieder entkraftet Schon auf die Auflosung der ersten Duma im Sommer 1906 hatten einige Abgeordnete im Wyborger Manifest erfolglos zur Steuer und Kriegsdienstverweigerung gegenuber der zaristischen Regierung aufgerufen Der schwache Ruckhalt der liberalen Elite beim einfachen Volk der sich dadurch zeigte ermutigte das autokratische Regime die konstitutionellen Zugestandnisse zuruckzunehmen sobald es sich seiner militarischen Machtmittel sicher wusste Das Oktobermanifest spaltete die Oppositionsgruppen und die Revolution verebbte in Erwartung einer Erfullung der Reformwunsche durch die Reichsduma Das Militar stellte im Ergebnis die alte Ordnung wieder her Die Duma sollte als Volksversammlung den Anschein einer konstitutionellen Regierung erwecken In Wirklichkeit jedoch regierte der Zar immer noch autokratisch da in wesentlichen Bereichen wie etwa in denen des Militar und des Hofetats die Duma kein Entscheidungsrecht hatte Zudem besass der Zar wie bei einem von Adeligen besetzten Oberhaus das Vetorecht uber alle in der Duma getroffenen Entscheidungen und Abstimmungen Die Revolution von 1905 starkte in den Randgebieten des russischen Imperiums das Bestreben nach nationaler Selbstbestimmung dies war eine wichtige Forderung etwa im damals zu Russland gehorigen Konigreich Polen in dem es 1905 zu Streiks und Unruhen kam Dort wurden sowohl sozialistische als auch nationale Forderungen geaussert die Niederlage der Revolution schwachte jedoch die sozialistische Arbeiterbewegung und starkte nationalistische und konservative Krafte 12 Film BearbeitenDie Handlung vom Film des Regisseurs Sergej Eisenstein Panzerkreuzer Potemkin ist an die Ereignisse der Revolution 1905 vor allem der Meuterei angelehnt Literatur BearbeitenAbraham Ascher The Revolution of 1905 2 Bde Stanford University Press Stanford 1988 und 1994 Abraham Ascher The Revolution of 1905 A Short History Stanford University Press Stanford 2004 Francois Xavier Coquin und Celine Gervais Francelle Hrsg 1905 La premiere revolution russe Actes du colloque sur la revolution de 1905 Publications de la Sorbonne et Institut d Etudes Slaves Paris 1986 Wiktor Marzec Die Revolution 1905 bis 1907 im Konigreich Polen von der Arbeiterrevolte zur nationalen Reaktion In Arbeit Bewegung Geschichte Heft III 2016 S 27 46 David King Blood amp laughter Caricatures from the 1905 revolution 1983 ISBN 0 224 02155 9Weblinks Bearbeiten Commons Russische Revolution 1905 Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Wikisource Zeitungsbericht vom 2 Januar 1906 Quellen und Volltexte Pablo Alderete Vor 100 Jahren Die Russische Revolution 1905 In Sozialistische Zeitung Nr 22 hrsg v Sozialistische Alternative SAV 2 Februar 2005 Einzelnachweise Bearbeiten Gerd Koenen Die Farbe Rot Ursprunge und Geschichte des Kommunismus Beck Munchen 2017 S 613 Livlands zerstorte Schlosser Plates Riga 1906 1907 drei Bande Susan Morrissey Subjects and Citizens 1905 1917 In Simon Dixon Hrsg The Oxford Handbook of Modern Russian History Oxford University Press Oxford 2019 ISBN 978 0 199 23670 1 Abschnitt Autocratic Paternalism Contested Manfred Hildermeier Die Russische Revolution 1905 1921 Suhrkamp Frankfurt am Main 1989 S 51 a b Georg von Rauch Russland vom Krimkrieg bis zur Oktoberrevolution 1856 1917 In Theodor Schieder Hrsg Handbuch der europaischen Geschichte Band 6 Europa im Zeitalter der Nationalstaaten und europaische Weltpolitik bis zum Ersten Weltkrieg Klett Cotta Stuttgart 1968 S 335 Gerd Koenen Die Farbe Rot Ursprunge und Geschichte des Kommunismus Beck Munchen 2017 S 608 ff Margers Vestermanis Juden in Riga Auf den Spuren des Lebens und Wirkens einer ermordeten Minderheit 3 verbesserte und erweiterte Ausgabe in deutscher Sprache Edition Temmen Bremen 1995 ISBN 3 86108 263 2 S 33 34 Die russische Reichsduma und Folgeseite Das kaiserliche Manifest in Vossische Zeitung 19 August 1905 Georg von Rauch Russland vom Krimkrieg bis zur Oktoberrevolution 1856 1917 In Theodor Schieder Hrsg Handbuch der europaischen Geschichte Band 6 Europa im Zeitalter der Nationalstaaten und europaische Weltpolitik bis zum Ersten Weltkrieg Klett Cotta Stuttgart 1968 S 336 Christoph Schmidt Russische Geschichte 1547 1917 Oldenbourg Grundriss der Geschichte Bd 33 Oldenbourg Munchen 2009 ISBN 978 3 486 58721 0 S 99 abgerufen uber De Gruyter Online Christoph Schmidt Russische Geschichte 1547 1917 Oldenbourg Grundriss der Geschichte Bd 33 Oldenbourg Munchen 2009 ISBN 978 3 486 58721 0 S 100 f abgerufen uber De Gruyter Online Wiktor Marzec Die Revolution 1905 bis 1907 im Konigreich Polen von der Arbeiterrevolte zur nationalen Reaktion In Arbeit Bewegung Geschichte Heft III 2016 S 27 46 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Russische Revolution 1905 amp oldid 234305320