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Sowjet russisch sove t Rat war die Bezeichnung fur bestimmte Verwaltungsorgane in der Sowjetunion Ursprunglich waren Sowjets die aus den Revolutionen von 1905 und 1917 hervorgegangenen basisdemokratischen Arbeiter und Soldatenrate die jedoch schon bald nach der Oktoberrevolution 1917 von den Bolschewiki dominiert und entmachtet wurden Die 1936 von Josef Stalin eingefuhrten und ebenso machtlosen parlamentarischen Fuhrungsgremien wurden trotz des Widerspruchs zur Grundidee des Ratesystems ebenfalls Sowjets genannt Mit dem Begriff die Sowjets wurden und werden im Westen auch die Bewohner der Sowjetunion bezeichnet 1 Inhaltsverzeichnis 1 Selbstverwaltung in Arbeiterkomitees 1 1 1905 1922 1 1 1 Kronstadter Aufstand Marz 1921 1 1 2 Schauplatz Ukraine 2 Ab 1936 Parlament 2 1 Oberster Sowjet der UdSSR 2 2 Oberste Sowjets der Unionsrepubliken 2 3 Sowjets unterer Ebenen 3 Siehe auch 4 Literatur 5 EinzelnachweiseSelbstverwaltung in Arbeiterkomitees BearbeitenUber die Entstehung der Sowjets bestehen unter Historikern unterschiedliche Ansichten Manfred Hildermeier gibt in Anlehnung an Oskar Anweiler 2 als Geburtsstunde den Arbeitskampf in der von einer jungen Textilindustrie gepragten russischen Stadt Iwanowo Wosnessensk an in der von Mai bis Juli 1905 etwa 40 000 Arbeiter fur zehn Wochen streikten Zur Koordination und Verhandlungsfuhrung wurde ein Deputiertenrat gegrundet der den Streik entscheidend pragte und ihm eine aussergewohnliche Geschlossenheit verlieh 3 Der Historiker Isaac Deutscher hingegen sieht die Entstehung des Sowjets als ungewollte Folge einer vom Zaren einberufenen Kommission die die Vorfalle der Januar Unruhen des Jahres 1905 in St Petersburg untersuchen sollte Die Kommission hatte den Arbeitern befohlen in den Fabriken ihre Vertreter zu wahlen damit sie ihre Klagen vorbringen konnten Die Streikenden kamen im Oktober auf diesen Prazedenzfall zuruck als der Petersburger Sowjet am 13 Oktober 1905 zum ersten Mal zusammentrat 4 1905 1922 Bearbeiten Die Bezeichnung Sowjet wurde in der russischen Revolution von 1905 bis 1907 gepragt als sich Arbeiterkomitees der Betriebe und in Stadtteilen die Funktionen der politischen und militarischen Macht ausubten als Sowjets bezeichneten Sie bildeten sich spontan Zum ersten Vorsitzenden des bekanntesten des Petrograder Sowjets war Nossarj Chrustaljew gewahlt worden Leo Trotzki der nach der Verhaftung Chrustaljews Vorsitzender wurde 5 konstatierte dass sie im gesamten Russischen Reich Sowjets bilden wurden Im Zuge der russischen Februarrevolution von 1917 bildeten sich entsprechend Trotzkis Aussage uberall Arbeitersowjets Diese Sowjets wurden nach dem gleichen Modell wie die fruheren Rate von 1905 eingerichtet Diesmal jedoch landesweit und auch als ein Teil der Exekutive Der Petrograder Sowjet teilte sich in der Hauptstadt die Macht mit der nach dem Umsturz und der Abdankung der Romanows eingerichteten Provisorischen Regierung von Kerenski und der sie stutzenden Duma Inzwischen hatten sich deren Abgeordnete erheblich grossere Entscheidungsgewalt als in der Zarenzeit erstritten Damit begann die Zeit der Doppelherrschaft Mit der Zuspitzung der sozialen Konflikte und der Entwicklung der revolutionaren Garungsprozesse schwenkten die zuerst stark mit den Menschewiki sympathisierenden Sowjets nahezu linear nach links bis die Kommunistische Partei Russlands Bolschewiki um Lenin und Trotzki schliesslich den grossten Einfluss auf die in den Sowjets organisierten Arbeiter hatten In der mit der Theorie der permanenten Revolution konformen Oktoberrevolution erklarte sich der von bolschewistischen Arbeiterdelegierten dominierte II Allrussische Sowjetkongress zur neuen Obersten Instanz Russlands vorerst bis zur Entscheidungsfindung der Russischen konstituierenden Versammlung fur die kunftige Staatsform Nach der Revolution wurde das Ratesysten weiter gefestigt um zum Grundgerust Sowjetrusslands und spater der Sowjetunion zu werden Mit ihrer Grundung 1922 nach der Beendigung des Burgerkriegs entstand die erste Raterepublik in Russland Nach Ansicht einiger Historiker diente das Attentat auf Lenin 1918 den Bolschewiki lediglich als Vorwand um die Rechte der Rate und der Opposition einzuschranken Der Hintergrund des Attentats habe nichts mit dem Ratesystem zu tun mit dem die Linken Sozialrevolutionare vollauf zufrieden gewesen seien sondern der Anlass sei der Abschluss des Friedensvertrages von Brest Litowsk mit Deutschland gewesen kurz nach dessen Abschluss war der Burgerkrieg ausgebrochen Die Sozialrevolutionare und Anarchisten kreideten Lenin den Abschluss dieses Vertrages wie viele Bolschewiki vor Vertragsabschluss ebenfalls an Das ursprungliche Organisationsprinzip waren die Betriebe Dorfer Armeeeinheiten weshalb man von einer dem Parlamentarismus uberlegenen Ratedemokratie sprach Infolge des Burgerkrieges konnte das Sowjetsystem aber nur in beschranktem Masse wirken Zwar konnten entgegen vorherrschender Darstellungen durchaus freie Diskussionen gefuhrt friedliche Demonstrationen geplant und Arbeiterorganisationen aufgestellt sowie auf kommunaler Ebene die Macht direkt von den Arbeitern und Bauern ausgeubt werden jedoch konnte die bolschewistische revolutionare Staatsfuhrung fundamentale Oppositionsbewegungen oder antibolschewistische Stromungen nicht vollkommen akzeptieren Allerdings ist zu bemerken dass zu dieser Zeit in der Sowjetgesellschaft verhaltnismassig grosse Freizugigkeit herrschte etwa wurden sich selbst als Arbeiteropposition deklarierende in Wahrheit im Falle der Ubernahme der Staatsfuhrung fur den Arbeiterstaat todliche Bewegungen keineswegs verfolgt solange sie nicht zu Aufstanden aufriefen oder Gewalt anwendeten wie zum Beispiel die Sozialrevolutionare oder diverse anarchistische Zirkel Die Jahre bis 1923 waren also von der Notwendigkeit straffer Organisation in Bezug auf die militarische Lage und die wirtschaftliche Not gepragt was die ursprungliche Hegemonie der Sowjets einschnurte Ab 1923 also in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs begannen die Rufe unter den Arbeitern nach der Wiederherstellung der Sowjetdemokratie immer lauter zu werden was jedoch von der zunehmend auf die eigenen Privilegien bedachte Burokratie deren Macht zum einen aus temporar angelegten Massnahmen wie dem Verbot der Parteien und Fraktionen und zum anderen aus im Grunde genommen illegalen Prozessen wie der im Burgerkrieg erfolgten und von revolutionaren Bolschewiki Anhangern des durch einen Schlaganfall paralysierten Lenin und des an der Front beschaftigten Trotzki scharf attackierten Verschmelzung des Partei und Staatsapparates Nach dem Tode Lenins begann die Burokratie zunachst verkorpert durch das Triumvirat Stalin Sinowjew Kamenew ihr Machtmonopol und ihre sozialen Vorteile massiv auszubauen wahrend sie die Arbeitermassen politisch expropriierte enteignete Die Linke Opposition zu der sich nun Sinowjew und Kamenew mit Trotzki verbanden versuchte bis 1927 zuerst eine grossangelegte Reform dann eine zweite Revolution mit dem Zwecke der Wiederherstellung der vollen Sowjetdemokratie des Mehrparteiensystems der Abschaffung der Burokratie an sich etc zu erreichen Diese Organisation artikulierte im Grunde die Forderungen der Arbeiter was zur Folge hatte dass die Linke Opposition eine im Stillen vom Proletariat gefeierte halblegale Untergrundpartei wurde Die herbeigesehnte zweite Revolution wurde jedoch hauptsachlich wahrend des Grossen Terrors blutig zerschlagen ihre Aktivisten erschossen oder deportiert und die Arbeiterklasse gewaltsam vollig demoralisiert Kronstadter Aufstand Marz 1921 Bearbeiten Eine der Hauptforderungen von Sozialrevolutionaren und Anarchisten in den Jahren nach der Oktoberrevolution und dem Friedensvertrag von Brest Litowsk waren Rate ohne die Bolschewiki Lenin und dessen Partei schrankten daraufhin die Kompetenzen der Rate stark ein um die Macht zu behalten es folgte der Kronstadter Matrosenaufstand Trotzki der diesen Aufstand niederschlagen liess und den Einfluss der Anarchisten bekampfen wollte warf den Aufstandischen konterrevolutionare Absichten vor Fur die Bolschewiki waren sie ein gewaltiger Storfaktor weil die Forderung der Kronstadter Matrosen nach unabhangigen Raten der Absicht der Bolschewiki das junge Sowjetrussland zu stabilisieren und die Macht ihrer Partei zu sichern diametral entgegenstand Nach Lenins Tod 1924 und der Machtubernahme Stalins nahm die Bedeutung der Rate weiter ab Schauplatz Ukraine Bearbeiten Der fur Russland bezuglich der Ukraine ungunstige Friedensvertrag von Brest Litowsk die Ukraine gelangte in den militarischen Einflussbereich des Deutschen Reichs trug mit dazu bei dass dort zwischen 1918 und 1922 unter Nestor Machno und seiner Machnowschtschina eine anarchistische Revolution herrschte Er installierte ein am Anarchismus orientiertes Ratesystem das nach dem Rotationsprinzip funktionierte wie oben geschildert die Rate waren jederzeit abrufbar Der Anarchismus in der Ukraine fand aber 1922 ein jahes Ende Kaum hatten die ehemaligen Verbundeten die Bolschewiki uber die sog Konterrevolutionare im eigenen Land gesiegt griffen sie die Machnowschtschina an und besiegten sie Siehe auch Sowjetrussland Bolschewistisches Russland und RatekommunismusAb 1936 Parlament BearbeitenDas Jahr 1936 markierte das Ende der Sowjetidee denn in der neuen Stalinschen Verfassung wurde das basisdemokratische Ratesystem auch formell abgeschafft und durch machtlose konventionelle Parlamente Trotzki Eine Karikatur eines Parlamentes ersetzt Die Verfassung der UdSSR von 1936 fuhrte das allgemeine und gleiche Wahlrecht fur alle Burger der UdSSR ein Auf allen Verwaltungsebenen wurden fortan Sowjets der Deputierten der Werktatigen 6 in geheimer Abstimmung direkt gewahlt Ihre Bezeichnung wurde mit der Verfassung von 1977 in Sowjets der Volksdeputierten geandert Die Sowjets der Volksdeputierten der Oberste Sowjet der UdSSR die Obersten Sowjets der Unionsrepubliken die Obersten Sowjets der autonomen Republiken die Regions und Gebietssowjets der Volksdeputierten die Sowjets der Volksdeputierten der autonomen Gebiete und der autonomen Kreise die Bezirks Stadt und Stadtbezirks Siedlungs und Dorfsowjets der Volksdeputierten bilden das einheitliche System der Organe der Staatsmacht Artikel 89 der Verfassung von 1977 Die Kandidaten wurden von der KPdSU ihrer Jugendorganisation Komsomol und der Gewerkschaft unter Kontrolle der Parteiorgane aufgestellt Bis 1987 gab es keine Gegenkandidaten Das vormalige Prinzip der Unabhangigkeit von Partei en und Gewerkschaft wurde hiermit abgeschafft indem zusatzlich zu den bisherigen Deputierten Vertreter Offentlicher Organisationen einschliesslich des Komsomol in die neuen Gremien einer Art Parlament gewahlt werden konnten und dort feste Sitze erhielten Weiterhin wurden die Aufgaben des bisher regierenden Sowjets auf zwei verschiedene Kammern verteilt den Nationalitaten und den Unionssowjet Damit wurde de facto auch die Macht der Vertreter der Nationalitaten des Vielvolkerstaates geschwacht Der Ratekongress Sowjetkongress wurde zum Obersten Sowjet das allsowjetische Zentralexekutivkomitee der UdSSR welches bislang oberstes Machtorgan der Sowjetunion war 7 wurde 1938 in ein beigeordnetes Komitee umgewandelt Der Oberste Sowjet verlor damit Machtbefugnisse in grossem Masse Eine Ratedemokratie war durch diese Reformen nicht mehr moglich Aber auch nach dem Ende der UdSSR wurde in den Nachfolgestaaten keine Ratedemokratie wieder aufgebaut Sowjetsystem in der UdSSR 1977 bis 1988 Sowjets der Volksdeputierten auf den verschiedenen Verwaltungsebenen Die wahre Macht ging de facto allerdings auf allen Ebenen von den entsprechenden Parteiorganen der KPdSU aus deren Hierarchie hier nicht dargestellt wird Oberster Sowjet der UdSSR Bearbeiten Hauptartikel Oberster Sowjet der UdSSR Das hochste Staatsorgan der UdSSR der Oberste Sowjet umfasste zwei gleichberechtigte Kammern den Unionssowjet und den Nationalitatensowjet die bei gleicher Sitzungsperiode im Funfjahresrhythmus von den Burgern der UdSSR gewahlt wurden Die Wahl des Nationalitatensowjets erfolgte nach Unionsrepubliken je 32 Deputierte autonomen Republiken je 11 Deputierte autonomen Gebieten je funf Deputierte und autonomen Kreisen je ein Deputierter Der Nationalitatensowjet hatte also ab den 1960er Jahren 750 Mitglieder Der Unionssowjet wurde gemass der Verfassung von 1936 nach Wahlkreisen mit je 300 000 Einwohnern gewahlt Die dadurch leicht variierende Mitgliederzahl wurde in der Verfassung von 1977 auf die Zahl der Sitze im Nationalitatensowjet festgeschrieben im Unionssowjet sassen also 750 nach Wahlkreisen mit gleicher Einwohnerzahl gewahlte Deputierte Der Oberste Sowjet tagte zweimal im Jahr Er wahlte aus den eigenen Reihen 24 Mitglieder in das Prasidium des Obersten Sowjets dem ausserdem die Vorsitzenden der Obersten Sowjets der Unionsrepubliken von Amts wegen angehorten Das Prasidium des Obersten Sowjets war standiges legislatives Organ sein Vorsitzender das Staatsoberhaupt Ausserdem wahlte der Oberste Sowjet den Ministerrat bis zum 16 Marz 1946 Rat der Volkskommissare genannt der den Exekutiv und Verwaltungsbereich der Regierung bildete Oberste Sowjets der Unionsrepubliken Bearbeiten Analog gab es auf Republikebene die Obersten Sowjets der Unionsrepubliken die als hochstes Staatsorgan den Ministerrat der jeweiligen Teilrepublik wahlten Sie bestanden jedoch nur aus einer Kammer Die Vorsitzenden der Obersten Sowjets der Unionsrepubliken gehorten von Amts wegen dem Obersten Sowjet der UdSSR an die Vorsitzenden der einzelnen Ministerrate auch dem Ministerrat der UdSSR Die Parlamente der Nachfolgestaaten der Sowjetunion tragen z T heute noch den Namen so ist die Bezeichnung fur das Parlament der Ukraine Werchowna Rada lediglich die ukrainische Form von Oberster Sowjet bzw vollstandig ubersetzt Oberster Rat Sowjets unterer Ebenen Bearbeiten Als Sowjet wurden auch Kollektivorgane und Verwaltungen aller Verwaltungsebenen unterhalb der Republik Ebene bezeichnet Rajon Sowjets waren oft ausser fur den ganzen Rajon direkt fur dessen Zentralort zustandig wie heute noch beispielsweise an den Institutionen des Rajon Nawahrudak in Belarus zu erkennen In den ubrigen Siedlungen eines Rajons gab es zusatzlich Dorfsowjets 8 beziehungsweise ggf Stadtsowjets Aus diesem Prinzip abgeleitet hiessen Stadt und andere Gemeindeverwaltungen in der DDR Rat der Stadt bzw Rat der Gemeinde Siehe auch BearbeitenVerteidigungsrat der Sowjetunion RaterepublikLiteratur BearbeitenValentine Rothe Der russische Anarchismus und die Ratebewegung 1905 Eine geschichtswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Untersuchung Campus Verlagb Frankfurt am Main 1978 ISBN 3 593 32326 5 Campus Forschung 45 Einzelnachweise Bearbeiten Duden Bd 1 Die deutsche Rechtschreibung 24 Auflage Dudenverlag Mannheim 2006 S 947 The Random House College Dictionary Revised Edition Random House New York 1988 S 1285 Oskar Anweiler Die Ratebewegung in Russland 1905 1921 Leiden 1958 S 48ff Manfred Hildermeier Die Russische Revolution 1905 1921 Suhrkamp Frankfurt am Main 1989 ISBN 3 518 11534 0 S 54 Isaac Deutscher Trotzki Der bewaffnete Prophet 1879 1921 Stuttgart 1962 S 128 f Leo Trotzki Mein Leben Kapitel 1905 Archivierte Kopie Memento vom 21 Juni 2013 im Internet Archive Archivierte Kopie Memento vom 4 November 2011 im Internet Archive DWDS DorfsowjetNormdaten Sachbegriff GND 4416075 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sowjet amp oldid 233348328