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Das Wyborger Manifest russisch Vyborgskoe vozzvanie wiss Transliteration Vyborgskoye Vozzvaniye auch Wyborg Manifest oder Wyborger Appell vom 9 Julijul 22 Juli 1906greg war ein von Mitgliedern der liberalen Konstitutionell Demokratischen Partei Russlands initiierter Aufruf zum Widerstand gegen die Regierung von Zar Nikolaus II nachdem dieser die 1 Staatsduma aufgelost hatte Der vollige Misserfolg des Appells der auch von Mitgliedern anderer Parteien unterstutzt wurde vertiefte die Graben zwischen der burgerlich liberalen und der linken Opposition gegen die zaristische Autokratie Gedruckte Version des Manifests aus dem Jahr 1906 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Das Manifest 2 1 Zustandekommen und Inhalt 2 2 Scheitern und Nachwirkung 3 Bekannte Unterzeichner 3 1 Mitglieder des Duma Prasidiums 3 2 Mitglieder der Kadetten Partei 3 3 Mitglieder anderer Parteien und Unabhangige 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten nbsp Eroffnung der 1 Staatsduma durch Zar Nikolaus II Im Verlauf der Russischen Revolution von 1905 hatte der Zar das sogenannte Oktobermanifest erlassen Dieses sah als wichtigstes Zugestandnis an die Aufstandischen die Wahl eines gesamtrussischen Parlaments vor Damit gelang es der Regierung die Opposition zu spalten Die liberalen burgerlichen Krafte sahen mit dem Manifest das Ziel der Revolution erreicht die linken Parteien betrachteten es bestenfalls als Ausgangspunkt weiterer radikaler Veranderungen in Staat und Gesellschaft Als die zaristische Regierung diese Spaltung nutzte um nunmehr ungefahrdet gegen streikende Arbeiter und revoltierende Bauern vorzugehen boykottierten die Linken die Wahl zur ersten Staatsduma weitgehend Die Konstitutionellen Demokraten die wegen ihres Parteikurzels KD auch Kadetten genannt wurden nahmen dagegen an ihr teil Sie stellten mit 153 von 448 Abgeordneten die grosste Fraktion und mit Sergei Muromzew auch den Duma Vorsitzenden Das Parlament wurde am 27 Apriljul 10 Mai 1906greg von Nikolaus II eroffnet aber bereits am 8 Julijul 21 Juli 1906greg wieder aufgelost 1 Der Zar sah sich dazu ermutigt weil das Militar die Situation im Land wieder weitgehend unter Kontrolle hatte Der Grund fur seinen Schritt waren Gesetzesinitiativen der Duma Fraktionen die eine umfassende Agrarreform vorsahen Sowohl Staats als auch Privatland von Grossgrundbesitzern sollte zugunsten der meist am Rande des Existenzminimums lebenden Bauern enteignet werden Uneinigkeit bestand lediglich daruber ob die Landbesitzer entschadigt werden sollten oder nicht Die Regierung lehnte das Vorhaben in jeder Form ab Da der Zar dem Oktobermanifest nie den Rang einer Verfassung eingeraumt hatte die seine Stellung als Selbstherrscher hatte einschranken konnen sah er die Auflosung der Duma als sein Recht an Bei den Kadetten und weiteren liberalen und linken Abgeordneten rief sein Vorgehen dagegen sturmische Proteste hervor Das Manifest BearbeitenZustandekommen und Inhalt Bearbeiten nbsp Abgeordnete der 1 Duma am Wyborger BahnhofBereits am Tag der Parlamentsauflosung riefen Mitglieder der Bauernpartei Trudowiki zu einer Protestversammlung auf Dieser Forderung schloss sich auch der radikale Flugel der Kadetten an Da sowohl der Sitzungssaal der Duma als auch das Clubhaus der Kadetten in Sankt Petersburg von Polizei und Militar umstellt waren wurde die Zusammenkunft in den 150 Kilometer entfernten finnischen Kurort Wyborg einberufen Bereits am Abend des 8 Julijul 21 Juli 1906greg traten dort etwa 200 Delegierte unter dem Vorsitz von Duma Prasident Muromzew zusammen Im Verlauf der Nacht diskutierten sie zwei Entwurfe des Manifests Wahrend die Trudowiki Armee und Marine zur Meuterei aufrufen wollten befurworteten die Kadetten ausschliesslich zivilen Ungehorsam Am nachsten Tag dem 9 Julijul 22 Juli 1906greg verabschiedeten sie schliesslich den Entwurf des Manifests den Pawel Miljukow verfasst hatte der Mitglied der Konstitutionellen Demokraten aber nicht der Duma war Sein Text verurteilte die Massnahme des Zaren als Angriff auf das parlamentarische Prinzip und rief die Burger ganz Russlands zum zivilen Widerstand gegen die autokratische Staatsfuhrung auf Die Bevolkerung sollte ahnlich vorgehen wie wahrend des Generalstreiks im Revolutionsjahr 1905 Vor allem forderte das Manifest sie dazu auf dem Staat durch allgemeine Steuer und Kriegsdienstverweigerung seine finanziellen und militarischen Machtmittel entziehen 2 Sollte die zaristische Regierung Kredite ohne Genehmigung des Parlaments aufnehmen werde die Duma dem auch nachtraglich nicht ihre Zustimmung geben In Wyborg unterzeichneten 180 Abgeordnete oder Parteimitglieder der Kadetten der Trudowiki der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei der Sozialrevolutionare sowie Vertreter der Muslime das Manifest Spater fugten 52 weitere Personen ihre Unterschrift hinzu Bereits am Tag seiner Verabschiedung wurde das Wyborger Manifest als Flugblatt in Finnisch und Russisch gedruckt und in einer Auflage von 10 000 Exemplaren in Umlauf gebracht Auch im Ausland wurde es nachgedruckt Scheitern und Nachwirkung Bearbeiten nbsp Versammlung der Angeklagten im Wyborg Prozess von 1907Aufgrund ihrer Starke in der 1 Duma sahen sich die Kadetten als Sprecher des gesamten Volkes und glaubten grossen Einfluss auch auf die breite Masse ausuben zu konnen Ihr Wahlerfolg hatte aber zum grossen Teil darauf beruht dass die meisten linken Parteien die Duma Wahl 1906 boykottiert hatten Die ausbleibende Resonanz auf das Wyborger Manifest zeigte nun dass die Kadetten im Wesentlichen nur die burgerlichen Eliten und liberalen Adligen reprasentierten nicht das Volk Das Gros der Bevolkerung vor allem die Bauern nahm das Manifest uberhaupt nicht zur Kenntnis Selbst viele Kadetten weigerten sich ihre Unterschrift unter das Papier zu setzen Damit verhallte der Appell ungehort Der offenkundige Widerspruch zwischen dem Anspruch der Kadetten und der Wirklichkeit ermutigte die zaristische Regierung entschieden gegen die Unterzeichner und Verbreiter des Manifests vorzugehen Russische Zeitungen die das Manifest nachdruckten wurden beschlagnahmt und die Verantwortlichen mit Gefangnis bestraft Bereits am 29 Juli wurde ein Strafverfahren gegen die Unterzeichner eingeleitet Im Dezember 1907 erhielten 167 von 169 Angeklagten im sogenannten Wyborg Prozess dreimonatige Haftstrafen Dies bedeutete dass sie bei den folgenden Duma Wahlen der Jahre 1907 und 1912 nicht mehr kandidieren und auch keine Staatsamter ausuben durften 3 Daher und weil der Zar nach der Auflosung der 2 Staatsduma 1907 das Wahlrecht zugunsten der konservativen Krafte anderte gehorten die Kadetten in den Ende 1907 und 1912 gewahlten mehrheitlich konservativen Parlamenten meist dem gemassigten Flugel an 4 Das Scheitern des Wyborger Manifests machte nicht nur die Selbstuberschatzung der Kadetten und ihren Bruch mit der Arbeiterbewegung fur jeden offensichtlich Es verdeutlichte auch einmal mehr die tiefe Kluft die zwischen dem meist bauerlichen Russland und den liberalen stadtischen Eliten bestand Diese Kluft liess sich auch nach der Februarrevolution 1917 nicht uberbrucken als die Kadetten mit Furst Lwow den ersten Ministerprasidenten und mit Pawel Miljukow den ersten Aussenminister der Russischen Republik stellten Diese Unfahigkeit trug entscheidend dazu bei dass es auch 1917 nicht zum Aufbau einer stabilen Demokratie kam Bekannte Unterzeichner BearbeitenMitglieder des Duma Prasidiums Bearbeiten Sergei Andrejewitsch Muromzew Vorsitzender der 1 Duma Pjotr Dmitrijewitsch Dolgorukow 1 Stellvertreter des Dumavorsitzenden Nikolai Andrejewitsch Gredeskul 2 Stellvertreter des DumavorsitzendenMitglieder der Kadetten Partei Bearbeiten Alichan Bokeichan kasachischer Politiker spater Mitbegrunder des Alasch Orda Staats Janis Cakste lettischer Politiker spater erster Prasident Lettlands Alexander Grigorjewitsch Chruschtschow russischer Okonom und Politiker Michail Herzenstein russischer Wirtschaftswissenschaftler Sergei Andrejewitsch Kotljarewski russischer Historiker Schemarjahu Levin zionistischer Politiker und Publizist Wladimir Dmitrijewitsch Nabokow Jurist Journalist und Vater des spateren Schriftstellers Vladimir Nabokov Leon Petrazycki polnischer Philosoph Jurist und Soziologe Theodor Steinheil deutsch russischer Wissenschaftler Jaan Tonisson estnischer Verleger spaterer Ministerprasident und Staatsoberhaupt Estlands Maxim Winawer russisch polnischer Politiker Jurist und Mazen Andrij Wjaslow ukrainischer Jurist und Politiker spater Justizminister des Ukrainischen StaatesMitglieder anderer Parteien und Unabhangige Bearbeiten Leon Bramson Trudowiki russischer Anwalt und Organisator judischer Selbsthilfeorganisationen und der World ORT Fjodor Dmitrijewitsch Krjukow Trudowiki russischer Schriftsteller Noe Schordania Sozialdemokrat georgischer Journalist spater Premierminister Georgiens Elimerdan bey Topcubasov Vertreter der Muslime aserbaidschanischer Rechtsanwalt und Journalist spater Aussenminister und Vorsitzender des Parlaments der Aserbaidschanischen Demokratischen Republik Literatur BearbeitenAbraham Ascher The Revolution of 1905 Authority Restored Stanford University Press Stanford 1992 Orlando Figes Die Tragodie eines Volkes Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 Berlin Verlag Berlin 1998 ders 100 Jahre Revolution Russland und das 20 Jahrhundert dtv Munchen 2017 Vasiliĭ Alekseevich Maklakov The First State Duma Indiana University Press Bloomington 1964Weblinks BearbeitenRussischer Text des Manifests Englische UbersetzungEinzelnachweise Bearbeiten www klett de 1 bis 4 Staatsduma 1906 1917 abgefragt am 10 November 2017 Orlando Figes 100 Jahre Revolution Russland und das 20 Jahrhundert dtv Munchen 2017 S 55 Martin Avenarius Fremde Traditionen des romischen Rechts Einfluss Wahrnehmung und Argument des rimskoe pravo im russischen Zarenreich des 19 Jahrhunderts Wallstein Verlag Gottingen 2014 S 583 Orlando Figes Die Tragodie eines Volkes Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 Berlin Verlag Berlin 1998 S 239 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wyborger Manifest amp oldid 215217672