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Die Praexistenzlehre besagt dass die Seele eines Menschen schon vor der Entstehung seines Korpers existierte Praexistenzlehren gibt es in verschiedenen philosophischen und religiosen Denkschulen Grundsatzlich liegt diesen die Vorstellung einer Seele zugrunde die nicht sterblich und fest an den Leib gebunden ist Korperseele sondern die nur vorubergehend im sterblichen Leib inkarniert ist Eine solche Freiseele benotigt den Korper nicht zwingend sie kann bereits zuvor existiert haben und auch nach dem Tod des Korpers weiter existieren Teilweise wird gelehrt dass die Seele in dieselbe jenseitige Existenz zuruckkehre in der sie bereits vor der Geburt bzw Zeugung gewesen ist Teilweise wird gelehrt dass die Seele mehrmals Inkarnationen durchlauft oder durchlaufen kann Reinkarnation Die angenommene korperungebundene Existenz der Seele vor der Inkarnation wird auch Vorleben im Englischen beforelife in Analogie zum Begriff afterlife fur das Leben nach dem Tod genannt Allerdings kann sich das Wort Vorleben je nach Kontext auch auf eine fruhere Inkarnation beziehen sowie auch auf einen fruheren Zeitabschnitt eines Menschenlebens daher ist Praexistenz als Begriff treffender Im fruhen Christentum war die Praexistenzlehre zunachst eine von mehreren umstrittenen Lehren uber die Herkunft der Seele Sie wurde schliesslich von der katholischen Kirche im 6 Jahrhundert als Haresie verurteilt In anderen Religionen hat sie bis heute Gultigkeit Inhaltsverzeichnis 1 In der griechischen Philosophie 2 Christentum 2 1 Die Praexistenzlehre des Origenes 2 1 1 Praexistenz der Seele Jesu 2 2 Andere christliche Lehren 2 3 Verdammung als Haresie 2 4 Reformierte Theologie 2 5 Origenes und die Reinkarnation 3 In anderen Religionen 4 In neuzeitlicher Philosophie 5 Literatur 6 EinzelnachweiseIn der griechischen Philosophie BearbeitenDie abendlandische Wurzel der Praexistenzlehre liegt in der antiken griechischen Philosophie Bereits Pythagoras postulierte der Mensch bestehe aus Korper und Seele und nahm an dass die Seele in ihrem Sein grundsatzlich vom Korper unabhangig sei Sie sei dem Korper eingepflanzt und habe schon vor dem Korper existiert aber ohne einen Korper nur ein trubes Traumleben gefuhrt Nach dem Tode konne sie weiterexistieren und auch nach einem Reinigungsprozess in neue Korper wandern Siehe auch Leib Seele Problem In der platonischen Philosophie wurde dieses Konzept stark weiterentwickelt und steht in enger Verbindung mit Platons Ideenlehre Im Platonismus ist allein die Seele das wahrnehmende und handelnde Subjekt und der Trager aller Lebensfunktionen der Korper ist nichts als ein Instrument das der Seele zeitweise zur Verfugung steht Die Seele ist unsterblich und existiert sowohl vor der Entstehung des Korpers als auch nach dessen Tod Gott habe alle menschlichen Seelen zugleich erschaffen Jede dieser Seelen sei die Verwirklichung einer gottlichen Idee und befand sich ursprunglich in einem idealen Zustand Ihre vorgeburtliche Existenz bestand nur aus Denken Indem sich eine Seele verkorpere komme zum denkenden auch ein fuhlendes und ein wollendes Prinzip hinzu so dass die Seele des verkorperten Menschen quasi aus drei Teilen bestehe Nur der denkende Teil jedoch sei unsterblich wahrend die beiden anderen Teile der Seele mitsamt dem Korper verganglich seien 1 Die inkarnierte Seele besitze eine Moglichkeit der Erinnerung an ihre vorgeburtliche Existenz wenn ein Mensch etwas lerne erinnere sich in Wahrheit seine Seele an Wissen aus der Ideenwelt Anamnesis Christentum BearbeitenDie Praexistenzlehre des Origenes Bearbeiten Die Praexistenzlehre im fruhen Christentum geht auf den Kirchenschriftsteller Origenes 185 um 254 zuruck Dieser war auch durch seine Ausbildung deutlich durch den Platonismus beeinflusst Er ubertrug dabei viele Konzepte aus der griechischen Gedankenwelt in das Christentum darunter die Dreiteilung des Menschen in Korper soma Seele psyche und Geist nous Origenes lehrte Gott habe alle Seelen bereits zu Beginn der Schopfung geschaffen und damit seien Seele und Geist beim Menschen praexistent Die praexistenten Seelen inkarnieren als Menschen nachdem sie von Gott abfallen Origenes lehnte dabei die platonische Lehre von den drei Seelenteilen ab sowie auch die Lehre des Numenios nach der der Mensch zwei Seelen habe eine gottliche und eine niedere schlechte 2 Die Herkunft der Seele aus der immateriellen gottlichen Welt und die Moglichkeit ihrer Ruckkehr in diese Heimat wurde in der Folge auch zu einem Kernpunkt der neuplatonischen Philosophie wie sie unter anderem Plotin vertrat Praexistenz der Seele Jesu Bearbeiten Origenes behauptete auch eine Praexistenz Christi in Form einer Praexistenz der Seele Jesu Anders als die Seelen der Menschen habe sich die Seele Jesu jedoch bereits vor seiner Inkarnation mit dem gottlichen Logos vereinigt dem Wort Gottes wie es im Johannesevangelium steht Johannes 1 EU Auf diese Weise begrundete Origenes die menschlichen und zugleich gottlichen Eigenschaften Jesu 3 Origenes hielt dabei an einem strengen Monotheismus fest in dem Jesus Christus als menschgewordener Sohn Gottes dem Vater nicht gleichrangig sondern untergeordnet sei Subordinatianismus Diese Ansicht vertraten auch Tertullian nach 150 nach 220 der dafur den Begriff Monarchianismus benutzte und spater der Arianismus Das Erste Nicanische Konzil verbannte diese Lehren im Jahr 325 Andere christliche Lehren Bearbeiten Mit seiner Praexistenzlehre stand Origenes im Gegensatz zum Generatianismus der von Tertullian vertreten wurde und eine Vermittlung der Seele von den Eltern uber die Zeugung lehrt Spater postulierte der Kirchenvater Laktanz um 250 um 320 eine dritte Lehre uber die Herkunft der Seele nach welcher die Seele im Moment der Zeugung von Gott geschaffen wird den Kreatianismus Verdammung als Haresie Bearbeiten Im 6 Jahrhundert gab es in Palastina Konflikte zwischen verschiedenen christlichen Gruppierungen Kaiser Justinian I um 482 565 der sich nicht nur als weltlicher Herrscher sondern auch als Kirchenlehrer profilieren wollte ergriff dabei Massnahmen gegen aufstandische origenistische Monche Er berief im Jahr 543 eine regionale Synode in Konstantinopel ein bei der das Edikt Liber adversus Origenem verabschiedet wurde das in neun Punkten nicht orthodoxe Lehren von Origenes auflistete darunter die Praexistenzlehre die als Irrlehren verbannt wurden Papst Vigilius weigerte sich zu der Synode zu kommen wurde aber ein Jahr darauf gezwungen die Synodentexte nachtraglich zu unterzeichnen 4 Im Jahr 553 wurde die Praexistenzlehre auf dem Zweiten Konzil von Konstantinopel endgultig als Haresie verurteilt Alle Bischofe des Reiches auch Papst Vigilius stimmten der Verdammung Anathema zu Statt der Praexistenzlehre oder dem Generatianismus wurde der Kreatianismus zur verbindlichen Lehrmeinung erklart Dennoch sorgte die Praexistenzlehre bis zum Mittelalter immer wieder fur Zundstoff Die von Origenes gelehrte Praexistenz Christi wurde hingegen nicht in gleicher Weise verworfen wie die Praexistenz der menschlichen Seelen Bereits im Bekenntnis von Nicaa wurde die Doktrin festgehalten dass Christus herabgestiegen und Fleisch geworden ist und ein besonderer Zusatz in diesem Bekenntnis besagt dass die katholische Kirche andere Lehren uber die Herkunft Christi verbannt In fast allen christlichen Gruppierungen blieb es bei der Akzeptanz der Praexistenz Christi Reformierte Theologie Bearbeiten Die reformierten Kirchen ubernahmen die Doktrin des Kreatianismus von der katholischen Kirche und lehren daher uberwiegend keine Praexistenz der Seele Einzelne reformierte Theologen jedoch stellten den Kreatianismus in Frage Der evangelische Theologe und Philosoph Immanuel Hermann Fichte schlug eine Praexistenz zwar nicht der Seele aber des Geistes vor Weitere evangelische Theologen wie Johann Friedrich Bruch Leopold Immanuel Ruckert oder Ludwig Ernesti und zuletzt Til A Mohr 5 griffen die Praexistenzlehre ebenfalls auf 6 Origenes und die Reinkarnation Bearbeiten Seit dem 20 Jahrhundert versuchen verschiedene Autoren Origenes auch als Vertreter der Reinkarnation darzustellen Hierfur finden sich jedoch keine plausiblen Belege Die Idee dass sich Seelen auch mehr als einmal inkarnieren konnten verwarf Origenes vielmehr in seinen Schriften wie Contra Celsum als albern und gottlos Er begrundete dass eine solche Vorstellung der Kirche Gottes fremd ist und weder von den Aposteln uberliefert ist noch irgendwo in den Schriften erscheint 7 In anderen Religionen BearbeitenUnter anderem in den folgenden Religionen wird eine Praexistenzlehre vertreten Brahmanismus Hinduismus Jainismus hier durchlaufen Gotter Menschen und Tiere Wiedergeburten allerdings ist das Konzept des Atman nur bedingt mit dem der Seele zu vergleichen Mahayana Buddhismus Inkarnationen gottlicher Wesenheiten durchlaufen Wiedergeburten ein bekanntes Beispiel ist die Abfolge der Dalai Lamas im Vajrayana Buddhismus Islam alle Seelen wurden mit Adam geschaffen und haben sich in einem Urvertrag bereits zu Gott bekannt siehe Fitra Kabbala im Judentum die Seelen durchlaufen Wiedergeburten Bahaitum die Seelen der meisten Menschen sind zwar nicht praexistent aber die der grossen spirituellen Lehrer sind es und auch Gott ist praexistent Mormonentum Praexistenz der Seelen vor der Inkarnation pre mortal existence Andere Formen des Buddhismus kennen hingegen kein Konzept eines individuellen Selbsts wie im Hinduismus sondern ein Konzept eines Nicht Selbsts Anatta und lehren eine Wiedergeburt ohne Seelenwanderung In neuzeitlicher Philosophie BearbeitenDie deutschen Philosophen Immanuel Kant und Friedrich Schelling griffen die Idee einer Praexistenz der Seele als Hypothese wieder auf Literatur BearbeitenChristoph Markschies Origenes und sein Erbe gesammelte Studien Walter de Gruyter 2007Einzelnachweise Bearbeiten Die Lehre von der Praexistenz der menschlichen Seelen historisch kritisch dargestellt 1 Januar 1859 S 7 ff books google com Alfons Furst Holger Strutwolf Der Kommentar zum Hohelied Walter de Gruyter amp Co KG 2016 ISBN 978 3 11 046470 2 S 240 books google com Bernhard Lohse Epochen der Dogmengeschichte LIT Verlag Munster 2011 ISBN 978 3 643 11296 5 S 84 f books google com Gabriel Looser Welches Leben nach dem Tod Reinkarnation und christlicher Glaube Patmos Verlag 2013 ISBN 978 3 8436 0340 9 books google com Helmut Obst Reinkarnation Die Geschichte einer Idee Beck Verlag Munchen 2009 ISBN 978 3 406 58424 4 S 161 f Die Lehre von der Praexistenz der menschlichen Seelen historisch kritisch dargestellt 1 Januar 1859 S 3 books google com Gabriel Looser Welches Leben nach dem Tod Reinkarnation und christlicher Glaube Patmos Verlag 2013 ISBN 978 3 8436 0340 9 books google com Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Praexistenzlehre amp oldid 236378424