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Neandertal 1 auch Neanderthal 1 seltener Feldhofer 1 ist die wissenschaftliche Bezeichnung fur das Typusexemplar Holotypus der biologischen Art Homo neanderthalensis 1 Das Fossil wurde Mitte August 1856 in einem als Neandertal bezeichneten Talabschnitt der Dussel im niederbergischen Land 13 Kilometer ostlich von Dusseldorf entdeckt und 1864 erstmals in einer naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift mit dem noch heute gultigen Artnamen bezeichnet 2 Es war jedoch nicht der erste Beleg fur diese Art der entdeckt worden war vielmehr war die Bedeutung fruherer Funde zunachst nicht erkannt und deshalb fur diese Funde kein gesonderter Artname vergeben worden Das Schadeldach des Neandertalers aus dem Neandertal Lithografie von 1859 aus einer Abhandlung von Johann Carl Fuhlrott Das Schadeldach in seitlicher AnsichtDas Fossil wird seit 1877 im Rheinischen Landesmuseum Bonn verwahrt 3 Seit dem Jahr 2000 ist das Fossil eines zweiten Individuums vom selben Fundort sicher als Neandertaler bestimmt benannt Neandertal 2 Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung 2 Historischer Hintergrund 3 Fund als Streitobjekt der Gelehrten 4 Anthropologische Analysen 4 1 Intravitale Verletzungen und Krankheiten 4 2 Postmortale Veranderungen am Skelett 5 Nachgrabungen 1997 und 2000 6 Literatur 7 Weblinks 8 BelegeEntdeckung Bearbeiten nbsp Kleine Feldhofer Grotte Querschnitt aus Charles Lyell 1863 The Geological Evidences of the Antiquity of Man nbsp Johann Carl Fuhlrott nbsp Hermann SchaaffhausenBereits fur das fruhe 16 Jahrhundert ist der Abbau von Kalkstein im Neandertal belegt ab Mitte des 19 Jahrhunderts erfolgte er in industriellem Massstab Im August 1856 erweiterten zwei italienische Arbeiter den Eingang zur Kleinen Feldhofer Grotte 4 indem sie den in diese Kalksteinhohle eingelagerten versinterten und daher steinharten Lehm beseitigten Beim Abtragen dieser Sedimentfullung stiessen die Arbeiter in zwei Fuss rund 60 cm Tiefe auf fossile Knochen die zunachst unbeachtet mit Lehm und Gesteinsschutt zu Tal geworfen wurden Dort fielen sie dem Besitzer des Steinbruchs Wilhelm Beckershoff auf der sie fur die Uberreste eines Hohlenbaren hielt Beckershoff und der Mitbesitzer des Steinbruchs Friedrich Wilhelm Pieper 5 liessen 16 grossere Knochenfragmente aus dem Schutt aufsammeln und dem Elberfelder Lehrer und Fossiliensammler Johann Carl Fuhlrott ubergeben ein Schadeldach mit einem Bruchstuck des linken Schlafenbeins ein Bruchstuck des rechten Schulterblatts ein rechtes Schlusselbein beide Oberarmknochen der rechte vollstandig erhalten eine komplette rechte Speiche Bruchstucke einer rechten und linken Elle funf Rippen eine fast vollstandige linke Beckenhalfte sowie beide vollstandig erhaltenen Oberschenkelknochen 6 Fuhlrott erkannte eigenem Bekunden zufolge auf Anhieb 7 dass die Uberreste einem Menschen zuzuordnen waren der sich allerdings vom Menschen der Neuzeit erheblich unterschied Ohne Fuhlrotts Billigung erschien bereits unter dem Datum des 4 September 1856 in der Elberfelder Zeitung sowie im Barmer Burgerblatt folgende Notiz Im benachbarten Neanderthale dem sogenannten Gesteins ist in den jungsten Tagen ein uberraschender Fund gemacht worden Durch das Wegbrechen der Kalkfelsen das freilich vom pittoresken Standpunkte nicht genug beklagt werden kann gelangte man in eine Hohle welche im Laufe der Jahrhunderte durch Thonschlamm gefullt worden war Bei dem Hinwegraumen dieses Thons fand man ein menschliches Gerippe das zweifelsohne unberucksichtigt und verloren gegangen wenn nicht glucklicherweise Dr Fuhlrott von Elberfeld den Fund gesichert und untersucht hatte Nach Untersuchung dieses Gerippes namentlich des Schadels gehorte das menschliche Wesen zu dem Geschlechte der Flachkopfe deren noch heute im amerikanischen Westen wohnen von denen man in den letzten Jahren auch mehrere Schadel an der oberen Donau bei Siegmaringen gefunden hat Vielleicht tragt dieser Fund zur Erorterung der Frage bei Ob diese Gerippe einem mitteleuropaischen Urvolke oder blos einer mit Attila streifenden Horde angehort haben Erich Leverkus Abgerufen bei Archaeologie Online 8 Durch diese Berichterstattung wurden zwei Bonner Professoren der Anatomie Hermann Schaaffhausen und August Franz Josef Karl Mayer auf diesen Fund aufmerksam meldeten sich bei Fuhlrott und baten ihn um Zusendung der Knochen Fuhlrott brachte sie im folgenden Winter personlich nach Bonn wo sie zunachst von Schaaffhausen in Augenschein genommen wurden Sechs Monate spater am 2 Juni 1857 prasentierten Schaaffhausen und Fuhlrott vor den Mitgliedern des Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens die Ergebnisse ihrer Untersuchungen die der Primatologe und Palaoanthropologe Ian Tattersall folgendermassen beschreibt Dabei fasste Fuhlrott die Entdeckungsgeschichte dieser Fossilien zusammen die auf sorgfaltiger Befragung der Arbeiter basierte die die Funde ausgegraben hatten Er betonte das Alter der Knochen das sowohl durch die Dicke der sie uberlagernden Erdschichten als auch durch die starke Mineralisierung und Dendritenbildung auf der Oberflache die sich auch auf den Knochen der ausgestorbenen riesigen Hohlenbaren fanden belegt war Die Beschreibung und Deutung des Fundes war Schaaffhausens Aufgabe 9 Schaaffhausen beschrieb detailliert den ungewohnlich massiven Knochenbau des Fundes und stellte insbesondere die Form des Schadeldaches heraus vor allem die niedrige fliehende Stirn und die knochernen Wulste uber den Augen Er hielt diese Merkmale eher fur naturlich als fur die Folge von Krankheit oder abnormer Entwicklung Sie erinnerten ihn an die grossen Menschenaffen Trotzdem war dies kein Menschenaffe und wenn seine Merkmale nicht pathologisch waren waren sie moglicherweise dem Alter der Funde zuzuschreiben Obwohl seine Suche nach Exemplaren die dem Neandertaler ahnlich waren erfolglos blieb kam er zu dem Schluss dass die Knochen zu einem Vertreter eines Ureinwohner Stammes gehorten der Deutschland vor der Ankunft der Vorfahren des modernen Menschen bewohnt hatte 10 Schaaffhausen publizierte seine Befunde 1858 im Archiv fur Anatomie Physiologie und wissenschaftliche Medicin 11 Fuhlrott veroffentlichte ein Jahr spater eine Abhandlung uber Menschliche Uberreste aus einer Felsengrotte des Dusselthals im Vereinsblatt des Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens 12 In dieser Abhandlung erorterte er ebenfalls die anatomischen Gegebenheiten und erwahnte zunachst zuruckhaltend auch unter Berucksichtigung ihrer Einbettung in eiszeitliche Lehmeinwehungen dass diese Knochen vermutlich aus der vorhistorischen Zeit wahrscheinlich aus der Diluvialperiode stammen und daher einem urtypischen Individuum unseres Geschlechts einstens angehort haben S 136 Im Anschluss an seine Anmerkungen zur Geologie des Fundortes vermutete er dann aber weitergehend dass in diesen Knochen antediluviane vor der Sintflut entstandene also fossile Menschenreste vorliegen S 145 Fuhlrotts und Schaaffhausens letztlich korrekte Deutung der Funde aus dem Neandertal wurde jedoch von den anderen Gelehrten ihrer Zeit nicht ernst genommen Als Fuhlrott 1859 seine Abhandlung im Vereinsblatt des Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens veroffentlichte kommentierten die Mitglieder der Redaktion seine Interpretationen beispielsweise mit dem Nachsatz dass sie die vorgetragenen Ansichten nicht theilen konnen S 153 Historischer Hintergrund Bearbeiten nbsp Fossilienfunde von 1829 aus Engis unten in der Mitte das Oberkieferfragment des Neandertaler Kindes Engis 2 1758 hatte Carl von Linne in der 10 Auflage seiner Schrift Systema Naturae S 20 die Bezeichnung Homo sapiens als Artname fur den Menschen eingefuhrt jedoch ohne eine sogenannte Diagnose also ohne prazise Beschreibung der arttypischen Merkmale Der niederlandische Arzt und Naturforscher Philippe Charles Schmerling beschrieb 1833 einen fossilen Schadel und mehrere andere Knochen die 1829 in einer Hohle nahe der belgischen Gemeinde Engis entdeckt worden waren Er ordnete sie aufgrund von Tierfossilien und gleichfalls entdeckten Steinwerkzeugen dem Diluvium zu 13 Dieser erste wissenschaftlich beschriebene Neandertaler Fund Engis 2 wurde jedoch von den Fachkollegen als modern verkannt Es fehlten zum einen Kriterien zur Abgrenzung fossiler Arten der Gattung Homo von Homo sapiens zum anderen verwiesen Fachkollegen auf die Bibel 1 Buch Mose aus der ein so hohes Alter nicht abgeleitet werden konnte Selbst Thomas Henry Huxley ein Unterstutzer von Darwins Evolutionstheorie schrieb 1863 den Fund aus Engis einem Menschen von niedrigem Grad an Zivilisation zu Den Fund aus dem Neandertal interpretierte er ebenfalls als innerhalb der Variationsbreite des modernen Menschen liegend 14 Auch der 1848 im Kalksteinbruch Forbes Quarry in Gibraltar entdeckte relativ gut erhaltene weibliche Schadel Gibraltar 1 wurde erst Jahrzehnte spater endgultig als Jahrzehntausende alt anerkannt und zur inzwischen etablierten Art Homo neanderthalensis gestellt Wie Huxley ordneten selbst noch Anthropologen des spaten 19 und fruhen 20 Jahrhunderts die zunehmend zahlreicher werdenden homininen Fossilien den menschlichen Rassen als deren fruhe Reprasentanten zu Fund als Streitobjekt der Gelehrten Bearbeiten nbsp Drei Ansichten aus Thomas Henry Huxley Evidence as to Man s Place in Nature London 1863Das Fossil aus dem Neandertal war 1856 entdeckt worden drei Jahre vor dem Erscheinen von Darwins Hauptwerk Uber die Entstehung der Arten Die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die Frage ob Arten unveranderlich oder veranderlich seien war jedoch schon deutlich fruher entbrannt So hatte sich Hermann Schaaffhausen bereits 1853 in einer ausfuhrlichen Abhandlung Uber die Bestandigkeit und Umwandlung der Arten der Auffassung angeschlossen dass auch die Art nicht unverganglich sei dass sie wie das Leben der Einzelwesen einen Anfang eine Zeit der Bluthe und einen Untergang habe nur in grosseren Zeitabschnitten und dass den verschiedenen Arten eine verschiedene Lebensdauer zugemessen sei 15 Schaaffhausen hatte sogar auf die grosse Nahe diverser anatomischer und physiologischer Merkmale des Menschen und der menschenahnlichsten Affen hingewiesen und zusammenfassend festgestellt Die Unveranderlichkeit der Art die von den meisten Forschern als ein Naturgesetz betrachtet wird ist nicht erwiesen Hermann Schaaffhausen gehorte jedoch nicht zu den naturwissenschaftlichen Autoritaten des mittleren 19 Jahrhunderts in Deutschland Hier wurden zu dieser Zeit die biologischen Wissenschaften von Rudolf Virchow beherrscht dem Vater der modernen Zellbiologie und aus politischen Grunden einem Gegner evolutionaren Gedankenguts Virchow vertrat sozialliberale Ideale Er kampfte fur eine Gesellschaft in der nicht Herkunft sondern die Fahigkeiten des Einzelnen uber seine Zukunft entscheiden sollten Die Evolutionstheorie war fur ihn ein Elitedenken eine naturgegebene Bevorzugung einer bestimmten Rasse die mit seinen Idealen unvereinbar war 16 Ehe Virchow aber die Gebeine aus dem Neandertal 1872 personlich begutachtete uberliess er sie dem Bonner Anatomen und Augenspezialisten August Franz Josef Karl Mayer der ein entschlossener Anhanger des christlichen Schopfungsglaubens in seiner traditionellen Form war 17 Mayer hatte die erste Begutachtung im Winter 1856 57 aufgrund einer Erkrankung versaumt Jener bescheinigte dem Neandertaler rachitische Veranderungen in der Knochenentwicklung Mayer behauptete unter anderem dass die Oberschenkel und Beckenknochen des Neandertalers geformt seien wie bei einem Menschen der sein Leben lang geritten sei Der gebrochene rechte Arm des Individuums sei schlecht verheilt und die standigen Sorgenfalten uber den Schmerz seien der Grund fur die ausgepragten Uberaugenwulste Das Gerippe sei so spekulierte er von einem berittenen russischen Kosaken der um 1813 14 in den Wirren der Befreiungskriege gegen Napoleon in der Region gelagert hatte 18 Mayers 1864 im Archiv fur Anatomie 19 publizierte Interpretationen widersprachen zwar dem damals bereits bekannten und allseits akzeptierten Rachitis Leitsymptom geschwachte Knochen da der Neandertaler extrem stabile Knochen aufwies Dennoch akzeptierte auch Virchow weitgehend die anatomischen Befunde Mayers Virchow beschrieb die Knochen als merkwurdige Einzelerscheinung und als durchaus individuelle Bildung 18 und sorgte so dafur dass die Merkmale des Fundes aus dem Neandertal im deutschsprachigen Raum auf Jahre hinaus als Ausdruck von krankhaften Veranderungen am Skelett eines modernen Menschen galten Daran anderte auch die zutreffende Einschatzung des Geologen Charles Lyell nichts 20 der bereits 1863 nach einem Besuch Fuhlrotts und des Neandertals das hohe Alter des Fundes bestatigt hatte Im Ruckblick betrachtet trat die Wende hin zur Anerkennung des Fundes als nicht krankhaft verandert gleichwohl bereits 1863 64 ein nbsp William KingZum einen publizierte der englische Geologe William King 1864 eine genaue Beschreibung des Korperbaus des Reputed Fossil Man of the Neanderthal in der er mangels anderer Vergleichsmoglichkeiten die affenahnlichen Merkmale des Fossils besonders betonte 21 Ganz am Schluss dieser Abhandlung in einer dem letzten Wort nachgestellten Fussnote erwahnt King dass er bereits im Vorjahr einen Vortrag ahnlichen Inhalts vor der geologischen Sektion der British Association for the Advancement of Science gehalten habe 22 nun aber noch sicherer sei dass das Fossil welches er seinerzeit Homo Neanderthalensis genannt habe generell vom Menschen unterscheidbar sei generally distinct from Man Diese beilaufige von King fur das Fossil aus dem Neandertal gewahlte Bezeichnung in Fussnote 27 gilt heute als die Festlegung des Artnamens im Sinne der internationalen Regeln fur die zoologische Nomenklatur Zum anderen konnte der britische Palaontologe George Busk der 1861 die Schaaffhausen Abhandlung ins Englische ubersetzt hatte 1862 den 1848 entdeckten Schadel aus dem Kalksteinbruch Forbes Quarry in Gibraltar untersuchen Aufgrund dessen Ahnlichkeit mit dem Fund aus dem Neandertal spottete Busk Was auch immer an den Ufern der Dussel passiert sein mag selbst Professor Mayer wird kaum vermuten dass sich ein rachitischer Kosak des Feldzuges von 1814 in den bruchigen Spalten des Felsens von Gibraltar verkrochen hatte 23 Die Anerkennung des Neandertalers als eine eigenstandige von Homo sapiens abweichende Menschenform setzte sich jedoch erst endgultig durch nachdem 1886 in einer Hohle im belgischen Spy heute Ortsteil der Gemeinde Jemeppe sur Sambre zwei fast vollstandig erhaltene Neandertaler Skelette gefunden worden waren 24 Anthropologische Analysen BearbeitenDie Diskussion des 19 Jahrhunderts widmete sich zunachst der Frage inwiefern der anthropologische Befund mit Merkmalen des Homo sapiens in Einklang zu bringen sei Bereits Johann Carl Fuhlrott war die im Vergleich zum Menschen seiner Gegenwart unubliche Massivitat der Knochen aufgefallen ferner die stark ausgebildeten Hocker Grate und Leisten die dem Ansatz entsprechend kraftig ausgebildeter Muskeln dienten 25 Einer der Oberarmknochen wies seiner Beobachtung zufolge eine ausgeheilte Verletzung auf Auch William King verwies 1864 auf die unubliche Dicke der Skelettknochen und schloss sich einer Bemerkung Schaaffhausens an der auch die stark gerundete Form der Rippen und damit des Brustkorbs als fur einen Menschen ganz ungewohnlich bewertet hatte 26 King beschaftigte sich jedoch uberwiegend mit dem Bau der erhaltenen Schadelknochen Er beschrieb dessen Form als gestreckt oval und als ungefahr einen Zoll Inch 2 54 cm langer als bei einem rezenten Briten die Breite des Schadels ubertreffe hingegen kaum die Breite des modernen Menschen Wie zuvor schon Schaaffhausen beschrieb King die Stirnregion als ungewohnlich flach und fliehend und die Knochenleisten uber den Augen als ubermassig entwickelt In der Zusammenschau der vom modernen Menschen abweichenden Merkmale schrieb King schliesslich Der Schadel des Neandertalers ist sogleich als einzigartig verschieden von allen anderen wahrgenommen worden die anerkannterweise zur Art des Menschen gehoren und unzweifelhaft haben seine Merkmale eine grosse Ahnlichkeit mit denen eines jungen Schimpansen 27 Intravitale Verletzungen und Krankheiten Bearbeiten Untersuchungen des Gottinger Pathologen Michael Schultz widmeten sich Anfang des 21 Jahrhunderts auch dem Gesundheitszustand des Neandertaler Holotyps 28 29 Diese konnten zeigen dass es in mehreren Fallen einen krankhaften Muskel Sehnen Prozess gab ausserdem einen Bruch des linken Armes im Bereich des Ellenbogengelenks mit einer daraus resultierenden Fehlstellung der Knochen Die Fehlstellung fuhrte zu einer dauerhaften Beeintrachtigung da der Mann aus dem Neandertal diesen Arm auch nach Ausheilung des Bruchs nicht mehr regelmassig belasten konnte Im Stirnbein befindet sich eine ausgeheilte Knochenverletzung die auf den Sturz auf einen scharfkantigen Stein zuruckgefuhrt wird Ausserdem hatte Neandertal 1 offenbar eine ausgeheilte Blutung eines Gehirn Gefasses die ebenfalls auf eine intravitale zu Lebzeiten erfolgte traumatische Einwirkung zuruckgefuhrt wird Neandertal 1 litt an ausgedehnten Entzundungen der Nasennebenhohlen Beide Stirnhohlen lassen in Form einer hockerigen mit kleinen Gefassabdrucken uberzogenen Oberflache Symptome chronischer Entzundungen erkennen Im Alter litt er zudem an einer schweren Krankheit die nie zuvor an einem Neandertaler festgestellt werden konnte Es handelt sich um einen metastatischen knochenfressenden Prozess noch unbekannter Ursache 29 Sein Sterbealter wurde mit 40 bis 42 Jahren bestimmt 29 Postmortale Veranderungen am Skelett Bearbeiten Im Jahre 1992 wurden angebliche Schnittspuren an den Skelettresten publiziert insbesondere an den Randern der Schadelkalotte die auf einen speziellen Bestattungsritus hindeuten wurden 30 Angesichts der nur rudimentaren Erhaltung des Skeletts 16 von 203 Knochen ware der Einfluss von Zahnschrammen durch Karnivoren ebenfalls denkbar In Anbetracht der oberflachlichen und nicht wissenschaftlichen Bergung der Knochen bleibt die Frage der Disartikulation Auflosung des Skelettverbandes durch Raubtiere jedoch schwierig zu klaren Nachgrabungen 1997 und 2000 Bearbeiten nbsp Neandertal 1 seitliche Ansicht Vorne anliegend das im Jahr 2000 entdeckte Stuck des Schlafen und Jochbeins Ab 1991 wurden die Knochen des Neandertalers von einem internationalen Forscherteam mit modernen Verfahren erneut analysiert So ergab beispielsweise eine Radiokohlenstoffdatierung ein Alter von 39 900 620 Jahren BP 31 dieser Neandertaler gehorte demnach zu den letzten Populationen dieser Menschenart in Europa Weiterhin gelang es 1997 mitochondriale DNA mtDNA aus dem Oberarmknochen des Typusexemplars Neandertal 1 zu gewinnen die erste mtDNA Probe aus einem Neandertaler uberhaupt 32 In der Publikation wurden diese ersten Analyseergebnisse sehr vorsichtig interpretiert Gleichwohl legten sie den Schluss nahe dass der Neandertaler genetisch weit vom anatomisch modernen Mensch entfernt lage Der Titel der Ausgabe der Fachzeitschrift Cell lautete Neanderthals were not our ancestors Neandertaler waren nicht unsere Vorfahren 32 Die Entschlusselung des Neandertaler Genoms im Jahre 2010 und spatere Publikationen relativieren diese Aussage 33 Ebenfalls 1997 gelang es im September bei Nachgrabungen im Neandertal die genaue Lage der ehemaligen Kleinen Feldhofer Grotte 51 13 38 N 6 56 40 O 51 227222222222 6 9444444444444 zu rekonstruieren 34 Unter Resten lehmiger Hohlenfullungen und Sprengschutt aus dem Kalksteinabbau wurden zunachst einige Steingerate und danach insgesamt 20 weitere Neandertaler Knochenfragmente entdeckt 3 bis dahin waren aus dieser Hohle keine Steinwerkzeuge uberliefert worden Im Jahr 2000 wurden die Ausgrabungen fortgesetzt und weitere 40 menschliche Zahne und Knochenfragmente entdeckt darunter ein Stuck des Schlafen und des Jochbeins das sich exakt an die Schadeldecke anfugen liess Ein Knochensplitter konnte passgenau dem linken Oberschenkelknochen im Kniebereich zugeordnet werden Besondere Beachtung fand die Entdeckung eines dritten Oberarmknochens Zwei Oberarmknochen waren bereits seit 1856 bekannt Man hatte nunmehr also den Uberrest eines zweiten zarter gebauten Individuums entdeckt mindestens drei weitere Knochenfragmente liegen ebenfalls doppelt vor Dieser als Neandertal 2 bezeichnete Fund wurde auf ein Alter von 39 240 670 Jahren BP datiert ist also exakt so alt wie das Fossil Neandertal 1 Zudem gelang die Bergung eines Milchzahns dieser Molar wurde einem jugendlichen Neandertaler dem dritten Individuum zugeschrieben 35 Dieser Milchzahn war im Jahr 2004 aus einer Vitrine des Neanderthal Museums in Mettmann entwendet kurze Zeit spater aber wieder dorthin zuruckgegeben worden 36 Anhand der Abriebspuren und der bereits in Teilen aufgelosten Zahnwurzeln wurde man beim modernen Menschen auf ein Lebensalter des Jugendlichen von 11 bis 14 Jahren schliessen 37 Uber dem Platz der Nachgrabungen wurde nach deren Abschluss ein archaologischer Garten angelegt dessen Installationen die wechselvolle Geschichte des Ortes versinnbildlichen sollen Der kleine Park gehort zum benachbarten Neanderthal Museum das einen chronologischen Abriss der Evolution des Menschen vermittelt Literatur BearbeitenWilliam King The Reputed Fossil Man of the Neanderthal In W Eric Meikle Sue Taylor Parker Hrsg Naming our Ancestors An Anthology of Hominid Taxonomy Waveland Press Prospect Heights Illinois 1994 ISBN 0 88133 799 4 S 22 35 Nachdruck der Originalarbeit von King Ralf W Schmitz u a The Neandertal type site revisited Interdisciplinary investigations of skeletal remains from the Neander Valley Germany In Proceedings of the National Academy of Sciences Band 99 Nr 20 2002 S 13342 13347 doi 10 1073 pnas 192464099 freier Zugang zum Volltext Friedemann Schrenk Stephanie Muller Die Neandertaler C H Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 50873 1 Ralf W Schmitz Hrsg Neanderthal 1856 2006 Rheinische Ausgrabungen Band 58 Philipp von Zabern Darmstadt 2006 ISBN 3 8053 3667 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Neandertal 1 Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien LVR LandesMuseum Bonn Vom Neandertaler in die Gegenwart Informationen zur Ausstellung der originalen Knochen des Neandertalers zuletzt eingesehen am 15 Marz 2022 LVR LandesMuseum Bonn Informationen zu den Forschungsprojekten Neandertaler und Neandertal Memento vom 19 Februar 2012 im Internet Archive Stand 2012 Neues vom Neandertaler Interview mit Jurgen Thissen und Ralf Schmitz den Leitern der Nachgrabungen in den Jahren 1997 und 2000 Auf geo de vom November 2000 Belege Bearbeiten Die Schreibung des Lemmas Neandertal 1 folgt Wilhelm Gieseler Germany In Kenneth Page Oakley et al Hrsg Catalogue of Fossil Hominids Europe Pt 2 Smithsonian Institution Proceedings 1971 S 198 199 Als Folge der Orthographischen Konferenz von 1901 wurde die vormalige Schreibung von Thal in Tal geandert woran die Sammlungsnummer angepasst werden konnte Auch die von der American Association for the Advancement of Science herausgegebene Fachzeitschrift Science folgt dieser Schreibung siehe zum Beispiel sciencemag org The Neandertal Genome Memento vom 23 Februar 2011 im Internet Archive Die Internationalen Regeln fur die Zoologische Nomenklatur erlauben hingegen keine Veranderung gultiger Benennung von Gattungs und Artnamen weswegen die lateinische Bezeichnung weiterhin Homo neanderthalensis lautet William King The Reputed Fossil Man of the Neanderthal In Quarterly Journal of Science Band 1 1864 S 88 97 Volltext PDF 356 kB a b Michael Schmauder Ralf W Schmitz Der Neandertaler und weitere eiszeitliche Funde im Rheinischen LandesMuseum Bonn In Heinz Gunter Horn Hrsg Neandertaler Co Philipp von Zabern Mainz am Rhein 2006 ISBN 3 8053 3603 9 S 252 253 Die Grotte war benannt worden nach dem nahegelegenen Gut Feldhof Gerd Christian Weniger Mettmann Fundort Neandertal In Heinz Gunter Horn Hrsg Neandertaler Co Philipp von Zabern Mainz am Rhein 2006 ISBN 3 8053 3603 9 S 183 Pieper und Beckershoff waren Mitglieder in dem von Fuhlrott gegrundeten Naturwissenschaftlichen Verein fur Elberfeld und Barmen Pieper informierte Fuhlrott uber den Fund Friedemann Schrenk Stephanie Muller Die Neandertaler C H Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 50873 1 S 14 Johann Carl Fuhlrott Menschliche Uberreste aus einer Felsengrotte des Dusselthals S 137 Der Text ist u a abgedruckt in Friedemann Schrenk Stephanie Muller Die Neandertaler S 9 und als Volltext zu finden unter archaeologie online de sowie unter tierundnatur de Ian Tattersall Neandertaler Der Streit um unsere Ahnen Birkhauser Verlag Basel 1999 ISBN 3 7643 6051 8 S 74 75 Ian Tattersall Neandertaler Der Streit um unsere Ahnen S 76 Hermann Schaaffhausen Zur Kenntniss der altesten Rassenschadel In Archiv fur Anatomie Physiologie und wissenschaftliche Medicin 1858 S 453 478 Johann Carl Fuhlrott Menschliche Uberreste aus einer Felsengrotte des Dusselthals Ein Beitrag zur Frage uber die Existenz fossiler Menschen In Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens Band 16 1859 S 131 153 Volltext PDF 4 1 MB Philippe Charles Schmerling Recherches sur les ossements fossiles decouverts dans les cavernes de la Province de Liege P J Collardin Liege 1833 S 1 66 Thomas Henry Huxley On some fossil remains of man Kapitel 3 in Evidence as to man s place in nature D Appleton and Company New York 1863 Hermann Schaaffhausen Uber die Bestandigkeit und Umwandlung der Arten In Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens Band 10 1853 S 420 451 Nachdruck in Hermann Schaaffhausen Uber Bestandigkeit und Umwandlung der Arten In ders Anthropologische Studien Verlag von Adolph Marcus Bonn 1885 S 134 164 Digitalisat Ian Tattersall Neandertaler Der Streit um unsere Ahnen S 77 Martin Kuckenberg Lag Eden im Neandertal Auf der Suche nach dem fruhen Menschen Econ Verlag Dusseldorf 1997 ISBN 3 430 15773 0 S 51 a b Friedemann Schrenk Stephanie Muller Die Neandertaler S 16 F J C Mayer Ueber die fossilen Ueberreste eines menschlichen Schadels und Skeletes in einer Felsenhohle des Dussel oder Neander Thales In Archiv fur Anatomie Physiologie und wissenschaftliche Medicin Muller s Archiv Nr 1 1864 S 1 26 F J C Mayer Zur Frage uber das Alter und die Abstammung des Menschengeschlechtes In Archiv fur Anatomie Physiologie und wissenschaftliche Medicin Muller s Archiv 1864 S 696 728 Charles Lyell The geological evidences of the antiquity of man John Murray London 1863 William King The Reputed Fossil Man of the Neanderthal In Quarterly Journal of Science Band 1 1864 S 96 William King On the Neanderthal Skull or Reasons for believing it to belong to the Clydian Period and to a species different from that represented by Man In British Association for the Advancement of Science Notices and Abstracts for 1863 Part II London 1864 S 81 f George Busk Pithecoid Priscan Man from Gibraltar In The Reader A Review of Literature Science and Art 23 Juli 1864 Digitalisat Ian Tattersall Neandertaler Der Streit um unsere Ahnen S 81 Johann Carl Fuhlrott Menschliche Uberreste aus einer Felsengrotte des Dusselthals S 140 William King The Reputed Fossil Man of the Neanderthal S 90ff In these general characters the Neanderthal skull is at once observed to be singularly different from all others which admittedly belong to the human species and they undoubtedly invest it with a close resemblance to that of a young Chimpanzee Michael Schultz Der Neandertaler aus der Kleinen Feldhofer Grotte Versuch einer Rekonstruktion seines Gesundheitszustandes In Gabriele Uelsberg Hrsg Roots Wurzeln der Menschheit Katalog Handbuch zur Ausstellung im Rheinischen Museum Bonn Verlag Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft Mainz 2006 ISBN 3 8053 3602 0 S 123 132 a b c Michael Schultz Results of the anatomical palaeopathological investigations on the Neanderthal skeleton from the Kleine Feldhofer Grotte 1856 including th new discoveries from 1997 2000 In Rheinische Ausgrabungen Band 58 2006 S 277 318 Ralf W Schmitz und Peter Pieper Schnittspuren und Kratzer Anthropogene Veranderungen am Skelett des Urmenschenfundes aus dem Neandertal vorlaufige Befundaufnahme In Das Rheinische Landesmuseum Bonn Band 2 1992 S 17 19 Gerd Christian Weniger Mettmann Fundort Neandertal In Heinz Gunter Horn Hrsg Neandertaler Co Philipp von Zabern Mainz am Rhein 2006 ISBN 3 8053 3603 9 S 187 a b Matthias Krings u a Neandertal DNA Sequences and the Origin of Modern Humans In Cell Band 90 Nr 1 1997 S 19 30 doi 10 1016 S0092 8674 00 80310 4 Mateja Hajdinjak Qiaomei Fu Alexander Hubner Martin Petr Fabrizio Mafessoni Steffi Grote Pontus Skoglund Vagheesh Narasimham Helene Rougier Isabelle Crevecoeur Patrick Semal Marie Soressi Sahra Talamo Jean Jacques Hublin Ivan Gusic Zeljko Kucan Pavao Rudan Liubov V Golovanova Vladimir B Doronichev Cosimo Posth Johannes Krause Petra Korlevic Sarah Nagel Birgit Nickel Montgomery Slatkin Nick Patterson David Reich Kay Prufer Matthias Meyer Svante Paabo Janet Kelso Reconstructing the genetic history of late Neanderthals In Nature 2018 ISSN 0028 0836 doi 10 1038 nature26151 Ralf W Schmitz u a The Neandertal type site revisited Interdisciplinary investigations of skeletal remains from the Neander Valley Germany In PNAS Band 99 Nr 20 2002 S 13342 13347 doi 10 1073 pnas 192464099 Vergleiche dazu Auf den Spuren des Neandertalers Oberarmknochen sowie ein Milchzahn komplettieren die Funde aus dem Neandertal Auf faz net vom 9 September 2002 Aufatmen in Erkrather Museum Neandertaler Zahne wieder da Auf rp online de vom 8 April 2004 Ralf W Schmitz u a The Neandertal type site revisited Interdisciplinary investigations of skeletal remains from the Neander Valley Germany In PNAS Band 99 Nr 20 2002 S 13344 doi 10 1073 pnas 192464099 Volltext PDF nbsp Dieser Artikel wurde am 1 Juni 2012 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neandertal 1 amp oldid 239267695