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Mughith al chalq fi tardschih al qaul al haqq arabisch مغيث الخلق في ترجيح القول الحق DMG Muġiṯ al ḫalq fi tarǧiḥ al qaul al ḥaqq Retter der Menschen hinsichtlich der Bevorzugung der wahren Rede ist eine Werbeschrift des chorasanischen Gelehrten Imam al Haramain al Dschuwaini 1028 1085 fur den schafiitischen Madhhab die sich zugleich polemisch gegen den hanafitischen Madhhab richtet Al Dschuwaini rief in dieser Schrift alle Muslime des Ostens und Westens dazu auf sich dem schafiitischen Madhhab anzuschliessen In der modernen westlichen Forschung hat der Text vor allem deswegen grossere Aufmerksamkeit erhalten weil al Dschuwaini in ihr postuliert dass der Sinn islamischer gottesdienstlicher Vorschriften rational nicht erfassbar sei 1 Al Dschuwaini tragt diese Idee im Zusammenhang mit der Betonung von asch Schafiʿis Scharfsinnigkeit und der Anpreisung seiner speziellen Qiyas Lehre vor Spater antworteten verschiedene hanafitische Gelehrte mit Gegenschriften in denen sie al Dschuwainis Argumente zu widerlegen versuchten Inhaltsverzeichnis 1 Textzeugen 2 Inhalt und Aufbau 2 1 Einleitung die Notwendigkeit der Wahl eines Madhhabs 2 2 Warum man sich dem schafiitischen Madhhab anschliessen muss 2 3 Widerlegung hanafitischer Einwande 2 4 Die spezielle Qiyas Lehre asch Schafiʿis 2 5 Fallbeispiele fur die Uberlegenheit der schafiitischen Regeln 2 5 1 Rituelle Reinheit 2 5 2 Rituelles Gebet 2 5 3 Zakat 2 6 Schlussteil 3 Historischer Hintergrund 4 Hanafitische Gegenschriften 5 Literatur 6 EinzelnachweiseTextzeugen BearbeitenDas Werk ist in zahlreichen Handschriften uberliefert die in Bibliotheken in Paris London Alexandria Kairo 2 und Tarim 3 aufbewahrt werden Es existiert auch eine Handschrift in der Staatsbibliothek Berlin doch enthalt diese nur die Vorrede 4 1934 wurde in Kairo auf Grundlage von vier Handriften eine Edition des Werks hergestellt 5 Die Seitenzahlen in der folgenden Inhaltsbeschreibung beziehen sich auf diese Edition Inhalt und Aufbau BearbeitenAl Dschuwaini erklart am Anfang der Schrift Gott habe unter den Religionsgelehrten asch Schafiʿi auserwahlt und seinen Madhhab zum besten Madhhab gemacht S 4f Als Argumente fur die Uberlegenheit asch Schafiʿis gegenuber den anderen Rechtsschulengrundern fuhrt er unter anderem an dass er als einziger von ihnen den Quraisch zugehorte Deren hohe Stellung sei schon durch den Gottesgesandten bezeugt der gesagt habe Die Imame kommen aus der Sippe Quraisch al aʾimma min Qurais und Stellt Quraisch an die Spitze aber stellt euch nicht an ihre Spitze qaddimu Quraisan wa la tataqaddamu ha Al Dschuwaini teilt mit dass er bereits in der Allgemeinheit seiner Werke zu den usul al fiqh den Grund der Bevorzugung des schafiitischen Maḏhabs gegenuber allen anderen Maḏahib aufgezeigt habe und jetzt ein bundiges Buch zu diesem Zweck abfassen wolle damit Hoch und Niedrig es studierten und die Erlesenen al ḫaṣṣa diesem Madhhab zuneigten S 5 Der Allgemeinheit der Muslime ʿammat al muslimin obliege es sein Buch zu konsultieren damit ihre Gefolgschaft und Nachahmung sc des Propheten vollwertig sei S 5f Einleitung die Notwendigkeit der Wahl eines Madhhabs Bearbeiten In der Einleitung Muqaddima befasst sich al Dschuwaini zunachst mit dem Wesen des Tardschih Er zitiert als Erstes al Baqillani mit der Aussage dass er nur den bewiesenen Tardschih at tarǧiḥ al maqṭuʿ bi hi als Argument akzeptiere nicht jedoch den vermuteten Tardschih at tarǧiḥ al maẓnun S 7f weil es Grundsatz gebe dass jeder Mudschtahid Recht habe und insofern der vermutete Tardschih kein eigenstandiger Beweis sein konne Al Dschuwaini weist diese Aussage mit dem Argument zuruck dass der von al Baqillani genannte Grundsatz falsch sei Als Beleg fur seine Unrichtigkeit verweist er auf das Prophetenwort wonach derjenige der Idschtihad betreibt und das Richtige trifft zwei Mal belohnt werden soll und derjenige der bei seinem Idschtihad fehlgeht ein Mal belohnt werden soll Dieser Aussage konne man entnehmen dass bei einem Dissens immer nur ein Mudschtahid rechthabe Es sei insofern auch moglich durch Tardschih zu belastbarem Wissen zu gelangen S 9 Auch die Auffassung dass niemand dazu verpflichtet sei dem Grunder eines bestimmten Madhhab zu folgen sondern man bei Einzelfragen frei wahlen konne welchem Madhhab man folgen wolle weist al Dschuwaini zuruck S 13f Seiner Meinung nach trifft den Laien unweigerlich die Pflicht einen Madhhab zu bestimmen dem er in allen Angelegenheit und Einzelfragen folgt entweder den Madhhab von asch Schafiʿi von Malik ibn Anas von Abu Hanifa oder einen anderen Madhhab S 14 Dies sei notwendig weil es sonst zu Verwirrung ḫabṭ einem Kontrollverlust ḫuruǧ min aḍ ḍabṭ und einer Aufhebung der Verpflichtung einschliesslich ihres Nutzens inʿidam at taklif wa ibṭal faʾidati hi komme S 14 Zwar sei es richtig dass man in der Zeit der Prophetengefahrten noch frei war sich bei einzelnen Angelegenheiten an die Lehrrichtung von Abu Bakr und bei anderen an die Lehrrichtung von ʿUmar ibn al Chattab zu halten doch habe diese Freiheit nur deswegen bestanden weil die Lehrsysteme von Abu Bakr und der anderen Prophetengefahrten noch unvollstandig gewesen seien In der Gegenwart aber seien die Lehrrichtungen der Imame so voll umfanglich ausgearbeitet dass nichts mehr vorfallen konne auf das man nicht bei ihnen eine explizite oder implizite Antwort finde Deswegen sei es nicht zulassig den Taqlid aufzuheben weil man sonst den Nutzen der Verpflichtung gefahrde S 15f Warum man sich dem schafiitischen Madhhab anschliessen muss Bearbeiten Nach Abschluss dieser Vorrede tragt al Dschuwaini seine Hauptthese vor dass es namlich der Gesamtheit der Intellektuellen kaffat al ʿaqilin und der Allgemeinheit der Muslime in Ost und West nah und fern obliege sich ohne Einschrankung dem Madhhab von asch Schafiʿi anzuschliessen S 16 Al Dschuwaini stellt die Behauptung auf dass Abu Hanifa noch nicht die Einzelheiten der islamischen Normenlehre ausgearbeitet habe und sein Fiqh noch unreif gewesen sei Er sei zwar respektiert worden doch sei sein Madhhab noch nicht voll entwickelt gewesen weswegen sich seine beiden Schuler Muhammad asch Schaibani und Abu Yusuf bei vielen Fragen gegen ihn stellten S 17 19 Als Beispiele nennt al Dschuwaini 1 das Rechtsinstitut des Waqf das von Abu Hanifa abgelehnt von asch Schafiʿi dagegen befurwortet wurde 2 das Hohlmass des Saʿ das die beiden unterschiedlich definierten und 3 die Iqama bei der nach Auffassung Abu Hanifas verschiedene Formeln wiederholt werden mussten Abu Yusuf und asch Schafiʿi so erzahlt al Dschuwaini anschliessend sollen einst in Medina in Anwesenheit des abbasidischen Kalifen Harun ar Raschid uber diese drei Fragen gestritten haben wobei sich zuletzt Abu Yusuf der Auffassung asch Schafiʿis anschloss S 19 21 Al Dschuwaini sieht in dieser Geschichte einen Beleg fur die Unreife von Abu Hanifas Rechtsdenken So wie man nicht dem Madhhab Abu Bakrs folgen konne obwohl er erwiesenermassen der beste Mensch nach dem Gottesgesandten Mohammed war konne man auch nicht dem Madhhab Abu Hanifas folgen S 21 23 6 Widerlegung hanafitischer Einwande Bearbeiten Der darauffolgende Text ist in verschiedene mit wa in qila Und wenn gesagt wird eingeleitete Abschnitte eingeteilt in denen mogliche Einwande von hanafitischer Seite gegen einen schafiitischen Vorranganspruch widerlegt werden Dem Einwand dass Abu Hanifa fruher und alter als asch Schafiʿi war und man das Fruhere nicht fur das Spatere aufgeben durfe setzt al Dschuwaini entgegen dass Abu Hanifa im Gegensatz zu dem spateren asch Schafiʿi mit seiner Lehrrichtung noch keine Anhangerschaft gehabt habe Ausserdem betont er dass Abu Hanifa kein echter Araber gewesen sei sondern ein Nabataer im Gegensatz zu asch Schafiʿi der nicht nur zu den Arabern sondern sogar zu den Quraisch gehorte S 25 Gegenuber dem Einwand dass die Lehrmeinungen asch Schafiʿis bei mehreren Fragen schwanken und insofern die Unvollkommenheit seines Lehrsystems zeigten bringt al Dschuwaini vor dass dieses Schwanken von der Undurchdringlichkeit seiner Reflexion und der Scharfe seines Denkens ġamiḍ naẓari hi wa daqiq fikri hi herruhre und von daher ein Grund fur seine Uberlegenheit sei S 27f Den Einwand dass asch Schafiʿi mit der Auffassung dass der Koran die Sunna nicht abrogieren konne einen Grundsatz vertreten habe der von der gesamten Umma fur falsch gehalten werde lasst al Dschuwaini gelten Die Ausgewogenheit inṣaf die bei jeder Sache das Beste sei gebiete es die Schwache dieses Grundsatzes einzugestehen S 29 32 Gegenuber dem Einwand dass es fur alle hanafitischen Auffassungen einen Vernunftgrund waǧh maʿqul gebe betont al Dschuwaini dass asch Schafiʿi der erste gewesen sei der die Usul al fiqh in ein System gebracht habe S 33f Insgesamt beruhten diese auf drei Dingen namlich arabische Sprachkunde luġa Kalam und Fiqh Asch Schafiʿis Fuhrerschaft auf dem Gebiet der Sprachkunde ergebe sich schon daraus dass er aus der Mitte der Araber min ṣamim al ʿArab stamme Asch Schafiʿi sei aber auch fur seine hervorragende Kenntnis der Hadithe und Traditionen bekannt gewesen Die grosse Autoritat asch Schafiʿis auf diesem Wissensfeld sei durch eine Aussage von Ahmad ibn Hanbal verburgt Umgekehrt habe Abu Hanifa im Bereich der Hadith Wissenschaft nichts vorzuweisen gehabt Das konne man daran erkennen dass die Ashab al hadith ihn scharf kritisiert und sich dem Madhhab von asch Schafiʿi angeschlossen hatten Ihre Kritik ruhre auch daher dass sich Abu Hanifa in ubermassiger Weise auf Qiyas gestutzt habe S 35f Den Gegnern die die Scharfsinnigkeit Abu Hanifas hervorheben kommt al Dschuwaini insoweit entgegen als er eingesteht dass das Denken Abu Hanifas ausserst scharf ist naẓar Abi Ḥanifa daqiq fi ġayat ad diqqa doch wendet er ein dass das Denken asch Schafiʿis noch scharfer sei S 37 Daruber hinaus bringt al Dschuwaini vor dass Abu Hanifas Denken im Widerspruch zu den Grundsatzen al uṣul stehe und zum grossen Teil auch dem Buch Koran der Sunna den Traditionen al aṯar und auch dem Konsens der Umma widerspreche S 38 Dies erlautert al Dschuwaini am Beispiel des Qiyas fur den asch Schafiʿi zur Voraussetzung machte dass fur die normative Bewertung des Ausgangsfalls ein Grund ʿilla ermittelbar ist S 38 40 Ein weiterer Einwand der Gegner war dass asch Schafiʿi in seinem Qiyas beschrankt gewesen sei weil er bei der Frage der Beseitigung der rituellen Unreinheit naǧasa mit Essig den Qiyas nicht zuliess wahrend Abu Hanifa den Zweck der Unreinheitsbeseitigung fur massgeblich hielt und mit Rucksicht auf die Tatsache dass Essig diesen Zweck noch besser erfullt ihn als Reinigungsmittel erlaubte Hierauf antwortet al Dschuwaini dass asch Schafiʿi in diesem Fall den Qiyas verbot weil er die islamischen Normen in zwei Kategorien eingeteilt habe diejenigen bei denen ein Grund erkennbar sei und diejenigen bei denen das nicht der Fall ist Bei letzteren habe er dann den Qiyas verboten Dies gehore zu den originellen Schopfungen seines Denkens min badaʾiʿ naẓari hi S 41 Asch Schafiʿi sei beim Qiyas auf theoretischer Ebene vollkommener und praziser gewesen als Abu Hanifa Dies sei auch der Grund warum die beiden Hauptschuler von Abu Hanifa Muhammad asch Schaibani und Abu Yusuf es bei zwei Dritteln seines Madhhabs verabscheut hatten ihm zu folgen wahrend sie bei den meisten Fragen mit asch Schafiʿi ubereinstimmten S 44 Auf den Einwand warum denn die beiden hanafitischen Rechtsgelehrten die asch Schafiʿis Lehre kannten sie nicht angenommen hatten fuhrt al Dschuwaini eine Anekdote an der zufolge Harun ar Raschid asch Schafiʿi bei seiner Ankunft in Bagdad in hohen Ehren aufnahm und neben sich auf seinen Thron setzte Abu Yusuf und asch Schaibani seien daraufhin neidisch geworden und hatten vergeblich versucht ihn durch eine schwierige Frage zur rituellen Reinheit in Bedrangnis zu bringen Schliesslich hatten die beiden Gelehrten asch Schafiʿis Uberlegenheit anerkannt S 46f Die spezielle Qiyas Lehre asch Schafiʿis Bearbeiten Im Rahmen der Widerlegung der potentiellen hanafitischen Einwande gegenuber dem schafiitischen Vorranganspruch entwickelt er spezielle Qiyas Lehre die von der Unergrundbarkeit islamischer ritueller Vorschriften ausgeht und dabei verschiedene Grade der Ritualisierung oder Verehrung 7 bzw Knechtung 8 taʿabbud annimmt Kevin Reinhart erklart das Konzept des Taʿabbud als Befolgung einer unverstandlichen Regel allein aufgrund der Tatsache dass man dazu verpflichtet ist 9 Al Dschuwaini veranschaulicht die die Unergrundlichkeit islamischer ritueller Vorschriften zunachst am Beispiel der Beseitigung der rituellen Unreinheit naǧasa Wahrend Abu Hanifa in dem Zweck der Unreinheitsbeseitigung den erkennbaren Zweck der Vorschrift sah und dementsprechend alles als Reinigungsmittel fur zulassig hielt was die Unreinheit entfernt meinte asch Schafiʿi dass die Reinheitsvorschriften nur aufs Ganze gesehen dem Verstande nach nachvollziehbar seien bei einer Betrachtung der Einzelheiten sich jedoch der Logik entzogen So sei es zum Beispiel nicht nachvollziehbar dass eine Verunreinigung verschwinde wenn man sie der Sonne aussetze sie aber dann trotzdem unbedingt mit Wasser entfernt werden musse Noch eigenartiger sei es dass eine unreine Sache die in eine Wasserschussel fallt das Wasser verunreinige wenn dieses Wasser aber uber eine unreine Sache gegossen werde und abfliesse rein bleibe Nur dem fliessenden Wasser werde eine solche reinigende Kraft zugesprochen nicht aber dem Essig 10 Nach al Dschuwaini lassen sich die Vorschriften der Scharia insgesamt in drei Kategorien einteilen 1 solche deren Sinn keinesfalls verstanden werden kann 2 solche deren Sinn auf den ersten Blick erfasst wird und 3 solche deren Sinn vom Grundsatz her erfasst wird deren Einzelheiten sich aber der Vernunft entziehen Beispiele fur die erste Kategorie seien die Haftung des Sippenverbandes ʿaqila fur die Bezahlung des Blutgeldes und die Pflicht zur grossen Waschung nach der Ejakulation wahrend diese nach dem Urinieren nicht notwendig ist Zur zweiten Kategorie gehore die Legitimitat der Wiedervergeltung die insofern verstandlich sei weil sie der Abschreckung diene In die dritte Kategorie ordnet al Dschuwaini den Wudu und das rituelle Gebet ein Zwar konne man sagen dass bei beiden der Sinn vom Grundsatz her erkennbar sei namlich beim Wudu die Sauberkeit und beim rituellen Gebet die Ubung des Korpers riyaḍa Bei den Einzelheiten so zum Beispiel den speziellen Regeln der Gebetszyklen rakʿat wirkten allerdings verschiedene Arten von Taʿabbudat Al Dschuwaini erklart dass bei der dritten Kategorie von islamischen Vorschriften der Taʿabbud dominant sei und deswegen das Tor zum Qiyas verschlossen sei S 40 Al Dschuwaini arbeitet anschliessend seine Theorie vom Taʿabbud noch starker aus So habe asch Schafiʿi gelehrt dass ein Kauf bereits zustande komme sobald eine beliebige Wendung gesprochen werde die den Kauf zum Ausdruck bringe Eine Ehe erlange dagegen nur Gultigkeit wenn besondere Worte benutzt werden weil eine Eheschliessung viel starker von Taʿabbudat beruhrt sei als ein Kauf Der Ehevertrag hebe sich von allen anderen Vertragen durch die ihm eigenen Merkmale und Probleme ab die gross an Zahl und jedem bekannt seien Diese verdeutlichten seine Wurde und sein Gewicht und unterschieden die Ehe von anderen Angelegenheiten Und so hebe sich der Ehevertrag auch durch eine spezielle Formel als Taʿabbud von Seiten des Gesetzgebers Gott hervor S 41 Dennoch habe asch Schafiʿ geurteilt dass ein Ehevertrag auch in persischer Sprache zustande kommen konne wenn ein Vertragspartner des Arabischen unkundig sei weil der persische Wortlaut zwar nicht der arabische aber der Sinn ein und derselbe sei und deswegen konne bei ihm der Analogieschluss gezogen werden S 42 So wie der Taʿabbud bei den Geschaftsbeziehungen muʿamalat schwacher sei als bei der Ehe sei er umgekehrt beim Takbir im rituellen Gebet starker ausgepragt Deswegen habe asch Schafiʿi bei ihm die Moglichkeit zum Qiyas noch starker eingeschrankt und geurteilt dass auch bei fehlender arabischer Sprachkenntnis seine ursprungliche Form gewahrt werden musse Vollig ausgeschlossen sei aber die Verwendung der persischen Sprache bei der Rezitation des Korans weil diese an die arabische Sprache und den Iʿdschaz gebunden sei S 43 Wahrend asch Schafiʿi auf diese Weise die islamischen Normen in eine genaue Ordnung und Reihenfolge gebracht habe habe Abu Hanifa alles gleich behandelt die Geschaftsbeziehungen die Ehevertrage den Takbir die gottesdienstlichen Handlungen und den wunderhaften Koran Er lehrte Ein Kauf kommt auch ohne den entsprechenden Ausdruck zustande eine Ehe ebenso und ein Takbir ebenso und die Rezitation des Korans kommt auch ohne Wahrung seiner spezifischen Komposition zustande so dass wenn man beim rituellen Gebet den Koran in persischer Sprache rezitiert das Gebet gultig ist S 44 Al Dschuwaini sieht darin eine Vermischung verschiedener Disziplinen und Gattungen und eine Vernachlassigung der Feinheiten ḏuhul ʿan ad daqaʾiq Asch Schafiʿi habe diese Feinheiten dagegen genauer gesehen S 44 Fallbeispiele fur die Uberlegenheit der schafiitischen Regeln Bearbeiten Al Dschuwaini geht anschliessend verschiedene Rechtsanwendungen furuʿ und Einzelfragen durch um jeweils die Uberlegenheit der schafiitischen gegenuber der hanafitischen Position darzulegen Es werden hier nur einzelne Beispiele herausgegriffen Rituelle Reinheit Bearbeiten Al Dschuwaini erklart dass der Sinn der rituellen Reinheit einerseits in der Sauberkeit und Lauterkeit und andererseits im Gottesdienst taʿabbud liege Diese beiden Zwecke liessen sich nur mit einem speziellen Mittel namlich Wasser verwirklichen Wer hingegen den Wudu mit Dattelwein vollziehe mache sich selbst zum warnenden Beispiel fur die Menschen insbesondere im heissen Sommer Wie Al Baqillani berichtet habe halte Abu Hanifa dagegen sogar das Gebet eines Trunkenboldes fur gultig welches dieser verrichtet nachdem er in einen Weintrog gefallen ist S 53 Abu Hanifa habe auch den ohne Niya durchgefuhrten Wudu fur gultig erklart obwohl durch Nachrichten verburgt sei dass er eine gottesdienstliche Handlung ist Eine gottesdienstliche Handlung so erklart al Dschuwaini ist eine Annaherung an Gott qurba ila Allah Eine solche Annaherung konne aber nur durch Aufrichtigkeit iḫlaṣ zustande kommen wobei fur die Aufrichtigkeit wiederum eine Niya notwendig sei S 53f 11 Ein weiterer Punkt auf den al Dschuwaini eingeht ist die Wiederholung beim Uberstreichen des Kopfes Abu Hanifa habe gelehrt dass diese nicht vorgeschrieben sei weil der Zweck der Wiederholung die volle Erfassung des Kopfes mit Wasser sei Wenn diese erreicht sei sei keine Wiederholung mehr notig Asch Schafiʿi habe dagegen gelehrt dass die Wiederholung grossere Reinlichkeit und Sauberkeit mit sich bringe und auf diese Weise den eigentlichen Zweck der Handlung vervollkommne S 55 Abu Hanifa habe auch zugelassen dass das rituelle Gebet mit einer entfernbaren Unreinheit naǧasa verrichtet werde wenn sie weniger als ein Viertel des Kleidungsstucks einnehme Dies widerspreche jedoch dem religionsgesetzlichen Zweck des Gebets S 54f Daruber hinaus habe er auch erlaubt das Gebet mit einem Hundefell bekleidet zu verrichten Dies sieht al Dschuwaini als besonders anstossig an Er fragt Wie soll es erlaubt sein sich Gott zu nahern wenn man mit einem Tierfell bekleidet ist das zu erwerben die Scharia verboten hat S 55 12 Rituelles Gebet Bearbeiten Hinsichtlich des rituellen Gebets fuhrt al Dschuwaini eine Anekdote an die davon berichtet wie sich der ghaznawidische Herrscher Mahmud von Ghazna reg 998 1030 emport vom hanafitischen Madhhab abwandte nachdem ihm der schafiitische Gelehrte al Qaffal al Marwazi ein Ritualgebet entsprechend den hanafitischen Regeln vorgefuhrt und dabei allerlei abstossende Dinge in das Gebet eingefugt hatte Wenn so schliesst al Dschuwaini die Anekdote ab das Gebet wie es Abu Hanifa zugelassen hat einem Laien vorgefuhrt wurde so wurde er es mit Gewissheit ablehnen Das rituelle Gebet ist die Stutze der Religion Die Verkehrtheit seines Glaubens beim Gebet wird Dir als Veranschaulichung der Nichtigkeit seiner Lehrrichtung im Gebet ausreichen S 59 Zakat Bearbeiten Al Dschuwaini betont dass der Zweck der Zakat die Behebung von Mangeln die Stillung von Hunger und die Wohltatigkeit gegenuber den Armen sei Aus diesem Grund musse die Zakat sofort geleistet werden und entfalle auch nicht beim Tode des Verpflichteten Wenn man dagegen wie die Hanafiten lehre dass die Erfullung dieser Pflicht aufgeschoben werden konne und mit dem Tode die Pflicht entfalle so wurde dies dazu fuhren dass der Sinn dieser Pflicht zunichtegemacht wird S 60 Schlussteil Bearbeiten Im Schlussteil seiner Schrift wendet sich al Dschuwaini gegen den Einwand dass die Uberlegenheit des schafiitischen Madhhabs gegenuber dem hanafitischen Madhhab moglicherweise feststehe es aber notwendig sei sich an dem Madhhab von Malik ibn Anas auszurichten Er weist diesen Einwand mit dem Argument zuruck dass Malik ibn Anas bei der Beachtung des Korans und dem Abschneiden der Mittel sadd aḏ ḏaraʾiʿ die gebuhrenden Grenzen uberschritten habe so dass er ein Drittel der Umma totete um den beiden anderen Dritteln Gedeihen zu schenken S 77 Insbesondere hebt er die extreme Strenge des malikitischen Madhhab bei den Strafen ʿuqubat hervor S 77f Zum Schluss weist al Dschuwaini noch den Vorwurf des Eiferertums taʿaṣṣub von sich Er bekraftigt dass er fur asch Schafiʿi keine Unfehlbarkeit behaupte S 80 Der Leser solle nicht meinen dass er sich auf Kosten von Abu Hanifa fur asch Schafiʿi ereifere S 83 Vielmehr sei es so dass es die Hanafiten in ihrem Eiferertum gegen asch Schafiʿi sehr weit getrieben hatten so dass Muhammad asch Schaibani und Abu Yusuf wie asch Schafiʿi selbst berichtet Gott sogar in einem Bittgebet darum baten asch Schafiʿi zu toten S 84 Historischer Hintergrund BearbeitenAl Dschuwainis Schrift steht im Zusammenhang mit den hanafitisch schafiitischen Rivalitaten in seiner Heimatstadt Nischapur die wahrend seiner Lebenszeit die mit dem Anfang der Seldschukenherrschaft zusammenfallt einen Hohepunkt erlebten 13 Die grosse Mehrheit der Muslime in Nischapur stand damals unter dem Einfluss der Hanafiten denen sich auch die Turkmenen mit dem Sultan an der Spitze zurechneten Die Schafiiten wie al Dschuwaini bildeten zwar unter der Gesamtbevolkerung nur eine Minderheit stellten aber die Mehrheit der gesellschaftlich fuhrenden besitzenden Schicht in der Stadt 14 Der Seldschukensultan Toghrul Beg setzte nach seiner Einnahme Nischapurs im Jahre 1037 nicht nur einen Hanafiten als Stadtoberhaupt ein sondern bestellte auch einen hanafitischen Oberprediger fur die Stadt namlich ʿAli ibn al Hasan as Sandali gest 1091 Al Dschuwaini der das schafiitische Establishment der Stadt reprasentierte soll haufig mit as Sandali gestritten haben wenn sie zusammenkamen fielen ihre Anhanger ubereinander her 15 Spater betraute der neue Wesir Nizam al Mulk der die Religionspolitik seines Vorgangers ins Gegenteil verkehrte und die Schafiiten zu unterstutzen begann al Dschuwaini mit dem Lehrstuhl an der neugegrundeten Nizamiya Madrasa in Nischapur Zu welchem Zeitpunkt in seinem Leben al Dschuwaini Mughith al chalq abgefasst hat ist nicht bekannt Seine Bezugnahme auf eine Allgemeinheit ʿamma von eigenen Werken zu den Usul al fiqh in dieser Schrift macht es jedoch wahrscheinlich dass er sie erst im spateren Verlauf seiner Gelehrtenlaufbahn zu Papier gebracht hat Eric Chaumont vermutet dass sich al Dschuwaini mit seiner Schrift an die politische Klasse richtete und sie dazu bringen wollte den schafiitischen Madhhab zum offiziellen Madhhab des Staates zu machen oder ihn zumindest gegenuber dem hanafitischen Madhhab zu privilegieren 16 Auffallig ist dass auch der junge al Ghazali der bei al Dschuwaini an der Nizamiya studierte eine anti hanafitische Streitschrift verfasst hat das Kitab al Manḫul fi l uṣul 17 Im letzten Kapitel dieses Werks liefert al Ghazali eine Zusammenfassung von al Dschuwainis Schrift 18 Das Kitab al Manḫul entstand noch zu Lebzeiten seines Lehrers und gehort nachweislich zu den fruhesten Werken al Ghazalis 19 Dies legt nahe dass al Dschuwaini der Auseinandersetzung mit den Hanafiten noch wahrend seiner Lehrzeit an der Nizamiya grosse Bedeutung beigemessen und auch seine Schuler dazu angeleitet hat sich argumentativ fur diese Auseinandersetzung zu wappnen Mughith al chalq konnte in diesem Zusammenhang entstanden sein Der Text diente offensichtlich zur Vorbereitung fur Streitgesprache mit Hanafiten denn viele der mit wa in qila eingeleiteten Fragen nehmen nach Art einer Refutatio 20 mogliche hanafitische Einwande gegen einen schafiitischen Vorranganspruch vorweg Hanafitische Gegenschriften BearbeitenSpater verfassten hanafitische Gelehrte Gegenschriften zu al Dschuwainis Text Eine von ihnen ist das Kitab at Taʿlim fi radd ʿala l Ġazali wa l Ǧuwaini von Masʿud ibn Schaiba as Sindi das sich zugleich gegen das Kitab al Manḫul von al Ghazali wendet Zu seiner zeitlichen Einordnung gibt es keine Angaben 21 allerdings wird es bereits in dem hanafitischen Personen Lexikon al Ǧawahir al muḍiʾa von ʿAbd al Qadir Ibn Abi l Wafa al Quraschi gest 1373 erwahnt 22 Anfang des 17 Jahrhunderts verfasste der mekkanische Gelehrte ʿAli al Qari seine Schrift Tasyiʿ al fuqahaʾ al Ḥanafiya fi tasniʿ as sufahaʾ as Safiʿiya Bestarkung der verstandigen Hanafiten und Schmahung der torichten Schafiiten in der er einzelne Aussagen al Dschuwainis durchging und jeweils mit Gegenargumenten zuruckwies Eine weitere hanafitische Gegenschrift verfasste im fruhen 20 Jahrhundert Muhammad Zahid al Kauthari gest 1951 der Assistent des letzten Schaich al Islam des Osmanischen Reichs Sie hat den Titel Kitab Iḥqaq al ḥaqq bi ibṭal al baṭil fi Muġiṯ al ḫalq Durchsetzung der Wahrheit bei der Entkraftung des Falschen in dem Buch Muġiṯ al ḫalq Das Buch wurde zu unbekanntem Zeitpunkt in Kairo von der Buchhandlung al Maktaba al Azhariya li t turaṯ herausgegeben 23 Literatur BearbeitenCarl Brockelmann Geschichte der arabischen Litteratur Leiden 1937 1949 Bd I S 488 Nr III Supplement Bd I S 672 Nr IV Eric Chaumont En quoi le maḏhab safiʿite est il safiʿite selon le Muġiṯ al ḫalq de Ǧuwayni in Annales islamologiques 35 2001 17 26 Digitalisat Tilman Nagel Die Festung des Glaubens Triumph und Scheitern des islamischen Rationalismus im 11 Jahrhundert Munchen 1988 S 179 198 Kevin Reinhart Ritual Action and Practical Action The Incomprehensibility of Muslim Devotional Action in Kevin Reinhart u a eds Islamic law in theory studies on jurisprudence in honor of Bernard Weiss Brill Leiden 2014 S 55 103 Hier S 84 90 Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Nagel Die Festung des Glaubens 1988 S 191f und Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 84 90 Brockelmann Geschichte der arabischen Litteratur Bd I S 488 Nr III Supplement Bd I S 672 Nr IV Chaumont En quoi le maḏhab safiʿite est il safiʿite 2001 S 18 Siehe Wilhelm Ahlwardt Verzeichnis der arabischen Handschriften Nr 4853 Digitalisat Digitalisat Vgl Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 84 So die Ubersetzung bei Kevin Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 86 89 So die Ubersetzung bei Tilman Nagel Die Festung des Glaubens 1988 S 192 Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 86 Muġiṯ al ḫalq 1934 S 38f Vgl auch Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 89 Vgl auch Reinhart Ritual Action and Practical Action 2014 S 90 Vgl Richard W Bulliet The Patricians of Nishapur A Study in Medieval Islamic Social History Cambridge Massachusetts 1972 S 28 46 und Clifford Edmund Bosworth The Ghaznavids Their Empire in Afghanistan and Eastern Iran 994 1040 Edinburgh 1963 Nagel Die Festung des Glaubens 1988 S 86f Vgl Ibn Abi l Wafaʾ al Qurasi al Ǧawahir al muḍiʾa fi ṭabaqat al Ḥanafiya 2 Bde Hyderabad Dekkan 1332h Bd I S 357 Chaumont En quoi le maḏhab safiʿite est il safiʿite 2001 S 26 Brockelmann Geschichte der arabischen Litteratur Supplement Bd I S 754 Nr 52 Chaumont En quoi le maḏhab safiʿite est il safiʿite 2001 S 18 George F Hourani A Revised Chronology of Ghazali s Writings in Journal of the American Oriental Society 104 1984 289 302 Hier S 290f Vgl dazu G Staab Refutatio in Historisches Worterbuch der Rhetorik Bd VII Sp 1109 1113 Vgl Brockelmann Geschichte der arabischen Litteratur Supplement Bd II S 953 ʿAbd al Qadir Ibn Abi l Wafa al Qurasi al Ǧawahir al muḍiʾa fi ṭabaqat al Ḥanafiya Ed ʿAbd al Fattaḥ Muḥammad Ḥulw 2 Aufl Hiǧr Giza 1993 Bd III S 469 Nr 1650 Digitalisat Digitalisat http vorlage digitalisat test 1 3Dhttps 3A 2F 2Farchive org 2Fdetails 2Fhanafi 20150630 0216 GB 3D IA 3D MDZ 3D 0A SZ 3D doppelseitig 3D LT 3D PUR 3D Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mughith al chalq fi tardschih al qaul al haqq amp oldid 215891885