Als katholische Ostkirchen (auch unierte Kirchen oder mit Rom unierte Kirchen) werden die 23 Teilkirchen eigenen Rechts der römisch-katholischen Kirche bezeichnet, die in ostkirchlicher Tradition stehen. Durch ihre östlichen (âorientalischenâ) Riten stehen sie in ihrer Tradition und hierarchischen Verfasstheit den orthodoxen und altorientalischen Ostkirchen nahe, sind aber von diesen streng zu unterscheiden. Sie erkennen den Jurisdiktionsprimat des Papstes an und stehen untereinander sowie mit der lateinischen Kirche in Glaubens-, Gebets- und Sakramentengemeinschaft. In nahezu allen ostkirchlichen Traditionen gibt es katholische Ostkirchen. GegenĂŒber ihren orthodoxen und altorientalischen Pendants bilden sie meist nur eine Minderheit.
Die katholischen Ostkirchen unterliegen im Gegensatz zur westlichen lateinischen Kirche nicht dem Kirchenrecht des Codex Iuris Canonici (CIC), sondern dem Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO).
Geschichte Bearbeiten
Union bedeutet ursprĂŒnglich die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit nach einer Kirchenspaltung, und zwar entweder als Gesamtunion, das heiĂt unter voller Beseitigung der Trennung, oder als Teilunion, somit allein mit einer einigungswilligen Partei.
Teils handelt es sich um urchristliche Gemeinschaften der ersten Stunde, teils um Diasporakirchen innerhalb dieser Kontinente, bis hin zu erst im 20. Jahrhundert entstandene Gemeinschaften. Die katholischen Ostkirchen, also romunierten Zweige entstanden zu einem kleinen Teil wĂ€hrend der KreuzzĂŒge (ab dem 11. Jh.), zum anderen im Gefolge der katholischen Gegenreformation nach dem Konzil von Trient 1545â1563: Auf das GroĂe Ost-West-Schisma (1054) folgten verschiedene BemĂŒhungen, den Bruch zwischen der westlichen (römisch-katholischen) und der östlichen (griechisch-orthodoxen) Kirche im Rahmen einer Gesamtunion zu heilen, die jedoch sĂ€mtlich, zuletzt im Konzil von Florenz (Unionskonzil 1431â1445), ohne dauerhaften Erfolg blieben. WĂ€hrend der Zeit der KreuzzĂŒge kam es zu Gesamtunionen dauerhaft mit den Maroniten und zeitweise mit den Armeniern in Kilikien (Königreich Kleinarmenien). In der Folgezeit bemĂŒhte sich Rom weiterhin um Gesamtunionen, etwa durch Gewinnung des jeweiligen Kirchenoberhaupts, zum Beispiel eines Patriarchen, oder der Mehrheit des Episkopats einer Regionalkirche fĂŒr den Katholizismus. Allerdings nahm sie nunmehr auch Teilunionen in Kauf oder fĂŒhrte solche gezielt herbei, jeweils um den Preis einer Spaltung der Mutterkirche. Dieses Verfahren wurde bis in das 20. Jahrhundert hinein angewandt. Erst nach dem Zweiten Vatikanum verzichtete der Vatikan offiziell auf den sogenannten Uniatismus gegenĂŒber den Ostkirchen, insbesondere mit der Deklaration von Balamand.
Kennzeichen Bearbeiten
Von den meisten östlichen Kirchen haben sich so im Lauf der Jahrhunderte Teilkirchen abgespalten und mit Rom verbunden, unter Beibehaltung ihrer eigenen Liturgie und unter Anerkennung des pÀpstlichen Primats. Sie haben die volle Glaubens- und Sakramentengemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche aufgenommen, zugleich oder spÀter jedoch die sakramentale Gemeinschaft mit ihrer vormaligen Kirche abgebrochen.
Die Zölibatsverpflichtung gilt (mit wenigen Ausnahmen) in diesen Kirchen â wie in den anderen Ostkirchen â nur fĂŒr Bischöfe, Mönche und fĂŒr bei der Diakonenweihe noch ledige PriesteramtsanwĂ€rter. Eine Heirat nach der Weihe ist ausgeschlossen, weil das âunauslöschliche Merkmalâ des sakramentalen Priestertums eine EheschlieĂung verhindert. Seit jeher können in den Ostgebieten bereits verheiratete PriesteramtsanwĂ€rter nach altem Recht die Weihe erhalten. Im Juni 2014 hat Papst Franziskus dieses Recht unierter ostkirchlicher Bischöfe zur Priesterweihe verheirateter MĂ€nner auf westliche Gebiete erweitert, soweit dort eine eigene ostkirchliche Hierarchie besteht. Dort wo es in Westgebieten ostkirchliche Ordinariate, aber keine zustĂ€ndigen ostkirchlichen Bischöfe gibt, liegt nunmehr und erstmals die Vollmacht zur Weihe verheirateter Priesteramtskandidaten beim zustĂ€ndigen römisch-katholischen Bischof.
Der Namensbestandteil katholisch deutet bei den meisten der im Folgenden aufgefĂŒhrten Kirchen auf eine solche Union hin und grenzt im Gebiet der Ostkirchen die dortigen katholischen Kirchen von den meist wesentlich mitgliederstĂ€rkeren orthodoxen Kirchen ab, die parallel bestehen. Von diesen werden sie als ein Haupthindernis fĂŒr die Ăkumene angesehen (siehe Uniatismus). Der manchmal vorkommende Namensbestandteil griechisch weist in Abgrenzung zu römisch(-katholisch) auf die Ritusfamilie hin, der die betreffende Kirche angehört.
Einen Sonderfall bildet die maronitische Kirche, die seit 1182 zur GĂ€nze mit Rom uniert ist, also kein orthodoxes oder altkatholisches Pendant hat. Die chaldĂ€isch-katholische Kirche zĂ€hlt inzwischen deutlich mehr Mitglieder als ihr autokephales (eigenstĂ€ndiges) GegenĂŒber, die Assyrische Kirche des Ostens. Unter den Thomaschristen steht der katholischen syro-malabarischen Kirche nur eine kleine Gruppe von Nichtkatholiken gleicher ostsyrischer Tradition gegenĂŒber. Die italo-albanische Kirche ging nicht aus einer formellen Union hervor, sondern war seit ihrem Bestehen durchgĂ€ngig mit Rom verbunden.
Asien und Afrika Bearbeiten
Die unierten Kirchen und Gemeinschaften im Orient, analog auch auf dem Balkan, und anderswo gingen aus anderen Unionsbewegungen hervor, die jeweils eigene historische HintergrĂŒnde haben (TĂŒrkengefahr, theologische oder kirchenpolitische Differenzen innerhalb der betroffenen Ostkirchen, europĂ€ischer Kolonialismus u. a.). In den meisten FĂ€llen mit Ausnahme der Maroniten schloss sich nur eine Minderheit der orthodoxen Christen der Union an.
Ăstliches Europa Bearbeiten
Die gröĂte heute bestehende mit Rom unierte Kirche ist die ukrainische griechisch-katholische Kirche in der Ukraine. Sie ging wie die unierten Gemeinschaften in Russland und Belarus aus der Kirchenunion von Brest im Jahr 1596 hervor. Zu dieser Union kam es, als weite Gebiete der genannten Staaten politisch zum katholischen Polen-Litauen gehörten.
Ihre BlĂŒtezeit hatte diese unierte Kirche auf dem Territorium des Russischen Reiches bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit 1839 wurden die in der Ukraine und der Belarus weit verbreiteten Unierten zum gröĂten Teil mit der russisch-orthodoxen Kirche zwangsvereinigt.
In Polen, Belarus und der Ukraine werden dem Ritus entsprechend KirchengebĂ€ude unierter Kirchen ebenso wie solche der autokephalen orthodoxen Kirchen Cerkiew genannt (belarussisch ŃĐ°ŃĐșĐČĐ°; ukrainisch ŃĐ”ŃĐșĐČĐ°), im Gegensatz zu KoĆciĂłĆ (belarussisch ĐșĐ°ŃŃŃĐ»; ukrainisch ĐșĐŸŃŃДл), der Bezeichnung fĂŒr KirchengebĂ€ude des lateinischen Ritus.
Auf dem Gebiet des damaligen Ăsterreich-Ungarn, vor allem in Galizien, in der Bukowina und SiebenbĂŒrgen, sowie in Teilen Oberungarns (Karpatenukraine) konnten sich die unierten Kirchen frei entfalten und haben zahlreiche Mitglieder und ein reiches kirchliches Leben gehabt. Dieser Zustand blieb in der Zwischenkriegszeit (1918â1939) erhalten, als Galizien zu Polen und die Karpato-Ukraine zur Tschechoslowakei gehörte. Die gröĂte unierte Kirche dieses Raumes hatten die Ruthenen, wie die Ukrainer in der Habsburgermonarchie genannt wurden.
Als die vornehmlich ukrainisch besiedelten Gebiete im Karpatenbogen 1944/45 an die Sowjetunion fielen, setzte sofort eine scharfe UnterdrĂŒckung der unierten Katholiken ein. Ihre Bischöfe und Priester wurden verhaftet und das Kirchengut beschlagnahmt. AnschlieĂend wurden die Unierten zwangsweise der russisch-orthodoxen Kirche unterstellt. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Ukrainische griechisch-katholische Kirche wieder unabhĂ€ngig. Heute zĂ€hlt diese unierte Kirche immer noch rund 5,2 Millionen Mitglieder in der Ukraine und in der weltweiten Diaspora. Ihr Oberhaupt ist der griechisch-katholische GroĂerzbischof von Kiew.
Die nach der Abtrennung Galiziens 1945 in den heutigen Grenzen Polens lebenden unierten Katholiken, die hĂ€ufig aus ruthenischen oder ukrainischen Familien stammen, haben ihre eigenen griechisch-katholischen BistĂŒmer.
Einer anderen Union, der von Uschhorod 1646, entstammt die Ruthenische griechisch-katholische Kirche in Transkarpatien (Eparchie Mukatschewe, sĂŒdwestliche Ukraine), der Slowakei (Eparchie PreĆĄov/Eperies und Exarchat KoĆĄice/Kaschau), Ungarns (Exarchat Miskolc) und in den USA (Byzantine Catholic Metropolia of Pittsburgh).
Die rumĂ€nisch-orthodoxe Kirche aus SiebenbĂŒrgen vereinte sich durch den Beschluss des Metropoliten Atanasie Anghel und der Provinzialsynode von 1698 mit Rom. Neben dem Bistum Alba Iulia-FÄgÄraĆ wurde 1777 ein neues uniertes Bistum in Oradea gegrĂŒndet. Im Jahr 1853 wurden zwei weitere rumĂ€nisch-unierte BistĂŒmer errichtet, das Bistum Gherla (das heutige Bistum Cluj-Gherla) und das Bistum Lugoj. Hinzu kam im 20. Jahrhundert das Bistum MaramureÈ, das 1930 mit dem Sitz in Baia Mare gegrĂŒndet wurde. Die RumĂ€nische griechisch-katholische Kirche wird seit 2005 durch einen GroĂerzbischof geleitet.
Diaspora Bearbeiten
Bei manchen der heute bestehenden mit Rom unierten Gemeinschaften verlagerte sich der Schwerpunkt in die Neue Welt. So hatte zum Beispiel die Ruthenische Kirche zwischenzeitlich nur noch in Amerika BistĂŒmer. Von ihren Schwesterkirchen im ursprĂŒnglichen Siedlungsgebiet der Ruthenen war sie organisatorisch vollstĂ€ndig selbstĂ€ndig.
Teilkirchen Bearbeiten
Nach dem Annuario Pontificio gibt es 23 katholische Ostkirchen:
Zudem gibt es die Ordinariate fĂŒr die GlĂ€ubigen des östlichen Ritus, die jedoch zu keiner ostkirchlichen Hierarchie gehören, sondern direkt dem Heiligen Stuhl unterstehen.
Lateinische Kirche und Ostkirchentum Bearbeiten
Die lateinische Kirche (Westkirche) steht den katholischen Ostkirchen gegenĂŒber. Andererseits hat sie im weiteren Sinn einen Anteil am Ostkirchentum, da ihr auch Christen in östlichen LĂ€ndern zugeordnet sind â darunter römisch-katholische Christen in der arabischen Welt, wo diese als âLateinerâ bezeichnet werden. Obwohl fĂŒr diese Christen nicht das Ostkirchenrecht (CCEO) gilt, können sie aus zwei GrĂŒnden dem âOstkirchentumâ zugerechnet werden:
- Das Dikasterium fĂŒr die orientalischen Kirchen (Dicasterium pro Ecclesiis Orientalibus) der Römischen Kurie ist nicht nur fĂŒr die 23 katholischen Ostkirchen zustĂ€ndig, sondern auch fĂŒr die GlĂ€ubigen des römischen Ritus in Ăgypten und auf der Sinai-Halbinsel, in Eritrea und im Norden Ăthiopiens, in SĂŒdalbanien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Iran, Irak, Libanon, Israel, PalĂ€stina, Syrien, Jordanien und in der TĂŒrkei. Diese âLateinerâ werden also vom Heiligen Stuhl administrativ als ein Teil der orientalischen katholischen Welt behandelt.
- Soziologisch betrachtet ist dieser Zweig der lateinischen Kirche keine Missionskirche mehr, sondern eine Kirche der heimischen Bevölkerung, die ihre Gottesdienste in der Landessprache feiert.
Historisch handelt es sich im Wesentlichen um die römischen Katholiken im ehemaligen Osmanischen Reich, die mit der formalen Wiedererrichtung des Lateinischen Patriarchats an der Erzdiözese von Jerusalem 1847 ein Zentrum bekamen. Zur lateinischen Kirche im Orient zĂ€hlt man die Diözesen, die in der Lateinischen Bischofskonferenz der arabischen Region (CELRA) versammelt sind. Der Lateinische Patriarch in Jerusalem ist auch im Rat der katholischen Patriarchen des Orients (CPCO, gegrĂŒndet 1990) vertreten.
Literatur Bearbeiten
- Julius AĂfalg (Hrsg.): Kleines Wörterbuch des christlichen Orients. In Verbindung mit Paul KrĂŒger. Harrassowitz, Wiesbaden 1975, ISBN 3-447-01707-4. Neubearbeitung: Hubert Kaufhold (Hg.): Kleines Lexikon des Christlichen Orients. Harrassowitz, Wiesbaden 2007. XLV, 655 S. ISBN 978-3-447-05382-2
- Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens. Orthodoxe, orientalische und mit Rom unierte Ostkirchen. Topos plus, Kevelaer, 2., aktualisierte Aufl. 2008, ISBN 3-8367-0577-X, S. 111â137.
- Ronald Roberson CSP: The Eastern Christian Churches. A Brief Survey. 7th Edition, 2005. Online lesbar auf cnewa.org (Catholic Near East Welfare Association).
- Alfred Schlicht: Frankreich und die syrischen Christen 1799â1861. MinoritĂ€ten und europĂ€ischer Imperialismus im Vorderen Orient (= Islamkundliche Untersuchungen. Bd. 61). Schwarz, Berlin 1981, ISBN 3-922968-05-8 (zugleich: UniversitĂ€t MĂŒnchen, Dissertation, 1981).
- Congregazione per le Chiese Orientali (ed.): Oriente Cattolico. 5. edizione. A cura di G. Rigotti. 3 Bde., Valore Italiano, Roma 2017. ISBN 978-88-97789-40-6
Weblinks Bearbeiten
- Katholische Ostkirchen Stiftung Pro Oriente
- Ostkirchen damian-hungs.de
- Karte aller Diözesen der Ostkirchen damian-hungs.de
Einzelnachweise Bearbeiten
- Heinrich de Wall, Stefan Muckel: Kirchenrecht. 5. Auflage. C.H. Beck, MĂŒnchen, 2017, ISBN 978-3-406-66168-6, § 16 Rn. 2
- Ziel und Methoden des Uniatismus prÀgen hingegen die Apostolische Konstitution Anglicanorum coetibus Papst Benedikts XVI., auf deren Grundlage der Vatikan versucht, GlÀubige und Geistliche der anglikanischen Kirche mit der römisch-katholischen Kirche und dem Papsttum zu vereinen.
- Katholische Priester â ohne Zölibat. In: Christ in der Gegenwart Nr. 47/2014, S. 526.
- war nie von Rom getrennt
- â Nikodemus C. Schnabel OSB: Lateinische Kirche pro-oriente.at