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Jacobus de Kerle 1531 oder 1532 in Ypern 7 Januar 1591 in Prag war ein franko flamischer Komponist Organist Sanger Kapellmeister und Kleriker der Renaissance 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Bedeutung 3 Werke 4 Literatur Auswahl 5 Weblinks 6 QuellenLeben und Wirken BearbeitenJacobus de Kerle war ein Sohn des Yperner Tuchmachers Robert de Kerle der mit grosser Wahrscheinlichkeit 1530 31 eine Adrienne Mortiers geheiratet hatte woraus sich die angenommene Geburtszeit des Komponisten ergibt Am Stift St Martin seiner Heimatstadt konnte de Kerle seinen ersten musikalischen Unterricht bei dem Sangmeister Gilles Bracquet nach 1556 bekommen haben Spater wurde die Kathedrale von Cambrai von Bedeutung fur ihn und Philippe de Monte in den Listen dieser Kirche von 1548 erscheinen die Namen beider Musiker als petits vicaires Wenn auch die naheren Umstande seines Weggangs nach Italien unbekannt geblieben sind ist gesichert dass de Kerle von 1548 bis etwa 1550 und erneut wieder ab 1555 an der Kathedrale von Orvieto als Magister capellae gewirkt hat Ob der Komponist vor seiner Reise nach Italien schon die Priesterweihe bekam oder erst dort ist offen fest steht dass er ab 4 August 1561 presbyter genannt wurde und nicht mehr maestro In Orvieto war es seine Aufgabe die Chorknaben zu unterrichten in der Kapelle als Sanger mitzuwirken und den Dienst an der Orgel und am Glockenspiel zu versehen Er erhielt im August 1561 einen zweimonatigen Urlaub fur eine Reise nach Venedig um bei dem Verleger Gardano an der Herausgabe seiner Werke Magnificat octo tonorum und Liber psalmorum mitzuwirken In allen Drucken de Kerles ist bei seinem Namen der Zusatz Yprensis vermerkt Nach seiner Ruckkehr nach Orvieto im Herbst 1561 machte er die Bekanntschaft mit dem Bischof von Augsburg Kardinal Otto Truchsess von Waldburg der sich seit 1559 fur langere Zeit in Rom aufhielt was das weitere Leben de Kerles entscheidend beeinflusste Kardinal Otto von Waldburg ernannte den Komponisten zum Kapellmeister seiner Privatkapelle und de Kerle trat sein neues Amt zu Anfang des Jahres 1562 an Noch vor Ostern erschienen die Motettensammlung Preces speciales bei Gardano in Venedig und Kardinal von Waldburg sorgte dafur dass sie beim Konzil von Trient 1545 1563 aufgefuhrt wurden sie wurden nach Aussage de Kerles 1562 beinahe wochentlich dreimal vor den Konzilsteilnehmern gesungen was vielleicht einen gewissen Einfluss auf die Anschauungen der Konzilsteilnehmer und ihre allgemeinen Beschlusse zur Reform der Kirchenmusik hatte neben den neueren Werken von Palestrina Die im gleichen Jahr erschienenen Sex missae des Komponisten sind Herzog Albrecht V von Bayern gewidmet Von August 1563 bis Mai 1564 reiste de Kerle im Gefolge von Kardinal Otto uber Oberitalien nach Barcelona um die osterreichischen Erzherzoge Rudolf und Ernst zum spanischen Konigshof zu begleiten Danach reiste der Komponist Mitte Mai 1564 zur Residenz der Augsburger Furstbischofe in Dillingen wo die Kapelle unter anderem bei der feierlichen Ubergabe der Universitat Dillingen an die Jesuiten am 17 August 1564 mitwirkte Im darauf folgenden Jahr war Kardinal Otto wegen finanzieller Schwierigkeiten gezwungen im Mai 1565 die Kapelle aufzulosen woraufhin sich de Kerle wieder seiner Heimatstadt zuwandte und dort Ende 1565 als Kapellmeister tatig war Hier kam es zu innerkirchlichen Unstimmigkeiten und als Folge eines tatlichen Ubergriffs auf einen anderen Priester wurde er am 30 Marz 1567 exkommuniziert und verlor damit auch sein Amt als Kapellmeister Nach Verrichtung der auferlegten Bussen in Rom wurde er wieder kirchlich aufgenommen Kurz darauf wurde ihm die Ehre zuteil dass Werke von ihm unter anderen bei den Hochzeitsfeierlichkeiten von Herzog Wilhelm V von Bayern mit Renata von Lothringen 21 Februar bis 5 Marz 1568 in Munchen aufgefuhrt wurden beispielsweise am 2 Marz ein sechsstimmiges Werk auf einen Text von Niccolo Stopio 1570 diese Komposition ist nicht erhalten geblieben Die kirchliche Trauung erfolgte durch de Kerles fruheren Dienstherrn Kardinal Otto von Waldburg der vielleicht seinen fruheren Kapellmeister empfohlen hatte Auf ahnlichem Weg kam der Komponist vermutlich zu seiner nachsten Anstellung in Augsburg wo ihm das dortige Domkapitel am 18 August 1568 zunachst zehn Taler Honorar zukommen liess von wegen seiner componirten gesang so er meinen g h presentieret hat und verhandelt mit ihm wegen der Ubernahme der Stelle des Domorganisten In dieser Amtszeit erschienen von de Kerle ab 1571 etwa 70 Motetten in sieben Sammlungen eine Messe ein Requiem und zwei Bucher mit Madrigalen als Manuskript sind ein Codex mit Responsorien und Hymnen fur die Festtage des Kirchenjahrs uberliefert Der Komponist Philippe de Monte hat in einem Brief von 1572 seinen Kollegen fur eine Pfrunde an der Petrikirche Augsburg empfohlen und bezieht sich dabei ausdrucklich auf Werke die de Kerle 1570 auf dem Reichstag in Speyer an Kaiser Maximilian II uberreicht hatte ohne eine Erkenntlichkeit dafur zu bekommen Ob diese Befurwortung erfolgreich war ist nicht bekannt Bei der Nachfolge des Amts des Augsburger Domkapellmeisters wurde de Kerle ubergangen und Bernhard Klingenstein erhielt die Stelle deshalb bat der Komponist am 14 Juli 1574 um Entlassung aus dem Organistenamt Das Kapitel wollte dem nicht entsprechen daraufhin kontaktierte de Kerle den Inhaber einer Pfrunde in Cambrai Adrian Esch und verabredete mit diesem einen Tausch ihrer Pfrunden Zusammen mit der Widmung von Gesangskompositionen bat der Komponist das Domkapitel um Erlaubnis zu diesem damit verbundenen Amtertausch Mit einem Kanonikat in Cambrai war keine Residenzpflicht verbunden somit war de Kerle frei fur eine neue Tatigkeit die sich in Kempten abzeichnete Er widmete Furstabt Eberhard von Stain in Kempten eine Komposition und zusatzlich hat ihn der Abt des Klosters Weingarten mit einem Empfehlungsschreiben befurwortet Es ist nicht uberliefert ob die Aktion erfolgreich war fur eine Kemptener Tatigkeit spricht aber dass er erst am 28 Marz 1579 in das Cambraier Kapitel aufgenommen wurde Seine Sammlung Quatuor missae suavissimis hat er mit drei verschiedenen Widmungen versehen was seine Unsicherheit uber seinen weiteren Weg verrat Im Jahr 1582 kam er kurzzeitig an den Hof des Kolner Erzbischofs und Kurfursten Gebhard Truchsess von Waldburg dem die Messen von 1582 gewidmet sind erschienen bei Christoffel Plantijn in Antwerpen Auf dem Reichstag in Augsburg im gleichen Jahr kam der Komponist anscheinend zu dem Entschluss eine Stellung bei Kaiser Rudolf II anzustreben bereits am 1 September 1582 hat ihn Kaiser Rudolf als Hofkaplan berufen und die zweite Auflage der Messen von 1583 ist Kaiser Rudolf gewidmet Von dem gleichen Werk gibt es eine handschriftliche Kopie in der Bibliothek des Vatikans mit einer Widmung an Papst Gregor XIII Der Komponist zog mit dem Kaiser uber Wien nach Prag wo er bis zu seinem Lebensende blieb der dortige Hofkapellmeister war Philippe de Monte Weil de Kerles Gehalt als Hofkaplan nur 150 Gulden betrug bewarb er sich Anfang 1584 zusatzlich um ein Kanonikat an dem Kollegiatstift Heilig Kreuz in Breslau die Ernennung dort geschah erst im Herbst 1587 Im Jahr 1585 hat der Komponist dem neu gewahlten Papst Sixtus V ein Buch mit Motetten gewidmet Am 7 Juli 1587 hat er auf das Kanonikat in Cambrai zugunsten einer Pfrunde in Mons verzichtet die er dann bis zu seinem Tod innehatte Im gleichen Jahr beabsichtigte de Kerle noch funf Messen bei den Antwerpener Verlegern Plantijn oder Pevernage herauszubringen dies kam aber nicht zustande Die Pfrunde in Breslau hat er bereits wieder Anfang 1588 verloren weil sie anderweitig vergeben wurde Auffallend ist dass Jacobus de Kerle in seiner Prager Zeit als Kaplan kaum Werke geschaffen hat Bedeutung BearbeitenEine besondere musikgeschichtliche Aufmerksamkeit fand Jacobus de Kerle und sein Werk im Zusammenhang mit der liturgischen Reformbewegung Cacilianismus des spaten 19 und fruhen 20 Jahrhunderts wegen seiner grossen Nahe zur Reformbewegung des Trienter Konzils und dessen Zielen wo er vereinzelt sogar mit Giovanni Pierluigi da Palestrina und Philippe de Monte als Retter der Kirchenmusik bezeichnet wurde Zwischenzeitlich wurde aber nachgewiesen dass musikalische Aspekte bei den damaligen Konzilsberatungen nur eine untergeordnete Rolle spielten Daruber hinaus konnte gezeigt werden dass die spurbaren liturgischen Reformtendenzen in de Kerles Werk wahrscheinlich mehr von den Reformideen im Umkreis seines damaligen Dienstherrn Otto Truchsess von Waldburg beeinflusst sind So sind die Texte zu de Kerles Preces speciales den Preces von Petrus de Soto von 1551 entnommen der in direktem Bezug zu Kardinal von Waldburg gestanden hat Obwohl Jacobus de Kerle als Organist wirkte sind keine entsprechenden Instrumentalwerke von ihm uberliefert Der Schwerpunkt seiner kompositorischen Tatigkeit lag auf der Motetten und Mess Komposition wobei viele Werke auf einen bestimmten Anlass bezogen sind So besteht die Vermutung dass die Cantio de sacro foedere contra turcas eventuell von dem Sieg der Liga bei der Seeschlacht von Lepanto 6 Oktober 1571 veranlasst wurde auch schrieb er auf den Tod des Kardinals am 2 April 1573 eines der Requiems Es gibt weitere Gelegenheitswerke fur Augsburger Kaufleute fur eine Doppelhochzeit im Hause Fugger entstand der Introitus Deus Israel conjugat vos In seinen Motetten geschieht eine Wort und Textausdeutung eher gelegentlich und nicht als Grundelement der Komposition Seine Zuruckhaltung gegenuber den Methoden der weltliche Vokalmusik konnte vielleicht auch eine Selbstbeschrankung wegen der zeitgemassen Reformtendenzen sein Er bevorzugte den Typ einer Cantus firmus Motette und begnugte sich mit den harmonischen Moglichkeiten der betreffenden Kirchentonarten In den liturgischen Psalmen und Hymnen dagegen geschieht ein Wechsel zwischen gregorianischem Choral und polyphonen Abschnitten mit engem Anschluss an die Choralvorlage Hier verwendete der Komponist wie auch in seinen Magnificats eine massvolle Variation der Psalmton Vorlage Eine gewisse konservative Tendenz zeigt sich auch in seiner mehrfachen Unterteilung von Messesatzen die an Josquin Desprez und seine Nachfolger anknupft so in vier der funf Messen ohne das Requiem in der Sammlung Sex missae von 1562 Der Agnus Dei Abschnitt erscheint nur einfach wie bei Jacobus Clemens non Papa es findet aber die ubliche Vermehrung der Stimmenzahl gegen Schluss statt Die in dem Requiem enthaltene Sequenz Dies irae hatte einen besonderen Einfluss auf die entsprechende Sequenz in dem Requiem von Vincenzo Ruffo um 1510 1587 In seinem Zyklus von acht Magnificats fur alle acht Modi hat der Komponist in den ersten vier die ungeraden Strophen dieses Lobgesangs vertont und Kanontechniken gehauft eingesetzt in den anderen vier Magnificats die geraden Strophen mit breitem Raum fur variierende Durchimitationen Werke BearbeitenMessen Sex missae zu vier bis funf Stimmen Liber 1 Venedig 1562 Quatuor missae zu funf bis sechs Stimmen Antwerpen 1582 83 Motetten Hymnen und Psalmen Motetti zu vier bis funf Stimmen Rom 1557 Hymni totius annii secundum ritum Sanctae Romae Ecclesiae zu vier bis funf Stimmen Rom 1558 und 1560 Liber psalmorum ad vesperas zu vier Stimmen Venedig 1561 Magnificat octo tonum zu vier Stimmen Venedig 1561 Preces speciales zu vier Stimmen Venedig 1562 Selectae quaedam cantiones sacrae zu funf bis sechs Stimmen Nurnberg 1571 Liber modulorum zu vier bis sechs Stimmen Paris 1572 Liber modulorum sacrorum zu funf bis sechs Stimmen Munchen 1572 Liber modulorum sacrorum zu vier bis sechs Stimmen Munchen 1573 Liber motettorum zu vier bis sechs Stimmen Munchen 1573 Sacrae cantiones zu funf bis sechs Stimmen Munchen 1575 1 Motette in Theatri musici selectissimas Orlandi de Lassus aliorumque Cantiones sacras Liber 2 Genf 1580 Selectiorum aliquot modulorum zu vier bis acht Stimmen Prag 1585 3 weitere Werke in Triodia sacra zu drei Stimmen Liber 1 Dillingen 1605 Weltliche Werke Il primo libro capitolo del triompho d amore de Petrarca zu funf Stimmen Venedig 1570 verschollen Madrigali Liber 1 Venedig 1570 verschollen Egregia cantio zu sechs Stimmen Nurnberg 1574 1 Madrigal in Di Cipriano et Annibale madrigali zu vier Stimmen Liber 5 Venedig 1561 Weitere Werke in verschiedenen HandschriftenLiteratur Auswahl BearbeitenRobert Eitner Kerle Jakob van In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 15 Duncker amp Humblot Leipzig 1882 Seite 629 Otto Ursprung Jacobus de Kerle 1531 32 1591 Sein Leben und seine Werke Munchen 1913 G Haydon The Hymns of Jacobus de Kerle In Festschrift Gustav Reese herausgegeben von J LaRue und anderen New York 1966 Seite 336 358 A Layer Musikgeschichte der Furstabtei Kempten Kempten 1975 Craigh Wright Musiciens a la cathedrale de Cambrai 1475 1550 In Revue de musicologie Nr 2 1976 Seite 204 228 B Brumana G Ciliberti Orvieto una cattedrale e la sua musica 1450 1610 Florenz 1990 R Lindell Musicians from the Low Countries Ecclesiastical Benefices and the Imperial preces primariae In Musicology and Archival Research herausgegeben von B Hagg und anderen Brussel 1994 Seite 338 355 C A Monson The Council of Trent Revisited In Journal of the American Musicological Society Nr 55 2002 Seite 1 37 Christian Thomas Leitmeir Jacobus de Kerle Komponieren im Spannungsfeld von Kirche und Kunst Turnhout Brepols 2009 Epitome Musical 11 Weblinks BearbeitenWerke von und uber Jacobus de Kerle im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Jacobus de Kerle in der Deutschen Digitalen Bibliothek Noten und Audiodateien von Jacobus de Kerle im International Music Score Library Project Gemeinfreie Noten von Jacobus de Kerle in der Choral Public Domain Library ChoralWiki englisch Jacobus de Kerle in dem niederlandischen Online Lexikon ENCYCLO NLQuellen Bearbeiten Michael Zywietz Kerle Jacobus de In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Zweite Ausgabe Personenteil Band 10 Kemp Lert Barenreiter Metzler Kassel u a 2003 ISBN 3 7618 1120 9 Online Ausgabe fur Vollzugriff Abonnement erforderlich Marc Honegger Gunther Massenkeil Hrsg Das grosse Lexikon der Musik Band 4 Halbe Note Kostelanetz Herder Freiburg im Breisgau u a 1981 ISBN 3 451 18054 5 Normdaten Person GND 123911370 lobid OGND AKS LCCN n82237505 VIAF 44483332 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME de Kerle JacobusKURZBESCHREIBUNG franko flamischer Komponist Sanger und Kapellmeister der RenaissanceGEBURTSDATUM 1531 oder 1532GEBURTSORT YpernSTERBEDATUM 7 Januar 1591STERBEORT Prag Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jacobus de Kerle amp oldid 236614742