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Evolutionare Fehlanpassung oder fehlerhafte bzw fehlende Angepasstheit ist eine prinzipiell dauerhafte evolvierte Abweichung eines biologischen Merkmals oder einer Population von Anpassungen an die Umwelt Inhaltsverzeichnis 1 Erlauterung und Geschichte 2 Ursachen von Fehlanpassungen 2 1 Mutationen 2 2 Genetische Drift 2 3 Inzucht 2 4 Naturliche Selektion 2 5 Pleiotropie 2 6 Koppelungs Ungleichgewicht 2 7 Heterozygotenvorteil 2 8 Genfluss 2 9 Koevolution 2 10 Exaptations und Byproducts 2 11 Entwicklungsconstraints 3 Kategorisierung von Fehlanpassungen 4 Beispiele fur Fehlanpassungen 4 1 Fehlanpassungen als Veranderungen zuvor existierender Anpassungen 4 1 1 Klimawandel 4 1 2 Antibiotikaresistenz 4 1 3 Fehlanpassungen durch die landwirtschaftliche Revolution 4 1 4 Metabolisches Syndrom 4 1 5 Kurzsichtigkeit bei Kindern 4 2 Fehlanpassungen als nicht erreichte Anpassungen 4 2 1 Phantomschmerz beim Menschen 4 2 2 Fehlende vaterliche Sorge bei Entenvogeln 4 2 3 Kleine Gelege bei Meisen 4 2 4 Suboptimale Geschlechterverteilung bei Feigenwespen 4 2 5 Fehlende Krankheitsresistenz bei Pflanzen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseErlauterung und Geschichte BearbeitenEin fehlangepasstes Merkmal ist ein Merkmal in der Population einer Art das fur dessen Fortpflanzungserfolg Fitness weniger vorteilhaft ist als ein angepasstes Merkmal Ein Merkmal kann in diesem Zusammenhang sowohl eine morphologische Besonderheit als auch eine Verhaltensweise sein Damit ein Merkmal fehlangepasst ist muss es erblich sein d h eine genetische Basis besitzen Mit dem Begriff evolutionare Anpassung wurde im fruhen Verstandnis der darwinistischen Evolutionstheorie haufig verbunden dass Populationen oder Merkmale von Arten durch den akkumulierenden Mechanismus von Mutation und Selektion stets an ihre Umwelt angepasst sind bzw anpasst sein mussen Andernfalls wurden sie in ihrer Umwelt behindert und phylogenetisch ausgesondert nicht angepasste Arten konnten nicht uberleben Dies ist eine Missinterpretation der Lehre Darwins und der Synthetischen Evolutionstheorie Darwin selbst hatte bereits darauf hingewiesen dass Anpassungen von Merkmalen nicht perfekt seien Die Hauptursache der Organisation jedes Lebewesens sei in der Vererbung zu sehen Aus diesem Grund sei zwar jede Art als Organismen fur ihren Platz in der Natur gut angepasst viele organismische Strukturen in Lebewesen hatten jedoch keinen direkten Bezug zu ihrer Umwelt 1 Mit der Entstehung der Synthetischen Evolutionstheorie Mitte des 20 Jahrhunderts entwickelte sich ein blindes Vertrauen 2 Phanotypmerkmale unkritisch als evolutionare Anpassungen zu erklaren Beginnend in den 1960er Jahren entstand mit George C Williams Buch Adaptation and Natural Selection 1966 eine anhaltende Diskussion uber das Ausmass und die Anwendbarkeit des Konzepts evolutionarer Anpassung Williams trat dafur ein dass Anpassung ein spezielles und muhsames Konzept sei und nur verwendet werden sollte wenn sie wirklich erforderlich sei Von einer Funktion die durch Anpassung entstanden sei solle nur mit Vorsicht gesprochen werden 3 Biologen stellten einer Vielzahl von Beispielen mit hoher Anpassung andere Beispiele gegenuber die zeigten dass Organismen suboptimal angepasst sind Allmahlich setzte sich die Erkenntnis durch dass alle Organismen von Bakterien bis Menschen Merkmale mit Anpassungen und solche mit Fehlanpassungen zeigen 4 Die Diskussion blieb jedoch lange Zeit stark fallbezogen Erst ab den 1980er Jahren wurde verstarkt gefragt ob und wie Fehlanpassungen im evolutionaren System immanent sein konnen und Fehlanpassung evolvieren kann Einen kritischen Beitrag lieferten Stephen J Gould und Richard Lewontin 1979 5 indem sie darauf hinwiesen dass viele Merkmale vermutlich keine Anpassung besitzen Sie seien oft lediglich just so Erscheinungen vergleichbar Spandrillen an den Decken gotischer Kathedralen 1982 erganzten Gould und Vrba 6 Merkmale konnten in fruheren Zeiten ursprunglich andere Funktion gehabt haben und daher nicht fur die Funktion entstanden sein die sie heute besitzen Beide Beitrage entfachten eine anhaltende Diskussion um evolutionare Adaptation Ernst Mayr nahm kritisch Stellung zu beiden Thesen Er konnte Darwins einschrankende Sicht auf perfekte Anpassung bestatigen Mayr betonte dass Anpassung stets einen aposteriorischen Charakter hat das heisst da sie auf dem Weg uber Vererbung funktioniert kann sie bestenfalls auf die Umwelt der jeweiligen Elterngeneration erfolgen Ein teleologisches Potenzial fur Zukunft ist nicht vorhanden Das Ziel der Selektion ist nach Mayr und entgegen der These Williams immer ein vollstandiges Individuum und weniger ein einzelnes Gen Adaptation ist demnach notwendigerweise stets ein Kompromiss tradeoff zwischen den selektiven Vorteilen verschiedener Organe verschiedener Geschlechter verschiedener Abschnitte im Lebenszyklus und unterschiedlicher Umwelteinflusse Evolutionarer Wandel ist nach Mayr kein perfekter Optimierungsprozess Stochastische Prozesse und andere Constraints verhindern perfekte Adaptation 7 Nach der 1998 von Sober und Wilson erstmals vorgestellten Theorie der Multilevel Selektion gibt es verschiedene Ebenen auf denen naturliche Selektion angreifen kann Die gangige neodarwinistische Theorie dass nur das Individuum Objekt der Selektion ist oder primar das Gen bei George Williams und Richard Dawkins wird durch eine ubergreifende Theorie bei der sowohl unterhalb der Individualebene Organe Zellen Gene als auch oberhalb Gruppe Population Selektionskrafte gegebenenfalls sogar simultan wirken konnen ersetzt Demnach existiert nach der Multilevel Selektion eine evolutionare Anpassung auf Individualebene definitionsgemass nicht 8 Evolutionare Fehlanpassungen existieren aus heutiger Sicht einerseits fur Populationen und Merkmale zeitlich und ortlich begrenzt auf Grund der Unvollkommenheit der Natur und ihrem permanenten Wandel Naturliche Selektion variiert im Zeitverlauf oft auf Populationen Daruber hinaus existiert eine Reihe von Bedingungen s Kap 2 die dazu fuhren dass Fehlanpassungen in der Evolution als systemisch immanent gesehen werden mussen und evolvieren Im Jahr 2000 wurde Fehlanpassung erstmals im Kontext Teleonomie Phylogenie Ontogenese und Genetik betrachtet 9 Fehlanpassung kann im Modell der von Sewall Wright eingefuhrten Fitnesslandschaften als Abweichungen von lokalen Gipfeln relativer Fitness definiert 10 und dargestellt werden Dabei handelt es sich um eine Form grafischer Darstellung der Fitness Reproduktionserfolg unterschiedlicher Genkombinationen die sowohl ein bestimmtes phanotypisches Merkmal z B Wirbeltierauge Kiemen Aussenskelett als auch den vollstandigen Phanotyp reprasentieren konnen Taler in diesen Landschaften bedeuten geringeren Reproduktionserfolg der Genkombinationen Hugel reprasentieren gunstigere Genkombinationen Evolutionare Fehlanpassung bedeutet in diesem Modell eine durch naturliche Selektion gesteuerte Bewegung auf einer horizontalen Hohenlinie oder bergab Das Merkmal oder die Population bleibt unterhalb des lokalen Gipfels an seine Umwelt fehlangepasst 11 12 Ursachen von Fehlanpassungen BearbeitenUltimative Ursachen von Fehlanpassungen liegen in Betrachtungen des genetischen Systems im Verhaltnis zu Veranderungen seiner Umwelt 9 Diese Veranderungen umfassen unter anderem Mutationen genetische Drift Inzucht naturliche Selektion Pleiotropie Koppelungs Ungleichgewichte linkage disequilibrium 13 Heterozygotenvorteile 14 und Genfluss In jungerer Vergangenheit fand eine verstarkte Betrachtung von Koevolution und Exaptation statt Im Rahmen der Evolutionaren Entwicklungsbiologie EvoDevo werden Entwicklungsconstraints als Adaptationshemmnisse erforscht Mutationen Bearbeiten Die meisten Mutationen sind neutral sind also eventuelle Nichtanpassung vor Fehlanpassung da ihre Auswirkungen unabhangig von adaptiver Signifikanz sind Genetische Drift Bearbeiten Genetische Drift ist eine zufallige Veranderung der Allelfrequenz innerhalb des Genpools einer Population Durch ein Umweltereignis z B Naturkatastrophe kann insbesondere bei kleinen und isolierten Populationen eine gegebene Anpassung verringert werden da nach dem Ereignis schadliche Allele stochastisch anders als zuvor gestreut und fixiert werden Grundereffekt 15 Inzucht Bearbeiten Inzucht Phanotypen weisen geringere Vitalitat und Widerstandsfahigkeit gegen Krankheiten auf da die genetische Information in beiden Chromosomensatzen gleich ist und dadurch weniger unterschiedliche Allele vorhanden sind die somit auf naturliche Selektion und Adaptation nicht in ausreichendem Umfang reagieren konnen Naturliche Selektion Bearbeiten Der Phanotyp weist in der Regel eine zu geringe Genotyp Variationsfahigkeit auf um auf standig wechselnde Umweltanderungen bestmoglich zu reagieren 4 Unterschiedlicher Selektionsdruck fuhrt zu unterschiedlichen Graden der Anpassung oder Fehlanpassung Somit ist der Selektionsdruck massgeblich fur Anpassung und Fehlanpassung verantwortlich Generell ist Selektion zwar im Gegensatz zum konventionellen Verstandnis von Mutation ein gerichteter Prozess jedoch unterliegen Individuen stets vielfaltigen unvorhersehbaren Zufallsfaktoren so dass ein individueller Organismus mit einem spezifischen Genotyp im Selektionsprozess nur eine grossere Wahrscheinlichkeit fur einen bestimmten reproduktiven Erfolg haben kann als andere Mitglieder der Population jedoch keine Sicherheit Der stochastische Charakter der Selektion stellt ein erhebliches Constraint fur Anpassung dar man konnte falschlicherweise schliessen dass Anpassung zu besseren Losungen fuhren sollte 7 Pleiotropie Bearbeiten Bei Pleiotropie wirken einzelne Gene oder Genkomplexe auf unterschiedliche Phanotypmerkmale eines Organismus Eine bestmogliche Anpassung aller Merkmale ist dabei nicht moglich oder sehr unwahrscheinlich Es kommt zu einer Teilanpassung eines bestimmten Merkmals des Phanotyps wobei andere Merkmale desselben Genkomplexes eine geringe Anpassung aufweisen konnen Wenn das angepasste Merkmal fur die Fitness des Organismus wichtig ist toleriert die naturliche Selektion die Fehlanpassung der weniger oder nicht adaptierten Merkmale 7 Koppelungs Ungleichgewicht Bearbeiten Bei einem Koppelungs Ungleichgewicht erscheinen zwei Allele benachbarter Genloci haufiger oder seltener als Haplotyp als es das Produkt ihrer Allelhaufigkeiten erwarten lasst Das Kopplungs Ungleichgewicht kann durch Koppelungsdrift oder Selektion verursacht sein Es fuhrt zu einschrankenden Effekten auf den Phanotyp und damit zu Fehlanpassung Heterozygotenvorteil Bearbeiten Heterozygotenvorteil fuhrt bei Individuen die an einem bestimmten Genort heterozygot Heterozygotie sind zu einem grosseren Fortpflanzungserfolg als bei Individuen die fur das betreffende Allelpaar homozygot Homozygotie sind Ein Beispiel fur Heterozygotenvorteil ist Sichelzellenanamie eine erbliche Erkrankung der roten Blutkorperchen Erythrozyten Bei heterozygoten Tragern ist nur etwa ein Prozent aller Erythrozyten deformiert In der heterozygoten abgemilderten Form verleiht sie ausserdem Malariaresistenz In Regionen ausserhalb Afrikas kommt das Sichelzellenallel praktisch nicht vor da hier der Selektionsvorteil aufgrund der fehlenden Malaria nicht wirksam ist Verbreitung Genfluss Bearbeiten Der Genfluss zwischen unterschiedlich adaptierten Populationen kann zu Fehlanpassungen fuhren Deren Ausmass hangt von Migrationsraten und der Starke der Selektion ab Fehlanpassung kann durch Genfluss vergrossert werden wenn Metapopulationen heterogene Flecken Habitate bewohnen in denen fur optimale Anpassungen unterschiedliche Allele fur unterschiedliche lokale Umweltbedingungen erforderlich sind Fehlanpassung kann durch Genfluss verringert werden wenn Metapopulationen homogene Flecken Habitate bewohnen in denen sie das Rohmaterial fur optimale Anpassungen liefern und Fehlanpassungseffekte durch Inzucht abmildern 15 Koevolution Bearbeiten Koevolution bedeutet den anhaltenden reziproken Wandel der selektiven Landschaft fur die betrachteten Arten die in einer gemeinsamen okologischen Umwelt evolvieren Populationen konnen bei solchen Umwelteinflussen bei denen die koevolvierende Art im okologischen Sinn jeweils selbst ein Umweltfaktor ist nur selten adaptive Gipfel erreichen und nicht dort verbleiben In Modellen konnen Bedingungen simuliert werden die es den betrachteten Arten prinzipiell nicht erlauben lokale Gipfel dauerhaft zu erreichen Koevolution erhoht die evolutionare Komplexitat Anders als bei gewohnlicher Adaptation an physikalische Umweltbedingungen kann Adaptation an eine andere Art reziproke genetische Antworten induzieren da die jeweils andere Art selbst derart evolviert dass sie die auf sie einwirkenden evolutionaren Einflusse verbessert oder verschlechtert 10 Fehlanpassungen konnen ferner durch interagierende evolutionare Prozesse zwischen koevolvierenden Inselpopulationen entstehen die Biodiversitat von Inselbiogeografien beeinflussen 15 Exaptations und Byproducts Bearbeiten Exaptation meint die einem phylogenetisch ursprunglichen Zweck entfremdete Anpassung eines Merkmals 6 Als ein modernes Beispiel dient die Vogelfeder die nicht zum Fliegen sondern ursprunglich als eine zu den Reptilienschuppen nicht homologe eigenstandige Thermoregulation evolvierte Byproducts Nebenprodukte besitzen uberhaupt keine adaptive Funktion konnen demnach gar nicht angepasst werden benotigen aber dennoch Selektion um als Kooption entstehen zu konnen 5 Ein Beispiel fur ein Byproduct wird der Bauchnabel gesehen ein Byproduct der Nabelschnur und damit einer adaptierten Funktion zur Ernahrung des Embryos In der Frage der wissenschaftlichen Einschatzbarkeit eines Merkmals als Exaptation oder als Byproduct ist wiederholt darauf hingewiesen worden dass hier ebensolche Vorsicht geboten sei wie bei der Zuteilung von adaptiven Funktionen fur Merkmale 7 2 Die Diskussion uber Anpassung oder Fehlanpassung eines Merkmals setzt die Kenntnis seiner Funktion voraus 2 Auf genomischer Ebene meint Exaptation die phylogenetisch einem ursprunglichen Zweck entfremdete oft nach Duplikation Anpassung einer funktionalen DNA Sequenz oder gar die Anpassung einer bislang funktionslosen DNA Sequenz Gould und Brosius beschrieben letztere Form als genomische Masse mit Potenzial zur Exaptation 16 Entwicklungsconstraints Bearbeiten Entwicklungsconstraints sind definitionsgemass ontogenetische Hindernisse die adaptiv nicht beliebig verandert werden konnen Als Beispiel werden die Lungen von Walartigen angefuhrt die nicht mehr in Kiemen evolvieren konnen obwohl Kiemen in einer fruheren phylogenetischen Phase vorhanden waren und in der jetzigen Phase eventuell Fitnessvorteil bieten wurden Auch das Wirbeltierauge von Walartigen kann nicht mehr zu dem fur die Tiefsee besser adaptierten Oktopus Linsenauge mit auf der Netzhaut lichtabgwandten Fotorezeptoren evolvieren Haufig werden hier an anderer Stelle genannte Ursachen Pleiotropie Koppelungs Ungleichgewicht etc unter dem Begriff Entwicklungsconstraints angefuhrt 15 Kategorisierung von Fehlanpassungen BearbeitenEs lassen sich zwei Klassen von Fehlanpassungen unterscheiden erstens Merkmale von denen man annehmen kann dass sie in fruheren Zeiten angepasst waren und eine fitnesssteigernde Funktion besassen die aber im Zeitverlauf nicht mehr oder nicht mehr so gut greift Eine grosse Unterklasse von diesen sind anthropogen Beispiele Kap 4 1 Eine zweite Klasse von Mechanismen sind solche die auf genetischer entwicklungsseitiger oder okologischer Ebene grundsatzlich verhindern dass eine bessere Anpassung bzw ein hoherer Fitnessgrad erreichbar ist Kap 2 Beispiele Kap 4 2 Letztere konnen als echte Fehlanpassungen oder Fehlanpassungen im engeren Sinne bezeichnet werden Neben diesen existieren Merkmale mit Nichtanpassung von denen man annehmen muss dass sie keine Fitnessfunktion besitzen und als solche weder angepasst noch fehlangepasst sein konnen Ihre Entdeckung ist jedoch im Zusammenhang mit der zunehmenden Kritik an der uneingeschrankten Gultigkeit evolutionarer Anpassung und der Erforschung ihrer Grenzen zu sehen und hatte Einfluss auf das Verstandnis von Fehlanpassung Beispiele fur Fehlanpassungen BearbeitenFehlanpassungen als Veranderungen zuvor existierender Anpassungen Bearbeiten Klimawandel Bearbeiten Hauptartikel Klimawandel In Perioden von Klimaveranderungen etwa globaler Erwarmung oder Abkuhlung werden Arten die zuvor klimatisch gut angepasst waren an das neue Klima fehl angepasst wenn es ihnen nicht gelingt zu migrieren Fehlanpassungen bei Klimaveranderungen mit menschlichem Eingriff konnen in Situationen entstehen in denen Klimaschutz Projekte kurzfristige Anpassungen unterstutzen jedoch versteckte Effekte beinhalten die zu langfristiger Verwundbarkeit oder Anpassungsunfahigkeit von Arten an die Klimaveranderung fuhren 17 18 In der Diskussion um Fehlanpassungen durch Klimawandel wird nicht zwingend auf evolutionare Fehlanpassung eingegangen sondern auch auf okologische und okonomische Formen 17 Antibiotikaresistenz Bearbeiten Mikroorganismen konnen Eigenschaften besitzen die es ihnen ermoglichen die Wirkung von antibiotisch aktiven Substanzen abzuschwachen oder ganz zu neutralisieren Antibiotikaproduzenten wie Streptomyceten besitzen in den meisten Fallen Resistenz gegen die von ihnen selbst erzeugten Stoffe Die Fehlanpassung besteht in der Resistenz gegen einen oder mehrere Mikroorganismen Antibiotika die als Abwehrmechanismen gegen schadhafte andere Mikroorganismen eingesetzt werden aber nicht mehr funktionieren da der Organismus ihre schadensbegrenzende Wirkung falschlicherweise abwehrt Zunehmende fehladaptierte Antibiotikaresistenz wird beim Menschen und in der Massentierhaltung beobachtet Fehlanpassungen durch die landwirtschaftliche Revolution Bearbeiten Die Umstellung des Menschen vom Jager und Sammler zu bauerlicher Lebensweise Neolithische Revolution brachte eine durch hohe Kaloriendichte bestimmte quantitative Zunahme und gleichzeitige durch Industrieproduktion bestimmte qualitative Abnahme der Lebensmittelversorgung des Menschen mit sich Neue epidemische Fehlanpassungskrankheiten waren die Folge des Wechsels auf die landwirtschaftliche Lebensweise 19 Die hier erfolgten Fehlanpassungen sind heute als solche anerkannt 20 Metabolisches Syndrom Bearbeiten Unter dem Begriff metabolisches Syndrom wird eine Reihe von Herz Kreislauf Erkrankungen zusammengefasst Es wird eindeutig assoziiert mit Fettleibigkeit Adipositas und dieses mit Insulinresistenz dem Vorstadium von Diabetes Typ II Als Ursache wird mangelnde genetische Anpassungsfahigkeit an die evolutionar schnelle Anderung der menschlichen Lebensweise seit der Mitte des 20 Jahrhunderts gesehen 21 Als Beispiel wird die selektierte und adaptierte Vorliebe fur fetthaltige Nahrung in der Vor und Fruhgeschichte des Menschen als wichtiges Fitnessmerkmal gesehen das bei Nahrungsknappheit die Funktion hatte zum Vorratsaufbau uberlebensnotwendige Energiereserven in Form von Fettgewebe anzuregen wahrend dasselbe Merkmal heute in hoch entwickelten Gesellschaften im Uberfluss vorhanden ist und sich tendenziell zu einer fitnessschadigenden Fehlanpassung gewandelt hat Lieberman fuhrt eine Liste nicht ansteckender Fehlanpassungskrankheiten an darunter neben den angefuhrten Arterienverkalkung Bluthochdruck Morbus Crohn hoher Cholesterinspiegel Depression Karies manche Formen von Krebs chronische Schlaflosigkeit Sie sind alle darauf zuruckzufuhren dass unser steinzeitlicher Korper nur schlecht oder unzureichend an bestimmte moderne Verhaltensweisen angepasst ist 22 Liebermann spricht in diesem Zusammenhang von Dysevolution 23 Ein inaktiver sitzender Lebensstil hat schadliche Konsequenzen auf die menschliche Gesundheit Eine Korrelation zwischen zu wenig korperlicher Bewegung und der Entwicklung moderner chronischer Krankheiten hier die Degenerierung von Herz und Skelettmuskeln und koronarer Herzkrankheit ist nachgewiesen 24 Kurzsichtigkeit bei Kindern Bearbeiten Kurzsichtigkeit Myopie bei Kindern ist eine stark zunehmende Zivilisationskrankheit Die Fehlanpassung wird auch in Zusammenhang mit einer Verlangerung des Augapfels in der nachgeburtlichen Augenentwicklung im Kindesalter gebracht Der verlangerte Augapfel verkurzt den Fokuspunkt fur Nahsicht auf einen Punkt vor die Netzhaut Zur Entstehung von Kurzsichtigkeit tragen sowohl genetische Faktoren als auch Umweltfaktoren bei Einer der grossten Risikofaktoren ist mangelnder Aufenthalt im Freien wahrend der fruhen Kindheit Dies liegt in den Auswirkungen von Tageslicht auf die Produktion und Freisetzung retinalen Dopamins begrundet 25 26 27 28 Fehlanpassungen als nicht erreichte Anpassungen Bearbeiten Phantomschmerz beim Menschen Bearbeiten Phantomschmerz kann bei Individuen entstehen die Gliedmassen verloren haben Das Gehirn reagiert falsch und missinterpretiert das nicht mehr vorhandene Korperteil als noch vorhanden Die Ursache liegt in der Neuroplastizitat des Gehirns der Eigenschaft von Synapsen Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen sich in Abhangigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften anzupassen Im Fall von Phantomschmerz ist die neuroplastische Reaktion des Gehirns jedoch eine Fehlanpassung da das Gehirn Schmerzsignale erhalt obwohl keine Nervenbahnen und signale von der Gliedmasse existieren 29 Der Mechanismus kann heute nicht fitnesssteigernd erklart werden Fehlende vaterliche Sorge bei Entenvogeln Bearbeiten Anatinae ein Unterfamilie der Entenvogel lassen vaterliche Sorge vermissen wo sie erwartet wird und Fitness fordernd ware Als Grund wird eine verzogerte genetische Reaktion auf Selektion gesehen 30 Kleine Gelege bei Meisen Bearbeiten Von Vogeln wird erwartet dass die Grosse des Geleges Eierzahl so gross ist dass die Reproduktion von Nachkommen maximiert wird Das ist bei beobachteten Blaumeisen und Kohlmeisen nicht der Fall Die Beobachtung wird mit dem Genfluss zwischen verschiedenen an lokale Habitate angepasste Populationen begrundet 31 Suboptimale Geschlechterverteilung bei Feigenwespen Bearbeiten Feigenwespen legen befruchtete Eier innerhalb von Feigen Aus der Brut entstehen in bestimmten Fallen keine Weibchen Bei einigen Arten sind Mannchen nach dem Schlupfen zudem flugellos und konnen die Feige nicht verlassen um nach anderen Geschlechtspartnern zu suchen Stattdessen konkurrieren Mannchen mit ihren Brudern um ihre Schwestern Nach der Befruchtung sterben die Mannchen In einem solchen Fall wird erwartet dass Mutter die Geschlechterverteilung evolutionar zugunsten mehr weiblicher Nachkommen andern da nur wenige Mannchen fur die Befruchtung benotigt werden Wenn es zu viele Mannchen gibt fuhrt der Wettbewerb zwischen den Mannchen zu Paarungsausfallen die Produktion dieser Mannchen ist daher eine fehlangepasste Verschwendung von Ressourcen der Mutter Eine Mutter die mehr Ressourcen fur die Produktion weiblicher Nachkommen zuteilt hatte somit eine hohere Fitness als eine die weniger Weibchen produziert 32 Als Grund fur die Fehlanpassung wird geringer Selektionsdruck gesehen Fehlende Krankheitsresistenz bei Pflanzen Bearbeiten Populationen der Kletterpflanze Amphicarpaea bracteata weisen genetisch stark unterschiedliche Abstammungslinien in Bezug auf die Resistenz gegenuber dem Pathogen Synchytrium auf Ein hoher Grad von Selbstbefruchtung unterbindet Rekombinationen und resultiert in hoher Korrelation zwischen der Krankheitsresistenz und anderen okologisch wichtigen Merkmalen darunter auch der Morphologie Naturliche Selektion auf diese korrelierten Merkmale fuhrt zu fehladaptierten Veranderungen der Krankheitsresistenz Das Paarungssystem der Pflanze wird als Basis Constraint fur eine adaptive Verbesserung der Resistenz gesehen 33 Siehe auch BearbeitenEvolvierbarkeit Genetische Drift Insulinresistenz Metabolisches Syndrom Stephen Jay GouldLiteratur BearbeitenDavid M Buss Martie G Haselton Todd K Shackelford April L Bleske Jerome C Wakefield Adaptations Exaptations and Spandrels In American Psychologist Vol 53 No 5 1998 S 533 548 Bernard J Crespi The 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