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Unter Rekombination versteht man in der Biologie die Neuanordnung Re von genetischem Material DNA RNA in den Zellen und im engeren Sinne den Austausch von Allelen Durch Rekombination kommt es zu neuen Gen und Merkmalskombinationen Rekombination und Mutation verursachen die genetische Variabilitat innerhalb einer Population Die genetische Variabilitat ist wiederum die Basis fur die Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen im Mikroevolutionsprozess Inhaltsverzeichnis 1 Rekombination durch sexuelle Fortpflanzung 1 1 Interchromosomale Rekombination 1 2 Intrachromosomale Rekombination 2 Rekombination durch parasexuelle Prozesse 3 Rekombination bei Viren 4 Somatische Rekombination 5 Homologe und nicht homologe Rekombination 5 1 Homologe Rekombination 5 2 Sequenzspezifische Rekombination 6 Rekombination in der Gentechnik 7 Literatur 8 Siehe auch 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseRekombination durch sexuelle Fortpflanzung BearbeitenBei der sexuellen Fortpflanzung von Eukaryoten wie Pflanzen und Tieren gibt es einen Kernphasenwechsel d h einen periodischen Wechsel zwischen einer haploiden und einer diploiden Phase bei der Fortpflanzung von einer Generation zur nachsten Die sexuelle Rekombination betrifft bei diesen Arten das gesamte Genom und ist damit die tiefgreifendste Form der Rekombination Hierbei sind zwei Weisen der Rekombination zu unterscheiden Interchromosomale Rekombination durch Neukombination ganzer Chromosomen im Chromosomensatz Intrachromosomale Rekombination durch Neukombination von Allelen innerhalb von Chromosomen infolge Crossing over bei der 1 Reifeteilung Auf beide Weisen wird bei sexueller Fortpflanzung die genetische Variation der folgenden Generation betrachtlich erhoht indem einzelne Abschnitte des Genoms in verschiedenen Kombinationen mit anderen auftreten Bezogen auf die Population einer Art konnen dabei moglicherweise vorteilhafte Kombinationen ebenso entstehen wie womoglich abtragliche Doch verglichen mit der asexuellen Fortpflanzung ist damit auch eine hohere Anpassungsrate moglich ein beschleunigter Anpassungsvorgang der Population Das gilt auch wenn eine Mutation auftritt denn diese bleibt nicht in einer genetischen Kombination gebunden Daher verschwindet sie als unvorteilhafte rascher oder verbreitet sich als zutragliche schneller als bei einer asexuellen Vermehrung mit einer Dynamik die sich auf molekularer Ebene widerspiegelt 1 Interchromosomale Rekombination Bearbeiten Fur die interchromosomale Rekombination lassen sich dabei zwei Phasen unterscheiden Die Verteilung der Chromosomen bei der Meiose auf haploide Keimzellen Die Verschmelzung der Keimzellen zur diploiden Zygote bei der Befruchtung Die Zahl an interchromosomalen Rekombinationsmoglichkeiten ist abhangig von der Anzahl der Chromosomen So sind beispielsweise fur einen aus 2 Paaren homologer Chromosomen etwa 1a1b 2a2b bestehenden Chromosomensatz mehrere verschiedene Aufteilungen in einfache Chromosomensatze moglich 1a 2a 1a 2b 1b 2a 1b 2b hier denn 22 4 Bei einem Satz mit 23 Chromosomenpaaren wie beim Menschen sind 223 8 388 608 mogliche Kombinationen gegeben haploide Keimzellen interchromosomal verschieden auszubilden Da bei der Befruchtung zwei Geschlechtszellen miteinander verschmelzen ergeben sich fur die Nachkommenschaft eines Menschenpaares theoretisch 223 223 246 70 Billionen Moglichkeiten bezuglich der Neukombination von Chromosomen euploider Chromosomensatze Schon aufgrund dieser interchromosomalen Rekombination sind bei der sexuellen Fortpflanzung des Menschen zwei genetisch identische Nachkommen nahezu unmoglich wenn es nicht eineiige Mehrlinge sind 2 Die interchromosomale Rekombination bei Viren mit einem segmentierten Genom wird dort als Reassortment bezeichnet beispielsweise bei den Influenzaviren Sie setzt eine Doppel oder Mehrfachinfektion voraus Intrachromosomale Rekombination Bearbeiten Zusatzlich sind intrachromosomale Rekombinationen moglich indem zwischen gepaarten Chromatiden Abschnitte gegeneinander ausgetauscht werden Anfangs der 1 meiotischen Teilung im Zygotan der Prophase der Reduktionsteilung lagern sich die bereits verdoppelten homologen Chromosomen paarweise aneinander und bilden so Homologenpaare Die beiden Chromosomen liegen mit je zwei Schwester Chromatiden vor und bilden gepaart eine Einheit aus vier Chromatiden eine sogenannte Tetrade Ihre gegenseitig genaue Zuordnung vermittelt ein reissverschlussahnlich verbindender synaptonemaler Komplex als temporares inneres Proteingerust im Pachytan dieser Prophase I In diesem Stadium kann es an Stellen engen Kontakts unter Ausbildung von Rekombinationsknoten zur wechselseitigen Anlagerung von Nicht Schwesterchromatiden kommen und sich ein Crossover ereignen Solche Bereiche fallen spater als kreuzweise Uberlagerung Chiasma genannt auf im Diplotan von Prophase I nbsp Schematische Darstellung der intrachromosomalen Rekombination durch ein Crossover bei der MeioseMeiosen konnen achiasmatisch verlaufen in den meisten Fallen tritt jedoch bei fast jeder Tetrade mindestens ein Chiasma auf oft mehrere Bei der in Anaphase I folgenden Trennung der gepaarten Chromosomen werden die Chiasmata derart aufgelost dass in den Chromatiden nun Abschnitte gegeneinander ausgetauscht sind Diese Chromatiden tragen also nicht mehr allein von einem Elternteil vererbte Allele sondern sowohl mutterlicherseits als auch vaterlicherseits geerbte Anteile Damit konnen sie eine neue Kombination von Genvarianten innerhalb eines Chromosoms darstellen Die intrachromosomale Rekombination infolge eines einzigen Crossovers in einer Tetrade kann so zu vier Chromatiden mit je unterschiedlicher Kombination von Allelen fuhren Die vordem als Schwester Chromatiden eines X formigen Chromosoms einander gleichen sind dann verschieden Sie bleiben im weiteren Verlauf der 1 meiotischen Teilung am Centromer verbunden und werden so gemeinsam einem der beiden Tochterkerne zugeteilt Die Paare homologer Chromosomen werden mittels Fasern des Spindelapparats auseinandergezogen und die gepaarten Nicht Schwester Chromatiden voneinander getrennt Der Aufteilung in Zellkerne folgt die Teilung der Zelle in zwei Tochterzellen Aus der anschliessenden 2 meiotischen Teilung Aquationsteilung beider Zellen gehen schliesslich vier haploide Zellen hervor ihr jeweiliger Chromosomensatz besteht aus je einer der vier Chromatiden einer jeden Tetrade und ist daher genetisch verschieden Da die Anzahl der Crossover Ereignisse wie auch deren Orte von Meiose zu Meiose variieren lasst sich die Zahl der intrachromosomalen Rekombinationsmoglichkeiten nicht genau angeben Nimmt man fur jede der Tetraden nur ein Crossover an so ergeben sich bei einem Chromosomensatz wie dem menschlichen bereits 423 70 Billionen Moglichkeiten bezuglich der Neukombination von Allelen im einfachen haploiden Chromosomensatz Ohne den Austausch von Abschnitten homologer Chromosomen hingegen wurde die intrachromosomale Kombination jeweils unverandert bleiben In diesem Fall gabe es dann allein 8 4 Millionen Moglichkeiten durch interchromosomale Rekombination individuell verschiedene Eizellen oder Samenzellen zu bilden siehe oben 2 Intrachromosomale homologe Rekombination wird ebenfalls bei Viren beobachtet z B Coronaviren Auch hier ist Doppel oder Mehrfachinfektion mit genetisch ahnlichen Virusstammen die Voraussetzung Rekombination durch parasexuelle Prozesse BearbeitenParasexualitat tritt bei Bakterien und einigen Pilzen auf Dabei findet entweder ein Transfer von Teilen des Genoms statt oder es fusionieren Zellen die auf nichtgeschlechtlichem Weg entstanden sind vegetative Zellen Ein Transfer von Genomteilen kann durch folgende Prozesse stattfinden Konjugation einem direkten Transfer genetischen Materials zwischen zwei miteinander verbundenen Zellen Transduktion einem Transfer mit Hilfe von Viren Transformation durch Aufnahme und Integration von extrazellularer DNA in das Genom einer Zelle Rekombination bei Viren BearbeitenAuch bei Viren gibt es molekularbiologische Phanomene die die evolutionsbiologische Wirkung von Rekombination haben Entscheidend hierfur ist ob Segmente des Virus Genoms nebeneinander vorliegen beziehungsweise aus wie vielen Nukleinsauremolekulen DNA und oder RNA es besteht Diese Genom Segmente entsprechen dabei funktionell den Chromosomen der Eukaryonten und werden daher manchmal auch so bezeichnet nbsp Doppelinfektion durch nahe verwandten Viren mit unsegmentiertem Genom gelb und grun dargestellt die Rekombination wird hier durch eine Endonuklease vermittelt rot im Genom 3 Manche Viren darunter Influenzavirus A der Erreger der echten Grippe haben ein segmentiertes Genom aus mehreren Nukleinsaure Molekulen multipartit So besteht das Genom von Influenzavirus A aus 8 Segmenten langkettigen RNA Molekulen Wenn nun eine Zelle gleichzeitig von Viren verschiedener Influenza A Stamme infiziert wird Mehrfachinfektion konnen sich Viruspartikel bilden die einige Strange des einen Stammes und einige Strange des anderen Stammes enthalten Insgesamt konnen so 2 8 256 displaystyle 2 8 256 nbsp verschiedene Varianten gebildet werden Dieses Phanomen wird mit dem englischen Ausdruck als Reassortment bezeichnet und stellt bei Viren das Analogon zur interchromosomalen Rekombination dar Es gibt aber auch Viren deren Genom zwar nur aus einem einzigen DNA oder RNA Molekul besteht unsegmentiert oder monopartit die aber im Fall einer Mehrfachinfektion dennoch gelegentlich rekombinieren konnen durch Bruche der Nukleinsaureketten Ein solcher Vorgang wird sowohl fur die Entstehung des Erregerstamms von SARS SARS CoV 1 angenommen wie auch fur den nekrotisch wirkenden Stamm PVYNTN von Kartoffelvirus Y en vermutet und stellt das virale Gegenstuck zur intrachromosomalen Rekombination Crossing over dar Somatische Rekombination BearbeitenBei Eukaryoten ist Rekombination nicht auf die Meiose und die Keimzellen beschrankt Auch in somatischen Zellen kann es zu einer DNA Umgruppierung DNA Rearrangement kommen Dieses wirkt sich auf die Genexpression aus Als Beispiele seien Transposons springende Gene und die somatische Rekombination der Immunglobuline genannt siehe V D J Rekombination Homologe und nicht homologe Rekombination BearbeitenHomologe Rekombination Bearbeiten Die homologe Rekombination HR tritt bei allen Organismen auf Voraussetzung sind homologe doppelstrangige DNA Abschnitte Homolog heisst dass es grosse Ahnlichkeiten in der Nucleotidsequenz gibt Bei Doppelstrangbruchen kann durch homologe Rekombination der Schaden ausgebessert werden indem die Informationen auf dem unbeschadigten Chromatid als Vorlage genutzt wird HR ist also ein Werkzeug der Zelle um Genmutationen zu reparieren Homologe Rekombinationen laufen meist nach folgendem Schema ab Parallele Annaherung Paarung zweier doppelstrangiger DNA Molekule so dass die Bereiche ahnlicher homologer Nucleotidsequenzen auf gleicher Hohe liegen In einem komplexen Vorgang kann es nun zu einem Crossing over kommen Dabei werden DNA Abschnitte zwischen den beiden gepaarten DNA Molekulen ausgetauscht Die Stelle an der die ausgetauschten DNA Abschnitte neu verknupft werden kann irgendwo innerhalb der homologen Nukleotidsequenzen liegen Der Bruch und die Wiederverbindung der DNA Molekule erfolgt durch spezifische Enzyme die sog Rekombinasen so prazise dass kein Nucleotid verloren geht oder dazukommt Im Verlauf der HR tritt die sogenannte Holliday Struktur auf Das Verhaltnis von Homologer Rekombination HR zu Nichthomologer Rekombination kann in verschiedenen Spezies um mehrere Grossenordnungen variieren So gibt es innerhalb der Pflanzen vor allem beim Laubmoos Physcomitrella patens eine so hohe HR Rate dass Gene gezielt ausgeschaltet werden konnen um so ihre Funktion zu analysieren 4 Diese Technik nennt man Gene Targeting englisch gene targeting den methodischen Ansatz nennt man Reverse Genetik Sequenzspezifische Rekombination Bearbeiten Eine gezielte also nicht zufallige Integration von DNA in ein Genom kann auch noch durch die sequenzielle Rekombination erfolgen Diese nicht homologe Rekombination wird durch ein Enzym bewerkstelligt wie es z B vom Bakteriophagen l codiert wird die sogenannte Integrase Die Integrase bringt zwei nicht homologe Sequenzen zweier DNA Molekule zusammen katalysiert deren Spaltung und verbindet sie miteinander So kann etwa ein Virengenom an einem vorgesehenen Ort in ein Chromosom eingebaut werden Rekombination in der Gentechnik BearbeitenIn der Gentechnik stehen heute Werkzeuge zur Verfugung mit deren Hilfe rekombinante DNA kunstlich hergestellt und in Organismen eingeschleust werden kann Im Zuge einer Klonierung wird meist DNA mit Restriktionsenzymen an spezifischen Erkennungssequenzen geschnitten und mit Ligasen neu verknupft Haufig dienen Plasmide oder Viren als Vektoren um die rekombinante DNA in den Zielorganismus zu transferieren Eine neuartige Alternative zur konventionellen DNA Klonierung mit Restriktionsenzymen und Ligasen sind auf homologer Rekombination basierende Technologien wie das Recombineering und das RMCE Kassettenaustauschverfahren Literatur BearbeitenBruce Alberts Lutz Nover Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie 3 Auflage Wiley VCH Weinheim 2005 ISBN 3 527 31160 2 Neil A Campbell Jane B Reece Jurgen Markl Biologie 6 Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg u a 2003 ISBN 3 8274 1352 4 Elisabeth Gunther Eike Libbert u a Allgemeine Biologie UTB fur Wissenschaft Uni Taschenbucher Band 1197 6 durchgesehene Auflage Fischer Stuttgart 1988 ISBN 3 437 20387 8 Siehe auch BearbeitenMit Attached X Chromosomen bei Drosophila melanogaster kann die Rekombination direkt untersucht werden Knockout Moos Reassortment Reassortierung bei VirenWeblinks BearbeitenHomologous Recombination Tempy amp Trun Animation uber den molekularbiologisch komplexen Vorgang der homologen Rekombination Blackwell Science Publishers Einzelnachweise Bearbeiten Michael J McDonald Daniel P Rice Michael M Desai Sex speeds adaptation by altering the dynamics of molecular evolution In Nature 2016 doi 10 1038 nature17143 a b Wilfried Janning Elisabeth Knust Genetik Allgemeine Genetik Molekulare Genetik Entwicklungsgenetik 2 Auflage Georg Thieme Stuttgart 2008 ISBN 978 3 13 151422 6 S 37 f C M Deeg E C T Chow C A Suttle The kinetoplastid infecting Bodo saltans virus BsV a window into the most abundant giant viruses in the sea In eLife 7 Jahrgang 2018 S e33014 doi 10 7554 eLife 33014 elifesciences org Ralf Reski Physcomitrella and Arabidopsis the David and Goliath of reverse genetics In Trends in Plant Science 3 1998 S 209 doi 10 1016 S1360 1385 98 01257 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rekombination Genetik amp oldid 219839856