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Richard Charles Dick Lewontin 29 Marz 1929 in New York City 4 Juli 2021 in Cambridge Massachusetts 1 war ein US amerikanischer Evolutionsbiologe Genetiker und Gesellschaftskritiker Lewontin war an der Entwicklung der mathematischen Grundlagen der Populationsgenetik und der Evolutionstheorie massgeblich beteiligt Als einer der Ersten benutzte er molekularbiologische Techniken wie beispielsweise die Gelelektrophorese um Problemstellungen der Mutation und Evolution zu klaren In zwei Aufsatzen von 1966 die er zusammen mit J L Hubby 1932 1996 in der Zeitschrift Genetics veroffentlichte legte er die Grundlage fur die moderne Molekulare Evolution Inhaltsverzeichnis 1 Biographie 2 Arbeit 3 Gleichnis von den zwei Feldern 4 Weitere Interessengebiete 5 Werke 6 Literatur 7 Weblinks 8 BelegeBiographie BearbeitenLewontin besuchte die Forest Hills High School und die Ecole Libre des Hautes Etudes in New York 1951 erlangte er seinen BA in Biologie an der Harvard University und ein Jahr spater seinen MA in mathematischer Statistik an der Columbia University gefolgt von einem Doktorat in Zoologie Er arbeitete an der North Carolina State University der University of Rochester und der University of Chicago 2 1965 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewahlt 1973 lehrte er als Alexander Agassiz Professor der Zoologie und bis 1998 als Professor der Biologie an der Harvard University und war 2003 der Alexander Agassiz Research Professor Lewontin hatte grossen Einfluss auf viele Philosophen der Biologie wie William C Wimsatt 1941 der mit ihm in Chicago lehrte seinen Studienkollegen Robert Brandon sowie Elliott Sober Philip Kitcher und Peter Godfrey Smith 1965 Er lud sie oft zur Arbeit in seinem Labor ein Zu seinen bekanntesten Studenten gehort Jerry Coyne 2015 wurde Lewontin mit dem Crafoord Preis fur Biowissenschaften ausgezeichnet fur 2017 wurde ihm die Thomas Hunt Morgan Medal zugesprochen Richard Lewontin verstarb im Juli 2021 im Alter von 92 Jahren drei Tage nach dem Tod seiner Ehefrau Mary Jane 3 Arbeit BearbeitenLewontin und sein Harvard Kollege Stephen Jay Gould kritisierten in einer ausserst einflussreichen Arbeit das wissenschaftliche Programm des Adaptionismus in der Evolutionsbiologie Ihre Schrift The spandrels of San Marco and the Panglossion paradigm a critique of the adaptationist programme 1979 spielt im Titel an auf das aus der Architektur stammende Wort spandrel Spandrille der Zwickel zwischen den Bogen eines Gewolbes Obwohl man meinen konnte diese waren etwa als Bildtrager fur Mosaiken erfunden worden ergeben sie sich einfach zwangslaufig aus der Konstruktionsweise Genauso existierten viele Merkmale von Organismen nicht als Ergebnis einer besonderen darauf gerichteten Adaptation sondern hatten sich ebenso einfach als Beiprodukt anderer Prozesse ergeben Die daraus entstehende Fachdebatte uber die Bedeutung von Adaptation fur die Evolution blieb uber 30 Jahre lang fruchtbar 4 5 6 Gemeinsam mit Andre Ariew kritisierte er spater auch den evolutionstheoretischen Begriff der Fitness 7 Lewontin war in seinem Artikel The Units of Selection ein fruher Verfechter einer Hierarchie von Ebenen der naturlichen Selektion Ausserdem betonte er die Wichtigkeit der Geschichtlichkeit historicity also der Reihenfolge vergangener Ereignisse auf die Evolution wie er in Is Nature Probable or Capricious schrieb In Organism and Environment in Scientia und in popularerer Form im letzten Kapitel von Biology as Ideology sagte Lewontin dass man im Gegensatz zur traditionellen darwinistischen Darstellung des Organismus als passiven Empfanger von Umwelteinflussen den Organismus als aktiven Schopfer der Umwelt ansehen sollte Nischen sind keine vorgeformten leeren Behalter in die die Organismen eingefugt werden sondern werden von den Organismen definiert und geschaffen Die Beziehung zwischen Organismus und Umgebung ist wechselseitig und dialektisch M W Feldman K N Laland und F J Odling Smee haben aus Lewontins Konzept detailliertere Modelle entwickelt Zusammen mit anderen Forschern wie Stephen Jay Gould kritisierte Lewontin immer wieder Soziobiologen wie Edward O Wilson oder Richard Dawkins Sehr einflussreich wurde etwa ein wohl massgeblich von Lewontin verfasster Brief des Kollektivs Science for the People im New York Review of Books 8 der eine Debatte in der US amerikanischen Offentlichkeit uber die Soziobiologie ausloste die uber 10 Jahre lang andauerte diese wurde etwas pathetisch als die sociobiology wars beruhmt 9 Lewontins Hauptvorwurfe an die Soziobiologie waren eine verfehlte Methodik insbesondere ein ubertriebener Reduktionismus und weitgespanntes Theoretisieren abseits einer empirischen auf Fakten gegrundeten Basis Die Debatte war auch ein bitterer personlicher Streit zwischen Lewontin und E O Wilson den dieser vorher Anfang der 1970er Jahre an der Harvard University nach Kraften gefordert hatte 10 Solche Sorgen uber eine angeblich ubertriebene Vereinfachung der Genetik veranlassten Lewontin immer wieder zu Kommentaren in Debatten und er hielt viele Vorlesungen um seine Ansichten uber Evolutionsbiologie und Wissenschaft zu verbreiten In seinen Buchern wie Not in Our Genes zusammen mit Steven Rose und Leon J Kamin und zahlreichen Artikeln stellte er die Vererbung von menschlichen Verhaltensweisen und in IQ Tests gemessener Intelligenz in Frage wie sie zum Beispiel in The Bell Curve von Charles Murray beschrieben wird Lewontin identifizierte sich als Marxist und Atheist 11 12 Einige Akademiker kritisierten Lewontin fur seine Ablehnung der Soziobiologie und schreiben diese seinen politischen Ansichten zu Andere wie Kitcher 1985 erwiderten dass Lewontins Kritik auf Sorgen um die Disziplin beruht Steven Pinker 2002 meint dass Lewontin eine Strohmann Version der Soziobiologie oder ihrer modernen Inkarnation als Evolutionare Psychologie angreift und somit das Ziel verfehlt Lewontins genetische Begrundung der Ablehnung des Rassekonzepts beim Menschen 1972 wurde 2003 von dem Genetiker und Statistiker A W F Edwards fachlich und moralisch kritisiert 13 Gleichnis von den zwei Feldern Bearbeiten nbsp Erblichkeitsschatzungen innerhalb einer Gruppe durfen nicht zur Interpretation von Gruppenunterschieden herangezogen werden 14 Um zu erlautern warum in sich methodisch korrekte Messungen der Heritabilitat Erblichkeit innerhalb einer Gruppe wertlos sind wenn man zwei unterschiedliche Gruppen vergleichen will fuhrte Lewontin das vielfach zitierte Gleichnis von den zwei Feldern ein 15 Man stelle sich vor man habe einen Sack voll Weizenkorner Man teile diesen Sack rein zufallig in zwei Halften Die eine Halfte sae man auf einem fruchtbaren Boden den man gut wassert und dungt Die andere Halfte werfe man auf einen kargen Acker Wenn man nun das erste Feld betrachtet wird einem auffallen dass die Weizenahren verschieden gross sind Man wird dies auf die Gene zuruckfuhren konnen denn die Umwelt war fur alle Ahren gleich Wenn man das zweite Feld betrachtet wird man die Variation innerhalb des Feldes auch auf die Gene zuruckfuhren konnen Doch es wird auch auffallig sein dass es grosse Unterschiede zwischen dem ersten Feld und dem zweiten Feld gibt Auf dem ersten Feld sind die Unterschiede zu 100 genetisch auf dem zweiten Feld sind die Unterschiede zu 100 genetisch doch das heisst nicht dass die Unterschiede von Feld 1 und Feld 2 auch genetisch sind Analog betrachtet Lewontin das Verhaltnis sozialer Schichten Laut Lewontin konnten die IQ Unterschiede innerhalb einer Schicht zu einem gewissen Prozentsatz genetisch sein doch dies wurde nicht zur Folge haben dass die Unterschiede zwischen zwei Schichten auch genetisch sein mussten Weitere Interessengebiete BearbeitenLewontin befasste sich auch mit der Okonomie der industriellen Landwirtschaft Er war der Auffassung dass hybrides Getreide nicht wegen seiner besseren Qualitat entwickelt und propagiert wurde sondern weil es den Firmen erlaubte die Bauern jahrlich zum Kauf von neuem Saatgut zwingen statt Samen aus der vorherigen Ernte zu pflanzen Er sagte in einem erfolglosen Prozess in Kalifornien aus der sich gegen die staatliche Finanzierung der Forschung zur Entwicklung von automatischen Tomatenerntern wandte die den Profit der industriellen Landwirtschaft gegenuber der Anstellung von Farmarbeitern bevorzugte Werke BearbeitenIs Nature Probable or Capricious In Bio Science Vol 16 1966 S 25 27 The Units of Selection In Annual Reviews of Ecology and Systematics Vol 1 1970 S 1 18 The Apportionment of Human Diversity In Evolutionary Biology Vol 6 1972 S 391 398 The Genetic Basis of Evolutionary Change Columbia University Press 1974 ISBN 0 231 03392 3 Adattamento In Enciclopedia Einnaudi Vol 1 1977 S 198 214 Adaptation In Scientific American Vol 239 1978 S 212 228 The spandrels of San Marco and the Panglossion paradigm a critique of the adaptationist programme In Proc R Soc Lond B 205 1979 S 581 598 mit S J Gould Human Diversity 2nd ed Scientific American Library 1995 ISBN 0 7167 6013 4 deutschsprachige Ausgabe Menschen Genetische kulturelle und soziale Gemeinsamkeiten Spektrum der Wissenschaft Heidelberg 1986 ISBN 978 3 922508 80 9 The Organism as Subject and Object of Evolution In Scientia Vol 188 1983 S 65 82 Not in Our Genes Biology Ideology and Human Nature 1984 ISBN 0 394 72888 2 mit Steven Rose und Leon J Kamin deutschsprachige Ausgabe Die Gene sind es nicht Biologie Ideologie und menschliche Natur Psychologie Verlags Union Munchen Weinheim 1987 ISBN 978 3 621 27036 6 The Dialectical Biologist Harvard University Press 1985 ISBN 0 674 20283 X mit Richard Levins Biology as Ideology The Doctrine of DNA 1991 ISBN 0 06 097519 9 The Triple Helix Gene Organism and Environment Harvard University Press 2000 ISBN 0 674 00159 1 deutschsprachige Ausgabe Die Dreifachhelix Gen Organismus und Umwelt Springer Berlin u a 2002 ISBN 978 3 642 62802 3 Literatur BearbeitenPhilip Kitcher Vaulting Ambition Sociobiology and the Quest for Human Nature MIT Press 1985 ISBN 0 262 11109 8 Steven Pinker The Blank Slate The Modern Denial of Human Nature Penguin New York 2002 ISBN 0 670 03151 8 Rama S Singh Costas Krimbas Diane Paul John Beattie Thinking about Evolution Cambridge University Press 2001 eine zweibandige Festschrift fur Lewontin mit vollstandiger Bibliographie Edward O Wilson Science and ideology In Academic Questions 8 1995 download Weblinks BearbeitenInterview in Berkeley 2003 Profil und Bibliographie Hitchcock Vorlesung Gene Organism and Environment Bad Metaphors and Good Biology RealAudio Stream bei UCTV Hitchcock Vorlesung The Concept of Race The Confusion of Social and Biological Reality RealAudio Stream bei UCTV Belege Bearbeiten Jerry Coyne Dick Lewontin 1929 2021 In Why Evolution Is True 5 Juli 2021 abgerufen am 5 Juli 2021 Michael R Dietrich Richard C Lewontin 1929 2021 In Nature Band 595 2021 S 489 doi 10 1038 d41586 021 01936 6 Andrew Berry Dmitri A Petrov Richard C Lewontin 1929 2021 In Science Band 373 Nr 6556 2021 S 745 doi 10 1126 science abl5430 Rasmus Nielsen 2009 Adaptionism 30 years after Gould and Lewontin Evolution 63 10 2487 2490 doi 10 1111 j 1558 5646 2009 00799 x Massimo Pigliucci and Jonathan Kaplan 2000 The fall and rise of Dr Pangloss adaptationism and the Spandrels paper 20 years later TREE Trends in Ecology and Evolution 15 2 66 70 Steven Hecht Orzack amp Patrick Forber Adaptationism Stanford Encyclopedia of Philosophy First published 22 Juli 2010 Andre Ariew R C Lewontin 2004 The Confusions of Fitness British Journal for the Philosophy of Science 55 2 347 363 doi 10 1093 bjps 55 2 347 Allen E et al 1975 Against Sociobiology The New York Review of Books November 13 Catherine Driscoll Sociobiology The Stanford Encyclopedia of Philosophy First published 11 November 2013 substantive revision 16 Januar 2018 Ullica Segerstrale 1986 Colleagues in Conflict An In Vivo Analysis of the Sociobiology Controversy Biology and Philosophy 1 53 87 Vgl Wilson 1995 https www tagesspiegel de wissen nachruf auf richard lewontin brillant wegbereitend und unangepasst 27396524 html A W F Edwards Lewontin s Fallacy How Heritability Misleads about Race The Boston Review XX no 6 January 1996 S 30 35 1 Richard C Lewontin 1970 Race and Intelligence Bulletin of the Atomic Scientists 26 3 2 8 doi 10 1080 00963402 1970 11457774Normdaten Person GND 12215293X lobid OGND AKS LCCN n78078742 NDL 00720380 VIAF 108722003 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lewontin RichardALTERNATIVNAMEN Lewontin Richard Charles vollstandiger Name Lewontin Dick Spitzname KURZBESCHREIBUNG US amerikanischer Evolutionsbiologe und GenetikerGEBURTSDATUM 29 Marz 1929GEBURTSORT New York City USASTERBEDATUM 4 Juli 2021STERBEORT Cambridge Massachusetts USA Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Richard Lewontin amp oldid 216135067