www.wikidata.de-de.nina.az
Teleonomie von altgriechisch telos telos deutsch Zweck Ziel Ende auf ein Ziel hin strebend und nomos nomos deutsch Gesetz siehe auch nomie bezeichnet in der Biophilosophie eine kausalanalytische Erklarungsweise fur einen zielgerichtet scheinenden Vorgang Der Begriff wurde von Colin Pittendrigh in Behavior and Evolution 1958 gepragt Als teleonomisch werden Prozesse bezeichnet die allein aus ihren Komponenten und Strukturen erklart werden Sie bedurfen dadurch keiner Zusatzannahmen uber mogliche externe teleologische oder intentionale Einflusse Dies unterscheidet das Konzept der Teleonomie von dem der Teleologie bzw der Entelechie Inhaltsverzeichnis 1 Die Entwicklung des Begriffs 2 Durchsetzung 3 Erklarung 4 Panteleonomie und Hemiteleonomie 5 Beispiele fur Hemiteleonomie 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDie Entwicklung des Begriffs BearbeitenNoch im 20 Jahrhundert war durch die von Hans Driesch begrundete Form des Vitalismus Neovitalismus mit der darin enthaltenen Lehre von der materiellen Wirksamkeit immaterieller teleologischer Faktoren denen er unter Berufung auf Aristoteles den Namen Entelechie gab 1 eine teleologische Denkform in die Biologie eingefuhrt worden was als ein hinter Kants Kritik der Urteilskraft 2 zuruckfallender Verstoss gegen die Prinzipien der Naturwissenschaft galt Daruber war es zu einem heftigen Vitalismus Mechanismus Streit gekommen dessen Abflauen und Erloschen in den spaten 1940er und 50er Jahren eine Entkrampfung und Erlosung fur alle theoretisch interessierten Biologen wie Otto Koehler 3 und Konrad Lorenz 4 brachte die die komplementaren Einseitigkeiten und Denkfehler beider streitenden Parteien aufzeigten 5 Man erkannte nun dass die Finalitat der Lebenserscheinungen auf einer speziellen Form der Kausalitat beruht z B auf Regelprozessen und dass deren Verstandnis die Anerkennung der Finalitat nicht aufhebt sondern untermauert 6 Zu dieser geistigen Entwicklung passte nun die Pragung des neuen Begriffs der Teleonomie 7 Durchsetzung BearbeitenMit diesem Ausdruck als Alternativbegriff zur Teleologie konnen seitdem Biologen einen biologischen Tatbestand rein deskriptiv als zweckdienlich oder zielgerichtet kennzeichnen ohne damit zugleich eine Hypothese uber die Herkunft der Zweckdienlichkeit auszusprechen z B eine transzendente Erklarung in einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang hinein zu legen 8 was ausserhalb des Bereichs der empirischen Forschung lage 9 Manche Forscher vermeiden allerdings den Ausdruck teleonom isch und benutzen stattdessen andere gleichbedeutende Vokabeln Sie sprechen vom biologischen Sinn von der biologischen Bedeutung oder auch von der funktionellen oder funktionalen Erklarung eines biologischen Tatbestandes wobei Funktion im biologischen Sinn bedeutet zur Aufrechterhaltung eines als Ganzheit betrachteten Systems geleisteter Beitrag 10 Doch faktisch verwarf die Biologie fur ihren Wissenschaftsbereich den Begriff der Teleologie zugunsten dessen der Teleonomie 11 und bereitete den Weg dafur den begrifflichen Unterschied zwischen Teleologie und Teleonomie auch in die Philosophie zu ubernehmen Erklarung BearbeitenMit dem Aufkommen der Biologischen Kybernetik seit den 50er Jahren hat sich der Regelprozess als Denkmodell bei den Biologen durchgesetzt Sie konnten nun auf immaterielle ganzmachende Faktoren verzichten nachdem die Kybernetik zumindest theoretisch materiell funktionierende ganzmachende Prozesse beliebigen Differenzierungsgrades anbot 12 Obgleich die Kybernetik im Bereich der Technik entstand hat sie den fur die Biologie wesensbestimmenden Begriff der Ganzheit zu rehabilitieren geholfen und den Widerspruch zwischen Kausalitat und Finalitat fur den Bereich der Biologie aufgehoben 13 Panteleonomie und Hemiteleonomie BearbeitenDie Differenz zwischen Teleologie und Teleonomie wird vor allem deutlich bei den biologischen Systemen bei denen wir zumeist keinerlei Absichten oder Zweckvorstellungen voraussetzen konnen bei Pflanzen und innerhalb eines Organismus Organfunktionen Zellen genetisches Material Aus logischer Sicht unterscheiden Bunge und Mahner deshalb graduell zwischen zwei Formen der biologischen Teleonomie der eben charakterisierten Panteleonomie die bedeute dass alle Biosysteme teleonomisch seien und der Hemiteleonomie die auf jene bestimmten Lebewesen beschrankt ist die Ziele verfolgen Plane schmieden und Absichten haben konnen was dadurch zu erklaren sei dass Lernen und Erwartung als spezifische Aktivitaten bestimmter neuronaler Systeme betrachtet werden ohne die Existenz eines immateriellen Geistes oder einer Seele vorauszusetzen 14 Beispiele fur Hemiteleonomie BearbeitenBeispielsweise scheint ein Tier das seine Jungen versorgt obwohl es sich selbst durch die Abgabe von Futter bzw Muttermilch korperlich schwacht das Ziel zu verfolgen den Fortbestand seiner Gene und seiner Art zu erhalten Teleonomisch wird dieses Verhalten allerdings durch angeborene Verhaltensweisen erklart die sich im Verlauf der Stammesgeschichte entwickelt haben weil Individuen mit diesem Verhalten eine hohere Wahrscheinlichkeit hatten sich erfolgreich fortzupflanzen und die Gene fur diese Instinkte sich damit gegen andere Gene durchsetzten Der alljahrliche Vogelzug beruht auf Verhalten das sich stammesgeschichtlich herausgebildet hat und ermoglicht den Zugvogeln das Uberleben der Jahreszeiten Das gilt auch fur den Kuckuck wobei die Jungvogel ohne Kontakt zu ihren leiblichen Eltern aufwachsen und dennoch im Herbst nach Suden ziehen Bienen und Wespen errichten ihren Bau aus regelmassig sechskantigen Waben was optimal hinsichtlich Material und Raumbedarf sowie Stabilitat ist Beim Kuckuck gibt es wirtsspezifische weibliche Linien 15 Die Anpassung der Farbung der Kuckuckseier an den jeweiligen Wirtsvogel geschieht indem die Pigmentierung der Eierschalen in ihrer chemischen Zusammensetzung Biliverdin und Protoporphyrin in unterschiedlichen Anteilen vom Kuckuck repliziert wird 16 Die Anpassung wird durch die starke Bevorzugung bestimmter Wirtsvogelarten durch die weiblichen Kuckucke aufrechterhalten 17 Wie es dem Kuckuckweibchen moglich ist die gelegten Eier auf das Gelege abzustimmen wurde im Fall der blaulichen Eier geklart Die Weibchen besitzen auf ihren W Geschlechtschromosomen wie bei anderen Vogeln besitzen Weibchen ZW Chromosomen Mannchen ZZ Chromosomen sowohl die Praferenz fur eine bestimmte Wirtsvogelart z B den Gartenrotschwanz mit blaulichem Gelege sowie die Farbung blaulich und Musterung uniform des Eies 18 Literatur BearbeitenBernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 60 71 online Bernward Grunewald Teleonomie und reflektierende Urteilskraft In Wahrheit und Geltung Festschrift fur Werner Flach hrsg v R Hiltscher u A Riebel Wurzburg 1996 S 63 84 Immanuel Kant Kritik der Urteilskraft Ausgabe der Preussischen Akademie der Wissenschaften Berlin 1900 ff AA V Wolfgang Kullmann Die Teleologie in der aristotelischen Biologie Aristoteles als Zoologe Embryologe und Genetiker Universitatsverlag C Winter Heidelberg 1979 Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch historische Klasse 1979 2 Abhdl Konrad Lorenz Ganzheit und Teil in der tierischen und menschlichen Gemeinschaft Eine methodologische Erorterung Studium Generale 3 455 499 1950 Konrad Lorenz Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen der Ethologie Springer Wien New York 1978 Ernst Mayr Teleological and teleonomic a new analysis Boston Studies in the Philosophy of Science 14 91 117 1974 leicht verandert neu erschienen unter der Uberschrift Teleologisch und teleonomisch eine neue Analyse als Kap 11 des Buches desselben Autors Evolution und die Vielfalt des Lebens Springer Berlin Heidelberg New York 1979 Jacques Monod Zufall und Notwendigkeit Philosophische Fragen der modernen Biologie Ubers Friedrich Griese Piper Munchen 1971 ISBN 3 492 22290 0 spater dtv TB Colin Pittendrigh Adaptation natural selection and behavior In Roe A and Simpson G G eds Behavior and evolution Yale University Press New Haven 1958 S 394 Einzelnachweise Bearbeiten Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 60 f I Kant Kritik der Urteilskraft bes 75 Ausgabe der Preussischen Akademie der Wissenschaften Berlin 1900 ff AA V 397 401 Otto Koehler Die Ganzheitsbetrachtung in der modernen Biologie 1933 Konrad Lorenz Ganzheit und Teil in der tierischen und menschlichen Gemeinschaft 1950 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 62 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 62 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 63 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 60 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 63 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 63 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 63 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 63 Bernhard Hassenstein Biologische Teleonomie In Rudiger Bubner Konrad Cramer Reiner Wiehl Hrsg Teleologie neue hefte fur philosophie Band 20 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1981 S 64 Martin Mahner Mario Bunge Philosophische Grundlagen Der Biologie Springer 2000 ISBN 354067649X S 351 H L Gibbs M D Sorenson K Marchetti M D Brooke N B Davies H Nakamura Genetic evidence for female host specific races of the common cuckoo In Nature Band 407 Nummer 6801 September 2000 ISSN 0028 0836 S 183 186 doi 10 1038 35025058 PMID 11001055 Branislav Igic et al A shared chemical basis of avian host parasite egg colour mimicry In Proc R Soc B 279 2012 S 1068 1076 doi 10 1098 rspb 2011 1718 Jesus M Aviles Anders P Moller How is host egg mimicry maintained in the cuckoo Cuculus canorus In Biological Journal of the Linnean Society 82 2004 S 57 68 doi 10 1111 j 1095 8312 2004 00311 x Frode Fossoy Michael D Sorenson Wei Liang Torbjorn Ekrem Arne Moksnes Anders P Moller Jarkko Rutila Eivin Roskaft Fugo Takasu Canchao Yang Bard G Stokke Ancient origin and maternal inheritance of blue cuckoo eggs In Nature Communications Band 7 Artikel Nummer 10272 12 Januar 2016 doi 10 1038 ncomms10272 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Teleonomie amp oldid 193671828