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Die Kritik der Urteilskraft KdU ist Immanuel Kants drittes Hauptwerk nach der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft erschienen 1790 im Verlag Lagarde und Friedrich in Berlin und Libau Sie enthalt in einem ersten Teil Kants Asthetik Lehre vom asthetischen Urteil und im zweiten Teil die Teleologie Lehre von der Auslegung der Natur mittels Zweckkategorien Immanuel Kant Inhaltsverzeichnis 1 Stellung im Werk 2 Inhalt 2 1 Geschmack 2 2 Subjektive Allgemeinheit 2 3 Das Schone und das Erhabene 2 4 Das Genie 3 Wirkung 3 1 Hegel 3 2 Aktuelle Rezeption 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseStellung im Werk BearbeitenKants Absicht in den Einleitungen zur KdU umfangreich dargelegt bestand darin in dieser dritten Kritik die Vermittlung zwischen Natur Gegenstand der theoretischen Vernunft und Freiheit Gegenstand der praktischen Vernunft zu leisten und so das Gebaude der kritischen Philosophie zu vollenden Dieser Gedanke der Vollendung der Kant schen Systemarchitektur findet heute ausserhalb der Spezialforschung nur geringen Widerhall Die dritte Kritik ist mit den zwei vorhergehenden Werken der Vernunftkritik eng verbunden Fur Kant zerfiel die Philosophie danach zunachst in zwei Bereiche einen theoretischen der reinen Vernunft und einen praktischen Ethik Rechts und Religionsphilosophie Damit die sinnliche und die moralische Welt Natur und Freiheit nicht unvermittelt unversohnlich nebeneinanderstehen bedarf es einer Vermittlungsinstanz die Kluft zu uberwinden einer Brucke zwischen Sinnlichkeit und Moral denn die Freiheit will praktisch werden soll sich in der Sinnenwelt entfalten Diese Vermittlung ist fur Kant die Urteilskraft die das Besondere im Allgemeinen erkennt 1 Mit der dritten Kritik soll nicht nur zwischen Natur und Freiheit vermittelt werden sondern sie versucht auch Phanomene wie das Schone in Natur und Kunst das Genie das Organische und die systematische Einheit der Natur mit Hilfe eines Konzepts der Urteilskraft zu klaren Die Urteilskraft hat zwei Formen Eine bestimmende und eine reflektierende Die bestimmende Urteilskraft subsumiert etwas Besonderes unter ein gegebenes Gesetz bzw Regel wahrend die reflektierende zum gegebenen Besonderen das Allgemeine finden soll A 24 Fur Kant ist die Zweckmassigkeit der zentrale Begriff der die Leistung der reflektierenden Urteilskraft und ihre Vermittlung zwischen Natur und Freiheit bezeichnet Wird etwas als zweckmassig angesehen betrachtet man die Phanomene als Ganzes und geht von einem Zweck des Ganzen aus Dabei ist die Zweckmassigkeit der Natur fur Kant die a priori angenommene Erwartung die Natur strukturiert und nicht chaotisch vorzufinden Gesamte Vermogen des Gemuts Erkenntnisvermogen Prinzipien a priori Anwendung aufErkenntnisvermogen Verstand Gesetzmassigkeit NaturGefuhl der Lust und Unlust Urteilskraft Zweckmassigkeit KunstBegehrungsvermogen Vernunft Endzweck FreiheitStellung der Urteilskraft im System der drei Kritiken Tabelle aus der Kritik der Urteilskraft KdU S 110 bzw S 274 2 Inhalt BearbeitenIm ersten Teil analysiert Kant zunachst die Besonderheit von Geschmacksurteilen Sie sind a asthetisch nicht logisch b interesselos c arbeiten ohne Begriffe und Zweckvorstellungen und beanspruchen eine besondere Form der Allgemeingultigkeit Geschmack Bearbeiten In seiner kritischen Begrundung der Asthetik untersucht Kant den Geltungsanspruch asthetischer Urteile Wer zu asthetischen Urteilen uber das Schone fahig sei beweise Geschmack Geschmacksurteile sind subjektiv und empirisch auf einen Einzelfall eine Landschaft ein Kunstwerk bezogen Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil mithin nicht logisch sondern asthetisch worunter man dasjenige versteht dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann 3 Subjektive Allgemeinheit Bearbeiten Obwohl Geschmacksurteile nicht beweisbar sind beanspruchen sie allgemein zustimmungsfahig zu sein richten sich also auf eine Allgemeingultigkeit und sind entsprechend formuliert Das Bild ist schon nicht Das Bild ist fur mich schon Sie beanspruchen Allgemeingultigkeit insofern sie das Wohlgefallen an einem Gegenstande jedermann ansinne n 4 Im Gegensatz zu wissenschaftlichen und moralischen Aussagen haben asthetische Urteile fur Kant keine objektive sondern eine subjektive Allgemeinheit Wie in den vorhergehenden kritischen Werken nimmt Kant hier eine Mittelstellung zwischen rationalistischen und sensualistischen Positionen ein Von der Asthetik Alexander Gottlieb Baumgartens der in Geschmacksurteilen eine niedere Form des Erkennens sah grenzt er sich ebenso ab wie von Edmund Burke der diese auf ein blosses Gefuhl zuruckfuhrte Das Schone und das Erhabene Bearbeiten Kant unterscheidet im analytischen Teil der KdU welcher sich der Asthetik widmet zwischen dem Schonen und dem Erhabenen Beide gliedern sich wiederum in freie Schonheit und anhangende Schonheit beziehungsweise das mathematisch Erhabene und das dynamisch Erhabene In grober Gegenuberstellung lassen sich die folgenden Unterscheidungen treffen Das Schone Das ErhabeneBegrenztheit der Formen Unbegrenztheit fur die Idee der Vernunft Qualitat QuantitatGefuhl der Beforderung des Lebens Gefuhl der Hemmung des Lebens und anschliessender Ergiessung des LebensCharakter spielerisch Charakter ernsthaftin Form und Anschauung allein gegeben erfordert eine gewisse GemutslageDas Genie Bearbeiten Mit seiner Lehre des Genies erganzt Kant seine Lehre vom asthetischen Urteil um eine Theorie der schonen Kunst Er folgt in seiner Theorie der Kunstpraxis nicht mehr dem alten Nachahmungsprinzip Mimesis wie es z B noch von Baumgarten vertreten wurde sondern legt den schopferischen Prozess ins Subjekt Allerdings heisst dies noch nicht dass von nun ab der Mensch gleichsam aus sich heraus die Gegenstande der Kunst hervorbringe Vielmehr ist das Genie mit einer Naturbegabung versehen welche ihm eine grosse Einbildungskraft und Originalitat verleiht Das Genie ist kein gesellschaftliches Wesen sondern vielmehr ein Naturwesen welches in der Gesellschaft lebt So gibt Kants Ansicht nach die Natur vermittels des Genies der Kunst ihre Regeln Schneider S 51 5 Das Moment des Genialen ist fur Kant zwar eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung der Moglichkeit schoner Kunst Der Kunstler ist nicht blosses Organ der Natur sein Tun ist Hervorbringung durch Freiheit und schliesst eine kunstliche Komponente ein Diese kommt dadurch zu ihrem Recht dass Kant als zweite produktionsasthetische Komponente den Geschmack einfuhrt der die Vermittlung von Einbildungskraft und Verstand leiste Wirkung BearbeitenHegel Bearbeiten Betreffend Kants Analytik der Teleologie Bezeichnend ist zum einen dass Kant in der Kritik der Urteilskraft eine scharfe Trennung zwischen objektiven Erkenntnissen und subjektiven Urteilen einfuhrt so konnen uns nur die in der Kritik der reinen Vernunft ausgemachten Verstandesbegriffe objektive Erkenntnisse verschaffen hingegen die Urteilskraft an die Vorstellung eines Zwecks geknupft ist Zweck jedoch ist so Kant kein objektives Urteil welches den Dingen zukomme sondern lediglich eine von der Urteilskraft in die Dinge gelegte Eigenschaft bezuglich der Vorstellung einer Endursache sagt Kant Wir legen sagt man Endursachen in die Dinge hinein und heben sie nicht gleichsam aus ihrer Wahrnehmung heraus KdU S 33 bzw S 194 2 Von Hegel und anderen Zeitgenossen Kants wurde dies keineswegs als unproblematisch angesehen da sich bei der Beobachtung eines Organismus also z B eines Tieres ihrer Ansicht nach sehr wohl ein objektiver Zweck dieses Organismus feststellen liesse also das Tier seinen Zweck tatsachlich in sich selbst habe Hingegen erschien es ihnen unplausibel anzunehmen dass diese doch so offensichtliche Tatsache eine bloss nutzliche Funktion unserer Urteilskraft sei Aus diesem Problemfeld heraus sollte dann auch spater Hegel seine Dialektik entwickeln welche zum Anspruch hat dieses Problem zu vermeiden Zwar kommen fur Hegel noch andere Motive hinzu jedoch ist ein historischer Anknupfungspunkt in diesem Fall plausibel Um die oben beschriebenen Ungereimtheiten zu vermeiden identifiziert Hegel die Zweckmassigkeit mit dem Organismus Statt Organismus konnte man auch sagen Begriff denn ein Begriff kommt nach Hegel nur Organismen zu Hierzu koppelt Hegel an die von Kant in der KdU eingefuhrte Vorstellung eines intuitiven Verstandes an dieser kann seine Gegenstande anschaulich auffassen ist also nicht auf begriffliche Operationen angewiesen und erkennt somit anschaulich die Struktur des Organismus Fur Hegel hat so zwar Kant Mit dem Begriffe von der inneren Zweckmassigkeit die Idee uberhaupt und insbesondere die des Lebens wiedererweckt jedoch da er ihr keinen objektiven Gehalt zubilligte ihr Potential nicht ausgeschopft Hingegen behauptet Hegel dass man nur das als wirklich oder in Wahrheit seiend ansehen kann zu dem es einen Begriff gibt und das nur das einen Begriff hat was nach dem Muster eines Organismus gedeutet werden kann Emundts Horstmann S 72 6 Aktuelle Rezeption Bearbeiten Kants Analyse des Asthetischen erregt bis heute grosses Interesse und ist vielfach auch fur das Verstehen moderner Kunst fruchtbar gemacht worden Zu ihr gehoren die Aspekte das Schone als interesseloses Wohlgefallen ohne begriffliche Aneignung des Gegenstandes aufzufassen der paradoxe Status des Geschmacksurteils als subjektiv und verallgemeinerbar die asthetische Erfahrung als freies Spiel der Erkenntnisvermogen Sinnlichkeit und Verstand die Analyse des ErhabenenLiteratur BearbeitenSophie Forst Ideale Gemeinschaft oder Fesseln der Tradition Immanuel Kants Konzeption der Urteilskraft und ihre Kritik durch die Hermeneutik In Limina Natur Politik Verhandlungen von Grenz und Schwellenphanomenen in der Vormoderne Hrg Annika von Lupke Tabea Strohschneider und Oliver Bach Berlin Boston De Gruyter Verlag 2019 S 357 374 Kritik der Urteilskraft Schriften zur Asthetik und Naturphilosophie Text und Kommentar Immanuel Kant Herausgegeben von Manfred Frank und Veronique Zanetti Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt Main 2009 ISBN 978 3 618 68037 6 Otfried Hoffe Hrsg Immanuel Kant Kritik der Urteilskraft Akademie Verlag Berlin 2008 ISBN 978 3 05 004342 5 Jens Kulenkampff Kants Logik des asthetischen Urteils Klostermann Frankfurt am Main 1994 2 ISBN 978 3 465 02646 4 Werner Moskopp Struktur und Dynamik in Kants Kritiken Kantstudien Erganzungshefte De Gruyter Berlin 2009 ISBN 978 3 11 021232 7 Birgit Recki Asthetik der Sitten Die Affinitat von asthetischem Gefuhl und praktischer Vernunft Klostermann Frankfurt am Main 2001 ISBN 978 3 465 03150 5 Jean Francois Lyotard Analytik des Erhabenen Kant Lektionen Fink Munchen 1994 ISBN 3 7705 2885 9 Dieter Teichert Immanuel Kant Kritik der Urteilskraft Ein einfuhrender Kommentar Verlag Ferdinand Schoningh Paderborn 1992 ISBN 3 8252 1716 7 Wolfgang Wieland Urteil und Gefuhl Kants Theorie der Urteilskraft Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2001 ISBN 3 525 30137 5 bzw 30136 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiquote Kritik der Urteilskraft Zitate TextausgabenImmanuel Kant Kritik der Urteilskraft im Projekt Gutenberg DE Text nach der AkademieausgabeSekundarliteraturEintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Vorlage SEP Wartung Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3 Douglas Burnham Immanuel Kant Theory of Aesthetics and Teleology The Critique of Judgment In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Einzelnachweise Bearbeiten Otfried Hoffe Immanuel Kant S 260 Die philosophische Asthetik und die Philosophie des Organischen Beck Munchen 1988 a b KdU Suhrkamp TB 2005 bzw Band X der Theorie Werkausgabe Hrsg W Weischedel Immanuel Kant Kritik der Urteilskraft S 279 Analytik der asthetischen Urteilskraft 1 Das Geschmacksurteil ist asthetisch Werke in sechs Banden Band 5 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1983 Immanuel Kant Kritik der Urteilskraft S 291 Analytik der asthetischen Urteilskraft 8 Die Allgemeinheit des Wohlgefallens wird in einem Geschmacksurteile nur als subjektiv vorgestellt Werke in sechs Banden Band 5 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1983 Norbert Schneider Geschichte der Asthetik von der Aufklarung bis zur Postmoderne Reclam Stuttgart 2005 Dina Emundts Rolf Peter Horstmann G W F Hegel Eine Einfuhrung Reclam Stuttgart 2002 Werke Immanuel Kants Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels Von den Bewohnern der Gestirne Kritik der reinen Vernunft Prolegomena zu einer jeden kunftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten konnen Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltburgerlicher Absicht Beantwortung der Frage Was ist Aufklarung Grundlegung zur Metaphysik der Sitten Metaphysische Anfangsgrunde der Naturwissenschaft Kritik der praktischen Vernunft Kritik der Urteilskraft Die Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft Zum ewigen Frieden Die Metaphysik der Sitten Anthropologie in pragmatischer Hinsicht Normdaten Werk GND 4099257 3 lobid OGND AKS LCCN n95088686 VIAF 179329469 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