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Eine Ganerbenburg ist eine meist grossere Burganlage die gleichzeitig von mehreren Familien oder Familienzweigen bewohnt und verwaltet wurde Inhaltsverzeichnis 1 Ganerbenburgen und Ganerbschaften 2 Teilung von Burganlagen mittels Schiedsmauer 3 Rechtliche Grundlagen 4 Verbreitung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGanerbenburgen und Ganerbschaften Bearbeiten nbsp Eines der fruhesten belegbaren Beispiele einer Ganerbschaft die rekonstruierte Hohkonigsburg im Elsass nbsp Eine der grossten Burgruinen Frankens die Burg Altenstein bei Maroldsweisach nbsp Die Mehrfamilienburg Eltz an der Mosel nbsp Der Grundriss der frankischen Salzburg uber Bad NeustadtGanerbenburgen entstanden oft durch Erbteilungen Ganerbschaft Jeder Familienzweig erbaute sich meist ein eigenes Wohngebaude innerhalb einer gemeinsamen Ringmauer Manchmal wurden diese Wohnsitze zu regelrechten eigenstandigen Burgen innerhalb der Gemeinschaftsburg ausgebaut Der Begriff erscheint bereits im 9 Jahrhundert als geanervo worin die spater zusammengezogenen beiden Prafixe ge an Erbe noch gut erkennbar sind Da das Prafix ge heute nur noch fur Partizipien gebraucht ursprunglich v a Gemeinschaft oder Beteiligung vermittelte bezeichnet der Begriff somit die gemeinschaftlich an einer Erbschaft Teilhabenden mittellateinisch cohaeres Sg Ganerben erscheinen sowohl in Wolfram von Eschenbachs Versroman Parzival um 1200 als auch im Sachsenspiegel dem bedeutenden niederdeutschen Rechtskodex fr 13 Jh Erst im Verlaufe des Mittelalters engte sich der Begriff auf typischerweise adlige Burg und Herrschaftsgemeinschaften ein 1 Historisch belegbare Ganerbschaften erscheinen erstmals im 13 Jahrhundert im Elsass Hohkonigsburg 1255 mit Burg Nassau an der Lahn und vor 1268 mit der Burg Eltz Die Burgen grosser Feudalherren wurden oft von Anfang an als Ganerbenburgen geplant Jedem Burgmann oblag die Verwaltung und Verteidigung eines Burgabschnittes Dies hatte zum einen praktische Grunde zum anderen wollte der Hochadel die Machtfulle seiner Dienstmannen begrenzen Ein gutes Beispiel hierfur ist die frankische Salzburg bei Bad Neustadt an der Saale eine Lehensburg der Wurzburger Bischofe Andere Ganerbenburgen entstanden durch Erbvertrag wie Burg Eltz oder durch gemeinsame Eroberung eines befestigten Platzes den die Sieger unter sich aufteilten oder durch Verausserung von Burgteilen aus Geldnot oder Verpfandung eines Burgteiles Andere gewachsene Ganerbenburgen wurden manchmal mit Gewalt der Lehenshoheit machtigerer Feudalherren unterworfen Der Wurzburger Chronist Lorenz Fries benennt in seiner Bischofschronik gleich drei solcher Beispiele 1458 verweigerten etwa die Ganerben dem Bischof den Zugang zu ihrer Burg Steckelberg bei Schluchtern und versuchten die Befestigungsanlagen der Burg zu modernisieren Bischof Johann III von Grumbach konnte sich nach einer militarischen Auseinandersetzung schliesslich durchsetzen In der Fehde der Herren von Schauenburg mit Bernhard von Baden um die Schauenburg wiederum unterlag letzterer nach Belagerung vor Gericht Die machtige Reichsstadt Nurnberg musste ab 1478 trotz eines kaiserlichen Mandates dulden dass Pfalzgraf Otto II von Mosbach die uber Schnaittach gelegene Burg Rothenberg an eine Gemeinschaft aus 44 frankischen Rittern verkaufte Die Ritterschaft wollte hier offenbar ein starkes Bollwerk gegen die reiche burgerliche Konkurrenz errichten der man grundsatzlich misstraute Bezeichnenderweise war auch dem Hochadel das Miteigentum verwehrt unter den Ganerben wurden nur Mitglieder der wichtigsten frankischen Niederadelsfamilien geduldet Teilung von Burganlagen mittels Schiedsmauer BearbeitenIm Jahr 1434 gelangte die Burg Lauterstein in den Besitz der Freiberger Patrizierfamilie von Berbisdorf Die von Berbisdorf liessen 1497 die bisherige Herrschaft Lauterstein in Oberlauterstein und Niederlauterstein teilen also eine Erbteilung vornehmen Man teilte dabei auch die Burg Lauterstein indem man in dieser eine Schiedsmauer errichtete 2 Rechtliche Grundlagen BearbeitenEine rechtliche Voraussetzung zur Entstehung einer Ganerbschaft war die Belehnung zur gesamten Hand Alle Lehensnehmer befanden sich also gleichberechtigt im Besitz des Lehens als hantgemal Allen stand die gleiche Gewere am Erbe zu man fuhrte einen gemeinsamen Haushalt und bestimmte gegebenenfalls gemeinsame Amtleute und Richter Mit dem hantgemal waren besonders die gesellschaftlichen Privilegien und Standesvorrechte des Adels verbunden Eine Ganerbschaft sicherte allen Familienmitgliedern diesen Sonderstatus zu und verhinderte ihren gesellschaftlichen Abstieg Mit zunehmender Anzahl der Miterben wurden jedoch Besitzanteile und Rechte festgelegt und zugewiesen Nach aussen trat die Gemeinschaft allerdings weiterhin geschlossen auf die Teilung war also mehr ideeller Art Den Anteil jedes Erben nannte man Marzahl Die Anteile konnten hier unterschiedlich gross ausfallen Als Mutschierung fruher auch Mutscharung genannt 3 bezeichnete man eine Teilung der Nutzungsrechte als interne Abmachung Jeder Mitbesitzer konnte so eine eigene Wirtschaft fuhren der Gesamtverband blieb jedoch erhalten Die Gesamtbelehnung wurde in einigen Territorien bis in das 15 Jahrhundert hinein praktiziert danach handelte durchgehend ein Lehensmann als Gesamthander Andere Ganerbschaften wurden erst durch Burgfriedensvertrage begrundet etwa nach dem Ankauf oder der gewaltsamen Eroberung eines Besitzes Solche Vertrage konnten auch wieder aufgelost werden Die Ganerbschaft war ebenfalls beendet wenn es einem Vertragspartner gelang das gesamte Gut in seinen Besitz zu bringen Einigte man sich intern auf eine Realteilung des Gesamtbesitzes erlosch die Ganerbschaft meist weitgehend Diese Totteilung Watschar Watschierung ermoglichte jedem ehemaligen Teilhaber die uneingeschrankte Verfugung uber seinen Besitzanteil Er verlor aber im Gegenzug die Rechte am zuruckgebliebenen Gemeinschaftsgut Die Verteidigungsbereitschaft der Gesamtanlage musste allerdings weiterhin gewahrleistet sein Das oft nicht ganz reibungslose Zusammenleben der Bewohner wurde im sogenannten Burgfrieden geregelt Oft nutzten die Ganerben die zentralen Einrichtungen der Burgen gemeinsam etwa den Bergfried oder die Burgkapelle Die Gemeinschaft bestimmte meist einen der Burgmannen zum Baumeister und richtete eine Gemeinschaftskasse ein aus der notige Ausgaben zur Instandhaltung des Gesamtbesitzes finanziert wurden Ahnlich wie eine moderne Eigentumergemeinschaft versammelte man sich jahrlich zu einer Besprechung anstehender Probleme Der ursprungliche Zweck der Ganerbschaft der ungeteilte Erhalt eines Besitzes liess sich in der Praxis schon bald nicht mehr aufrechterhalten Ganerbenburgen hatten manchmal bis zu 50 in Einzelfallen uber 80 verschiedene Anteilseigner die naturlich nicht alle auf der Burg Platz fanden Im Falle einer Fehde musste der Angreifer genau darauf achten dass er nur den Burgteil seines Feindes belagerte und die Rechte der neutralen Miteigner nicht verletzte Viele Ganerbschaften wurden im Nachmittelalter in Fideikommisse uberfuhrt Ein Mitglied des Familienverbandes oder der Vertragsgemeinschaft war hier Inhaber des ungeteilten und unverausserlichen Gesamtbesitzes seine Verfugungsgewalt jedoch stark eingeschrankt Verbreitung Bearbeiten nbsp Die funf Burgsitze der Oberstadt von Chauvigny nbsp Die Tours de Merle im LimousinGanerbenburgen finden sich hauptsachlich in Mitteleuropa In den territorial am starksten zersplitterten Gebieten Franken Hessen dem Rheintal und Schwaben entstanden die meisten Ganerbenburgen In Baden Wurttemberg und dem Elsass war die Ganerbschaft ebenfalls stark verbreitet In den Gebieten in denen die Gesamtbelehnung bzw gesamte Hand wie zum Beispiel Schlesien Mecklenburg Holstein unublich war lassen sich keine Ganerbschaften nachweisen In Frankreich und England hingegen waren die grossen Burganlagen in der Regel in den Handen einzelner machtiger Feudalherren Dies liegt vor allem an der von dortigen Verhaltnissen verschiedenen Entwicklung des Lehnswesens in diesen Landern Einige Beispiele grosser Mehrfamilienburgen haben sich vor allem in Sudfrankreich und dem Zentralmassiv erhalten An erster Stelle sind hier die Tours de Merle Saint Geniez o Merle Departement Correze zu nennen Ebenfalls im Limousin liegt die kleinere Burg Chateau de Saint Hilaire et des Plas von Curemonte Aber auch in Nord und Zentralfrankreich entstanden durch Besitzteilung einige sehr grosse Burganlagen wie etwa die riesige Burg Chauvigny Departement Vienne Bekanntestes Beispiel einer mitteleuropaischen Ganerbenburg ist die Burg Eltz an der Mosel Hier errichteten die drei Linien drei getrennte Wohnturme nutzten aber den Rittersaal und die Kapelle gemeinsam Burg Vetzberg bei Giessen war im 14 Jahrhundert im Besitz von 34 Ganerben 4 Weitere Beispiele sind die Burg Lichtenstein die Burg Altenstein und das Schloss Sternberg in Unterfranken die Burg Wallenburg im Thuringer Wald die Burg Windeck bei Buhl in Baden die Burg Salzburg in Bad Neustadt an der Saale die Burg Liebenstein am Rhein die Burg Leonrod in Dietenhofen und die Burg Lindheim in der Wetterau Literatur BearbeitenKarl Friedrich Alsdorf Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung deutscher Ganerbenburgen Rechtshistorische Reihe Band 9 Dissertation an der Universitat Koln 1979 Lang Frankfurt am Main u a 1980 ISBN 3 8204 6408 5 Christoph Bachmann Ganerbenburgen In Deutsche Burgenvereinigung durch Horst Wolfgang Bohme Hrsg Burgen in Mitteleuropa Ein Handbuch Band 2 Geschichte und Burgenlandschaften Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1355 0 S 39 41 Henning Becker Familiensoziologische Untersuchungen hessischer Ganerbenfamilien des 14 bis 17 Jahrhunderts am Beispiel der Schenken zu Schweinsberg und der von Hatzfeld Dissertation Freie Universitat Berlin Berlin 1983 Helmut Flachenecker Die Salzburg eine Ganerbenburg als zentraler Ort In Heinrich Wagner Joachim Zeune Hrsg Das Salzburgbuch Stadt Bad Neustadt Bad Neustadt 2008 ISBN 978 3 939959 04 5 S 257 266 Jens Friedhoff Michael Losse Ganerbenburg In Horst Wolfgang Bohme Reinhard Friedrich Barbara Schock Werner Hrsg Worterbuch der Burgen Schlosser und Festungen Reclam Stuttgart 2004 ISBN 3 15 010547 1 S 135 136 doi 10 11588 arthistoricum 535 Joachim Zeune fur etlich ganerben etlicher schlosz Ganerbenburgen in Unterfranken In Schonere Heimat Erbe und Auftrag Band 89 2000 ISSN 0177 4492 S 83 90 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Ganerbenburg Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Deutsches Worterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm digitalisierte Fassung im Worterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities Version 01 23 lt https www woerterbuchnetz de DWB gt abgerufen am 27 September 2023 Hans und Doris Maresch Sachsens Schlosser und Burgen Husum Verlag 2004 ISBN 3 89876 159 2 Burgruine Lauterstein in Niederlauterstein Erzgebirge S 167 168 Schiedsmauer auf S 168 mutscharen In Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 9 Heft 7 8 bearbeitet von Heino Speer u a Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1995 ISBN 3 7400 0982 9 adw uni heidelberg de oder Mutscharung In Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 9 Heft 7 8 bearbeitet von Heino Speer u a Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1995 ISBN 3 7400 0982 9 adw uni heidelberg de Winfieed Dolderer Was ist eigentlich eine Ganerbenburg In Monumente 2021 Nr 6 S 19 Normdaten Sachbegriff GND 4155932 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ganerbenburg amp oldid 237687952